Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Januar 2001
Aktenzeichen: 14 W (pat) 28/99

(BPatG: Beschluss v. 25.01.2001, Az.: 14 W (pat) 28/99)

Tenor

1. Der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 09 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. April 1999 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluß vom 14. April 1999 hat die Prüfungsstelle für Klasse B 09 B des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung 197 49 039.5-44 mit der Bezeichnung

"Verfahren und Vorrichtung zur Wertstoffgewinnung aus gebrauchten Wegwerfartikeln, insbesondere Inkontinenzartikeln"

aus den Gründen des Bescheids vom 03. August 1998 zurückgewiesen.

Dem Beschluß liegen die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 16 zugrunde. Im Bescheid vom 3. August 1998 war beanstandet worden, daß der pH-Wert von 14 wie von 0 nicht überschritten werden könne und daß fakultative Merkmale wie "vorzugsweise" in den Patentansprüchen nicht zulässig seien. Die Zurückweisung ist somit im wesentlichen damit begründet, der Anmelder habe innerhalb der gesetzten Frist die im Vorbescheid für notwendig erachteten Änderungen in den Ansprüchen 8 und 10 sowie der Seite 5 nicht durchgeführt. Neuheitsschädliches oder sonstiges patenthinderndes Material konnte im Prüfungsverfahren nicht ermittelt werden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er verfolgt sein Patentbegehren gemäß Hauptantrag mit den am 16. Januar 2001 eingegangenen Ansprüchen 1 bis 10 weiter, die wie folgt lauten:

1. Verfahren zur Wertstoffgewinnung aus gebrauchten Wegwerfartikeln, die eine cellulosehaltige Absorptionsschicht und Superabsorber-Polymere aufweisen, wie Inkontinenzartikel und Babywindeln, sowie Damenhygieneprodukte mit folgenden Verfahrensschritten:

- mechanische Zerkleinerung der verschmutzten Wegwerfartikel unter Ablösung eines an der Absorptionsschicht angebrachten Back- und/oder Topsheets aus Kunststoff-Folien oder anderen Folien,

- Überführen der zerkleinerten Wegwerfartikel in eine Wasch- und Trennflotte und Trennen der Stoffgruppen Folien, Superabsorber-Polymere, Cellulose-Teile, Verschmutzungsstoffe,

- Reinigen, Desinfizieren, Trocknen und Aufbereiten der gereinigten Cellulosefasern,

- Reinigen und Aufbereiten der Folien-Fetzen,

- Überführen der in der Waschflotte als gequollenes, stark wasserhaltiges Gel vorliegenden Superabsorber-Polymere unter Gelkontraktion in einen kontrahierten, mit einer spezifischen Masse über 1 g/cm3 liegenden wasserunlöslichen Zustand, wobei die Gelkontraktion durch Zugabe von Erdalkalisalzen, -hydroxiden oder -oxiden erreicht und der pH-Wert in der Waschflotte auf einen Wert zwischen 10 und 14 gebracht wird,

- Absinken der kontrahierten Superabsorberpolymere in der Waschflotte und Trennung von den schwimmenden Cellulosefasern und Verschmutzungsteilchen, dadurch gekennzeichnet, daß die Cellulosefasern mittels einströmender Luft in der Schwebe gehalten und abgeschöpft werden und daß die verschmutzte Waschflotte durch Dekantieren von den abgesetzten Superabsorber-Polymeren getrennt wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Erdalkalisalze eines oder mehrere aus folgender Gruppe gewählt wird: Calciumchlorid, Magnesiumchlorid, Magnesiumsulfat.

3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Erdalkalihydroxide oder -oxide eines oder mehrere aus folgender Gruppe gewählt wird: Calciumhydroxid oder Calciumoxid.

4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Gelkontraktion bei einer Waschflotten-Temperatur zwischen 15 und 100 ¡C durchgeführt wird.

5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Gelkontraktion in einer Reaktionszeit zwischen 10 sec und 20 min durchgeführt wird.

6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die die Gelkontraktion hervorrufenden Salze den noch unzerrissenen Wegwerfartikeln beigemischt werden.

7. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens gemäß Anspruch 1 und gegebenenfalls weiterer Ansprüche 2 bis 6, umfassend eine einer Zerfaserungsmaschine (4) nachgeschaltete Waschstrecke, die wenigstens einen Waschtrog (7;8) aufweist, welche oder welcher einen Bodenbereich aufweist oder mit einem gesonderten Absetzbecken verbunden ist, der oder das mit einer Abführöffnung versehen ist, aus der die abgesetzten kontrahierten Superabsorber-Polymere abführbar sind, dadurch gekennzeichnet, daß der Zerfaserungsmaschine (4) ein Zyklonabscheider (5) nachgeschaltet ist, der dem Waschtrog vorgeschaltet ist.

8. Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß der Waschstrecke ein Folien-Trennbecken (10, 14) mit jeweils einem Schöpfsieb (11, 15) für die Folien-Fetzen nachgeschaltet ist.

9. Vorrichtung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Schöpfsiebe (11, 15) in eine Entwässerungsschnecke (12, 16) entleerbar sind.

10. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Zerfaserungsmaschine (4) ein Scheibenzerfaserer ist.

