Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 21. November 2006
Aktenzeichen: 5 U 115/05

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 21.11.2006, Az.: 5 U 115/05)

Beschlüsse des Aufsichtsrats können bei wesentlichen Verfahrensfehlern und bei inhaltlichen Verstößen gegen Gesetz oder Satzung nichtig sein. Die Nichtigkeit kann durch gewöhnliche Feststellungsklage geltend gemacht werden, und zwar durch Mitglieder des Aufsichtsrats schon aufgrund ihrer Organstellung.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. Mai 2005 verkündeteUrteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurtam Main wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zutragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wirdnachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durchSicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteilsvollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vorder Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zuvollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Aktionärin der aus einer Verschmelzung zum Stichtag 01.01.2002 hervorgegangenen Beklagten.

Die Beklagte ist Konzerntochter der A KG aA (im folgenden: A) und ihrerseits Konzernmutter der B , O1 (im folgenden: B). Der B wurden von der A Mittel in Höhe von 24,5 Mio. € zur Verfügung gestellt, ob als Eigenkapital € so die Beklagte € oder €jedenfalls zunächst als Kreditmittel€ € so die Klägerin € ist streitig.

Mit der Klage hat die Klägerin in erster Linie die Nichtigkeit der Konzernabschlüsse der Beklagten per 31.12.2002 und 31.12.2003 wegen Unrichtigkeit im Hinblick auf das dort jeweils ausgewiesene Eigenkapital geltend gemacht, hilfsweise die Feststellung begehrt, dass die beiden Konzernabschlüsse unter Einschluss ihrer jeweiligen Anhänge kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns der Beklagten vermitteln, weil in jedem Falle die Kapitalrücklage in beiden Konzernabschlüssen um jeweils 24,5 Mio. € zu hoch ausgewiesen worden seien.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Unzulässigkeit von Haupt- und Hilfsantrag und im Übrigen geltend gemacht, die Konzernabschlüsse seien ordnungsgemäß erstellt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 138 bis 144 d. A.) Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage nach Haupt- und Hilfsantrag als unzulässig abgewiesen € auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen € und u. a. ausgeführt, die Nichtigkeit der Konzernabschlüsse könne nicht gemäß § 256 AktG festgestellt werden, mit dem Hilfsantrag - ob der Klägerin insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, hat das Landgericht offen gelassen - werde die Klärung einer Tatsachenfrage begehrt.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, die frühere Auffassung, Konzernabschlüsse entbehrten rechtsgeschäftlicher Grundlage, sei im Hinblick darauf überholt, dass in sogenannten €Geschäftsberichten€, die deutsche Aktiengesellschaften zur Unterrichtung der Aktionäre und der Öffentlichkeit jährlich erstellten, nur ihre Konzernabschlüsse überhaupt noch abgedruckt würden, die Neuregelung des § 171 Abs. 2 AktG regele nunmehr, dass der Aufsichtsrat sie in der genau gleichen Form zu prüfen und zu billigen habe, wie das hinsichtlich der eigentlichen Jahresabschlüsse schon immer der Fall gewesen sei.

Da der Konzernabschluss einer deutschen Aktiengesellschaft für die Öffentlichkeit und jeden einzelnen Aktionär das Informationsmedium schlechthin sei, in dem die Summe des wirklichen geschäftlichen Status der Gesellschaft auf den Stichtag des Konzernabschlusses gezogen werde, könne schwerlich richtig sein, dass es sich insoweit nicht um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO handeln solle.

Das Rechtsschutzinteresse für den weiteren Hilfsantrag sei im Hinblick darauf zu bejahen, dass der Konzernabschluss € und damit seine Billigung durch den Aufsichtsrat € mit seiner materiellen Richtigkeit nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die rechtlichen Interessen der Aktionäre der Konzernobergesellschaft (nur das Dividendeninteresse ausgenommen) entscheidend präge.

Die Klageerwiderung habe bestätigt, dass Kreditmittel in Höhe von 24,5 Mio. € für die Finanzierung der B aufgenommen und als solche auch an diese weitergereicht worden seien. Da im Falle der Veräußerung der Immobilie durch die B das angebliche Eigenkapital durch die B aufzulösen und der Auflösungsbetrag dem Verrechnungskonto der Konzernmutter der Beklagten gutzuschreiben gewesen sei, um bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Rückzahlung der an die B weitergereichten Fremdmittel der A zu gewährleisten, handele es sich um Fremdmittel, nicht um Eigenkapital (Beweis: Einholung eines Sachverständigengutachtens).

