Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 17. Juli 2001
Aktenzeichen: 13 B 428/01

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 17.07.2001, Az.: 13 B 428/01)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.

Der Antragsgegnerin wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren untersagt, den übrigen Beteiligten des Verfahrens vor der Beschlusskammer 4 - BK 4a-01-001/E 19.01.01 - Einsicht in die nachfolgenden, von der Antragstellerin in ihrem Entgeltantrag als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gekennzeichnete Unterlagen zu gewähren:

Kapitel 3, Seite 4/141, dort den Punkt 3.2.5 nebst allen Unterpunkten,

Kapitel 3, Seite 5/141, dort Punkt 3.4.1 nebst allen Unterpunkten,

Kapitel 3, Seite 8/141, dort unter Punkt 3.1.1.1 der zweite Halbsatz nach dem Wort "und ...",

Kapitel 3, Seite 137 bis 141/141,

Anhang 1 (zu Kap. 4) Seite 8 Zeilen 7, 28, 29 u. 30, Seite 9 Zeilen 1 u. 2, Seite 13 Zeile 33, Seite 15 Zeile 29, Seite 16 Zeile 1 sowie Seite 17 Zeilen 7, 21 u. 28.

Im Àbrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 50.000,00 DM festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Geheimhaltung der im Tenor angegebenen Teile ihrer im Regulierungsverfahren BK 4a-01-001/E 19.01.01 vorgelegten Unterlagen und daraus folgend einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin, den Beteiligten jenes Regulierungsverfahrens Akteneinsicht in die im Tenor angegebenen Teile zu verwehren. Bei den übrigen streitbefangenen Teilen der vorgelegten Unterlagen handelt es sich nicht um Geheimnisse oder überwiegt das Offenbarungsinteresse das Interesse an der Geheimhaltung.

Der Senat hat durch Beschlüsse vom 12. Mai 1999 - 13 B 632/99 - und vom 8. November 2000 - 13 B 15/00 - dargelegt, dass der verwaltungsverfahrensrechtliche Geheimhaltungsanspruch insoweit Vorrang genießt, als er unter dem Vorbehalt einer Offenbarungsbefugnis der Behörde steht und dass eine solche nicht schon aus dem Recht eines zum Regulierungsverfahren beigeladenen Unternehmens auf Stellungnahme nach vorheriger Akteneinsicht folgt sowie dass das regulierte Unternehmen seinen Geheimhaltungsanspruch gegen die Regulierungsbehörde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - so lange das Regulierungsverfahren, wie hier, nicht durch bestandskräftigen Beschluss abgeschlossen ist - durchsetzen kann. Hieran hält der Senat fest, weil eine andere Sicht der Dinge abweichend vom allgemeinen Kartellrecht nicht geboten erscheint und der Senat durch Beschlüsse jeweils vom 4. Juli 2001 - 13 E 189 und 190/01 - betreffend die Geheimhaltung von vom regulierten Unternehmen zum Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen im gerichtlichen Verfahren entschieden hat, dass auch die einschlägigen Regelungen der europarechtlichen Richtlinien nicht zu einem Überwiegen des Offenbarungsinteresses der übrigen Verfahrensbeteiligten führt. Letzteres gilt entsprechend und erst recht auch für die Abwägung der widerstreitenden Interessen im vorgeschalteten Verwaltungsverfahren. Auch § 75 Abs. 3 Satz 2 TKG streitet nicht für eine Offenbarungsbefugnis. Ist eine Gefährdung eines "nicht wichtigen" Geschäfts- und/oder Betriebsgeheimnisses zu besorgen, führt das zwar nicht zwingend zum Ausschluss der Öffentlichkeit, deswegen aber auch nicht zu einer Offenbarungsbefugnis. Ist die Beschlusskammer zur Geheimhaltung von - wichtigen oder weniger wichtigen - Geschäfts- und/oder Betriebsgeheimnissen des regulierten Unternehmens verpflichtet, gilt das generell, also nicht nur mit Blick auf die Akteneinsicht begehrenden beigeladenen Wettbewerber, sondern auch mit Blick auf die - nicht ausgeschlossene - Öffentlichkeit in mündlicher Verhandlung mit der Folge, dass die Geschäfts- und/oder Betriebsgeheimnisse auch bei nicht ausgeschlossener Öffentlichkeit nicht offenbart werden dürfen.

