Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. April 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 15/00

(BPatG: Beschluss v. 03.04.2001, Az.: 17 W (pat) 15/00)

Tenor

Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1. Auf die am 16. Juli 1991 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung P 41 23 489.8 - 32 wurde unter der Bezeichnung

"Vorrichtung zur leitungsgebundenen Daten- und Energieübertragung mittels Lichtenergie"

am 24. August 1993 durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G08C das Patent erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 27. Januar 1994.

Nach Prüfung eines für zulässig erachteten Einspruchs der S... AG in B..., hat die Patentabteilung 32 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluß vom 2. Februar 2000 das Patent wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit widerrufen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie verteidigt das Patent nach Hauptantrag mit folgendem Patentanspruch 1:

"a) Vorrichtung zur Daten- und Energieübertragung mittels Lichtwellenleiter, bei der eine Sensoreinheit mit einer Lichtwellenleiter-Energieversorgungsleitung versehen ist und zur seriellen Datenübertragung mittels Lichtwellenleiter-Datenleitung an eine Datenverwerteinrichtung angeschlossen ist, b) bei der die Sensoreinheit einen elektrischen Meßwertaufnehmer aufweist, der auf die Datenleitung arbeitet, und die Energieversorgungsleitung von einer Lichtenergiequelle gespeist ist, c) bei der die Energieversorgungsleitung in der Sensoreinheit einem optischelektrischen Energiewandler, der den Meßwertaufnehmer versorgt, zugeordnet ist und der Meßwertaufnehmer über eine Aufbereitungselektronik auf eine elektrischoptische Dateneinrichtung arbeitet, an welche die Datenleitung angeschlossen ist, die in der Datenverwerteinrichtung an einen optischelektrischen Datenwandler angeschlossen ist, undd) bei der die Energieversorgungsleitung an den optischelektrischen Energiewandler angeschlossen ist und die elektrischoptische Dateneinrichtung ein steuerbarer Datenwandler, z.B. eine steuerbare Diode ist, dadurch gekennzeichnet, e) daß der elektrischoptische steuerbare Datenwandler (6) der Sensoreinheit eine geringe Sendeleistung aufweisende Diode, die im µA-Bereich arbeitet, f) oder ein Licht reflektierender LCD-Verschluß, der nahezu leistungslos gesteuert wird, ist, g) wobei der Meßwertaufnehmer (2) ein intelligenter Sensor mit eingebautem Prozessor ist und einen zusätzlichen Funktionsausgang aufweist, undh) daß der dem intelligenten Sensor (2) zuzuführende Strom im µA-Bereich liegt."

Wegen der abhängigen Ansprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag schließen sich an den Anspruch 1 des Hauptantrags folgende Merkmale an:

"i) daß der empfangende Energiewandler (21 bzw. 6) der Sensoreinheit (1) zugleich als Datensender vorgesehen ist, k) daß der empfangende Datenwandler (10, 19) der Datenverwerteinrichtung (9) zugleich als Energiesender vorgesehen ist, undl) daß Energie- und Datenübertragung im Zeitmultiplex über einen einzigen Energieversorgungs/Daten-Lichtwellenleiter (20/8) vorgesehen ist (Fig. 5 und 6)."

2. Die Patentinhaberin führt in ihrer Beschwerdebegründung aus, der Patentgegenstand sei entgegen dem angefochtenen Beschluß durch den Stand der Technik nicht nahegelegt, weil diesem weder ein im µA-Bereich arbeitender Sensor (Merkmal h), eine im µA-Bereich arbeitende Diode des Datenwandlers (Merkmal e) noch ein Funktionsausgang des Sensors (Merkmal g) zu entnehmen seien. Ebenso wenig gehe daraus ein Flüssigkristall-Verschluß (LCD) als Datenwandler gemäß dem fakultativen Merkmal f hervor. Erst mit dem beanspruchten extrem niedrigen Energiebedarf werde der zusätzliche Funktionsausgang des Meßwertaufnehmers ermöglicht. Somit komme es auf den kombinatorischen Effekt der Anspruchsmerkmale an.

Die Patentinhaberin ist, wie angekündigt, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen; schriftsätzlich hat sie sinngemäß den Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten (Hauptantrag):

Patentanspruch 1, eingegangen am 18.09.00 als Anlage A1 Patentansprüche 2 - 8 gemäß Patentschrift 41 23 489 C2 Beschreibung gemäß Patentschrift 41 23 489 C2 mit Ersetzung von Spalte 1, Zeilen 3 - 68 durch Beschreibungsseiten 1 bis 2, Abs.1, eingegangen am 11.10.94 Figuren 1 bis 6 gemäß Patentschrift 41 23 489 C2, hilfsweise, das Patent aufrechtzuerhalten auf der Grundlage von Patentanspruch 1, eingegangen am 18.09.00 als Anlage A2 Die Einsprechende stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie stützt ihr Vorbringen u.a. auf folgende Druckschriften (unter Beibehaltung der eingeführten Numerierung):

[1] DE 31 38 073 C2

[2] W. Gross: "Fibre-Optic Hybrid Sensors with Optical Data Link and Optical Power Supply", in Konferenzband "Sensors & Systems", - The International Transducer Exhibition & Converence, Wembley Conference Centre, London, Oct. 24 - 26 1989, Conference Volume 2

[4] JP-2-233 030 A mit abstract

[5] DE 35 03 877 A1 II.

Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, weil der Patentanspruch 1 weder nach Haupt- noch nach Hilfsantrag die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung des Patents erfüllt (§§ 1 Abs. 1, 4, 21. Abs. 1 Nr. 1 PatG.

1. Hauptantrag 1.1. Das angegriffene Patent betrifft eine Vorrichtung zur Daten- und Energieübertragung mit einer Sensoreinheit, die über einen Lichtwellenleiter und einen nachfolgenden optischelektrischen (O/E-)Wandler mit Energie versorgt wird. Die Meßwerte des Sensors werden ebenfalls optisch mittels eines an einen elektrischoptischen (E/O-)Wandler angeschlossenen Lichtwellenleiters übertragen, der die Signale von der Sensoreinheit an eine "Datenverwerteinrichtung" leitet. Der Meßwertaufnehmer ist damit elektrisch völlig abgekoppelt und für den Einsatz in unfreundlicher Umgebung, bspw. bei Explosionsgefahr oder bei Vorliegen von elektromagnetischen Störfeldern vorgesehen.

Gemäß den weiteren Merkmalen e, f und h des Anspruchs 1 soll die Vorrichtung mit möglichst geringer Leistung betrieben werden, sowie gemäß Merkmal g mit einem "Funktionsausgang" versehen sein, womit bspw. eine Funktionsanzeige bezeichnet wird (Streitpatentschrift Spalte 4 Zeilen 60 bis 63 iVm Figur 1 Ziff. 32).

1.2. Eine Lehre mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig. Zwar ist sie in keiner der vorliegenden Entgegenhaltungen identisch beschrieben und war daher im Prioritätszeitpunkt neu. Sie beruht aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil sie sich für den Fachmann, einen Entwicklungsingenieur der Fachrichtung Optoelektronik mit Fachhochschulabschluß und Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Meßwertaufnehmern, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Aus der Druckschrift [2] ist eine Vorrichtung mit den oberbegrifflichen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 bekannt. Bei dieser Druckschrift handelt es sich um einen Tagungsvortrag, in dem die verschiedenen Aspekte lichtenergetisch versorgter Sensoren diskutiert werden. Die Tagung fand fast zwei Jahre vor dem Anmeldetag des Streitpatents statt. Der Konferenzband gehört damit zur Überzeugung des Senats zum vorveröffentlichten Stand der Technik. Gegenteiliges ist von der Patentinhaberin auch nicht geltend gemacht worden.

In Druckschrift [2] wird anhand der Figur 2 (Seite 3) ein Meßwertaufnehmer beschrieben, der elektrisch völlig entkoppelt ist, bei dem also sowohl die Energieversorgung über Lichtwellenleiter und O/E-Wandler erfolgt, als auch die Meßwerte über O/E-Wandler und Lichtwellenleiter zu einer "Datenverwerteinrichtung" übertragen werden. Als O/E-Wandler kommen dabei insbesondere Lumineszenzdioden (LED) in Betracht (Seite 3, Zeilen 2 und 3). Im Meßwertaufnehmer kann auch ein Prozessor mit integriert sein (Seite 13, unter Fig. 10), d.h. es handelt sich in diesem Fall um einen "intelligenten" Sensor iS des geltenden Patentanspruchs 1.

Als Überschuß über diesen Stand der Technik verbleiben beim Patentanspruch 1 somit, daß die Diode im µA-Bereich arbeitet (Merkmal e), daß der dem Sensor zuzuführende Strom im µA-Bereich liegt, und daß ein "Funktionsausgang" (Teilmerkmal von g) vorhanden ist. Im übrigen ist in diesem Stand der Technik auch kein LCD-Verschluß als O/E-Wandler erwähnt (fakultatives Merkmal f).

Gemäß Druckschrift [2], die sich in mehreren Abschnitten damit befaßt, wie viel Energie man mit verschiedenen Lichtquellen maximal zur Versorgung des Sensors zur Verfügung stellen kann (Seite 5, letzter Absatz bis Seite 7), ist das Energieproblem bei den mit Lichtenergie betriebenen Elementen systemimmanent. Der Fachmann, der solche Sensoren entwickelt, muß also bei der Realisierung der aus Druckschrift [2] entnehmbaren Lehre danach trachten, Komponenten zu verwenden, die möglichst wenig elektrische Leistung verbrauchen, um mit der geringen zur Verfügung stehenden Leistung, möglichst viele Funktionen ausführen zu können. Geht man gemäß Druckschrift [2] davon aus, daß mit einer LED 300 µW erzeugbar sind, die über die Lebensdauer der LED um 50% absinken können (Seite 5, unten ff), so stehen bei einer Betriebsspannung von 5 V maximal nur 30 µA - 60 µA zur Verfügung, wie im angefochtenen Beschluß zutreffend ausgeführt ist. Der Fachmann wird daher, um im sicheren Bereich zu sein, versuchen Bauteile zu verwenden, die jeweils wenigstens eine Größenordnung weniger verbrauchen. Mehr besagen aber die aufgabenhaften Merkmale e und h nicht.

