Landgericht München I:
Urteil vom 28. Januar 2010
Aktenzeichen: 5 HK O 15937/09, 5 HK O 15937/09, 5 HK O 15937/09

(LG München I: Urteil v. 28.01.2010, Az.: 5 HK O 15937/09, 5 HK O 15937/09, 5 HK O 15937/09)

Tenor

I. Die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 22.7.2009 gefassten Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 mit folgendem Wortlaut:

"3. Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2008

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Mitgliedern des Vorstands Entlastung für das Geschäftsjahr 2008 zu erteilen.

4. Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Mitgliedern des Aufsichtsrats (einschließlich des ausgeschiedenen Mitglieds des Aufsichtsrats) Entlastung für das Geschäftsjahr 2008 zu erteilen.

5. Wahl zum Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht gemäß §§ 96 Abs. 1, 101 Abs. 1 AktG i.V.m. § 8 Abs. 1 der Satzung aus drei Mitgliedern, die von der Hauptversammlung zu wählen sind. Die Hauptversammlung ist an Wahlvorschläge nicht gebunden.

Die ordentliche Hauptversammlung der ... AG vom 22.09.2008 hatte Herrn Dr. W... K... zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt. Dieser Beschluss ist durch Urteil des Landgerichts München I vom 26.03.2009 (Az: 5HK O 18409/08) wegen eines Verstoßes gegen § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG für nichtig erklärt worden. Das Urteil des Landgerichts München ist rechtskräftig.

Das Amtsgericht München hat auf Antrag des Vorstandes durch Beschluss vom 18.02.2009 Herrn Dr. W... K... in analoger Anwendung des § 104 Abs. 1 AktG zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt. Gemäß § 104 Abs. 5 AktG erlischt das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitgliedes in jedem Fall, sobald der Mangel behoben ist.

Zur Behebung des Mangels schlägt der Aufsichtsrat vor,

Herrn Dr. W... K..., Baldham, Berater/Geschäftsführer

zum Mitglied des Aufsichtsrats für den Rest der Amtszeit von Herrn Dr. M... D..., also bis zum Ende der Hauptversammlung, die über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2009 beschließt, zu bestellen."

werden für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

IV. Der Streitwert wird auf Euro 15.000,-- festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrere Beschlüsse einer Hauptversammlung der Beklagten.

I.

Der elektronische Bundesanzeiger vom 19.6.2009 veröffentlichte die Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten € einer nicht Börsennotierten Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von Euro 200.501,00, das in ebenso viele Nennwertlose Namensstückaktien eingeteilt ist € für den 22.7.2009. Unter Tagesordnungspunkt 5 enthielt die Einladung folgenden Beschlussvorschlag:

" 5. Wahl zum Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht gemäß §§ 96 Abs. 1, 101 Abs. 1 AktG i.V.m. § 8 Abs. 1 der Satzung aus drei Mitgliedern, die von der Hauptversammlung zu wählen sind. Die Hauptversammlung ist an Wahlvorschläge nicht gebunden.

Die ordentliche Hauptversammlung der ... AG vom 22.09.2008 hatte Herrn Dr. W... K... zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt. Dieser Beschluss ist durch Urteil des Landgerichts München I vom 26.03.2009 (Az: 5HK O 18409/08) wegen eines Verstoßes gegen § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG für nichtig erklärt worden. Das Urteil des Landgerichts München ist rechtskräftig.

Das Amtsgericht München hat auf Antrag des Vorstandes durch Beschluss vom 18.02.2009 Herrn Dr. W... K... in analoger Anwendung des § 104 Abs. 1 AktG zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt. Gemäß § 104 Abs. 5 AktG erlischt das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitgliedes in jedem Fall, sobald der Mangel behoben ist.

Zur Behebung des Mangels schlägt der Aufsichtsrat vor,

Herrn Dr. W... K..., Baldham, Berater/Geschäftsführer

zum Mitglied des Aufsichtsrats für den Rest der Amtszeit von Herrn Dr. M... D..., also bis zum Ende der Hauptversammlung, die über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2009 beschließt, zu bestellen."

Die Satzung der Beklagten (Anlage B 2) enthielt in § 9 Abs. 3 folgende Regelung:

"§ 9

Vorsitzender und Stellvertreter

...

(3) Willenserklärungen des Aufsichtsrats werden im Namen des Aufsichtsrats durch den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter abgegeben, die auch berechtigt sind, für den Aufsichtsrat bestimmte Erklärungen entgegenzunehmen."

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Satzung wird im vollen Umfang auf Anlage B 2 Bezug genommen.

Die Hauptversammlung der Beklagten fand am 22.7.2009 statt. Nach dem sie zunächst vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates eröffnet wurde, wurde aus dem Aktionärskreis der Vorschlag unterbreitet, Herrn Rechtsanwalt Dr. M... I... zum Vorsitzenden der Hauptversammlung zu wählen, was auch geschah, Die Niederschrift über die Hauptversammlung der Beklagten unterzeichnete Herr Dr. M... I...