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31.05.2005 abzuändern,

2. festzustellen, dass die Konzernabschlüsse der Beklagten

per 31.12.2002, ausweisend einen Konzernbilanzsumme von 131.770.890 €, Kapitalrücklagen von 39.935.252 € sowie einen Konzernbilanzgewinn in Höhe von 37.449 €,

undper 31.12.2003, ausweisend einen Konzernbilanzsumme von 153.316.000 €, Kapitalrücklagen von 44.413.000 € sowie einen Konzernbilanzgewinn in Höhe von 380.000 €,nichtig sind,

2.a) hilfsweisefestzustellen, dass die Konzernabschlüsse der Beklagten

per 31.12.2002, ausweisend einen Konzernbilanzsumme von 131.770.890 €, Kapitalrücklagen von 39.935.252 € sowie einen Konzernbilanzgewinn in Höhe von 37.449 €,

undper 31.12.2003, ausweisend einen Konzernbilanzsumme von 153.316.000 €, Kapitalrücklagen von 44.413.000 € sowie einen Konzernbilanzgewinn in Höhe von 380.000 €,

unter Einschluss ihrer jeweiligen Anhänge kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns der Beklagten vermitteln, weil in jedem Falle die Kapitalrücklagen in beiden Konzernabschlüssen um jeweils 24,5 Millionen € zu hoch ausgewiesen worden sind,

2.b) weiter hilfsweisefestzustellen, dass der Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten, mit dem dieser den Konzernabschluss der Beklagten per 31.12.2003, ausweisend einen Konzernbilanzsumme von 153.316.000 €, Kapitalrücklagen von 44.413.000 € sowie einen Konzernbilanzgewinn in Höhe von 380.000 € , gebilligt hat,

nichtig ist.

2.c) äußerst hilfsweiseden Rechtsstreit zur Entscheidung über die Sachanträge zu vorstehend 2. und 2.a), b) an das Landgericht Frankfurt am Main zurück zu verweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, macht die Unzulässigkeit des Hilfsantrages zu 2. b) geltend, weil die diesbezügliche Klageänderung nicht sachdienlich sei und die Nichtigkeit eines Aufsichtsrats-Beschlusses der streitgegenständlichen Art von einem Aktionär nicht durch die allgemeine Feststellungsklage festgestellt werden könne, es fehle an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis, wie an dem erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse.

Wegen des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird ergänzend auf folgende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen: der Klägerin vom 29. August 2005 (Bl. 173 bis 183 d. A.), vom 31. Juli 2006 (Bl. 243 bis 250 d. A.) sowie vom 11. September 2006 (Bl. 270 bis 272 d. A), der Beklagten vom 27. Februar 2006 (Bl. 203 bis 242 d. A.), vom 1. September 2006 (Bl. 252 bis 269 d. A.) sowie vom 18. September 2006 (Bl. 280 bis 284 d. A)

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis nicht auf einer Rechtsverletzung, und nach § 529 ZPO zugrundezulegende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Zulässigkeit der Klage nach Haupt- und Hilfsantrag zu 2.a) zu Recht verneint, auch die Klage nach dem Hilfsantrag zu 2.b) ist nicht zulässig.

Die Nichtigkeit der Konzernabschlüsse der Beklagten per 31.12.2002 und per 31.12.2003 kann nicht im Wege der Klage gemäß § 256 AktG festgestellt werden.

In § 256 AktG, der die Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses regelt, wird der Konzernabschluss nicht erwähnt, eine entsprechende Anwendung der für den Jahresabschluss geltenden Bestimmungen ist weder möglich noch geboten.

Jahresabschlüsse können nichtig sein, weil sie eine rechtsgeschäftliche Basis haben, denn in Vorlage und Billigung mit verbindlicher Feststellungsfolge ist nicht allein ein tatsächliches Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat, sondern ein korporations-rechtliches Rechtsgeschäft eigener Art zu sehen (vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl, § 172, Rz. 3 m. w. N.), auf sonstige Bilanzen wie auch auf Konzernabschlüsse trifft das hingegen nicht zu (Hüffer, a. a. O., § 256, Rz. 3; Anwaltskommentar € Heidel, § 256 AktG, Rz. 7).

