Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 26. April 2007
Aktenzeichen: 3 U 187/05

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 26.04.2007, Az.: 3 U 187/05)

Zu Schadensersatzansprüchen gegen einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden einer AG wegen Pflichtverletzungen nach § 93 AktG

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.6.05 - Az: 2/14 O 4/05 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die Klägerin firmierte bis zum 31.8.2004 unter der Bezeichnung A AG. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Geschäftssitz von O1, €straße €, verlegt nach O2. Der Beklagte zu 1 war vom 17.10.1995 bis zu seiner Abberufung vom 2.4.2004 Vorstandsvorsitzender der Klägerin; er war darüber hinaus auch Aktionär. Bei den Beklagten zu 2. bis 4. handelt es sich um frühere Aufsichtsratmitglieder der Klägerin.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Immobilie €straße € in O1. Das diesbezügliche Grundstück wurde vom Beklagten zu 1. und dessen Ehefrau erworben und zur gemischten Gewerbe- und Wohnraumnutzung bebaut. Die Bebauung erfolgte durch die Firma B AG/CAG. 1997 wurde die Immobilie auf die Klägerin übertragen. Im Oktober 1999 bezogen der Beklagte zu 1. und dessen Ehefrau die Ebenen 3 bis 5 als Wohnung, während die Klägerin die Flächen 0 bis 2 gewerblich nutzte. Am 18.1.2000 unterzeichnete der Beklagte zu 1. für die Klägerin als Vermieterin und für sich als Mieter einen Mietvertrag betreffend die im Hause €straße € gelegene Wohnung mit einem monatlichen Mietzins von 4.655 € (Bl. 456). Dieser Mietvertrag wurde von 3 Mitgliedern des damals aus vier Personen bestehenden Aufsichtsrates - wozu noch nicht die Beklagten zu 2. bis 4. gehörten - €im Umlaufverfahren€ genehmigt (Bl. 459 ff.). Unter dem 2.6.2000 unterzeichneten der Beklagte zu 1. als Mieter und der Beklagte zu 4. für die Klägerin bezüglich der genannten Wohnung einen Mietvertrag, der Gegenstand der vorliegenden Klage ist; dessen Abschluss wird den Beklagten als Pflichtverletzung vorgeworfen.

Von diesem Mietvertrag existieren zwei Fassungen (Bl. 66 sowie Bl. 93). Der Mietvertrag war auf die Dauer von 30 Jahren abgeschlossen und enthielt eine Wertsicherungsklausel (Bl. 77); die Wohnfläche war mit 306 Quadratmetern angegeben und als Nettomietzins war ein monatlicher Betrag von 6.732,00 € vereinbart. Dieser Mietvertrag war Gegenstand einer Aufsichtsratsitzung vom 8.6.2001 (Bl. 931). Ebenfalls am 8.6.2001 wurde der Mietvertrag vom 2.6.2000 durch Beschluss des Personalausschusses des Aufsichtsrates (Beklagter zu 2. als Aufsichtsratvorsitzender und Beklagter zu 3.) genehmigt (Bl. 480). Am 18.6.2002 kam es zu einer abschließenden Vereinbarung der Klägerin mit der Firma B AG/CAG (Bl. 124) bezüglich deren restlicher Werklohnforderung aus der Errichtung des streitgegenständlichen Objekts.

Am 2.4.2004 kündigte die Klägerin den Anstellungsvertrag mit dem Beklagten zu 1. fristlos und erteilte diesem Hausverbot (Bl. 37). Die Klägerin veräußerte die Immobilie gemäß Angebot vom 7.5.2004 (Bl. 626), das am 18.5.2004 angenommen worden ist, zum Kaufpreis von 3,1 Millionen € - ohne Inventar - an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts €str. €, die derzeit weiterhin Eigentümerin des Objekts ist. Mit Schreiben vom 30.8.2004 kündigte die Klägerin den Mietvertrag vom 2.6.2000 fristlos wegen Mietrückstand (Bl. 107). Daraufhin hat der Beklagte zu 1. gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts €straße € im August 2004 Klage erhoben mit dem Begehren, festzustellen, dass der Mietvertrag vom 2.6.2000 weiterhin wirksam sei (Amtsgericht Frankfurt am Main, Az: 33 C 3334/04-67). Durch Teilurteil vom 20.12.2005 (Bl. 983) wurde diese Klage abgewiesen und der dortige Kläger und hiesige Beklagte zu 1. auf die Widerklage zur Herausgabe und Räumung der Wohnung verurteilt. Dieses Urteil wurde mit der Berufung angefochten, über die noch nicht entscheiden ist. Am 28.7.2006 zog der Beklagte zu 1. - zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung - aus dem Objekt aus.