Als im Sinne der Rechtsprechung des Senats überwiegend geheimhaltungsbedürftig oder überwiegend offenbarungsbedürftig gilt für die vorliegend streitgegenständlichen Teile der vorgelegten Unterlagen in der Reihenfolge des Antrags 1.1 bis 1.5 der Antragsschrift vom 6. Februar 2001 i.V.m. dem Schriftsatz vom 12. Juli 2001 folgendes:

Kap. 3, Seite 3/141, Punkt 3.1.5 bis 3.1.5.2: Auch ein detailliertes Inhaltsverzeichnis mit weit gehenden Untergliederungen kann Geschäfts- und/oder Betriebsgeheimnisse enthalten, weil es eine stichwortartige Abfolge von Abhandlungsschritten darstellt und so geheime wesentliche Bestandteile der Kostenermittlung abbilden kann. Die o.a. Gliederungspunkte geben zwar ein kalkulatorisches Spezifikum der Antragstellerin preis, dem grundsätzlich Geheimnischarakter zukommt. Nach der Zusage der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 21. Februar 2001, Blatt 2/3, die Angabe "Tagesneupreis" zu schwärzen - was nur zu verstehen ist als Schwärzung jeweils im Oberpunkt und in den Unterpunkten - und den Oberpunkt 3.1.5 auf "Methodik zur Neubewertung des Anlagenbestandes" zu kürzen, ist das spezifische Novum für Wettbewerber nicht mehr erkennbar, so dass jedenfalls das Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin zurücktritt.

Kap. 3, Seite 4/141, Punkt 3.2.2.3 bis 3.2.2.3.7: Dem Senat ist nicht erkennbar, weshalb nach der von der Antragstellerin nicht beanstandeten Offenlegung der Punkte 3.2.2 und 3.2.2.1, wo die an die Module anknüpfende Methode angesprochen ist, der Kenntnis der Wettbewerber von den einzelnen Modulen in 3.2.2.3 ff. noch eine weiter gehende für die Antragstellerin nachteilige Bedeutung zukommen soll. Die Antragstellerin hat insoweit nichts vorgetragen, so dass auch diesbezüglich ihr Interesse zurücktritt.

Kap. 3, Seite 4/141, Punkt 3.2.5 bis 3.2.5.2.2: Auch hierbei handelt es sich um ein geheimes Spezifikum der Antragstellerin wie zu Punkt 3.1.5 ff. Allerdings hat die Antragsgegnerin hierzu eine Schwärzung nicht zugesichert, so dass das vorrangige Geheimhaltungsinteresse überwiegt.

Kap. 3, Seite 5 (die Antragstellerin nennt irrtümlich Blatt 4) /141, Punkt 3.4.1 bis 3.4.1.6: Aus der Angabe werden interne Methoden zur Ermittlung der Preisentwicklung erkennbar, die aus Senatssicht kein wirtschaftswissenschaftliches Allgemeinwissen darstellen und Wettbewerbern die Entwicklung eigener entsprechender Kalkulationsgrundsätze ersparen oder fehlerhafte Ansätze vermeiden helfen kann. Auch insoweit überwiegt das Geheimhaltungsinteresse.

Kap. 3, Seite 8/141, zweiter Halbsatz der Erläuterungen zu Punkt 3.1.1.1 nach dem Wort und: Die Information über die Ableitung aus dem dort genannten System ist unabhängig davon, dass Außenstehende mit dieser Information allein noch keine konkreten Kostenwerte errechnen können, geheim, weil jedenfalls der Anwendung des Systems bzw. der möglichen Verwendung von Ergebnissen und Aussagen des Systems Geheimnischarakter zukommt. Der Aussagewert des zweiten Halbsatzes der Erläuterung ist nicht bereits dem zu offenbarenden Schaubild zu entnehmen. Nachdem die Antragsgegnerin dieselben Angaben auf Blatt 50/141 geschwärzt hat, muss sie sich, auch wenn dies irrtümlich geschehen sein sollte, daran festhalten lassen und darf konsequenterweise auch die hier zu betrachtende Angabe nicht offenbaren.