Der Kläger, der seine Aktien bereits vor der Einberufung der Hauptversammlung im elektronischen Bundesanzeiger erworben hatte, stellte während der Hauptversammlung zusammen mit seinem nunmehrigen Prozessbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt O... M..., eine Reihe von Fragen. Nachdem er nach der Methodik der Bewertung des cFM-Kundenstamms, nach Verstößen gegen den Deutschen Corporate Governance Kodex, nach den Leistungen, für die dem Vorstand im Geschäftsjahr 2008 Optionsrechte gewährt wurden, gefragt hatte, machte der Kläger folgende Äußerung, die als Frage 19 protokolliert wurde:

"Deckungsbeiträge und Ergebnisse werden nicht pro Produkt/Marktsegment genannt."

Hierzu teilte der Vorstand mit, dass zur Beantwortung eine umfangreiche Vorbereitung erforderlich gewesen wäre; hierzu könne nicht ad hoc geantwortet werden. Dies hätte im Vorfeld bekannt gegeben werden müssen.

Weiterhin fragte der Kläger, nach welchen Kriterien der Aufsichtsrat die Leistungsfähigkeit der Organisation und das Risikomanagement beurteilt habe. Zu dieser Frage 9 enthielt die Niederschrift von Herrn Dr. I... folgende Ausführungen:

"Herr T... ergriff das Wort und erläuterte, dass sich der Aufsichtsrat ständig, über das gesamte Geschäftsjahr hinweg, in den Sitzungen wie auch in Einzelgesprächen, von der Leistungsfähigkeit der Organisation wie auch des Risikomanagements hat überzeugen können, etwa durch die jeweils vorgelegten aktuellen Zahlen, die Quartalsberichte, Soll/Ist-Vergleiche, Budgetabgleich und die Funktionsfähigkeit der angebotenen Produkte. Zudem haben die Jahresabschlussprüfer von E... in der Jahresabschlussbesprechung vollumfänglich bestätigt, dass die Leistungsfähigkeit der Organisation gegeben ist und die Gesellschaft ein ausreichendes Risikomanagement hat und es keinerlei Anlass zu Beanstandungen gibt."

Der Kläger gab im Anschluss daran, folgende Erklärung ab, die als Frage 20 protokolliert wurde:

"Ich habe auch nicht die Entscheidungskriterien des Aufsichtsrates verstanden zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und der Qualität des Risikomanagements."

Herr T... erklärte, dass er die Frage bereits beantwortet habe und der Kläger die Antwort voraussichtlich auch bei einer erneuten Wiederholung nicht verstehen würde, da die Antwort die gleiche wäre.

Der Kläger wollte die Verwaltungskosten als Frage 21 nummerisch aufgeschlüsselt erhalten. Hierzu teilte der Vorstand mit, dass zur Beantwortung eine umfangreiche Vorbereitung erforderlich gewesen wäre; hierzu könne nicht in der geforderten Detailtiefe geantwortet werden.

Die Hauptversammlung stimmte den Beschlussvorschlägen der Verwaltung zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5 mit Mehrheiten von 99,08 %, 98,11 % sowie 99,19 % zu. Der Kläger erklärte Widerspruch zu allen Tagesordnungspunkten, wobei diese Erklärung ausweislich der Niederschrift von Herrn Dr. I... sowohl vor als auch nach der Beschlussfassung erfolgte.

II.

Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die diversen von ihm zu Umstrukturierungsmaßnahmen und zur Geschäftstätigkeit gestellten Fragen seien nicht hinreichend beantwortet worden, weshalb die Hauptversammlung nicht die erforderlichen Informationen erhalten habe, um über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat der in einem schwierigen Marktumfeld tätigen Beklagten abstimmen zu können. So fehle jede konkrete Angabe zu Bewertungsmethoden wie der Discounted Cash Flow-Methode oder der multiplen Methode. Angesichts der unzureichenden Antwort auf seine erste Frage habe er mit der Frage 19 nachgefragt. Aus den allgemein gehaltenen Ausführungen zu Frage 20 lasse sich kein Rückschluss auf die Entscheidungskriterien der Leistungsbeurteilung und auf das Risikomanagement ableiten. In Bezug auf Frage 21 wäre es der Beklagte unter Verwendung eines Betriebsabrechnungsbogens ohne Weiteres möglich gewesen, die Frage nach der Aufschlüsselung der Verwaltungskosten zu beantworten. Der zu Tagesordnungspunkt 5 gefasste Beschluss verstoße gegen § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG, weil er nicht die konkrete berufliche Haupttätigkeit des Aufsichtsratskandidaten benenne; eine pauschale Angabe wie beispielsweise "selbstständiger Unternehmer" genüge nicht. Zudem ergebe sich möglicherweise die Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse aus einer nicht vollständigen und ordnungsgemäßen Unterzeichnung angesichts der fehlenden Unterschrift des Aufsichtsratsvorsitzenden trotz zeitweiliger Versammlungsleitung bis zur nachträglichen Wahl von Herrn Dr. I...

Nachdem der Kläger zunächst mit seiner als Anfechtungsklage bezeichneten Klage den Antrag auf Feststellung angekündigt hat, dass die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 22.Juli 2009 gefassten Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten Nummer 3, 4 und 5 unwirksam sind, hat der Kläger zuletzt Folgendes beantragt:

Die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 22.7.2009 gefassten Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3,4 und 5 mit folgendem Wortlaut:

" 3. Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2008

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Mitgliedern des Vorstands Entlastung für das Geschäftsjahr 2008 zu erteilen.

4. Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Mitgliedern des Aufsichtsrats (einschließlich des ausgeschiedenen Mitglieds des Aufsichtsrats) Entlastung für das Geschäftsjahr 2008 zu erteilen.

