Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 2. Oktober 2003
Aktenzeichen: 1 K 1859/99

(VG Köln: Urteil v. 02.10.2003, Az.: 1 K 1859/99)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der RegTP vom 10. Februar 1999 verpflichtet, die einmaligen Entgelte für die erstmalige Bereitstellung und Óberlassung der Codierungen für Notrufabfragestellen je Ortsnetz im Zusammenhang mit der Leistung Z.1 in zuerkannter Höhe rückwirkend zum jeweiligen Vertragsschluss, frühestens zum 19. Oktober 1998, zu genehmigen.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 7/8, die Beklagte zu 1/8.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Revision unter Óbergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Entgelte für Bereitstellung und Änderung der Leistung Telekom-Z.1, der so genannten Notrufcodierung. Die Klägerin schloss mit mehreren Interconnection-Partnern (ICP) Zusammenschal- tungsvereinbarungen, in denen neben der Realisierung der Zusammenschaltungsan- schlüsse auch die gegenseitige Erbringung von Zusammenschaltungsdiensten vereinbart wurde. Dabei differenziert die Klägerin zwischen Basis- und Zusatzleistungen. Die Leistung Telekom-Z.1 (Verbindung zu den Notrufabfragestellen und Notrufcodierung) firmiert als zusätzliche Leistung. Die Entgelte für Notrufverbindungen, die die Transportleistung abdecken, sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens; sie sind anderweit genehmigt.

Unter dem 29. Oktober 1998 beantragte die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsauffassung, die Entgelte für die genannten Leistungen seien genehmigungsfrei, bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vorsorglich die Genehmigung der vereinbarten Entgelte für die erstmalige Bereitstellung der Codierung (einmaliges Entgelt) sowie deren Änderung (jährliches Entgelt).