Vor Aufhebung des § 337 AktG betreffend die Vorlage des aufgestellten Konzernabschlusses an Aufsichtsrat und Hauptversammlung durch Art. 1 Nr. 26 des Transparenz- und Publizitäts-Gesetzes (TransPuG) vom 19.07.2002 ist dies in der obergerichtlichen Rechtsprechung (soweit ersichtlich nur OLG Köln, AG 1998, 525, Rz. 63) mit dem Argument gebilligt worden, dass Konzernabschlüsse nicht feststellungsfähig seien und eine analoge Anwendung des § 256 AktG insoweit ausscheide, weil die Bestimmung die Einschränkung der Nichtigkeitsgründe und damit die Wahrung der Rechtssicherheit im Interesse der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und Aktionäre bezwecke, weshalb eine ihren Anwendungsbereich erweiternde Analogie dem Gesetzeszweck widerspräche und unzulässig wäre.

Dem schließt sich der Senat an, diese Bewertung ist auch nach Aufhebung des § 337 AktG zutreffend. Die bisherige Regelung ist verteilt worden auf die §§ 131 Abs. 1 S. 4; 170 Abs. 1 S. 2; 175 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 1 AktG (TransPuG vom 19.07.2002; vgl. Hüffer, a.a.O., § 337, Rz. 1; Knigge, WM 2002, 1729, 1731)). Das Argument der Klägerin, § 171 Abs. 2 S. 4, 5 AktG schreibe die völlig parallele Behandlung von Jahresabschluss und Konzernabschluss ausdrücklich vor, Entsprechendes gelte nach § 175 Abs. 1 AktG für die Vorlage an die Hauptversammlung, trifft insoweit nicht zu, als sich nichts daran geändert hat, dass der Konzernabschluss mit der Billigung nicht festgestellt wird, sich die Feststellung nach §§ 172, 173 Abs. 1 AktG vielmehr auf den Einzelabschluss beschränkt, weil nur er Grundlage der Gewinnverwendung ist (vgl. Hüffer, a.a.O., § 171, Rz. 14 a). Dementsprechend sieht § 173 Abs. 1 S. 1 AktG vor, dass der Jahresabschluss durch die Hauptversammlung festzustellen ist, während die Hauptversammlung lediglich über die Billigung des Konzernabschlusses entscheidet, wenn der Aufsichtsrat eines Mutterunternehmens diesen nicht gebilligt hat (§ 173 Abs. 1 S. 2 AktG). Ein Bedürfnis für die entsprechende Anwendung des § 173 Abs. 2 u. 3 AktG (Feststellung durch die Hauptversammlung, Änderung eines geprüften Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung) hat der Gesetzgeber nicht gesehen, weil der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht zwar zunehmend Bedeutung als Informationsmedien hätten, sich die Gewinnverwendung aber nicht nach dem Konzern-, sondern nach dem Einzelabschluss richte, die Rechtsstellung der Aktionäre durch den Konzernabschluss mithin nicht berührt werde, weshalb es folgerichtig erscheine, wenn sich die Entscheidungsmöglichkeit in der Hauptversammlung auf Billigung oder Ablehnung des Konzernabschlusses beschränkten, nicht aber dessen von der Vorlage des Vorstandes abweichende Feststellung umfasse (Regierungsbegründung BT-Drucksache 14/8769, S. 22 zu Nr. 18 u. zu Nr. 19; so auch Anwaltskommentar AktG-Steiner, § 172, Rz. 5; Seibert, NZG 2002, 608, 609; ). Eine Analogie ist nicht gerechtfertigt, weil dem Konzernabschluss in seiner Gesamtheit wie auch bezüglich seiner einzelnen Bestandteile in Deutschland ausschließlich eine Informationsfunktion zukommt (vgl. Förschle/Kroner in Beck BilKomm, § 297 HGB, Rz. 1; Ebenroth/Boujong/Joop-Wittmann, § 297 HGB, Rz. 3). Soweit darauf verwiesen wird, im GmbH-Recht sehe das Gesetz auch bezogen auf den Konzernabschluss eine €Feststellung€ vor (§ 42 a Abs. 4 GmbHG), damit greife dort das allgemeine GmbH-rechtliche Beschlussmängelinstrumentarium, es leuchte aber schwerlich ein, wenn das gerichtliche Kontrollsystem bezogen auf einen Konzernabschluss ausgerechnet bei der AG schwächer als bei der GmbH ausgestaltet wäre (vgl. Hennrichs, ZHR 168 (2004), 383, 396), rechtfertigt dies eine abweichende Beurteilung nicht. Dieser Vorgang entspricht in der GmbH der Billigung des Konzernabschlusses nach §§ 171 Abs. 2 Satz 5, 173 Abs. 1 Satz 2 AktG, auch hier dient der Konzernabschluss ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Grundlage für die Ergebnisverwendung dar (vgl. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl., § 42a, Rz. 52).