5. Wahl zum Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht gemäß §§ 96 Abs. 1, 101 Abs. 1 AktG i.V.m. § 8 Abs. 1 der Satzung aus drei Mitgliedern, die von der Hauptversammlung zu wählen sind. Die Hauptversammlung ist an Wahlvorschläge nicht gebunden.

Die ordentliche Hauptversammlung der ... AG vom 22.09.2008 hatte Herrn Dr. W... K... zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt. Dieser Beschluss ist durch Urteil des Landgerichts München I vom 26.03.2009 (Az: 5HK O 18409/08) wegen eines Verstoßes gegen § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG für nichtig erklärt worden. Das Urteil des Landgerichts München ist rechtskräftig.

Das Amtsgericht München hat auf Antrag des Vorstandes durch Beschluss vom 18.02.2009 Herrn Dr. W... K... in analoger Anwendung des § 104 Abs. 1 AktG zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt. Gemäß § 104 Abs. 5 AktG erlischt das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitgliedes in jedem Fall, sobald der Mangel behoben ist.

Zur Behebung des Mangels schlägt der Aufsichtsrat vor,

Herrn Dr. W... K..., Baldham, Berater/Geschäftsführer

zum Mitglied des Aufsichtsrats für den Rest der Amtszeit von Herrn Dr. M. D. , also bis zum Ende der Hauptversammlung, die über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2009 beschließt, zu bestellen."

werden für nichtig erklärt.

III.

Die Beklagte beantragt demgegenüber:

Klageabweisung.

Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, der als Feststellungsklage erhobenen Klage fehle das aufgrund von § 256 Abs. 1 ZPO geforderte Feststellungsinteresse, weil sich in Gestalt der aktienrechtlichen Anfechtungsklage eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit biete. Eine Umdeutung des Antrages in eine Anfechtungsklage müsse außer Betracht bleiben, weil der in aktienrechtlichen Angelegenheiten nicht unerfahrene Kläger genau wisse, welche sachdienlichen Anträge im Falle einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage zu stellen seien. Auch fehle es an einer ordnungsgemäßen Erhebung der Anfechtungsklage, weil ausweislich der Satzung nur der Vorsitzenden des Aufsichtsrates und Herr Dr. ... B... Empfangsvertreter des Aufsichtsrats seien, nicht aber der Zustellungsempfänger Dr. W... K...

Dem Kläger fehle die Anfechtungsbefugnis weil er mit dem "Widerspruch zu allen Tagesordnungspunkten" nicht den zu fassenden Beschlüssen entgegengetreten sei. Aber auch inhaltlich fehle es an einer Gesetzesverletzung. Eine Verletzung des Auskunftsrechts lasse sich nicht bejahen, weil es sich bei den Fragen 19 bis 21 schon gar nicht um Fragen handele, sondern um Aussagesätze. Auch hätte die Aufschlüsselung der Verwaltungskosten eine umfangreiche Vorbereitung erforderlich gemacht, die in der Hauptversammlung in der erforderlichen Detailtiefe nicht geleistet werden könne. Ebenso fehle es an der Relevanz eines ohnehin nicht gegebenen Verstoßes. Eine Nichtigkeit der Beschlüsse könne nicht angenommen werden, weil Herr Dr. I... als Versammlungsleiter das Protokoll der Hauptversammlung ordnungsgemäß unterschrieben habe. In jedem Falle aber stelle sich die Klage als rechtsmissbräuchlich dar, wie die Ablehnung des Vergleichsvorschlages der Kammer und der ergänzenden Angebote der Beklagten durch den Kläger zeige, der zudem die Rücknahme der Klage angeboten habe im Falle eines Rückzuges von Herrn Dr. K... aus dem Aufsichtsrat.

IV.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.11.2009 (Bl. 43/46 d. A).

Gründe

I.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig und begründet.

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie als Anfechtungsklage erhoben und durch Zustellung an Herrn Dr. W... K... als Mitglied des Aufsichtrates auch rechtshängig.

