Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. April 2009
Aktenzeichen: 8 W (pat) 19/05

(BPatG: Beschluss v. 16.04.2009, Az.: 8 W (pat) 19/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 23 des Patentamts vom 4. März 2005 aufgehoben und das Patent 197 47 648 aufrechterhalten.

Gründe

I.

Auf die am 29. Oktober 1997 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 197 47 648 mit der Bezeichnung "Kombinierte Schädlingsbekämpfung" erteilt und die Erteilung am 3. August 2000 veröffentlicht worden.

Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:

"Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen, wie Holz-, Textilund Museumsschädlingen, in Behandlungsräumen, die abgegrenzte Innenräume eines Gebäudes sind, wie Kircheninnenräume, Museen oder Lagerdepots, wobei im Innenraum befallene Gegenstände oder Güter dadurch teilbegast werden, dass sie gegenüber dem übrigen Innenraum (Befallsraum) räumlich abgeschottet, abgetrennt oder eingehaust werden und dann mittels eines Begasungsmittels begast werden, dadurch gekennzeichnet, dass Adulte und Eier im übrigen Innenraum vor oder nach der Abschottung, Abtrennung oder Einhausung oder vor, während oder nach der Teilbegasung mit einem insektiziden Vernebelungs-, Verräucherungsmittel oder Aerosol beaufschlagt oder behandelt werden."

Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Akten bzw. die Patentschrift DE 197 47 648 C2 verwiesen.

Auf einen Einspruch hat die Patentabteilung 23 des Patentamts das Patent mit Beschluss vom 4. März 2005 widerrufen, weil das patentgemäße Verfahren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Patentabteilung hat zur Begründung ausgeführt, dass es bereits vor dem Zeitrang des Streitpatents bekannt war, dass nach Durchführung einer Teilbegasung, wie durch die DE 195 06 200 A1 beschrieben, Reinfektionen durch Überleben von Adulten und Eiern erfolgen können. Die Problematik der Reinfektion und die Tiefenwirkung von Begasungsmitteln gegenüber der geringen Eindringtiefe von Vernebelungsmitteln gehörte nach den Ausführungen der Patentabteilung dabei vor dem Zeitrang des Streitpatents ebenfalls zum allgemeinen Fachwissen, wie aus der Literaturstelle G. PETERS: Die hochwirksamen Gase und Dämpfe in der Schädlingsbekämpfung. In: PUMMERER, R. (Hrsg.): Sammlung chemischer und chemischtechnischer Vorträge, Stuttgart: Verlag von Ferdinand Enke, 1942, S. 17 und S. 79 -80, ersichtlich sei. Mit diesem Hintergrundwissen ausgestattet könne der Fachmann nach Auffassung der Patentabteilung dem Stand der Technik nach WILLIAMS, L. H. and SPRENKEL; R. J., Ovicidal Activity of Sulfuryl Fluoride to Anobiid an Lyctid Beetle Eggs of Various Ages, in: J. Entomol. Sci. 1990, 25 (3), S. 366 -375 entnehmen, dass zur Vermeidung einer Reinfektion anschließend an eine Begasung zur Schädlingsbekämpfung eine Behandlung des Raumes mit insektiziden Verräucherungsmitteln erfolgen soll.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.

Eine schriftliche sachliche Stellungnahme der Patentinhaberin ist im Beschwerdeverfahren nicht zur Akte gelangt.

Auch die Einsprechende hat im Beschwerdeverfahren keine Ausführungen mehr zur Sache gemacht.

Mit Schriftsatz vom 13. November 2007, eingegangen am 19. November 2007, hat die Einsprechende im Beschwerdeverfahren die Rücknahme ihres Einspruchs erklärt.

Von Seiten der Einsprechenden war in das Verfahren vor dem Patentamt noch der folgende Stand der Technik eingeführt worden:

Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. F. d., Band A 14, Seiten 302 und 303 (1989)

W. Eichler, Handbuch der Insektenkunde, Seiten 130, 131 und 205 bis 207, Berlin 1965 G. Binker, "Schädlingsbekämpfung: Hilfe für Maria Hilf" in Bausubstanz 7 -8, Seiten 50 bis 52 (1992).