Insbesondere auf der Hauptversammlung der Klägerin vom 31.8.2004 kam es zu heftigen, auch persönlichen Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin, vertreten durch deren jetzigen Aufsichtsratvorsitzenden, und dem Beklagten zu 1. Am 10.11.2004 fassten Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin Beschlüsse zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Beklagten (Bl. 117, 119).

Vorliegend nimmt die Klägerin den Beklagten nicht in dessen Eigenschaft als Mieter, sondern allein wegen der Verletzung von Pflichten als ihres ehemaligen Vorstandsvorsitzenden in Anspruch; die Beklagten zu 2. bis 4. werden wegen der Verletzung von Pflichten als ehemalige Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin in Anspruch genommen. Die Höhe der Klageforderung erster Instanz hat 1.864.238,10 € betragen. Die Klägerin hat vorgetragen, die Pflichtverletzungen der Beklagten ergäben sich aus dem Abschluss des Mietvertrages vom 2.6.00 mit einer 30-jährigen Laufzeit und weiteren, die Klägerin belastenden Konditionen, insbesondere ein falsch berechneten Wohnfläche, einem unangemessen niedrigen Mietzins sowie einer völlig unzureichenden Wertsicherungsklausel; der Mietvertrag sei unwirksam.

Die Klägerin hat ihren Schaden erstinstanzlich wie folgt berechnet:

a) Nachforderung Mietzins für den Zeitraum 1.12.99 bis 30.6.04- Zeitpunkt der Übergabe an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts €straße € -, fußend auf einer Wohnfläche von 581,82 Quadratmetern und einem angemessenen Mietzins von 15 € pro Quadratmeter = 310.847,76 € (Bl. 21); b) Nebenkosten-Nachforderung für den Zeitraum1.12.1999 bis 30.6.2004 = 53.390,34 € (Bl. 23); c) Wertverlust der Immobilie beim Weiterverkauf, wobei dieser Wertverlust ausschließlich beruhe auf dem Abschluss des Mietvertrages vom 2.6.2000 = 1.500.000,00 € (Bl. 23).

Die Beklagten haben sämtliche ihnen vorgeworfenen Pflichtverletzungen in Abrede gestellt.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 671 ff.).