47a. Der Kläger hat mit seinem Schriftsatz vom 21.8.2009 € ungeachtet der Formulierung des Antrages auf Feststellung der Unwirksamkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse € eine Anfechtungsklage erhoben, dies ergibt eine Auslegung der Klageschrift. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass auch Prozesshandlungen auslegungsfähig und -bedürftig sind, wobei die Auslegungsregeln des materiellen Rechts, insbesondere die Vorschrift des § 133 BGB entsprechende Anwendung finden. Entscheidend ist somit der objektive, dem Empfänger vernünftigerweise erkennbare Sinn. Dabei ist gerade auch bei dem ein Klageverfahren einleitenden Schriftsatz im Zweifel davon auszugehen, dass die Partei das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Partei entspricht (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1138 f.; 2000, 1446; Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., Vor § 128 Rdn. 25). Der Klageschriftsatz ist nicht eindeutig und damit der Auslegung bedürftig, aber auch fähig. Es wird nämlich zunächst formuliert, dass namens und in Vollmacht des Klägers "Anfechtungsklage" erhoben wird. Sodann kündigt der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen auf Feststellung der Unwirksamkeit mehrerer Hauptversammlungsbeschlüsse gerichteten Antrag an. Diese Formulierung entspricht indes nicht der einer typischen Anfechtungsklage, bei der ein Beschluss einer Hauptversammlung für nichtig erklärt wird. Demgemäß muss eine Auslegung erfolgen, die die oben geschilderten Auslegungsgrundsätze beachtet. Diese ergibt indes, dass der Kläger tatsächlich eine Anfechtungsklage erhoben hat. Zum einen hat er seine Anfechtungsklage bereits als solche bezeichnet, was bei der Auslegung eine zentrale Rolle spielt. Zum anderen argumentiert er bezüglich weiterer Klagevoraussetzungen entscheidend mit Vorschriften, die ausschließlich auf eine Anfechtungsklage zutreffen, wenn er die Voraussetzungen des § 245 Nr. 1 AktG mit dem Zeitpunkt des Aktienerwerbs vor der Bekanntmachung der Einberufung im elektronischen Bundesanzeiger und zum Widerspruch zur Niederschrift des Notars vorträgt. Ebenso hat er unter Berücksichtigung von § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG die Doppelvertretung einer Aktiengesellschaft im Anfechtungsprozess durch den Vorstand und den Aufsichtrat beachtet und um die Zustellung auch an den Aufsichtsrat gebeten. Auch der Hinweis auf § 243 Abs. 4 AktG zur Kausalitätsfrage hat Bedeutung gerade und im Wesentlichen nur bei der Anfechtungsklage. Da nach der Rechtsprechung andere Klagearten im Vergleich zum Rechtsschutzsystem des Aktienrechts subsidiär sind (vgl. nur BGH NJW 2006, 374, ff. = NZG 2006, 20, 22 = AG 2006, 38, 39 ff. € Mangusta/Commerzbank II; LG München I NZG 2009, 226 f. = AG 2009, 171 = Der Konzern 2009, 120, 121), ist der Maßstab anzulegen, bei dem eine Partei das anstrebt, was die Rechtsordnung zulässt und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht € genau dies ist die Erhebung einer Anfechtungsklage.

b. Die Anfechtungsklage wurde mit der Zustellung an die Vertretungsorgane der Beklagten und dabei insbesondere auch an Herrn Dr. K... als Mitglied des Aufsichtsrates rechtshängig. Dabei kann an der Wirksamkeit der Zustellung an Herrn Dr. K... kein Zweifel bestehen. Zunächst muss eine Klageschrift nicht an alle Aufsichtsratsmitglieder zugestellt werden; vielmehr genügt aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung in § 170 Abs. 3 ZPO die Zustellung an eines von mehreren Mitgliedern des Vertretungsorgans einer juristischen Person. Vor allem aber kann sich die Beklagte nicht auf die Regelung im § 9 Abs. 3 ihrer Satzung berufen. Zum einen regelt diese Vorschrift nur die Empfangszuständigkeit bei der Abgabe von Willenserklärungen, so dass sie nicht ohne Weiteres auf die Zustellung einer Klageschrift angewandt werden kann. Zum anderen aber ist die Satzung einer Aktiengesellschaft nicht in der Lage, abweichende Regelungen von den zwingenden Vorgaben der Zivilprozessordnung über die Zustellung zu treffen.

2. Die Anfechtungsklage gegen die zu den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 gefassten Beschlüsse ist begründet.

a. Der Kläger ist anfechtungsbefugt im Sinne des § 245 Nr. 1 AktG, weil er zum einen unstreitig die Aktien bereits vor der Bekanntmachung der Einberufung zur Hauptversammlung im elektronischen Bundesanzeiger am 16.9.2009 erworben hatte und insbesondere auch wirksam Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat.

51(1) Dem kann die Beklagte nicht entgegen halten, der Kläger habe lediglich Widerspruch zu allen Tagesordnungspunkten erklärt. Diese Erklärung des Klägers ist als Widerspruch gegen die Beschlussfassung auszulegen. Es muss aus der entsprechenden Erklärung eines Aktionärs, die nicht einmal das Wort "Widerspruch" enthalten muss, lediglich hinreichend deutlich werden, dass der Aktionär den Beschluss nicht gelten lassen will (vgl. Schwab in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Rdn. 13 zu § 245; K. Schmidt in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 20 zu § 245; Zöllner in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 35 zu § 245; Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 34 zu § 245). Die Formulierung, Widerspruch zu allen Tagesordnungspunkten zu erklären, reicht dabei aus. Die Tagesordnung der Hauptversammlung ist schließlich auf die jeweilige Beschlussfassung gerichtet. Damit aber macht der Kläger hinreichend deutlich, dass er sich die Möglichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung um die Wirksamkeit der Beschlüsse zumindest offen halten will.