Kap. 3, Seiten 44 u. 45/141: Die dort angegebenen Nutzungsdauern haben entweder ihren Geheimnischarakter verloren oder dem Geheimhaltungsinteresse kommt kein durchschlagendes Gewicht mehr zu. Wie von der Antragsgegnerin nachgewiesen, hat die Antragstellerin die Nutzungsdauern ihrer Vermögensteile im Konzernabschluss 1999 selbst offen gelegt. Zwar ist dort das Anlagevermögen nicht im einzelnen, sondern nach Oberbegriffen bezeichnet und sind diesen zum Teil keine festen Nutzungszeiten, sondern Zeitspannen zugeordnet, während auf Seiten 44 u. 45/141 die verwendete Technik und die Software genau benannt und ihnen feste Nutzungsdauern beigelegt sind. Doch kann all dies auch unter die Begriffsgruppen und Nutzungsdauern des Konzernabschlusses subsumiert werden, so dass auch unter Berücksichtigung der Präzisierungen in den Angaben der hier zu betrachtenden Seiten die dortigen Angaben einem Experten entweder nichts Neues bieten oder jedenfalls keine wesentlichen Informationen bieten, die zumindest annäherungsweise auch aus dem Konzernabschluss abgeleitet werden könnten. Insoweit ist ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse nicht mehr feststellbar.

Kap. 3, Seiten 137 bis 141/141: Hierbei handelt es sich um die Darstellung der Methodik zur Berücksichtigung der Preisentwicklung als eines Teils der Kalkulationsgrundlagen der Antragstellerin und somit um ein Internum, deren Kenntnis für andere Unternehmen von Vorteil für die eigene Kalkulation sein kann und daher Geheimnischarakter trägt, zumal von der Antragsgegnerin entgegenstehende Gesichtspunkte hierzu nicht vorgetragen sind. Auch insoweit überwiegt das Geheimhaltungsinteresse.

Anhang 1 (zu Kap. 4), Seiten 2 bis 18/18 (die Fundstellen der geheim zu haltenden Passagen im Einzelnen entsprechen den mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 12. Juli 2001 angepassten Angaben): Die von der Antragstellerin ferner für geheimhaltungsbedürftig gehaltenen Passagen mit Ausnahme der nachfolgend gesondert angesprochenen enthalten Abkürzungen für Begriffe und für IV-Systeme sowie Erläuterungen hierzu, die zwar Interna der Antragstellerin und für sie von Wert sind. Unabhängig davon, dass sich die Bedeutung zumindest einiger Abkürzungen einem informierten Dritten auch ohne die Erläuterungen erschließen dürfte, ist dem Senat nicht erkennbar, dass die Kenntnis der Abkürzungen und Begriffe sowie der Erläuterungen zu den IV-Systemen für die Wettbewerber von Wert sein könnten. Mit der Kenntnis über die Existenz der Systeme, ihrer Abkürzungen und ihrer Verwendungszwecke innerhalb der Betriebsabläufe der Antragstellerin kann der Wettbewerber ohne weitere detaillierte inhaltliche Kenntnisse aus dem System keine für die Antragstellerin nachteiligen Vorteile ableiten. Dass ein Wettbewerber in ein solches internes Anwendungssystem der Antragstellerin zum Schaden des gesamten Konzerns "eingreifen" könnte, erscheint dem Senat abwegig. Diesbezüglich gebietet die Eigenvorsorgepflicht der Antragstellerin in ihre Systeme Schutzmaßnahmen zum Eingriff oder Ausspähen von dritter Seite einzubauen. Droht der Antragstellerin deshalb kein ernstlicher Nachteil, tritt insoweit zumindest ihr Geheimhaltungsinteresse zurück.

Das gilt indes nicht für die Angaben auf Seite 8 Zeilen 7, 28, 29 u. 30, Seite 9 Zeile 1, Seite 13 Zeile 33, Seite 15 Zeile 29, Seite 16 Zeile 1 sowie Seite 17 Zeilen 7, 21 u. 28. Hier sind IV-Systeme mit sensiblen Daten angesprochen, deren Kenntnis Konkurrenten der Antragstellerin zu eigenem Wettbewerbsvorteil ausnutzen können und die deshalb in besonderem Maße zum Ziel einer wie auch immer gearteten Ausspähung gemacht werden könnten. Allein die erhöhte Gefahr einer Ausspähung im Bereich sensibler Daten der Antragstellerin führt zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 17.07.2001
Az: 13 B 428/01


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