Die Klage nach dem Hauptantrag ist nicht als Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, weil Gegenstand einer Feststellungsklage, was hier allein in Betracht kommt, nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein kann, es sich bei Konzernabschlüssen aber nicht um ein solches, sondern eine nicht feststellungsfähige Tatsache handelt, insoweit wird auf das nachfolgend zum Hilfsantrag zu 2.a) Ausgeführte Bezug genommen.

Zu Recht hat das Landgericht auch das Feststellungsbegehren nach dem Hilfsantrag zu 2.a) für unzulässig gehalten. Dieser Antrag zielt darauf ab, eine Tatsache € fehlende Eignung der Konzernabschlüsse wegen zu hoher Ausweisung der Kapitalrücklagen, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns der Beklagten zu vermitteln € feststellen zu lassen, nicht hingegen ein Rechtsverhältnis (§ 256 Abs. 1 ZPO). Um ein Rechtsverhältnis geht es aber deshalb nicht, weil der Konzernabschluss keine Wirkung auf die Aktionäre hat (so auch OLG Köln, a. a. O., Juris-Rz. 65).

Das Argument der Klägerin, angesichts der Tatsache, dass der Konzernabschluss einer deutschen Aktiengesellschaft nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für jeden einzelnen Aktionär der in Rede stehenden Gesellschaft das Informationsmedium schlechthin sei, in dem die Summe des wirklichen geschäftlichen Status der Gesellschaft auf den Stichtag des Konzernabschlusses gezogen werde, könne schwerlich richtig sein, dass es sich insoweit nicht um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinn des § 256 ZPO handeln solle, greift nicht durch, weil unter Berücksichtigung dessen ein Rechtsverhältnis gleichwohl nicht zu erkennen ist.

Die vom Landgericht offengelassene Frage, ob der Klägerin darüber hinaus das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung fehlt, ist gleichfalls zu bejahen.

Das Vorbringen der Klägerin, es könne schwerlich gedacht werden, es solle Aktionären gleichgültig sein können, ob die Beklagte in ihren Konzernabschlüssen im Einklang mit dem Gesetz ihre wirtschaftlichen Konzernverhältnisse richtig oder falsch bilanziere, für eine solche Überlegung ließen jedenfalls die Regelungen der §§ 290 ff. HGB in Verbindung mit den Vorschriften des Aktiengesetzes, die allesamt sicherstellten, dass auch den Aktionären ein zutreffendes Bild der Muttergesellschaft €ihres Konzerns€ vermittelt werde, keinen Raum, lässt ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung nicht erkennen. Auch insoweit gilt, dass der Konzernabschluss primär der Informationsvermittlung dient und im Unterschied zum Einzelabschluss nicht der Ausschüttungsbemessung oder €sperre oder der Zuordnung von Gläubigeransprüchen dient (vgl. Baumbach/ Hopt/Merkt, HGB, 32. Aufl., § 297, Rz. 2). Für die Beziehungen zu Dritten, Gesellschaftern, Gläubigern und den Finanzbehörden bleiben die Einzelbilanzen maßgeblich, die Verrechnung innerkonzernlicher Beziehungen im Konzernabschluss hat für diese keine rechtlichen Wirkungen (vgl. Wöhe, Die Handels- und Steuerbilanz, 3. Aufl., S. 234). Hiervon geht auch die Gesetzesbegründung aus, da dem Konzernabschluss im Unterschied zum Einzelabschluss keine rechtsbegründenden oder begrenzenden Wirkungen, insbesondere hinsichtlich der Ergebnisverwendung, zukommen (vgl. BT-Drucksache 14/8769, S. 22, zu Nr. 19).

Das Interesse der Klägerin ist ein rein tatsächliches und betrifft die Frage, ob der Konzernabschluss ein zutreffendes Bild darstellt oder nicht. Soweit diese Frage in anderen Verfahren, wie dem beim 20. Zivilsenat anhängigen Spruchverfahren (20 W 169/04, jetzt 20 W 37/05) relevant sein sollte, begründet das noch kein Interesse an isolierter Feststellung.

Die Klage nach dem zu 2.b) weiter hilfsweise gestellten Antrag festzustellen, dass der den Konzernabschluss der Beklagten per 31.12.2003 - ausweisend einen Konzernbilanzsumme von 153.316.000 €, Kapitalrücklagen von 44.413.000 € sowie einen Konzernbilanzgewinn in Höhe von 380.000 € - billigende Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten nichtig sei, ist ebenfalls unzulässig.