52(2) Der Umstand, dass der Kläger Erklärung jedenfalls auch vor der Beschlussfassung abgegeben hat, steht der Anfechtungsbefugnis nichts entgegen. Zwar wird teilweise in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten, ein wirksamer Widerspruch könne nicht schon vor Verkündung des Beschlussergebnisses zu Protokoll erklärt werden, weil insoweit eine zu einer gerichtlichen Entscheidung vergleichbare Situation angenommen werden müsse und eine Rechtsmitteleinlegung nur statthaft sei, wenn überhaupt eine anfechtbare Entscheidung vorliege (so LG Frankfurt am Main NZG 2005, 721 f.; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 7 zu § 130). Dieser Auffassung vermag die Kammer indes nicht zu folgen. Sie steht nämlich im Widerspruch zum Gesetzeszweck und dem hinter dem Widerspruchserfordernis stehenden Grundgedanken. Mit dem Widerspruchserfordernis soll alsbald Rechtssicherheit geschaffen werden, welche Aktionäre gegebenenfalls von der Möglichkeit der Anfechtungsklage Gebrauch machen. Dies erfüllt jede Erklärung, der zu entnehmen ist, dass sich der Widerspruch gegen eine konkrete Beschlussfassung richtet. Die Notwendigkeit des Widerspruchs beruht weiterhin auf dem im Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verankerten Verbot des widersprüchlichen Verhaltens. Das Schweigen eines anwesenden Aktionärs ist als Billigung des Beschlusses anzusehen. Wenn nun der Widerspruch nur der Wahrung der Anfechtungsmöglichkeit dient, muss der Beschluss nicht schon gefasst sein. Der Vergleich mit dem Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung, den das Landgericht Frankfurt am Main gezogen hat, überzeugt nicht. Allein der Widerspruch führt nämlich nicht zur gerichtlichen Überprüfung, sondern erst die Erhebung der Anfechtungsklage; der Widerspruch hat nur rechtswahrende Funktion. Demgegenüber hat die Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung zur Folge, dass die Entscheidung unmittelbar zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht oder € soweit dies gesetzlich vorgesehen ist € zunächst im Wege des Abhilfeverfahrens durch das Gericht führt, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Daher kann nach der ganz überwiegend vertretenen Auffassung der Widerspruch bereits vor Beschlussfassung wirksam erklärt werden (vgl. BGH NZG 2007, 907, 909 = ZIP 2007, 2122, 2124; OLG München AG 2007, 37 f. = NZG 2006, 784; OLG Jena NZG 2006, 467, 468 f. = AG 2006, 417, 419 f.; LG München I, Urteil vom 27.4.2006, Az. 5HK O 10400/05, S. 23 f.; LG Ingolstadt WM 1991, 685, 689; Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 36 zu § 245; Zöllner in: Kölner Kommentar zum AktG, 1. Aufl., Rdn. 36 zu § 245; Priester EWiR 2005, 329 f.).

b. Der Kläger hat die Anfechtungsklage fristgerecht im Sinne des § 246 Abs. 1 AktG erhoben. Allein der Umstand, dass die Erhebung einer Klage erst mit ihrer Zustellung erfolgt, kann dem nicht entgegengehalten werden, weil die Zustellung demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgte, weshalb auf den am 21.8.2009 erfolgten Eingang bei Gericht abgestellt werden kann. Die Zustellung an vertretungsberechtigte Organmitglieder erfolgte nämlich bereits am 28. bzw. 27.8.2009 € bei einer Zustellung innerhalb einer Frist von einer Woche nach Eingang bei Gericht kann kein Zweifel an einer demnächst erfolgten Zustellung bestehen.

c. Die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5 verletzen das Gesetz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG.

(1) Der zu Tagesordnungspunkt 3 gefasste Beschluss über die Entlastung des Vorstandes ist für nichtig zu erklären, weil das Fragerecht der Aktionäre verletzt wurde.

56(a) Ein Entlastungsbeschluss ist dann anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten ist, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt. Dem kann auch nicht die Regelung in § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG entgegengehalten werden. Die in § 243 Abs. 1 AktG getroffene Regelung, wonach jeder gesetzes- oder satzungswidrige Beschluss der Hauptversammlung angefochten werden kann, erfährt durch die Abtrennung des Verzichts auf Schadensersatzansprüche von der Entlastung keine Durchbrechung. Anderenfalls könnte eine zur Billigung rechtsbrechenden Verhaltens entschlossene Mehrheit gegen den Widerstand einer gesetzes- und satzungstreuen Minderheit eine Entlastung des Vorstandes jederzeit durchsetzen. Dies widerspricht indes nicht nur der Regelung in § 243 Abs. 1 AktG, sondern wäre auch mit dem Gesichtspunkt der Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit unvereinbar (vgl. BGH NJW 2003, 1032, 1033 € Macrotron; NZG 2005, 77, 78 € ThyssenKrupp; OLG München NZG 2008, 631, 632; LG München I AG 2007, 417 = CR 2007, 423 = BB 2007, 2170, 2172; DB 2007, 2640, 2641 = WM 2008, 81, 83 = Der Konzern 2007, 835, 838; Hüffer, AktG, 8. Aufl., Rdn. 12 zu § 120; Hoffmann in: Spindler/Stilz, AktG, Rdn. 27 zu § 120; Henze BB 2005, 165, 168 f.). Die Aktionäre haben im Rahmen der Beschlussfassung über die Entlastung darüber zu entscheiden, ob die Tätigkeit der Organmitglieder im abgelaufenen Geschäftsjahr zu billigen ist, sie in der Unternehmensführung eine "glückliche Hand" bewiesen haben und ihnen das Vertrauen auch für ihre künftige Tätigkeit auszusprechen ist. Entsprechend der Funktion des Auskunftsrechts, dass auch zur Meinungs- und Urteilsbildung anderer Aktionäre, insbesondere der Minderheitsaktionäre beitragen soll, ist Maßstab für die Erforderlichkeit bzw. Beurteilungsrelevanz eines Auskunftsverlangens der Standpunkt des objektiv urteilenden Aktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt. Daher kann ein Entlastungsbeschluss angefochten werden, wenn das Auskunftsrecht verletzt worden ist (vgl. BGHZ 94, 324, 326; BGH NZG 2005, 77, 78 € ThyssenKrupp m.w.N.).