Das noch verbleibende Merkmal "Funktionsausgang" vorzusehen, das nach der Beschreibung des Ausführungsbeispiels der Figur 1 als Funktionsanzeige realisiert ist, geht nicht über routinemäßiges Handeln des einschlägigen Fachmann hinaus. Derartige Betriebsanzeigen sind bei elektronischen Einrichtungen zur Kontrolle, daß das Gerät eingeschaltet ist, derart üblich, daß es hierzu keines besonderen Nachweises bedarf. Der Fachmann wird eine solche Betriebsanzeige auch beim in Rede stehenden Sensor immer dann vorsehen, wenn es die zur Verfügung stehende elektrische Leistung zuläßt. Es geht dabei im Hinblick auf den geringen Stromverbrauch der verwendeten Bauteile nicht um einen besonderen synergistischen Effekt, wie die Patentinhaberin meint; weitere Funktionen vorzusehen, ergibt sich dabei trivialerweise aus einer einfachen Energiebilanz und den daraus vorhersehbaren Konsequenzen, ohne daß dies eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte.

1.3 Der Fachmann, der nach brauchbaren, dh. energiesparenden E/O-Wandlern sucht, wird dabei insbesondere auch LCD's ins Auge fassen, die sich hierfür durch ihren minimalen Leistungsbedarf anstelle von LED's anbieten (Druckschrift [4], abstract). Somit könnte auch das fakultative Merkmal f das Patent nicht auffangen.

2. Hilfsantrag 2.1 Der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hilfsantrags ist, verglichen mit dem Hauptantrag, zusätzlich dadurch beschränkt, daß die Versorgungs- und Datenleitung in einem einzigen Lichtwellenleiter zusammengefaßt sind, und im Zeitmultiplex Energie in den Sensor hinein und Meßdaten aus ihm heraus übertragen werden, wobei die Wandler der Sende-/Empfangseinrichtungen an beiden Enden des Lichtwellenleiters entsprechend ausgebildet sein müssen.

2.2 Die im Anspruch 1 des Hilfsantrags zusätzlich ausgewiesenen Maßnahmen gehen über bekannte, fachübliche Routine nicht hinaus. So betrifft bspw. die Druckschrift [1] einen einschlägigen Sensor, bei dem die Übertragung von Licht für die Signallichtleistung und zur Energieversorgung über einen gemeinsamen Lichtwellenleiter im Multiplexbetrieb erfolgt (Spalte 5 Zeilen 17 bis 21). Aus dem faseroptisch zugeführten Licht wird dabei über einen Strahlteiler OT ein Teil abgezweigt und einem Modulator zugeführt, der diesem Teilbündel die Meßsignale aufmoduliert, und über einen weiteren Lichtwellenleiter LW2 wieder ausleitet. Zwar sind beim Stand der Technik nach Druckschrift [1] ein Modulator als E/O-Wandler und deshalb ein entsprechender Wellenlängen-Multiplexbetrieb vorgesehen (Figur 2 mit Beschreibung). Der Fachmann wird aber bei der aus Druckschrift [2] bekannten Diode und dem dort vorgeschlagenen System in jedem Falle einen Zeit-Multiplexbetrieb wählen, um breitbandig und ohne gesonderte Ausgangsleitung arbeiten zu können. Daß ein solches Vorgehen dem Fachmann geläufig ist, ergibt sich ebenso aus Druckschrift [5], die die Glasfaser-Telefonvermittlung betrifft und zum einschlägigen Fachbereich zu rechnen ist. Anhand der dortigen Figur 1 ist ein System beschrieben, bei dem über eine einzige Glasfaser im Multiplexbetrieb Energie und Signale übertragen werden. Diese aus den Druckschriften [1] oder [5] bekannten Maßnahmen auch bei dem aus Druckschrift [2] bekannten Sensor, unter bloßer Ausnutzung der bekannten Wirkungen zu ergreifen, kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

3. Der jeweilige Patentanspruch 1 sowohl nach Haupt- als auch nach Hilfsantrag ist nicht bestandsfähig. Mit ihm fallen die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche, die im übrigen zur Überzeugung des Senats ebenfalls nichts enthalten, was einen Patentschutz begründen könnte. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Bertl Greis Püschel Schuster Na






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Az: 17 W (pat) 15/00


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