AT-PS 154 481 Internetauszüge "Lowvoume Spraying Reduces Worker Exposure" (D8) und "Hochdrucksprühverfahren" (D9) vom 8.6.2001 (gutachterlich nachveröffentlicht).

Die Patentinhaberin hat im Einspruchsverfahren vor dem Patentamt noch auf die folgenden Druckschriften verwiesen:

DIN 68800 "Holzschutz", 1. Aufl., 1998, Seiten 90, 91 Buchauszug: "Die Fledermäuse Hessens", 1. Aufl., 1994, Seiten 191, 192.

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht vorgetragen, dass man bei dem Bekämpfungsverfahren gemäß dem Artikel "Hilfe für Maria Hilf", BAUSUBSTANZ 7 -8/92, Seiten 50 bis 52 (sog. D4) von Begasungsmaßnahmen im Dachraum wegen der dort lebenden Fledermäuse abgesehen habe, während in der von der Patentabteilung herangezogenen Literaturstelle G. PETERS: Die hochwirksamen Gase und Dämpfe in der Schädlingsbekämpfung (sog. D1) eine Vernebelungsmaßnahme allein, z. B. in Mühlen häufig wiederholt werden müsse, um eine Reinfektion durch neu entwickelte Motten aus der Brut abzutöten, wie aus Seite 17 dieser Entgegenhaltung ersichtlich sei. Die von der Patentabteilung noch zur Beschlussbegründung herangezogene Literaturstelle WILLIAMS, L. H. and SPRENKEL, R. J., J. Entomol Sci., Vol. 25, No. 3 (1990 (sog. D7) lehre nach Auffassung der Patentinhaberin gemäß den Ausführungen auf Seite 374, dass zuerst in allen Räumen des zu entwesenden Hauses eine Begasung erfolgen müsse und dann alle Oberflächen in allen Räumen mit einem Insektizid zu behandeln seien. Somit werde hier ein anderer Weg als im Streitpatent beschritten, der zudem das gesamte Verfahren noch wesentlich teurer gestalte als dies bei dem patentgemäßen Verfahren der Fall sei.

Demgemäß sei das patentgemäße Verfahren durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahe gelegt, wie die Patentinhaberin weiter vorgetragen hat, denn der entgegengehaltene druckschriftliche Stand der Technik beschreibe anders als das patentgemäße Verfahren aufgebaute Einzelverfahren die auch nicht zu kombinieren seien.

Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und das Patent 197 47 648 aufrecht zu erhalten.

Im Prüfungsverfahren vor dem Patentamt waren zur Beurteilung der Patentfähigkeit noch die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:

DE 195 06 631 A1 DE 41 34 093 A1 US 56 78 352 A WO 8002097A1 Werner Perkow: "Die Insektizide" Alfred Hütling Verlag, Heidelberg, 2. Aufl. 1968, S. 341 -343 u. 360 -363;

K. H. Büchel: "Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung", Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1997, S. 5 -8 u. S. 93 -99.

II.

Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist in der Sache begründet, denn der Patentgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis § 5 dar.

1. Gegenstand des Streitpatents ist nach Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen.

Im Streitpatent wird von einem Teilbegasungsverfahren nach der DE 195 06 200 A1 ausgegangen (vgl. Patentschrift Seite 2, Zeile 4), bei dem im Innenraum von Gebäuden Gegenstände oder Güter, die mit Schädlingen befallen sind abgeschottet, abgetrennt oder eingehaust werden und dann mittels eines Begasungsmittels begast werden.

Bei dem bekannten Stand der Technik sind Maßnahmen zur Bekämpfung von Schädlingen, die sich außerhalb der als Behandlungsraum abgetrennten Räume befinden, nicht vorgesehen, wie im Streitpatent (Seite 2, Zeilen 4, 5) ausgeführt wird. Dadurch dass der übrige, nicht abgetrennte und begaste Innenraum aber unbehandelt bleibt, kann es zu Reinfektionen der begasten Gegenstände kommen (Seite 2, Zeilen 18 bis 26), insbesondere dann, wenn die Teilbegasung in der Flugzeit der Schädlinge oder in der Zeit, in der Adulte der Schädlinge auftreten, die sich im restlichen nichtbegasten Raum verstecken können, erfolgt. Dadurch sind die zwar weitaus kostengünstigeren Teilbegasungen u. U. nicht nachhaltig wirksam (Seite 2, Zeilen 40 bis 55).