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 16.6.2005 abgewiesen. Es hat ausgeführt, bezüglich der Inanspruchnahme des Beklagten zu 1. fehle es an einer Pflichtverletzung in dessen Eigenschaft als ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Klägerin (§ 93 AktG). Dabei könne dahinstehen ob der Mietvertrag vom 2.6.2000 sowie der vorausgegangene Mietvertrag vom 18.1.2000 rechtwirksam zustande gekommen seien, was zumindest zweifelhaft sei. Es sei von der Klägerin nämlich nicht substantiiert dargelegt worden, dass statt der in der Anlage 2 zum Mietvertrag vom 2.6.2000 dargelegten Wohnfläche von 306,12 Quadratmeter tatsächlich eine Wohnfläche von 581,82 Quadratmeter an den Beklagten zu 1. überlassen worden sei. Was die lange Laufzeit des Mietvertrages von 30 Jahren betreffe, so sei eine solche gemäß § 544 BGB rechtlich zulässig. Es gebe dafür vorliegend auch nachvollziehbare Motive der Klägerin. Eine Verletzung der Pflichten des Beklagten zu 1. als Vorstandsvorsitzender sei auch nicht in dem vereinbarten Mietzins von 22,-- DM pro Quadratmeter zu sehen. Die Klägerin berücksichtige nicht die Sonderregelung in § 27 Nr. 2 und 4 des Mietvertrages vom 2.6.2000. Es sei von der Klägerin auch nicht substantiiert dargelegt worden, dass der langfristige Mietvertrag für einen Verkaufs-Mindererlös in Höhe von 1,5 Millionen € kausal gewesen sei. Auch die vom Beklagten zu 1. durchgeführte Mietminderung führe nicht zu dessen Haftung wegen einer Pflichtverletzung als Vorstandsvorsitzender. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, ab wann und in welchem Umfang das Mietobjekt mangelfrei geworden sei. Zudem könne die Klägerin etwaigen rückständigen Mietzins noch gegenüber dem Beklagten zu 1. in dessen Eigenschaft als Mieter klageweise geltend machen. Ein solcher Anspruch sei vorliegend nicht streitgegenständlich, da der Beklagte zu 1. nur in seiner Eigenschaft als früheres Organ der Klägerin in Anspruch genommen werde. Der Abschluss des Mietvertrages vom 2.6.2000 stelle sich auch nicht als Verstoß des Beklagten zu 1. gegen die Grundsätze einer angemessenen Vergütung dar (§ 87 AktG). Der Abschluss des Mietvertrages sei auch nicht als Entgegennahme verbotener Leistungen nach § 62 AktG anzusehen. Eine Haftung der Beklagten zu 2. - 4. gemäß § 116 AktG wegen des Abschlusses des Mietvertrages vom 2.6.00 scheitere daran, dass aus den genannten Gründen die Voraussetzungen einer Vorstandshaftung nach § 93 AktG nicht gegeben seien.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt und wegen €korrigierter Rechenfehler€ geringfügig auf 1.870.494,91 € erweitert hat (Zusammensetzung der Forderung siehe Bl. 775/776). Die Klägerin rügt die Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts, die Verkürzung des rechtlichen Gehörs, eine unzutreffende rechtliche Würdigung sowie das Vorliegen eines Überraschungsurteils. Der Abschluss eines Mietvertrages mit 30-jähriger Laufdauer stelle sich als den Beklagten zu 1. bis 4. anzulastende und zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung dar, unabhängig von der Wirksamkeit des Mietvertrages. Außer der 30-jährigen Laufdauer sei die Vereinbarung einer zu geringen Wohnfläche, eines unangemessen niedrigen Mietzinses sowie einer völlig unzureichenden Wertsicherungsklausel zu beanstanden; auch die vom Beklagten zu 1. vorgenommenen Mietzinsminderungen seien nicht gerechtfertigt gewesen. Insgesamt sei der Mietvertrag vom 2.6.2000 als eine Regelung anzusehen, die die Klägerin in unangemessener Weise benachteiligt habe; der Abschluss eines solchen Vertrages widerspreche den Sorgfaltspflichten eines Vorstands- und eines Aufsichtsratsmitgliedes.

Die in § 27 des Mietvertrages enthaltene Wertsicherungsklausel sei völlig unzureichend gewesen; das gelte insbesondere für die darin geregelte nur 60prozentige Erhöhung bezogen auf Indexveränderungen. Der vereinbarte Mietzins sei nicht ortsüblich gewesen; statt eines solchen von 22,-- DM pro Quadratmeter seien mindestens 30,-- DM pro Quadratmeter angemessen gewesen (Einzelheiten s. Bl. 761 ff.). Die Wohnfläche habe statt der im Mietvertrag angegebenen 306 Quadratmeter tatsächlich 581,82 Quadratmeter betragen (Einzelheiten s. Bl. 757 ff.). Der Verkauf der Immobilie sei wegen drohender Zahlungsunfähigkeit der Klägerin im Frühjahr 2004 dringend geboten gewesen. Der wirkliche Marktwert der Immobilie habe 4,6 Millionen € betragen; wegen des ungünstigen Mietvertrages, insbesondere dessen 30-jährige Laufzeit, sowie wegen der Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Bestandes des Mietvertrages sei gegenüber der Erwerberin, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts €straße €, nur ein Kaufpreis von 3,1 Millionen € zu erzielen gewesen. All dies sei bereits von der Klägerin erstinstanzlich substantiiert vorgetragen gewesen; zumindest hätte der Klägerin der diesbezüglich beantragte Schriftsatznachlass gewährt werden müssen. Der Beklagte zu 1. hätte als damaliger Vorstandsvorsitzender der Klägerin bei Abschluss des Mietvertrages allein die Interessen der Klägerin berücksichtigen dürfen, nicht hingegen seine eigenen Interessen als Mieter. Eine Herabsetzung des Mietzinses z.B. wegen Repräsentationspflichten des Beklagten zu 1. sei nicht gerechtfertigt, da dieser Umstand bereits im Anstellungsvertrag mit dem Beklagten zu 1. geregelt gewesen sei.