Durch Bescheid vom 10. Februar 1999 genehmigte die RegTP, befristet bis zum 31. Dezember 1999, das einmalige Entgelt für die erstmalige Bereitstellung der Codierung zum Teil (nämlich in Höhe von DM 18,11 statt beantragter DM 19,48); eine Genehmigung des jährlichen Entgeltes von DM 3,51 versagte sie gänzlich. Die beantragten Entgelte unterlägen der exante-Genehmigungspflicht aus § 39 1. Alt. des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Nach der genannten Vorschrift seien sowohl die Entgelte des Marktbeherrschers für den physischlogischen Anschluss an sein Netz als auch diejenigen für die Inanspruchnahme eines jeden Leistungsmerkmales des Netzes genehmigungspflichtig. Die Leistung Z. 1 sei eine Leistung, die über das Netz der Klägerin erbracht werde und auf deren Erbringung der ICP aus § 35 Abs. 1 TKG einen Anspruch habe. Ohne die Leistung Z.1 sei nicht sichergestellt, dass eine schnellstmögliche Verbindung zur richtigen Notrufabfragestelle gewährleistet werde. Auch könnten die ICP ohne diese Leistung ihrer Verpflichtung aus § 13 Abs. 1 TKG nicht nachkommen. Das Entgelt für die erstmalige Bereitstellung, das - unstreitig - aus einmaligen Produkteinzelkosten und Produktlebenszykluskosten bestehe, habe, sofern es sich auf Produktlebenszykluskosten beziehe, nur teilgenehmigt werden können, wobei der genehmigte Betrag von DM 18,11 den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung am ehesten nahekomme. Bei den Produktlebenszykluskosten handele es sich um Kosten, die während der Lebensdauer des Produkts einmalig anfielen und nicht dem einzelnen Produkt direkt zurechenbar seien. Bei der Ermittlung der genannten Kosten sei das Ziel, alle Nachfrager gleichmäßig zu belasten. Bei der Notrufcodierung setzten sich die Produktlebenszykluskosten aus Kosten der Errichtung der Datenbank und Produktmanagementkosten zusammen. Beide Kostenposten seien bereits 1997 angefallen. Um den zeitlichen Aspekt der Finanzierungskosten zu berücksichtigen, diskontiere die Klägerin diese Kosten auf das Jahr 1998. Die Absatzmengen der Jahre 1998 bis einschließlich 2000 würden einheitlich als Produktmengenbarwerte auf das Jahr 1998 basiert, was im Ansatz mathematisch habe nachvollzogen werden können. Zu bemängeln seien die bei der Ermittlung der Produktlebenszykluskosten verwendeten Stundensätze aus dem Jahre 1998, obwohl die in Rede stehende Leistung bereits 1997 erbracht worden sei. Bezüglich der Produktlebenszykluskosten sei der Entgeltantrag im Hinblick auf die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Stundensätze abzulehnen gewesen. Als alternative Grundlage für die Ermittlung der Stundensätze sei für die Prozesse "Aufbau der Datenbank" und "Abfrage der Codierung" auf die AGB-Stundensätze für höherwertige praktische Arbeiten (DM 110,--) und für den Prozess "Produktmanagement" auf den AGB-Stundensatz für die Leitung von Arbeiten (DM 140,--) zurück gegriffen worden (AGB, Stand: Juli 1998). Zu bemängeln sei ferner u.a., dass die Klägerin mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 12,6 % gerechnet habe. Das Entgelt für die erstmalige Bereitstellung habe, sofern es die einmaligen Produkt- und Angebotskosten, die während der gesamten Produktnutzung nur einmal anfielen, betreffe, nicht genehmigt werden können, weil die verwendete Methode zur Herleitung der Prozesszeiten zu unbestimmt sei. Zu den genannten Kosten zählten u.a. die Prozesse der Auftragsannnahme, der Zuordnung der Notrufcodierungen und der Weiterleitung an den ICP. Die Klägerin habe für die Herleitung der bewussten Kosten - anders als in vorangegangenen Genehmigungsverfahren - eine topdown- Methode verwendet, denn sie errechne durchschnittliche Zeitaufwände in Abhängigkeit von der geschätzten Anzahl der zukünftig von den ICP angeforderten Ortsnetzcodierungen, wobei sie Kosten auf der Basis einer Vergangenheitsbetrachtung abgeleitet habe. Diese Vorgehensweise gewährleiste jedoch keine gesicherte und verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten. So habe die Klägerin zwar einen vergangenheitsbezogenen jährlichen Zeitaufwand je Ortsnetz für 1998, nicht aber für die Jahre 1999 und 2000 ermittelt. Vielmehr habe sie zur Berechnung der einmaligen Produkt- und Angebotskosten für jeden Prozess den jeweiligen geschätzten Zeitaufwand im Jahr 1998 durch die in diesem Jahr tatsächliche nachgefragten Ortsnetze dividiert, um einen durchschnittlichen Zeitauf- wand zu ermitteln. Bei Verwendung einer bottomup-Methode hingegen hätte die Einbeziehung der Größe "nachgefragte Ortsnetze", die mit großen Unsicherheiten bezüglich Nachfragezeiten und -mengen behaftet sei, vermieden werden können. Aufgrund der genannten Mängel der Kalkulationsmethode sei eine weitergehende Überprüfung der Entgelte für einmalige Produkt- und Angebotskosten sowie die jährlichen Änderungen der Notrufcodierungen nicht möglich gewesen, sodass die entsprechenden Entgeltbestandteile nicht hätten genehmigt werden können.

Das jährliche Entgelt für Änderungen der Notrufcodierungen sei nicht genehmigungsfähig, weil auch die Herleitung dieser Kosten nach der topdown- Methode erfolgt sei. Die Klägerin gehe davon aus, dass jährlich 200 Codeänderungen aus technischen Gründen anfielen. Die Gesamtkosten der relevanten Prozesse würden auf die Anzahl der insgesamt von den ICP nachgefragten Ortsnetzcodierungen in 1998 umgelegt. Diese Durch- schnittsbetrachtung stelle eine unzulässige Pauschalierung dar, weil hierdurch auch solche Carrier an den Kosten der jährlichen Änderungen beteiligt würden, die Ortsnetzcodierungen nachgefragt hätten, in denen keine Änderungen stattfänden.

Die (Teil-)Genehmigung erfasse nur die bereits abgeschlossenen Verträge und sei nicht mit Rückwirkung ausgestattet.

