Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 91/02

(BPatG: Beschluss v. 26.02.2003, Az.: 28 W (pat) 91/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 18. September 2000 für Waren der Klasse 29 und 30, u.a.

"Milch, Butter, Käse, Sahne, Joghurt"

eingetragene Wortmarke 300 40 992 Quarkolaitist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, international registrierten Wortmarke IR 688 727 QUARK-O-NAISE die seit dem 18. Januar 1998 für die Waren

"29 Fromage blanc et produits à base des fromage blanc;

30 Sauces contenant du fromage blanc"

Schutz in Deutschland genießt.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass selbst bei Annahme einer teilweise gegebenen engeren Warenähnlichkeit die Marken einen ausreichenden Abstand zueinander einhielten, zumal sie sich erkennbar an die schutzunfähige Sachbezeichnung "Quark" anlehnten, eine Übereinstimmung im beschreibenden Bereich bei der Frage der Verwechslungsgefahr aber nicht berücksichtigt werden könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sich zum einen auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ihrer Marke aufgrund deren eigenartigen Wortwahl und -zusammensetzung beruft und zum andern darauf verweist, dass die recht langen Vergleichszeichen in acht Buchstaben und der Vokalfolge übereinstimmten sowie insbesondere im vom Verkehr vornehmlich beachteten Wortanfang "Quark(-)o ". Aufgrund der Ähnlichkeiten in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht sei angesichts hochgradig ähnlicher Waren der zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr erforderliche Zeichenabstand nicht mehr gewahrt.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke 300 40 992 zu beschließen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie billigt der Widerspruchsmarke allenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu und hält die Zeichenunterschiede im Gesamteindruck angesichts der Kennzeichnungsschwäche der Wortanfänge in jeder Richtung für ausreichend.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).

Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Danach bewegen sich die Waren im engeren Ähnlichkeitsbereich, ohne allerdings identisch zu sein. Bedenkt man, dass es sich bei den Waren um Artikel des täglichen Verkehrs handelt, die auch von durchschnittlich informierten Verbrauchern eher mit einer gewissen Flüchtigkeit erworben werden, sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr zu stellenden Abstand der Marken eher strengere Anforderungen zu stellen, denen die angegriffene Marke trotz einer unbestreitbaren Annäherung in Zeichenaufbau sowie in Klang und Bild letztlich aus Rechtsgründen noch genügt. Die formalen Annäherungen der Marken sind vor allem darauf zurückzuführen, dass sich beide der Bezeichnung "Quark" in abgewandelter Form bedienen, die in bezug auf die hier streitigen Waren aber als glatte Sachangabe schutzunfähig ist mit der Folge, dass Übereinstimmungen der Marken allein in diesem Punkt nicht zu einer Verwechslungsgefahr führen können.

Insbesondere in der Widerspruchsmarke kommt diese Sachbezeichnung durch Trennung von der übrigen Wortfolge unmissverständlich zur Geltung. Nachdem die Widersprechende unter ihrer Marke eine Art Mayonnaise unter Verwendung von Quark anbietet, wie sich einer Recherche im Internet entnehmen lässt ( u.a. http://www.saucen.ch/quarkketchup.htm ), wird der Verkehr im Zusammenhang mit den Waren den beschreibenden Bezug (Quark und Mayonnaise) ohne weiteres erkennen und sich die Marke vor allem an dem in Paranthese gestellten "O" merken. Nur auf diese Besonderheit könnte sich die von der Widersprechenden geltend gemachte gesteigerte Kennzeichnungskraft beziehen, wobei allerdings eine besondere Eigenart und Einprägsamkeit der Marke noch nicht die Zuerkennung eines erweiterten Schutzumfanges rechtfertigt (vgl. Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Auflage 2000, § 9 Rdn. 137). Demgegenüber wirkt die angegriffene Marke in erster Linie als Fantasiewort, bei der allenfalls die erste Silbe als Sachbegriff erkannt wird, weil es nur wenig ähnlich gebildete Wörter mit dem Anfangsbuchstaben "Q" in der deutschen Sprache gibt (Quartier, Quarz, Quartett).

Vor diesem Hintergrund kommt den Unterschieden in den Endsilben der Vergleichszeichen besondere Bedeutung zu, zumal sie auch noch betont sind und die Vokale gedehnt ausgesprochen werden; zwischen den Vokalen kommen die abweichenden Konsonanten gut zur Geltung. Während die Widerspruchsmarke klanglich mit "nähse/neese" endet, wird die angegriffene Marke meistens buchstabengetreu wiedergegeben. Nur die wenigsten Verbraucher werden in der Wortendung das französische Wort "lait"( = Milch) herauslesen und sie deshalb möglicherweise "lä" aussprechen. Aber auch für diesen Ausnahmefall reicht die Abweichung "se" in der Widerspruchsmarke aus, um dieser ein anderes Klanggepräge zu verleihen. Der weitergehenden Auffassung der Widersprechenden, ihre Marke werde - zumindest in Bayern - eher wie "nähs" ausgesprochen, wobei das abschließende "s" häufig wegfalle, kann sich der Senat nicht anschließen. Im übrigen könnte diese mundartliche Besonderheit im vorliegenden Fall auch nicht Grundlage für eine allgemeine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG sein.

Auch in schriftbildlicher Hinsicht, für die es vor allem auf Anfang und Ende der Vergleichswörter sowie auf Ober- oder Unterlängen ankommt, reichen die Zeichenunterschiede aus. Nachdem der Wortanfang der Widerspruchsmarke im Gesamtcharakter der Marken nur eingeschränkt beitragen kann, sind die Abweichungen im übrigen Zeichenverlauf nicht zu übersehen. Während die angegriffene Marke über zwei Buchstaben mit Oberlänge verfügt, einer von ihnen am Wortende, fällt das Schriftbild der Widerspruchsmarke vor allem durch die beiden Trennstriche auf, die den Vokal "O" auffällig isolieren und zu einer optischen Dreiteilung der gesamten Marke führen. Gerade diese grafische Besonderheit wird dem Verkehr deutlich in Erinnerung bleiben.

Gesichtspunkte, die eine gedankliche Verwechslungsgefahr begründen könnten, sind ebenfalls nicht gegeben.

Die vorliegenden Gemeinsamkeiten erfüllen insbesondere nicht den Anwendungsfall der komplexen Verwechslungsgefahr, wenn sich - wie hier - eine gemeinsame begriffliche Aussage auf einen beschreibenden und damit nicht betriebskennzeichnenden Hinweis beschränkt (vgl. Althammer/Ströbele, a.a.O., § 9 Rdn. 113 m.w.N.).

Für eine mittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr fehlt es ebenfalls an hinreichenden Anhaltspunkten. Die Auffassung der Widersprechenden, mit den in den Vergleichszeichen angesprochenen französischen Begriffen "lait" und "mayonnaise" verbinde der verständige Durchschnittsverbraucher die Farbe "weiß" und die Konsistenz "cremig/flüssig", erscheint dem Senat allenfalls für wenige Ausnahmefälle des angesprochenen Verkehrs zutreffend; zudem müssten noch weitere Gedankenschritte angestellt werden, um zu einer gedanklichen Konfusion zu gelangen. Eine relevante Verwechslungsgefahr lässt sich daraus nicht herleiten.

Die Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen, wobei eine Kostenentscheidung gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG nicht veranlasst war.

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb






BPatG:
Beschluss v. 26.02.2003
Az: 28 W (pat) 91/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2b2c5c26ada1/BPatG_Beschluss_vom_26-Februar-2003_Az_28-W-pat-91-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share