Der Beklagte zu 1. habe im Übrigen nicht einmal den vereinbarten Mietzins gezahlt, sondern diesen zu Unrecht auch noch gemindert. Die angeblichen Wohnungsmängel seien bereits erstinstanzlich ausreichend bestritten worden. Die beweispflichtigen Beklagten hätten diese Mängel nicht substantiiert dargelegt. Jedenfalls hätten die Beklagten die Mängel so zügig beseitigen müssen, dass dann ein Minderungsrecht nicht mehr bestanden hätte. Der Klägerin könne auch nicht vorgehalten werden, dass sie den rückständigen Mietzins nicht beim Amtsgericht eingeklagt habe. Denn in der Verletzung mietvertraglicher Pflichten liege zugleich auch ein Schadensereignis im Sinne § 93 AktG. Es handele sich dabei um einen einheitlichen Lebenssachverhalt und es stehe der Klägerin frei, ob sie aus dem Mietvertrag vorgehe oder aber Schadensersatz wegen Organpflichtverletzung geltend mache.

Die Überlassung der Wohnung weit unter dem marktüblichen Mietzins sei zudem als verbotene Leistung im Sinne von § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG anzusehen. Die Beklagten zu 2. bis 4. hätten bezüglich des Mietvertrages vom 2.6.2000 ihre Überwachungs- und Kontrollpflichten als Aufsichtsratmitglieder verletzt. Zudem hafteten sie zusätzlich gemäß §§ 87, 93 Abs. 2, 116 AktG auf Schadensersatz da sie die ihnen obliegende Rechtspflicht zur Einhaltung des Gebots der Angemessenheit bei der Festsetzung der Vorstandsbezüge des Beklagten zu 1. schuldhaft verletzt hätten. Denn die weit unter dem Marktpreis liegende Überlassung der Wohnräume an den Beklagten zu 1. sei von ihm selbst als Teil seiner Vergütung bezeichnet worden. Wie die Klägerin erstinstanzlich dargelegt habe, hätten aber die Gesamtbezüge des Beklagten zu 1. in keinem angemessenen Verhältnis zu der damaligen desolaten wirtschaftlichen Lage der Klägerin gestanden. Die Klägerin verteidigt sich im übrigen gegen den Vorwurf der Beklagten, sie habe in der Berufungsinstanz verspätet neue Angriffsmittel eingeführt.

Die Kläger beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.870.494,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen; hilfsweise beantragt die Klägerin, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Sie wenden insbesondere ein, die Klägerin versuche unsubstantiierten erstinstanzlichen Vortrag zweitinstanzlich nachzubessern, was als präkludiert anzusehen sei. Im übrigen seien weiterhin weder die angeblichen Pflichtverletzungen der Beklagten, noch der geltend gemachte Schaden substantiiert dargelegt worden. Der Mietvertrag vom 2.6.2000 stelle keine unangemessene Bevorteilung des Beklagten zu 1. dar. Die Wohnfläche sei im Mietvertrag zutreffend angegeben worden; der vereinbarte Mietzins sei angemessen; die 30-jährige Laufzeit sei gemäß § 544 BGB rechtlich zulässig und auch sachlich gerechtfertigt; zudem sei eine ausreichende Wertsicherungsklausel vereinbart worden. Die Mietzinsminderung sei ebenfalls gerechtfertigt gewesen im Hinblick auf die zahlreichen Mängel der Wohnung, die die Klägerin nicht substantiiert bestritten habe. Entgegen der Klägerin sei diese im Frühjahr 2004 auch nicht nahezu zahlungsunfähig gewesen, sondern wirtschaftlich völlig gesund. Dass wegen des Mietvertrages vom 2.6.2000 beim Weiterverkauf der Immobilie ein Mindererlös von 1,5 Millionen € eingetreten sei, sei von der Klägerin weiterhin nicht substantiiert dargelegt worden.