Die Klägerin hat am 10. März 1999 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt, die Genehmigung der Entgelte für die Leistung Z.1 hätte jedenfalls in beantragter Höhe erfolgen müssen. Was die verwendeten Stundensätze aus dem Jahre 1998 angehe, so hätten diese nur geringfügig über denjenigen aus dem Jahre 1997 gelegen und den Gesamtkostenbetrag lediglich von DM 21,28 auf DM 22,97 verändert. Der Gesamtkostenbetrag von DM 21,28 liege aber noch deutlich über dem beantragten Entgelt in Höhe von DM 19,48, das damit hätte genehmigt werden müssen. Die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung seien immer noch höher als das beantragte Entgelt. Auch seien die Kostennachweise bezüglich der einmaligen Produkt- und Angebotskosten entgegen der Ansicht der RegTP vollständig und prüffähig. Es treffe zwar zu, dass der erforderliche Zeitaufwand je Prozess unabhängig von der Größe künftig nachgefragter Ortsnetze sei. Letztere sei in der Tat geschätzt worden; indes seien Schätzungen in Entgeltverfahren üblich und notwendig. Inwiefern die nunmehr verwendete topdown-Methode zu einer höheren Fehlerwahrscheinlichkeit gegenüber der von der RegTP favorisierten bottomup-Methode führen solle, sei nicht nachvollziehbar. Zudem erfordere die bottomup-Methode einen erheblichen Aufwand - so hätte für jeden Arbeitsschritt der Zeitaufwand nach REFA-Grundsätzen ermittelt werden müssen - , der unverhältnismäßig gewesen wäre. Ebenso seien die Entgelte für die Änderung der Notrufcodierung, die durch Standortverlagerungen, Digitalisierungen der abfragetechnischen Stellen und andere technische Maßnahmen erforderlich werde, in voller Höhe zu genehmigen gewesen. Die vorgenommene Durchschnittsbetrachtung stelle insbesondere keine unzulässige Pauschalierung dar. Die Kalkulation gebe die potentielle Inanspruchnahme der Leistung wieder, die im Wesentlichen durch das Verhalten der Infrastruktur bedingt sei. Insofern sei eine Ermittlung der Kosten pro Ortsnetz nicht geboten. Auch insoweit gelte, dass die Berechnung der Kosten jeder einzelnen Notrufcodierung einen hohen Fakturierungsaufwand erfordern würde, der ca. ein Drittel der Gesamtkosten betrüge und damit außer Verhältnis zur Höhe des zu genehmigenden Entgeltes stünde. Die von der RegTP geforderte bottomup-Kalkulation hätte in diesem Bereich nicht zu einem einheitlichen Gesamtkostenausweis geführt, den man den einzelnen Ortsnetzen hätte zuordnen können. Vielmehr wäre es zu nicht weiter verknüpfbaren Einzelpositionen gekommen. Die Genehmigung hätte zudem rückwirkend erteilt werden müssen.

Die Klägerin beantragt nach Klagerücknahme im Übrigen,

die RegTP unter teilweiser Aufhebung des Be- scheides vom 10. Februar 1999 zu verpflichten, ihr die Genehmigung des Entgelts für die Leistung Telekom-Z.1 entsprechend der im Antrag vom 29. Oktober 1998 bezeichneten Höhe rückwirkend zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsabschlusses, frühestens zum 19. Oktober 1998, zu erteilen.

Die Beklagte beantragt.

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides. Zusätzlich trägt sie vor, die Klage sei unzulässig geworden, nachdem sie Folgegenehmigungen über dieselbe Leistung erteilt habe. Soweit die Klägerin vortrage, in Anwendung der Nettostundensätze für 1997 hätte sich ein Gesamtkostenbetrag von DM 21,28 ergeben, der immer noch über dem beantragten Entgelt gelegen habe, sei darauf zu verweisen, dass sich dies aus den vorgelegten Kostennachweisen nicht ergeben habe. Die Ablehnung der Genehmigung für die jährlichen Entgelte sei nicht erfolgt, weil sich die Klägerin der topdown-Methode bedient habe, sondern beruhe vielmehr darauf, dass die eingestellten Werte zu ungenau und nicht belegt seien. Sowohl die in die einmaligen Produkt- und Angebotskosten eingegangenen Prozesszeiten als auch die den jährlichen Entgelten zugrunde gelegte Anzahl von 200 Codierungsänderungen seien nicht hergeleitet oder dokumentiert worden, sondern der Behörde pauschal ausgewiesen worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der RegTP vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwie- sen.

Gründe

Soweit die Klägerin die Klage in Bezug auf die zunächst auch beantragte Feststellung fehlender Genehmigungspflichtigkeit zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die im Übrigen zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

Die Klägerin verfügt für die auf Erteilung einer Entgeltgenehmigung gerichtete Verpflichtungsklage auch in Ansehung der Tatsache, dass die RegTP zwischenzeitlich Folgegenehmigungen bezüglich der streitigen Entgelte erteilt hat, über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da sie im Falle ihres Obsiegens im vorliegenden Verfahren von ihren Vertragspartnern Entgelte nacherheben kann.