Das Streitpatent hat sich daher die Aufgabe gestellt, ein Verfahren zur Teilbegasung, wie im Stand der Technik nach der DE 195 06 200 A1 beschrieben, vorzuschlagen, bei dem bei Teilbegasung eine Reinfektion der begasten Gegenstände oder Güter vermieden wird (Seite 2, Zeilen 33, 34).

Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß ein Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen in Behandlungsräumen mit den folgenden Merkmalen:

1. Die Behandlungsräume sind abgegrenzte Innenräume eines Gebäudes.

1.1 Im Innenraum befallende Gegenstände oder Güter werden teilbegast.

1.1.1 Die Teilbegasung erfolgt derart, dass die Gegenstände oder Güter gegenüber dem übrigen Innenraum (Befallsraum) räumlich abgeschottet, abgetrennt oder eingehaust werden.

1.1.2 Dann werden die Gegenstände oder Güter (nach räumlicher Abschottung, Abtrennung oder Einbehausung) mittels eines Begasungsmittels begast.

1.2 Im Übrigen Innenraum werden Adulte und Eier mit einem insektiziden Vernebelungs-, Verräucherungsmittel oder Aerosol beaufschlagt oder behandelt.

1.2.1 Die Beaufschlagung oder Behandlung erfolgta) vor der Abschottung, Abtrennung oder Einhausungoderb) nach der Abschottung, Abtrennung oder Einhausungoderc) vor der Teilbegasungoderd) während der Teilbegasungodere) nach der Teilbegasung.

Das patentgemäße Bekämpfungsverfahren setzt sich zusammen aus einer bekannten Teilbegasung (Merkmalsgruppe 1.1) und einer Behandlung des übrigen, nicht von der Abschottung für die Teilbegasung bereits abgetrennten Innenraums mittels Vernebelungs-, Verräucherungsoder Aerosol-Behandlungen, wie die Merkmale 1.2 i. V. m. den Alternativen 1.2.1 b) bis e) erkennen lassen. Die Merkmalskombination 1.2 i. V. m. der Alternative 1.2.1 a) indes betrifft ein Verfahren, bei dem der gesamte Innenraum bereits vor Beginn der Teilbegasung und der Errichtung der hierfür notwendigen Abgrenzungselemente einer Behandlung mit Vernebelungsmitteln o. ä. unterzogen wird, dem nach sachgerechter Würdigung des Inhalts der Alternative a) dann erst die Teilbegasung mit vorheriger Abgrenzung des entsprechenden Raumes gemäß Merkmalsgruppe 1.1 folgen kann. Der "übrige Innenraum" gemäß Merkmal 1.2 wird bei der Variante 1.2.1 a) daher der gesamte Innenraum. Jedenfalls ist das aus zwei unterschiedlichen Bekämpfungsmaßnahmen (Teilbegasung in abgetrenntem Raum; Behandlung der übrigen Teile des Raumes durch andere als Bekämpfungsverfahren, also z. B. Vernebelung-, Verräucherungsoder Aerosol-Behandlung) bestehende patentgemäße Schädlingsbekämpfungsverfahren auf ein und denselben Gebäude-Innenraum gerichtet. Dieser wird lediglich unterteilt in einen abgeschotteten Raum für die Teilbegasung, während der übrige restliche Raum mit einem Insektizid behandelt wird, das kein Begasungsmittel ist (vgl. Seite 2, Zeilen 35 bis 39).

Nach der Behandlungsalternative 1.2.1 a) erfolgt die nicht begasende Innenraumbehandlung bereits vor der Abtrennung o. ä. des späteren Begasungsraumes, so dass zumindest bei dieser Variante der spätere Begasungsraum insgesamt vorher schon nicht begasend behandelt und damit zweimal behandelt wird. Umgekehrt indes findet eine Begasung des gesamten Innenraumes -diese soll aus Kostengründen vermieden werden (Seite 2, Zeilen 14, 15) -zu keinem Zeitpunkt und bei keiner Variante des patentgemäßen Verfahrens statt.