II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Dabei ist bezüglich des Streitgegenstandes zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend gegenüber allen drei Beklagten um eine Schadensersatzklage wegen behaupteter Pflichtverletzungen als frühere Organe der Beklagten handelt. Der Beklagte zu 1. wird vorliegend nicht als Mieter, sondern allein als ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Klägerin in Anspruch genommen und die Beklagten 2. bis 4. als deren ehemalige Aufsichtratsmitglieder. Die vorliegende Klage betrifft im übrigen ausschließlich behauptete Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrages vom 2.6.2000 sowie der Nutzung der Wohnung in dem, inzwischen veräußerten, Gebäude O1, €straße €, durch den Beklagten zu 1.. Etwaige andere Pflichtverletzungen der Beklagten sind vorliegend nicht Streitgegenstand; vorliegend ist also nicht darüber zu befinden, ob die Beklagten möglicherweise durch etwaige a n d e r e unternehmerische Entscheidungen die Klägerin geschädigt haben; vielmehr wird die vorliegende Klage allein gestützt auf ein behauptetes Fehlverhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrages vom 2.6.00. Dabei geht es im einzelnen um den Vorwurf, der vereinbarte Mietzins sei nicht ortsüblich gewesen, die Wohnung sei tatsächlich erheblich größer gewesen als im Mietvertrag angegeben und die vom Beklagten zu 1. vorgenommene Mietzinsminderung sei nicht gerechtfertigt gewesen; insbesondere werden auch die 30-jährige Laufzeit des Mietvertrages sowie die angeblich völlig unzureichende Wertsicherungsklausel beanstandet. Dabei soll die Pflichtverletzung der Beklagten zu 2. bis 4. in der fehlenden Kontrolle und Überwachung bezüglich der Mietangelegenheit zu sehen sein.

Der vorliegend in der Berufungsinstanz eingeklagte Vermögensschaden der Klägerin in Höhe vom 1.870.494,91 € setzt sich aus drei Positionen zusammen (s. Bl. 775/776). Zum einen verlangt die Klägerin einen Betrag von 316.115,86 €; diesbezüglich wird für die Zeit vom 1.12.1999 bis zum 30.6.2004 die Differenz der ortsüblichen Miete (15,00 € pro qm) für eine Wohnfläche von 581,82 € geltend gemacht, abzüglich vom Beklagten zu 1) tatsächlich gezahlter Miete, abzüglich einer von der Klägerin akzeptierten Reduzierung gemäß Vereinbarung mit der Fa. B AG/CAG. Für den gleichen Zeitraum wird ein weiterer Betrag von 54.379,05 € verlangt; dabei handelt es sich um die Differenz der tatsächlich angefallenen Nebenkosten, bezogen auf 581,82 qm, abzüglich vom Beklagten zu 1) in dieser Zeit gezahlter Nebenkosten für 306,12 qm. Außerdem verlangt die Klägerin als Kaufpreis-Mindererlös beim Weiterverkauf des Hauses €str. € einen Betrag von 1,5 Mio. EUR; nach Darstellung der Klägerin betrug der damalige Marktpreis für das Objekt 4,6 Mio. EUR; der tatsächliche Kaufpreis (ohne Inventar) betrug 3,1 Mio. EUR. Der Mindererlös ist nach Darstellung der Klägerin allein darauf zurückzuführen, dass die Klägerin wegen des Mietvertrages vom 2.6.2000, insbesondere wegen dessen 30-jähriger Dauer und auch wegen der rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit des Mietvertrages, einem Preisabschlag von 1,5 Mio. EUR habe zustimmen müssen.

Sämtliche drei genannte Schadenspositionen können jedoch gegenüber den Beklagten nicht geltend gemacht werden.

Dabei ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die ersten beiden Schadenspositionen hätte vermindern oder vermeiden können, wenn sie den Beklagten zu 1) beim Amtsgericht unter mietrechtlichen Gesichtspunkten diesbezüglich verklagt hätte; die Klägerin ist nach dem Kaufvertrag mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts €str. € für Ansprüche aus dem Mietverhältnis bis zur Übergabe des Objekts (30.06.04 aktivlegitimiert). Die Klägerin hätte eine diesbezügliche Klage auch ohne den Beklagten zu 1) nach dessen Ausscheiden erheben können und im Hinblick auf § 254 BGB auch müssen.