In der Sache hat die Klage nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der Klage ist insoweit stattzugeben, soweit mit ihr - sinngemäß - auch eine einzelfallbezogene Entgeltgenehmigung mit Rückwirkung zum 19. Oktober 1998 begehrt wird.

Die Kammer und das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),

vgl. u.a.: VG Köln, Urteil vom 30. August 2001 - 1 K 9669/98 - Juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2001 - 13 B 1362/01 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2002, 496 ff,.

haben die Frage der rückwirkenden Erteilung der Genehmigung - insbesondere - von Wettbewerberentgelten bereits mehrfach bejaht. Die dafür maßgeblichen Gründe sind den Beteiligten bekannt und müssen daher hier nicht wiederholt werden.

Hinsichtlich des Zeitpunktes der Rückwirkung war im Grundsatz auf die jeweiligen Vertragsabschlüsse mit Vereinbarungen über die Leistung Z.1 abzustellen. Soweit die Daten der Vertragsabschlüsse (vgl. Vertragsabschluss mit X. unter dem 26. Mai 1997) vor dem von der Klägerin beantragten Rückwirkungsdatum 19. Oktober 1998 liegen, musste es allerdings bei der Rückwirkung zum 19. Oktober 1998 verbleiben, da die Kammer ansonsten entgegen § 88 VwGO über das Klagebegehren hinausgegangen wäre. Soweit allerdings mit den im Verwaltungsverfahren Beigeladenen zu 59. bis 69. die Zusammenschaltungsvereinbarungen erst nach dem 19. Oktober 1998 geschlossen worden sind (nämlich zwischen dem 29. Oktober und dem 04. Dezember 1998), kommen jeweils nur diese Daten als Rückwirkungszeitpunkte in Betracht.

Im Übrigen ist der Bescheid der RegTP vom 10. Februar 1999 - soweit noch angefochten - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Das TKG normiert nicht ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen eine Entgeltgenehmigung zu erteilen ist. Es regelt in § 27 Abs. 3 TKG nur den Fall der Versagung der Genehmigung. Doch kann aus dieser Vorschrift sowie aus dem Umstand, dass wegen der Grundrechtsrelevanz (Art. 12 GG) des Genehmigungserfordernisses nichts für eine Ermessensentscheidung spricht, jedenfalls im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Genehmigung zu erteilen ist, wenn keine Versagungsgründe vorliegen.

Nach § 39 i.V.m. §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 1 Nr. 1 und 27 Abs. 3 TKG ist die Genehmigung zu versagen, wenn die Entgelte den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG nach Maßgabe des § 27 Abs. 2 TKG oder offenkundig den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 TKG nicht entsprechen oder wenn sie mit diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen. Im Sinne der vorletzten Alternative steht ein Entgelt "mit diesem Gesetz" u.a. dann nicht in Einklang, wenn es sich abweichend von § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientiert.

Diese Formulierung beschreibt keine bloße gesetzgeberische Zielvorstellung, der neben den Anforderungen des § 24 Abs. 2 TKG keine selbständige regulatorische Bedeutung zukäme. Ebenso wenig lässt sich einwenden, aus § 24 Abs. 1 TKG ergebe sich lediglich eine Bezugsgröße, die eine Prüfung der maßgeblichen Tatbestände des § 24 Abs. 2 TKG erleichtere bzw. ermögliche,

so aber: Wegmann, Regulierte Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 310, 311; a.A.: Schu- ster/Stürmer, in Beck`scher TKG-Kommentar, § 24 Rn. 13 ff; Spoerr in Trute/Spoerr/Bosch, Rn. 62 zu § 24

Gegen eine derartige Sichtweise spricht bereits der eindeutige Wortlaut des § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG, wonach Entgelte sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren und den Anforderungen nach Absatz 2 zu entsprechen haben. Es handelt sich somit um kumulativ normierte Voraussetzungen. Das bedeutet, dass die Genehmigung schon dann zu versagen ist, wenn eine dieser Voraussetzungen - hier die der Orientierung an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung - fehlt. Ob darüber hinaus auch einer der in § 24 Abs. 2 TKG normierten sog. Missbrauchstatbestände erfüllt ist oder nicht, ist dann nicht entscheidungserheblich.