Zu den in Merkmal 1.2 genannten Methoden der insektiziden Vernebelung-, Verräucherungsoder Aerosol-Behandlung ist nach sachgerechter Würdigung des Inhalts von Patentanspruch 2 u. a. auch die Aufsprühung geeigneter Insektizide zu rechnen.

2. Die erteilten Ansprüche 1 bis 7 gehen nicht über den Umfang der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sind daher zulässig.

Auf lediglich einen allgemeinen Hinweis im Einspruchsschriftsatz der Einsprechenden vom 30. Oktober 2000, eingegangen per Fax am 1. November 2000, wonach der beanspruchte Gegenstand des angegriffenen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe, hat die Patentabteilung mit Beschluss vom 4. März 2005 festgestellt, dass bezüglich ausreichender Offenbarung des Gegenstandes der geltenden Patentansprüche keine Bedenken bestehen.

Wie eine Überprüfung durch den Senat ergeben hat, trifft die diesbezügliche Beurteilung durch die Patentabteilung zu.

3.

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist neu.

Weder die von der Patentabteilung zur Beschlussbegründung herangezogenen Literaturstellen DE 195 06 200 A1, G. PETERS: Die hochwirksamen Gase und Dämpfe in der Schädlingsbekämpfung und WILLIAMS, L. H. and Sprenkel, R. L. J. Entomol Sci., Vol. 25, No. 3 (1990) noch die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen lehren eine Vorgehensweise, wonach ein durch Abschottung, Abtrennung oder Einhausung eines Teils eines gesamten Gebäudeinnenraums entstandener übriger Innenraum verbleibt, in dem Adulte und Eier der zu bekämpfenden Schädlinge mit einem Insektiziden Vernebelungs-, Verräucherungsmittel oder Aerosol beaufschlagt oder behandelt werden. Demgemäß unterscheidet sich das Verfahren nach Patentanspruch 1 von allen entgegengehaltenen Druckschriften, die Schädlingsbekämpfungsverfahren beschreiben oder auf solche Verfahren verweisen sowie den übrigen, auf eine andere Thematik gerichteten Entgegenhaltungen zumindest in den Merkmalen 1.2 und 1.2.1 (Varianten a) bis e) (vgl. hierzu Merkmalsgliederung gemäß Punkt II. 1), da keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften die Schaffung eines "übrigen Innenraums" vorbeschreibt, in dem dann Bekämpfungsmaßnahmen durch insektizide Vernebelungs-, Verräucherungsmittel oder Aerosol erfolgen.

4.