Die Zulässigkeit des erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Antrags ist, weil ein Fall der alternativen Klagenhäufung mit geändertem Antrag bei nicht voll identischem Klagegrund vorliegt, nach § 533 ZPO zu beurteilen.

Hiernach setzt die Klageänderung voraus, dass der Gegner einwilligt € was die Beklagte verweigert € oder die Klageänderung sachdienlich ist .

Sachdienlichkeit setzt jedenfalls voraus, dass der gestellte Antrag zulässig ist, weil nur unter dieser Voraussetzung eine Sachentscheidung ergehen kann.

Daran fehlt es vorliegend. Die Klägerin als Aktionärin kann die Feststellung der Nichtigkeit des genannten Aufsichtsratsbeschlusses nicht begehren.

Eine direkte Anwendung der aktiengesetzlichen Anfechtungsvorschriften scheidet aus, weil der erste Abschnitt des siebten Teils des Aktiengesetzes allein mängelbehaftete Hauptversammlungsbeschlüsse behandelt, eine analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf rechtswidrige Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat kommt nicht in Betracht, ein diesbezügliches Feststellungsbegehren ist auch nicht entsprechend den Vorschriften über die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage statthaft (vgl. BGH, Urteil v. 10.10.2005 € II ZR 90/03 [Mangusta/Commerzbank II], BGHZ 164, 249, Juris-Rz. 8, 9, 13).

Nach herrschender Meinung können Beschlüsse des Aufsichtsrats (§ 108 Abs. 1 AktG) bei wesentlichen Verfahrensfehlern und bei inhaltlichen Verstößen gegen Gesetz oder Satzung nichtig sein, die Nichtigkeit kann durch gewöhnliche Feststellungsklage geltend gemacht werden, und zwar durch Mitglieder des Aufsichtsrats schon aufgrund ihrer Organstellung (vgl. Hüffer, a.a.O., § 108, Rz. 18; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., 2002, § 9, Rz. 615).

Obwohl grundsätzlich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen nicht in der Hand der Aktionäre liegt (vgl. MünchKommAktG/Semmler, § 108, Rz. 275), kann in diesem Zusammenhang auch die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO des Aktionärs statthaft und zulässig sein.

Diese ist nach der Rechtsprechung des BGH gegen die Gesellschaft und, da das Handeln der Geschäftsleitung in Form von Beschlüssen nur entweder rechtmäßig und dann wirksam, oder aber rechtswidrig und dann nichtig sein könne, verfahrenstechnisch auf Feststellung der Nichtigkeit des zugrunde zu legenden (hier: Zustimmungs/ Billigungs-) Beschlusses des Aufsichtsrates zu richten (vgl. BGH, a.a.O., Juris-Rz. 13-15). Insoweit ist aber Voraussetzung, dass der Aktionär durch die angegriffene Entscheidung in seinen Mitgliedschaftsrechten beeinträchtigt ist (BGH a.a.O., Juris-Rz. 16). Wenn auch ein solcher Antrag gegen die Gesellschaft auf Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungshandelns nicht ein unmittelbares Rechtsverhältnis zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft betrifft, kann die Klage gleichwohl auf die Feststellung gerichtet sein, dass zwischen der Beklagten und einem Dritten (hier dem Aufsichtsrat) ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht, wenn dies zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist, der Kläger an der alsbaldigen Klärung dieses Drittverhältnisses ein rechtliches Interesse hat und das Aktienrecht für die Austragung eines solchen Streits keine abschließende Regelung trifft (vgl. BGH a.a.O., Juris-Rz. 18). Eine derartige Konstellation kommt in Betracht, wenn als Folge des Verwaltungshandelns eine Verletzung individueller Mitgliedschaftsrechte, insbesondere des Mitverwaltungs- und des Vermögensrechts des einzelnen Aktionärs geltend gemacht wird, dessen Stellung und damit ein Rechtsverhältnis zur Gesellschaft damit berührt sein kann (vgl. BGH a.a.O., Rz. 19).So liegt der Fall hier indessen nicht. Wegen des Zwecks und der Bedeutung des Konzernabschlusses, die tatsächliche Information über die Situation des Konzerns sicherzustellen, fehlt es an dem besonderen Feststellungsinteresse der Klägerin ebenso wie an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Der Beschluss des Aufsichtsrats, den Konzernabschluss zu billigen, entfaltet € wie ausgeführt - Rechtswirkungen für die Aktionäre nicht.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 21.11.2006
Az: 5 U 115/05


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