Darauf, dass die Orientierung an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung vom Gesetzgeber als unerlässliche Genehmigungsvoraussetzung auch gewollt ist, deutet ferner die Begründung des mit dem Text des § 24 TKG übereinstimmenden § 23 des Gesetzentwurfs hin. Denn dort

BT-Drs. 13/3609, S.42

heißt es, die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung seien Ausgangspunkt der Entgeltprüfung. Daraus lässt sich zwanglos ableiten, dass die Genehmigung jedenfalls dann zu versagen ist, wenn die Entgeltprüfung bereits im Ausgangspunkt negativ verläuft.

Bestätigt wird diese Auslegung durch § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG, worin für Fälle der Einzelentgeltgenehmigung der Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung sogar ausschließlich genannt wird.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass § 25 Abs. 1 TKG die Entgeltprüfung nicht etwa auf die in § 24 Abs. 2 TKG genannten, am Kartellrecht ausgerichteten negativen (Missbrauchs-) Voraussetzungen beschränkt, sondern eine Genehmigung "nach Maßgabe der 24 und 27 bis 31", also einschließlich der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 TKG, vorsieht.

Zusätzlich ist zu beachten, dass das TKG neben der Realisierung des Verfassungsauftrages aus Art. 87 f GG auch der Umsetzung der europäischen Entscheidungen zur Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte dient

so die Begründung des TKG-Gesetzentwurfs: BT-Drs. 13/3609, S.34 .

Mithin ist bedeutsam, was das Gemeinschaftsrecht im Zeitpunkt des Erlasses des TKG den Mitgliedstaaten in Bezug auf den Kostenmaßstab vorgab. Schon in Ziffer 4 des Anhangs II der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28.6.1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs, ABl. EG Nr. L 192 S. 1, (ONP-Richtlinie) hieß es, die Tarife müssten "grundsätzlich an den Kosten orientiert" sein. Dass dieser Maßstab gemeinschaftsrechtlich nach wie vor von zentraler Bedeutung ist, ergibt sich ferner aus Art. 17 Abs. 2 der u.a. den hier maßgeblichen Bereich des Sprachtelefondienstes betreffenden Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.2.1998, ABl. EG Nr. L 101 S. 24. Darin wird für Tarife für die Nutzung des festen öffentlichen Telefonnetzes ebenfalls festgeschrieben, dass sie "dem Grundsatz der Kostenorientierung nach Anhang II der Richtlinie 90/387/EWG" unterliegen. Ist aber ein Tarif, der nicht dem Grundsatz der Kostenorientierung entspricht, gemeinschaftsrechtlich ohne weiteres, d.h. ohne Erfüllung zusätzlicher Missbrauchskriterien, unzulässig, so besteht keinerlei Anlass, das diesen Maßstab umsetzende nationale Recht abweichend auszulegen. Andernfalls würde der sich klar und deutlich aus der Gesetzesbegründung erge- bende Wille des TKG-Gesetzgebers zur Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Umset- zungsverpflichtungen verfehlt.

Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch der telekommunikationsrechtliche Verordnungsgeber die Exante-Entgeltregulierung nicht auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 TKG reduziert. Vielmehr hat er in § 3 Abs. 1 TEntgV der RegTP den obligatorischen Prüfauftrag erteilt, "ob und inwieweit die beantragten Entgelte sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne des Absatzes 2 orientieren". Er hat damit den Maßstab des § 24 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative TKG als eigenständige Genehmigungsvoraussetzung ausdrücklich bestätigt.

Zur Beantwortung der mithin in Fällen der Ex-Ante-Entgeltregulierung allein entscheidungserheblichen Frage, ob und inwieweit sich die von der Klägerin beantragten Entgelte an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientieren, ist die diesen Maßstab konkretisierende

so: VG Köln, Urteile vom 21. Februar 2002 - 1 K 5694/98 -, Juris, und vom 14. November 2002 - 1 K 1799/01 -; Manssen, a.a.O., § 27 Anhang Rn. 22;

Vorschrift des § 3 Abs. 2 TEntgV heranzuziehen. Danach ergeben sich die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung "aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, jeweils einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, soweit diese Kosten jeweils für die Leistungsbereitstellung notwendig sind".