57(b) Vorliegend ist das Auskunftsrecht der Aktionäre im Sinne des § 131 Abs. 1 AktG verletzt worden. Nach dieser Vorschrift ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über die Angelegenheit der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Während der Hauptversammlung vom 22.7.2009 hat der Vorstand die erforderlichen Auskünfte jedenfalls nicht ausreichend erteilt, weshalb der Beschluss über die Entlastung anfechtbar ist. Die Frage des Klägers nach der nummerischen Aufschlüsselung der Verwaltungskosten wurde nicht hinreichend beantwortet. Mit dieser Frage wird abgezielt auf einen erheblichen Teil der Aufwandsseite einer Gesellschaft. Daraus lassen sich insbesondere auch Rückschlüsse ziehen, inwieweit der Vorstand der Beklagten, die in einem schwierigen Marktumfeld tätig ist, ein sachgerechtes Kostenmanagement eingerichtet hat. Damit lässt sich auch ein Rückschluss auf die Führungsfunktion in einer Aktiengesellschaft ziehen. Folglich ist die Information durch den Vorstand notwendig für eine sachgerechte Beurteilung des Beschlussvorschlages zur Tagesordnungspunkt 3.

Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, der Kläger habe gar keine Frage gestellt, als er sich äußerte "ich möchte die Verwaltungskosten nummerisch aufgeschlüsselt." Ob ein Aktionär eine Frage im Sinne des § 131 Abs. 1 AktG stellt, mithin das Begehren nach Auskunft zu Angelegenheiten der Gesellschaft wünscht (vgl. Reger in: Bürgers/Körber, AktG, Rdn. 2 zu § 131), ist nicht nach der rein grammatikalischen Form der Formulierung als Aussagesatz zu beurteilen, sondern nach dem klaren Inhalt. Wenn der Kläger als Aktionär diese Formulierung wählt, so fordert er den Vorstand damit auf, ihm eine bestimmte Auskunft zu erteilen € genau dies ist eine Frage im Sinne des § 131 Abs. 1 AktG. Nicht anders wurde dies letztlich auch von Herrn Dr. I... als Versammlungsleiter verstanden, weil anderenfalls diese Passage nicht als "Frage 21" in der Niederschrift bezeichnet worden wäre.

Die Beklagte kann sich auch darauf berufen, die Antwort sei wegen der Detailtiefe nicht geschuldet. Es ist in diesem Zusammenhang zwar zu berücksichtigen, dass die Auskunft des Vorstandes nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren geschuldet ist. Die Auskunftspflicht des Vorstandes umfasst indes auch solche Fragen, zu deren Beantwortung er sich die notwendigen Unterlagen unschwer und ohne wesentliche Verzögerung der Hauptversammlung beschaffen kann. Zu diesem Zweck muss er auch das notwendige Personal zur Verfügung halten, um beispielsweise unschwer heraus zu suchende Unterlagen rechtzeitig beschaffen zu können (vgl. BGHZ 32, 159, 165; KG NJW-RR 1995, 98, 101; ZIP 1995, 1585, 1589; LG München I, Urteil vom 10.12.2009, Az. 5HK O 13261/08, S. 94/95). Von einer derartigen Situation, in der die Beantwortung zumutbar war, muss vorliegend ausgegangen werden. Die Aufschlüsselung hätte beispielsweise durch das Verlesen eines Betriebsabrechnungsbogens erfolgen können, der zumeist in Form einer tabellarischen Übersicht die einzelnen Kostenarten mit den jeweils angefallenen Werten aufführt. In dem nachgelassenen Schriftsatz hat die Beklagte keinerlei Ausführungen gemacht, warum ihr das Verlesen eines Betriebsabrechnungsbogens nicht möglich gewesen sein sollte.

60(c) Die Kausalität des Gesetzesverstoßes für den Beschluss muss aufgrund der Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG bejaht werden. wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen kann nur angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Vorraussetzung für die Sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte. Erforderlich ist eine am Zweck der verletzten Norm orientierte, wertende Betrachtung in dem Sinne, dass dem Beschluss ein Legitimationsdefizit anhaftet, das die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit rechtfertigt (vgl. BGH NZG 2005, 77, 79 € ThyssenKrupp; Hüffer, AktG, a.a.O., Rdn. 13 zu § 243). Nur diese Betrachtung wird dem Zweck der Anfechtungsklage als einem auf Rechtskontrolle gerichteten Individualrecht gerecht. Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs ist die Relevanz zu bejahen, weil € wie bereits dargestellt € die Kenntnis eines angemessenen Kostenmanagements für die Aktionäre durchaus von Bedeutung sind, ohne dass es dabei auf die Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung bei der durchgeführten Abstimmung ankäme.

(2) Anfechtbar ist auch der zu Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss über die Entlastung des Aufsichtsrats, weil auch hier das Fragerecht im Sinne des § 131 Abs. 1 AktG verletzt wurde und im Übrigen dieselben Maßstäbe für die Anfechtbarkeit eines Entlastungsbeschlusses beim Aufsichtsrat wie beim Vorstand gelten, sodass auf die obigen Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug genommen werden kann.