Das zweifellos gewerblich anwendbare Verfahren nach Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Nach dem Artikel von G. Binker "Hilfe für Maria Hilf" (Bausubstanz 7 -8, 1992), Seiten 50 bis 52, wird ein bestimmter Raum (Kircheninnenraum, Museumsraum) insgesamt abgedichtet. Dort erfolgt dann eine Begasung gegen Schädlingsbefall (vgl. Seite 50 linke Spalte, vorletzter Abs.). Begast wurde nach diesem Bericht eindeutig der gesamte Innenraum, hier der Kirche, wie aus Seite 50, mittlere Spalte, 2. Abs. (unter der Teilüberschrift "Hilfe für Maria Hilf") ersichtlich ist. Es erfolgte hier demnach keine Teilbegasung etwa bestimmter Areale im Kirchenraum wie Altarbereich oder Chorgestühl, so dass weder die Merkmale 1.1 bis 1.1.2 des Patentanspruchs 1 (vgl. Merkmalsgliederung gemäß Punkt II. 1) vorweggenommen oder nahegelegt werden konnten noch die Merkmale 1.2 i. V. m. 1.2.1 b) bis e), denn ein "übriger Innenraum" war mangels Abschottung bestimmter Raumteile nicht gegeben. Auch die Variante nach Merkmal 1.2.1 a) wurde nicht vorweggenommen, denn die Behandlung des gesamten Innenraumes war eine Begasung und nicht, wie dieses patentgemäße Merkmal fordert, eine Behandlung mit Vernebelung-, Verräucherungsmitteln oder Aerosol. Wie in dem Artikel von Binker weiter berichtet wird, wurde nach der Begasung des Kirchenraumes das Dachstuhlkonstruktionsholzwerk im Fachraum im Hochdrucksprühverfahren gegen Holzschädlingsbefall imprägniert (Seite 52, mittl. Spalte, 2. Abs.). Selbst wenn es sich bei diesem Verfahren um eine Behandlung mit u. a. Aerosolen, wie in Merkmal 1.2 u. a. gefordert, gehandelt hätte, fand diese Behandlung jedenfalls in einem anderen als dem Raum oder gar Restraum in dem die Begasung stattgefunden hat (hier: Kircheninnenraum), nämlich im Dachraum, statt. Nach alledem wurden hier also zwei unterschiedliche Bekämpfungsmaßnahmen, also Begasung einerseits und Hochdrucksprühverfahren andererseits in jeweils unterschiedlichen Räumen, nämlich Kircheninnenraum einerseits und Dachraum andererseits durchgeführt. Somit ist das dort offenbarte Verfahren, bestehend aus zwei verschiedenen Maßnahmen nicht wie das patentgemäße Verfahren auf ein und denselben Raum gerichtet. Die von der Einsprechenden noch vorgelegten nachveröffentlichten Internetauszüge nach D8 und D9 sind daher auch gutachterlich ohne weitere entscheidungserhebliche Bedeutung, ähnlich wie das von der Patentinhaberin hierzu noch vorgelegte Material (DIN "Holzschutz", Buchauszug "Die Fledermäuse Hessens" usw.). Anders als in dem vorher abgehandelten Stand der Technik wird im Falle des Beitrags von Williams und Sprenkel in J. Entomol. Sci. Vol. 25., No. 3, 1990 die Begasung eines ganzen Hauses mit Sulfurylfluorid zum Zwecke der Schädlingsbekämpfung beschrieben (vgl. Seite 367, "Materials and Methods"), wobei im Rahmen der Diskussion der erzielten Ergebnisse noch darauf verwiesen wird, anstatt der Verwendung höherer Gaskonzentration bei der Begasung (fumigation) besser eine Behandlung aller Oberflächen (in dem von Holzschädlingen zu entwesenden Haus) mit Insektiziden nachfolgen zu lassen (Seite 374 3. Abs., Zeilen 3, 4). Dieser Vorschlag beruht auf einer durch den beschriebenen Versuchsaufbau gewonnenen Erkenntnis, dass die Ei-Stadien bestimmter Arten von Schädlingen im Alter von 1 bis 2 Tagen eine hohe Toleranz gegenüber auch stark erhöhten Gaskonzentrationen aufweisen und daher hohe Überlebensraten zu verzeichnen sind, während die Empfindlichkeit der Ei-Stadien mit fortschreitendem Alter und Entwicklungsstadium wieder abnimmt (Seite 371 "Results and Discussion bis Seite 372, Table 3."). Wenn man sich also nicht sicher ist, ob durch die Begasung vorab schon alle Ei-Stadien erfasst worden sind und zum Zeitpunkt der Begasung nicht möglicherweise gerade hochtolerante Ei-Stadien im maßgeblichen Alter und Entwicklungsstadium vorgelegen haben, sollte durch eine nachfolgende Insektizid-Behandlung der Oberflächen ein und desselben Raumes (bzw. Räume) in dem (denen) vorher die Begasung durchgeführt worden war, die Entwicklung schädlicher Adulter oder Larven aus Eiern, die die Begasung überstanden haben, verhindert werden (Seite 374, 3. Abs. Zeilen 3 bis 6). Somit ist auch dieses beschriebene Verfahren nicht auf eine Teilbegasung (Merkmale 1.1 bis 1.1.2) gerichtet und die nachfolgend vorgeschlagene Insektizidbehandlung -selbst wenn diese z. B. mittels einer Aerosoloder Sprühverteilung erfolgen sollte, worüber die Entgegenhaltung keine Auskunft gibt -findet in ein und demselben Raum (Räumen) statt, so dass auch eine Behandlung des "übrigen" Innenraumes (Merkmal 1.2 und 1.2.1 b) bis e) nicht vorbeschrieben ist. Eine derartige nicht begasende Insektizidbehandlung findet nach der Offenbarung dieser Entgegenhaltung aber auch nicht vor einer Begasung oder gar Teilbegasung statt, so dass auch Merkmal 1.2.1 in der Variante a) weder vorweggenommen noch nahegelegt wird. Obgleich sich also die beiden im Stand der Technik beschriebenen Verfahren (Binker, Bausubstanz 1992; Williams und Sprenkel, J. Entomol. Sci. Vo. 25, No. 3, 1990) im Kern mit der Vermeidung einer Reinfektion von Schädlingen nach oder im Zusammenhang mit einer Begasung beschäftigen, werden hierzu andere als die im Streitpatent vorgeschlagenen Maßnahmen beschrieben, denn es erfolgt keine Aufteilung ein und desselben Raumes in Bereiche mit unterschiedlichen Bekämpfungsmethoden.