Hilfsweise verfolgt der Anmelder die Patentanmeldung im Umfang der Ansprüche 1 bis 6 weiter, wobei gegenüber dem Hauptantrag der nebengeordnete Vorrichtungsanspruch 7 nebst darauf rückbezogenen Unteransprüchen 8 bis 10 gestrichen wurde.

Gegenüber den vom Senat in das Beschwerdeverfahren eingeführten Entgegenhaltungen

(1) WO 96/27 045 A1,

(2) WO 92/07 995 A1 (entspricht DE 691 24 107 T2),

(3) US 5 292 075 A,

(4) US 5 322 225 A,

(5) US 5 618 003 A macht der Anmelder sinngemäß Neuheit und erfinderische Tätigkeit für die beanspruchten Gegenstände geltend.

Der Anmelder beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß vom 14. April 1999 aufzuheben und die Erteilung des Patents mit den eingeschränkten Ansprüchen 1 bis 10 gemäß Hauptantrag zu beschließen, hilfsweiseein Patent mit den Ansprüchen 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig (§ 73 PatG). Sie konnte jedoch nur zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Patentanmeldung zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt führen.

Die als Begründung für die Zurückweisung angezogenen Vorwürfe, daß im ursprünglichen Anspruch 8 und auf Seite 5 der ursprünglichen Beschreibung der oberen Grenze des pH-Bereiches nicht zugestimmt werden könne und daß fakultative Merkmale wie "vorzugsweise" in den Patentansprüchen nicht zulässig seien, sind durch die am 16. Januar 2001 vorgelegten Anspruchssätze und die am 25. Juni 1999 eingegangenen Beschreibungsseiten 3 bis 6 gegenstandslos geworden. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen der Prüfungsstelle bezüglich des pH-Wertes wissenschaftlich haltbar sind (siehe zB Römpp Lexikon Chemie, 10. Auflage unter Stichwort "pH").

Die Feststellung der Prüfungsstelle im Erstbescheid, den beanspruchten Gegenständen und Maßnahmen neuheitsschädlich entgegenstehendes oder sonstiges patenthinderndes Material sei nicht zu ermitteln gewesen, ist im Hinblick auf die vom Senat ermittelten Druckschriften (1) bis (5) jedenfalls nicht haltbar. Die Einführung dieser Entgegenhaltungen durch den Senat hat den Anmelder veranlaßt, sein Anspruchsbegehren einzuschränken. Das Patentbegehren hat damit im Beschwerdeverfahren eine wesentliche Änderung erfahren und kann auch aus diesem Grunde nicht als vom Deutschen Patent- und Markenamt ausreichend geprüft angesehen werden. Die vom Senat ermittelten und in das Beschwerdeverfahren eingeführten Entgegenhaltungen (1) bis (5) ermöglichen jedoch noch keine abschließende Beurteilung des Vorbringens des Anmelders.

Die neuen Ansprüche 1 bis 10 gemäß Hauptantrag bzw 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag lassen sich aus den ursprünglichen Unterlagen ableiten (vgl zum geltenden Anspruch 1 die ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 5, 6 und 8; zu den geltenden Ansprüchen 2 bis 6 die ursprünglichen Ansprüche 3, 4, 9, 10 und 11; Anspruch 7 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 12 und 13; die Ansprüche 8 bis 10 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 14 bis 16) und sind auch sonst formal nicht zu beanstanden.

Gemäß dem Kennzeichen des nunmehr gültigen Hauptanspruchs werden bei dem Verfahren nach dem Oberbegriff die Cellulosefasern mittels einströmender Luft in der Schwebe gehalten und abgeschöpft und die verschmutzte Waschflotte wird durch Dekantieren von den abgesetzten Superabsorber-Polymeren (SAP) getrennt. Die Cellulosefasern werden so an die Oberfläche der Waschflotte gespült; der räumliche Abstand zwischen den abgesunkenen SAP und der aufschwimmenden Cellulose wird vergrößert, so daß mit dem anschließenden Dekantieren eine phasenreine Trennung ermöglicht wird. Diese Merkmale haben im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt bisher noch keine Rolle gespielt und sind daher hinsichtlich der geltend gemachten Bedeutung für die Patentfähigkeit noch nicht ausreichend geprüft. Eine gezielte Recherche des Standes der Technik in diese Richtung erscheint daher notwendig. Auch ist eine abschließende patentrechtliche Würdigung der Vorrichtung gemäß den Ansprüchen 7 bis 10 auf der Grundlage der vorliegenden Entgegenhaltungen noch nicht möglich.

Zwar ist der Beschwerdesenat gehalten, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 87 Abs 1 Satz 1 PatG) und daher befugt eigene Ermittlungen anzustellen, doch ist hierfür in erster Linie das Deutsche Patent- und Markenamt berufen, das mit den geeigneten Mitteln zur Recherche ausgestattet ist. Der Senat hat daher davon abgesehen, selbst weitere Ermittlungen anzustellen.

Da wie ausgeführt eine Patenterteilung nicht in Frage kam, war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur weiteren Behandlung auf der Grundlage der gültigen Ansprüche nach Haupt- bzw Hilfsantrag gemäß § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 3 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

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Az: 14 W (pat) 28/99


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