(a) Die Frage nach den Leistungskriterien wurde auch unter Berücksichtigung der zu Frage 9 gegebenen Antwort, auf die Herr T... Bezug nahm, nicht hinreichend beantwortet. Die Antwort bezog sich nämlich nur auf die Art und Weise, wie der Aufsichtrat Informationen über die Leistungsfähigkeit und auch das Risikomanagement eingeholt hat. Welche materiellen oder inhaltlichen Kriterien der Aufsichtsrat dann aber angelegt hat, um die Leistungsfähigkeit der Organisation wie auch des Risikomanagements zu überprüfen € beispielsweise die Einhaltung von Planvorgaben oder auch die Beachtung von Vorgaben des Aufsichtrates € bleibt unbeantwortet. Genau auf diese inhaltlichen Kriterien zielte indes die Frage 20 ab, wobei auch bei Frage 20 von einer Frage auszugehen ist. Wenn ein Aktionär eine bestimmte Äußerung der Organe der Gesellschaft in der Hauptversammlung nicht verstanden hat, so ist dem mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er eine erläuternde Auskunft wünscht.

(b) Diese Auskunft war auch zur Beurteilung des Beschlussvorschlages zu Tagesordnungspunkt 4 erforderlich, weil sie auf die Art und Weise abzielte, welche Kriterien für den Aufsichtrat maßgeblich sind bei der Überwachung der Vorstandstätigkeit, die aufgrund der Vorgabe in § 111 Abs. 1 AktG zu den zentralen Aufgaben des Aufsichtsrats gehört. Angesichts dessen muss auch die Kausalität bejaht werden. Gerade die Kriterien, die der Aufsichtrat für seine Überwachungstätigkeit anlegt, sind entscheidend für die Beurteilung, inwieweit die Mitglieder des Aufsichtsrates ihre Aufgaben im Wesentlichen Gesetzeskonform erfüllt haben oder nicht.

(3) Der zu Tagesordnungspunkt 5 gefasste Beschluss war wegen der Verletzung von § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG für nichtig zu erklären.

65(a) Nach der Vorschrift des § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG muss der Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern neben ihrem Namen den ausgeübten Beruf und den Wohnort angeben. Diese Vorschrift wurde verletzt, weil nicht nur der Wohnort, sondern auch der ausgeübte Beruf nicht hinreichend angegeben wurde. Die Bezeichnung als "Berater/Geschäftsführer" genügt nicht den Anforderungen des Gesetzes. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.4.1998, BGBl. I S. 786 dahingehend geändert, dass nicht nur der Beruf, sondern der ausgeübte Beruf angegeben werden muss. Die zuvor ausreichende bloße Angabe von Name, Beruf und Wohnort ließ nach der Einschätzung des Gesetzgebers nur unvollständig erkennen, ob der Vorgeschlagene nach seiner individuellen Belastungssituation oder wegen möglicher Interessenkonflikte, die aus einer Tätigkeit in anderen konkurrierenden Unternehmen herrührt, für das Amt geeignet ist. Bei der Angabe des ausgeübten Berufs sind nach den Vorstellungen des Gesetzgebers allgemeine Beschreibungen des erlernten Berufs wie Kaufmann oder Apotheker nicht ausreichend. Vielmehr soll auch das betreffende Unternehmen, in dem die hauptsächliche berufliche Tätigkeit ausgeübt wird, angegeben werden (vgl. BT-Drucks. 13/9712 S. 17 li. Sp.; ebenso Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 57 zu § 124; Hüffer, AktG, a.a.O., Rdn. 16 zu § 124).Dem wird der Wahlvorschlag der Beklagten nicht gerecht. Es bleibt völlig unklar, in welcher Branche Herr Dr. K... tätig ist, wie und wo er welche Tätigkeiten ausübt. Die Bezeichnung als Geschäftsführer ist letztlich ein Rückgriff auf die Organstellung in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ohne dass daraus weitere Erkenntnisse für die Branche abgeleitet werden könnten, zumal vielfach auch in anderen Gesellschaftsformen der Begriff des Geschäftsführers verwandt wird. Die bloße Bezeichnung als "Berater" macht den Aktionären, die für den Kandidaten stimmen sollen, auch nicht deutlich, in welcher Branche der Kandidat beratend tätig ist, zumal dieser Begriff durchaus auch als schillernd zu bezeichnen ist.