Darüber hinaus verlangt die Klägerin mit den beiden erstgenannten Ansprüchen im Wege des Schadensersatzes wegen Pflichtverletzung so gestellt zu werden, als hätte der Beklagte zu 1) an Mietzins bzw. Nutzungsentgelt und Nebenkosten für die Zeit vom 1.12.1999 bis 30.6.2004 die jeweils ortsüblichen und angemessenen Beträge gezahlt und keine Minderung vorgenommen. Die Klägerin kann aber nach Schadensersatzrecht nur verlangen, so gestellt zu werden, wie sie ohne die geltend gemachte Pflichtverletzung gestanden hätte. Sie hätte mithin darlegen müssen, wie sich ihre Vermögenssituation bezüglich der streitgegenständlichen Wohnung ohne den Mietvertrag vom 2.6.2000 gestaltet hätte. Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, dass der Beklagte zu 1) als Mieter bereit gewesen wäre, mit ihr einen anderen Mietvertrag abzuschließen, der einen höheren Mietzins und eine kürzere Laufzeit beinhaltet hätte. In seiner Eigenschaft als potenzieller Mieter war der Beklagte zu 1) nämlich in seiner Entscheidungsfreiheit nicht gebunden; er konnte die Wohnung in der €str. € anmieten, hätte jedoch auch eine andere Wohnung anmieten können. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass im Fall der Weigerung des Beklagten zu 1), einen Mietvertrag mit kürzerer Laufzeit und höherem Mietzins abzuschließen, ein Mietvertrag mit einem, konkret zu bezeichnenden, anderen Mieter zu den nunmehr von ihr verlangten Konditionen zustande gekommen wäre. Letzteres kann auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, da sich das vorliegende Mietobjekt als Sonderfall darstellt, das nicht ohne weiteres mit anderen Mietobjekten verglichen werden kann. Denn in dem Gesamtobjekt befanden sich gleichzeitig auch die Geschäftsräume der Klägerin; und es war für die Klägerin durchaus vorteilhaft im Sinne eines vermögenswerten Faktors, dass ihr damaliger Vorstandsvorsitzender ebenfalls in dem Objekt wohnte und nicht etwa ein fremder Mieter. Es ist im übrigen zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin betriebene unternehmerische Tätigkeit ganz wesentlich in intensiven Kontakten zu Persönlichkeiten z.B. aus dem Bereich der Politik, der Wirtschaft und der Kultur bestand; unter diesen Umständen war eine strenge Trennung in eine rein geschäftliche und eine rein private Nutzung von Gebäudeteilen naturgemäß nicht möglich, was durchaus auch im Interesse der Klägerin lag. Dieser Vorteil wäre bei der Nutzung der Privaträume durch einen fremden Mieter nicht gegeben gewesen; umgekehrt fragt sich, ob ein fremder Mieter mit einer intensiven Nutzung der übrigen Gebäudeteile für Geschäftszwecke einverstanden gewesen wäre.

Darüber hinaus bestanden gemäß der Anlage zum Mietvertrag vom 2.6.2000 und dem Mängelprotokoll Bl. 78 ff bei Beginn des Mietverhältnisses insgesamt 559 Mängel an der Wohnung, welche dort hinreichend substantiiert dargelegt sind. Die Klägerin ist darauf nicht näher eingegangen, sondern hat sich auf ein pauschales Bestreiten von Mängeln beschränkt, was unzulässig ist. Soweit die Klägerin hilfsweise vorträgt, im Fall des Bestehens von Mängeln hätten die Beklagten die Pflicht gehabt, diese unverzüglich zu beseitigen, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Zum einen hätte die Klägerin dann die Kosten für die Mängelbeseitigung im einzelnen darlegen und von der Klageforderung abziehen müssen; zum anderen war es nach Auffassung des Senats durchaus sachgerecht, wegen der umfangreichen Mängel mit der bauausführenden Firma B AG/CAG zu verhandeln und sodann die Vereinbarung vom 18.6.2002 (Bl. 124) abzuschließen. Aus dieser Vereinbarung ergibt sich nämlich, dass diese ihre restliche Werklohnforderung gegenüber der Klägerin in erheblichem Umfang reduziert hat; diese Reduzierung ist, wie die Erörterung im Senatstermin ergeben hat, im Hinblick auf die genannten Mängel erfolgt. Es ist im Übrigen von der Klägerin auch nicht dargelegt worden, welcher anderer Mieter im Juni 2000 trotz der umfangreichen Mängel einen Mietvertrag mit der Klägerin zu den nunmehr von ihr genannten Konditionen abgeschlossen hätte.