Auch waren die unterschiedlichen Eigenschaften von Gasmolekülen im Vergleich zu Nebelteilchen hinsichtlich ihrer Eindringungsfähigkeit in zu entwesende Gegenstände oder Gebäude im Stand der Technik seit langem bekannt (G. Peters, "Die hochwirksamen Gase und Dämpfe in der Schädlingsbekämpfung" in "Sammlung chemischer und chemischtechnischer Vorträge", 1942). In dieser Entgegenhaltung wird auf den Seiten 79, 80 bereits beschrieben, dass Gasmoleküle angesichts ihrer geringen Abmessung und hoher Eigenbewegung erheblich leichter in Poren o. ä. eindringen können als die wesentlich größeren und schwereren Nebelteilchen, die zudem eine weitaus verringerte Eigenbewegung im Vergleich zu Gasmolekülen vollführen. Auch beschreibt diese Entgegenhaltung auf Seite 17 Verfahren zur Schädlingsbekämpfung in Mühlen im Wege von Begasungen einerseits (Seite 17, 1. und 2. Abs.), die ihrerseits aber technische Probleme bereitet hatten sowie durch den Einsatz von Vernebelungsmitteln andererseits, die jedoch eine nicht geschädigte Brut z. B. bei Mottenfaltern zurücklassen können, die ihrerseits eine Reinfektion durchführen kann. Im Falle der Verwendung von Vernebelungsverfahren wird daher eine häufige Wiederholung der entsprechenden Maßnahmen vorgeschlagen (Seite 17, 3. Abs.).

Durch den Beitrag von G. Peters (1942) werden (im Übrigen ähnlich wie gemäß W. Eichler, Handbuch der Insektenkunde, 1965) einem Fachmann, einem Schädlingsbekämpfer oder selbst auch einem Entomologen mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Verfahren zur Schädlingsbekämpfung in Gebäuden, zwar die Unterschiede zwischen Begasungsund Vernebelungsverfahren sowie ggf. auch deren Nachteile vor Augen geführt. Ein Hinweis auf ein kombiniertes Verfahren, wie im Streitpatent vorgeschlagen, ergibt sich hieraus indes nicht. Auch in Zusammenschau mit den vorher abgehandelten Entgegenhaltungen gelangt der Fachmann nicht zu dem patentgemäß beschriebenen Verfahren, denn eine Reinfektion soll dort durch Behandlung anderer Räume nach Begasung eines bestimmten Raumes (vgl. Binker, Bausubstanz, 1992) bzw. durch Behandlung ein und derselben Räume mit Insektiziden nach Begasung (vgl. Williams und Sprenkel, J. Entomol. Sci. 1990) verhindert werden.