66(b) Die Verletzung von § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG hinsichtlich der Angaben zum ausgeübten Beruf führt zur Anfechtbarkeit des Beschlusses, weil das sich daraus ergebende Informationsdefizit der Aktionäre kausal ist. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass es sich lediglich um einen Bagatellverstoß handelt, der die Anfechtbarkeit ausschließen würde. Soweit in der jüngeren Rechtsprechung hierzu allerdings diese Ansicht vertreten wird, die unzureichende Angabe des Berufs einer zur Wahl als Aufsichtsratsmitglied vorgeschlagenen Person beinhalte keinen relevanten Gesetzesverstoß (vgl. BGH DStR 2007, 1493 m. Anm. Goette; OLG Frankfurt ZIP 2007, 232, 233), vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Vorliegend macht gerade der mit der Präzisierung der Angaben verfolgte Gesetzeszweck deutlich, dass den Aktionären mit diesen sehr allgemein gehaltenen Angaben einer Berufsbezeichnung ohne nähere Konkretisierung keine ausreichende Grundlage über die Entscheidung gegeben wird, ob sie an der Hauptversammlung teilnehmen und dort gegebenenfalls ihr Rede-, Frage- und Stimmrecht ausüben wollen oder nicht. Die Frage von Interessenkonflikten und auch der Befähigung zur Ausübung der Aufsichtsratstätigkeit aufgrund der im eigenen Berufsleben gewonnenen Erkenntnisse ist schon im Vorfeld der Hauptversammlung von zentraler Bedeutung. Nicht umsonst hielt der Gesetzgeber die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich bestehende Rechtslage nicht für ausreichend, um den Aktionären eine ausreichende Informationsbasis zu verschaffen. Gerade wegen der in der Gesetzesbegründung hervorgehobenen Bedeutung einer hinreichend klaren Berufsbezeichnung vermag die Kammer der die Relevanz verneinenden Auffassung nicht zu folgen.

d. Die Anfechtungsklage ist nicht rechtsmissbräuchlich erhoben.

(1) Zwar ist weithin anerkannt, dass die Ausübung der Anfechtungsbefugnis ungeachtet ihrer Kontrollfunktion den für die private Rechtsausübung auch sonst geltenden Schranken € hier dem aus § 242 BGB folgenden Verbot des individuellen Rechtsmissbrauchs € unterliegt und dass eine rechtsmissbräuchlich erhobene Anfechtungsklage unbegründet ist (vgl. BGHZ 107, 296, 310 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.3.2002, Az. 20 W 32/2001; LG München I Der Konzern 2006, 700, 703; Hüffer, AktG, a.a.O., Rdn. 23 zu § 245). Da es zur Erhebung einer Anfechtungsklage eines berechtigten Eigeninteresses grundsätzlich nicht bedarf, kann eine Klageerhebung nur in Ausnahmefällen, für die die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast trägt, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der Aktionär muss sachfremde, eigene Interessen verfolgen und somit das Klagerecht in zweckentfremdender Weise zum eigenen Vorteil nutzen. Ein solcher Ausnahmefall lässt sich vorliegend nach dem Vortrag der Beklagten nicht annehmen.

(2) Die Rechtsmissbräuchlichkeit lässt sich zwar alleine noch nicht mit dem Umstand begründen, dass Vergleichsverhandlungen nicht vor, sondern nach Eintritt der Rechtshängigkeit geführt wurden. Allerdings ist die hier gegebene Konstellation nicht mit der vergleichbar, in der die Rechtsprechung in jüngster Zeit vom Rechtsmissbrauch und damit von der Unbegründetheit einer Anfechtungsklage ausgegangen ist. In diesen Fällen stellten die Anfechtungskläger hohe finanzielle Forderungen, die in keinem Verhältnis mehr zu ihrem wirtschaftlichen Anteil an der Aktiengesellschaft standen, um sich den Lästigkeitswert einer Anfechtungsklage abkaufen zu lassen (vgl. OLG Frankfurt NZG 2009, 222, 223 f.; = AG 2009, 200,202 LG Hamburg ZIP 2009, 686; LG Frankfurt am Main NZG 2008, 917, 918 f. = AG 2008, 830 f.). Von diesen Fällen unterscheidet sich die hier gegebene Sachverhaltskonstellation insofern entscheidend, als es zum einen der Kläger war, der einen Vergleich ablehnte, der erstmals von der Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung ins Gespräch brachte. Zum anderen aber ist ausschlaggebend, dass die Forderung nach einem Rückzug von Herrn Dr. K... aus dem Aufsichtsrat ein Anliegen ist, dass einen unmittelbaren Bezug zu dem Beschluss über die Wahl hat und gegebenenfalls auch auf einer weiteren Hauptversammlung durch den Kläger zur Abstimmung gestellt werden kann. Unmittelbare finanzielle Vorteile sind mit diesen Erwägungen nicht verbunden.

Angesichts dessen musste die Anfechtungsklage Erfolg haben, ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, ob auch Herr T... die Niederschrift neben Herrn Dr. I... hätte unterschreiben müssen, nachdem er jedenfalls zu Beginn der Hauptversammlung unstreitig die Versammlungsleitung inne hatte, und ob beim Fehlen einer Unterschrift die Vorschrift des § 241 Nr. 2 AktG (analoge) Anwendung finden kann oder nicht, nachdem dort von einer Beurkundung die Rede ist (vgl. hierzu Noack in: Liber amicorum Wilhelm Happ, S. 208).

II.

1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

3. Die Entscheidung über den Streitwert hat ihre Grundlage in §§ 247 Abs. 1 AktG, 5 ZPO. Nachdem mehrere Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten angegriffen wurden, liegen mehrere Streitgegenstände vor, deren Wert aufgrund der Vorschrift des § 5 ZPO zu addieren ist. Angesichts der vergleichsweise geringen Größe der Beklagten erachtet das Gericht einen Streitwert von jeweils Euro 5.000,-- für angemessen.






LG München I:
Urteil v. 28.01.2010
Az: 5 HK O 15937/09, 5 HK O 15937/09, 5 HK O 15937/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/22a693acb992/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_28-Januar-2010_Az_5-HK-O-15937-09-5-HK-O-15937-09-5-HK-O-15937-09




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