Nach alldem sind die beiden erstgenannten Schadensersatzansprüche abzuweisen, ohne dass es auf die Frage der Wirksamkeit des Mietvertrages sowie auf die Problematik etwaiger Pflichtverletzungen der Beklagten näher ankommt.

Soweit die Klägerin einen angeblichen Mindererlös in Höhe von 1,5 Mio. EUR auf den Abschluss des Mietvertrages vom 2.6.2000 zurückführt, fehlt es weiterhin an einem schlüssigen Vortrag. Das Landgericht hat auf S. 9 seines Urteils zu Recht festgestellt, es sei nicht substantiiert dargelegt worden, dass der Mietvertrag vom 2.6.2000 beim Weiterverkauf an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts €str. € zu einem Mindererlös in dieser Höhe geführt habe. In der Berufungsinstanz bezieht sich die Klägerin erneut in erster Linie auf das Schreiben der Fa. D (Bl. 121). In diesem Schreiben ist jedoch nur von einem €möglichem Kaufpreis von 4,6 Mio. EUR€ die Rede. Dabei ist aber, wie sich aus dem 2. Absatz des Schreibens ergibt, bereits berücksichtigt, dass ein €langfristiger€ Mietvertrag mit dem Beklagten zu 1) bestehe. Es handelt sich mithin nicht um eine Bewertung nach dem Sachwertverfahren, sondern um eine solche nach dem Ertragswertverfahren. Zwar heißt es am Ende des Schreibens, die größten Chancen hinsichtlich der Vermarktung seien gegeben, wenn die Liegenschaft frei übergeben werden könne; dies ändert jedoch nichts daran, dass der in dem Schreiben genannte €mögliche€ Betrag von 4,6 Mio. EUR auf der Basis einer langfristigen Nutzung durch den Beklagten zu 1) ermittelt worden wäre. Im übrigen geht der Vorwurf der Klägerin gegenüber den Beklagten nicht dahin, überhaupt einen Mietvertrag bezüglich der Wohnräume abgeschlossen zu haben, sondern die Klägerin beanstandet nur dessen 30-jährige Laufzeit sowie den angeblich zu niedrigen Mietzins. Die Klägerin legt aber nicht dar, welche alternative Mietdauer aus ihrer Sicht akzeptabel gewesen wäre. Da der Mietvertrag am 2.6.2000 abgeschlossen und das Objekt bereits im Frühjahr 2004 verkauft worden ist, wäre das Objekt aber auch bei einer wesentlich kürzeren Laufzeit des Mietvertrages nicht ohne Mieter zu verkaufen gewesen. Die Klägerin kann mithin bei ihrer Vergleichsberechnung nicht davon ausgehen, dass das Objekt mieterfrei gewesen wäre. Es ist von der Klägerin nicht dargelegt worden, dass der Verkaufserlös bei einem Mietvertrag mit 30-jähriger Dauer um 1,5 Mio. EUR niedriger gewesen wäre, als z.B. bei einem Mietvertrag mit einer nur 6-jährigen Dauer (die Mitte des Jahres 2004 noch angedauert hätte). Es ist auch nicht dargelegt worden, welchen - über die vereinbarten 3,1 Mio. EUR hinausgehenden - Betrag die Käuferin gezahlt hätte, wenn das Objekt z.B. mit einem Mietvertrag von nur 6-jähriger Dauer belastet gewesen wäre.

Darüber hinaus trägt die Klägerin diesbezüglich auch widersprüchlich vor. Sie trägt zum einen vor, allein der ungünstige Mietvertrag mit dem Beklagten zu 1), insbesondere dessen 30-jährige Dauer und die Rechtsunsicherheit bezüglich der Frage der Wirksamkeit, habe bei den Vertragsverhandlungen mit der Käuferin zu einem Preisnachlass von 1,5 Mio. EUR geführt; gleichzeitig weist die Klägerin jedoch mehrfach darauf hin, im Frühjahr 2004 habe bezüglich der Klägerin die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit bestanden, so dass der Verkauf der Immobilie für die Klägerin lebensnotwendig gewesen sei. Dann hätte es sich bei dem Verkauf der Immobilie um einen €Notverkauf€ gehandelt, bei dem in der Regel nicht der optimale Preis erzielt werden kann, sondern der unter Druck stehende Verkäufer zu Nachgaben bereit ist. Es wird von der Klägerin aber nicht dargelegt, die drohende Zahlungsunfähigkeit sei etwa die Folge des Abschlusses des Mietvertrages vom 2.6.2000 gewesen. Es kann unterstellt werden, dass die Klägerin aus anderen Gründen -beispielsweise wegen unternehmerischer Fehlentscheidungen- im Frühjahr 2004 am Rande der Insolvenz gestanden hat. Derartige fallunternehmerische Entscheidungen könnten sich möglicherweise als Pflichtverletzungen der Beklagten darstellen. Es würde sich dann aber nicht um die Pflichtverletzung handeln, die allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, nämlich der Abschluss des Vertrages vom 2.6.2000.