Durch die DE 195 06 200 A1 ist ein Verfahren zur Teilbegasung von Räumen unter Verwendung eines selbstaufrichtenden zeltartigen Begasungsraumes bekannt geworden (z. B. Anspruch 1, Fig. 1 bis 3). Ein Hinweis auf eine Kombination dieses Verfahrens mit einer Vernebelungsmaßnahme o. ä. des restlichen Raumes ist in dieser Entgegenhaltung nicht nur nicht gegeben, sondern es wird von einem derartigen Vorgehen im Hinblick auf die Vermeidung von Reinfektionen sogar weggeführt. So ist in Spalte 1, Zeilen 39 bis 43 ausgeführt, dass bisher Kirchen -und Museumsräume o. ä. komplett begast worden waren, wobei auch Gegenstände erfasst wurden, die noch gar nicht befallen sind. Von einer Reinfektion durch überlebende Schädlinge in anderen Teilen oder Arealen des zu behandelnden Gesamtraumes wird hier also gar nicht ausgegangen, weil dort kein Befall vermutet wird. Eine Zusammenschau eines derartigen Standes der Technik mit den Verfahren nach Binker, Bausubstanz, 1992 oder Williams und Sprenkel, J. Entomol. Sci., 1990, ggf. auch vor dem fachlichen Hintergrund der Literaturstellen G. Peters, 1942 und W. Eichler, 1965 wäre daher lediglich das Ergebnis einer rückschauenden Betrachtung.

Die verbleibenden, von der Einsprechenden noch genannten Entgegenhaltungen beschreiben lediglich eine Volumensverkleinerung eines gesamten zu begasenden Raumes durch Einbringen eines Verdrängungskörpers (AT-PS 154 481) bzw. chemische und physikalische Eigenschaften von Begasungsmitteln für Mühlen, Museen usw. (Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 1989) und vermögen ebenfalls keinen Beitrag zum Auffinden der patentgemäßen Lehre zu leisten.

Auch die verbleibenden im Prüfungsverfahren zur Beurteilung der Patentfähigkeit noch in Betracht gezogenen Druckschriften liegen weiter ab und vermögen einem Fachmann das patentgemäße kombinierte Verfahren zur Schädlingsbekämpfung nicht nahe zu legen, denn sie betreffen entweder Teilbegasungsverfahren (US 5 678 352) oder Begasungen von ganzen Räumen (DE 195 06 631 A1, DE 41 34 093 A1) oder Sprühverfahren mit insektizider Wirkung (WO 80/02097; W. Perkow, "Die Insektizide", Dr. Alfred Hütling Verlag, Heidelberg, 1968) oder die Beschreibung insektizider Wirkstoffe hinsichtlich chemischer Struktur und physikalischer Eigenschaften (Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1977).

Nachdem der gesamte im Verfahren befindliche Stand der Technik einem Fachmann keinerlei Hinweise und Anregungen zum Auffinden der Lehre des patentgemäßen Verfahrens nach Anspruch 1 vermitteln konnte, bedurfte es einer erfinderischen Tätigkeit, um zu einem derartigen Verfahren zu gelangen.

Das Auffinden des patentgemäßen Verfahrens geht auch über übliche fachmännische Überlegungen auf der Grundlage der Kenntnis des Standes der Technik und des allgemeinen Fachwissens hinaus, denn es bedurfte als ersten Schritt der Erkenntnis, dass es sich nach erneutem Befall eines in einem Gebäudeinnenraum befindlichen Gegenstandes z. B. eines Altars o. ä. in einem Kircheninnenraum, um eine "echte" Reinfektion aus dem für schädlingsfrei erachteten Restraum und nicht um einen Neubefall handelt. Als zweiten Schritt bedurfte es dann der Erkenntnis, dass eine Behandlung des Restraumes mit wesentlich oberflächlicher wirkenden Vernebelungs-, Verräucherungsoder Aerosolsprühverfahren, die ihrerseits aber auch weniger kostenintensiv und technisch aufwändig sind als eine Begasung, ausreicht, um eine Reinfektion der begasten Gegenstände oder Güter durch Schädlinge zu vermeiden.

Der erteilte Patentanspruch 1 hat daher Bestand.

Mit diesem zusammen sind auch die auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 in der erteilten Fassung bestandsfähig, da diese auf vorteilhafte Ausgestaltungen eines Verfahrens nach Patentanspruch 1 gerichtet sind.

Dehne Dr. Huber Pagenberg Dr. Prasch Cl






BPatG:
Beschluss v. 16.04.2009
Az: 8 W (pat) 19/05


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