Nach alldem ist weiterhin nicht schlüssig dargelegt, dass der Abschluss des Mietvertrages vom 2.6.2000 beim Weiterverkauf zu einem Mindererlös von 1,5 Mio. EUR -bzw. zu einem bestimmten niedrigeren - Mindererlös geführt hat.

Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz - erstmals - bezüglich des Betrages von 1,5 Mio. EUR eine €Alternativberechnung€ erstellt, so handelt es sich dabei um unzulässigen Vortrag im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Außerdem betrifft diese Berechnung den Zeitraum 1.7.2004 bis Juni 2030. Dabei verkennt die Klägerin jedoch, dass sie insoweit gemäß § 10 Abs. 2 des Kaufvertrages mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts €str. € nicht aktivlegitimiert ist.

Der Anspruch lässt sich auch nicht auf §§ 57 Abs. 1 S. 1, 62, 93 AktG stützen. Auch wenn der Beklagte zu 1) Aktionär der Klägerin war, so kann der Abschluss des Mietvertrages vom 2.6.2000 mit dem Beklagten zu 1) nicht als unzulässige Rückzahlung der Einlage an diesen in seiner Eigenschaft als Aktionär angesehen werden. Vielmehr geht die Klägerin selbst in der Berufungsbegründung davon aus, die Nutzung zu einem unangemessen niedrigen Mietzins sei als €verkappte€ Erhöhung der Vorstandsbezüge des Beklagten zu 1) anzusehen und stelle eine vermögensrelevante Leistung im Rahmen von dessen Anstellungsvertrag dar.

Soweit der Anspruch gegenüber den Beklagten zu 2) bis 4) hilfsweise auf §§ 87, 93 Abs. 2, 116 AktG gestützt wird, so käme diese Anspruchsgrundlage allenfalls bezüglich der beiden erstgenannten Schadensposten in Betracht; denn ein solcher Anspruch wäre gerichtet auf die Erstattung unangemessen hoher Bezüge betreffend den Beklagten zu 1) als Vorstandsvorsitzender. Die beiden erstgenannten Schadenspositionen können jedoch nicht isoliert unter dem Gesichtspunkt einer €unangemessen hohen Vorstandsvergütung€ eingeklagt werden; vielmehr wäre dazu eine Gesamtbeurteilung sämtlicher Vorstandsbezüge des Beklagten erforderlich gewesen. Soweit die Klägerin diesbezüglich auf S. 35 ff des Schriftsatzes vom 7.6.2005 verweist (Bl. 569 ff), so werden dort die Gesamtbezüge des Beklagten zu 1) in Relation gesetzt zur Bilanz der Klägerin betreffend das Jahr 2000 gesetzt; es werden dort zudem die Bezüge des Beklagten zu 1) verglichen mit denen des jetzigen Vorstandsvorsitzenden der Klägerin; aus alldem wird sodann in dem Schriftsatz gefolgert, die Bezüge des Beklagten zu 1) seien €unangemessen hoch€ gewesen. Es wird aber nicht dargelegt, welche konkrete Höhe der Bezüge für den Beklagten zu 1) stattdessen angemessen gewesen wäre und welcher konkrete Differenzbetrag im Sinne einer zu hohen Vorstandsentschädigung daher im Wege des Schadensersatzes zu erstatten sei; erstrecht wird nicht dargelegt, dass dieser Differenzbetrag etwa identisch sei mit den vorliegend eingeklagten ersten beiden Schadenspositionen.

Nach alldem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 26.04.2007
Az: 3 U 187/05


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