Wie sich aus § 3 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 TEntgV ergibt, muss die RegTP hierbei zunächst von den vom beantragenden Unternehmen gemäß § 2 Abs. 2 TEntgV vorzulegenden Kostennachweisen ausgehen. Das bedeutet, dass sie in einem ersten Schritt zu prüfen hat, welche der geltend gemachten Kosten durch diese Unterlagen nachgewiesen und ob diese nachgewiesenen Kosten nach § 3 Abs. 2 TEntgV auch berücksichtigungsfähig sind

ähnlich: Schütz/Müller, MMR 1999, 128 (131); Schuster/Stürmer in Beck`scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., Anh § 27 § 3 TEntgV, Rn. 1.

Gegebenenfalls soll die Regulierungsbehörde dabei zusätzlich eine Vergleichsmarktbetrachtung nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 TEntgV durchführen. Anschließend ist in einem zweiten Schritt gemäß § 3 Abs. 4 TEntgV zu prüfen, ob nachgewiesene zusätzliche - sog. Neutrale - Aufwendungen, die den Rahmen des § 3 Abs. 2 TEntgV übersteigen und daher für die effiziente Leistungsbereitstellung - eigentlich - nicht notwendig sind, gleichwohl berücksichtigt werden können, weil hierfür eine rechtliche Verpflichtung besteht oder das beantragende Unternehmen eine sonstige sachliche Rechtfertigung nachweist.

Ausgehend hiervon hat die RegTP im Ergebnis zu Recht eine im Vergleich zum angegriffenen Bescheid betragsmäßig höhere Entgeltgenehmigung abgelehnt bzw. gänzlich versagt. Im Einzelnen ist dazu auszuführen:

Hinsichtlich der Produktlebenszykluskosten beim einmaligen Bereitstellungsentgelt hat die RegTP - unwidersprochen - gerügt, die Klägerin habe die Kosten für die 1997 erfolgte Einrichtung der Datenbank mit aus dem Jahre 1998 stammenden Stundensätzen kalkuliert, die (laut Erläuterung vom 29. September 2003) im Durchschnitt DM 125,46 betragen hätten. Da ihr die Ressort-Stundensätze für 1997 nicht zur Verfügung gestanden hätten, habe sie mit - von den Tätigkeitsfeldern her - vergleichbaren AGB-Stundensätzen von DM 110,-- bzw. 140,-- gerechnet, wobei in die Teilgenehmigung ein Stundensatz von DM 112,19 eingegangen sei. Der Ansatz der RegTP, dass innerhalb der von der Klägerin geltend gemachten Pro- duktlebenszykluskosten von DM 20,80 der sich auf DM 13,04 belaufende Personalkostenanteil durch die - im Beschlusskammerverfahren allein - vorgelegten Stundensätze von 1998 nicht belegt sind, ist nicht zu beanstanden. Insofern hätte der Entgeltantrag bezüglich dieses Postens wegen unvollständiger Kostenbelege auch vollständig gemäß § 2 Abs. 3 TEntgV abgelehnt werden können. Ob die von der RegTP gewählte Vorgehensweise, statt dessen AGB-Stundensätze der Klägerin zu verwenden, richtig ist, kann dahinstehen, denn jedenfalls hatte die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses,

vgl. hierzu etwa: Urteil der Kammer vom 13. Februar 2003 - 1 K 8003/98 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2001 - 13 B1362/01 - ,

nicht belegt, dass ihr ein höheres Entgelt als die genehmigten DM 18,11 zustünde. Soweit sie diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung die Auffassung geäußert hat, die RegTP sei im Wege der Amtsermittlung verpflichtet gewesen, aus ihr vorliegenden Kostenbelegen früherer Genehmigungsverfahren die entsprechenden Ressort-Stundensätze der Klägerin für 1997 herauszusuchen, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass - auch angesichts der kurzen Entscheidungsfristen - die von der Klägerin vorzulegenden Kostennachweise aus sich heraus vollständig sein müssen.

Zutreffend ist die RegTP auch davon ausgegangen, dass es an einem hinreichenden Nachweis der einmaligen Produkt- und Angebotskosten (DM 2,16) fehlt.

Hinsichtlich der Anforderungen an Kostennachweise hat die Kammer - für den hier interessierenden Kontext der Bereitstellung einer Leistung, für die es an Erfahrungswerten mangelt - bereits ausgeführt:

"Ist aus technischen Gründen die Erbringung von Nachweisen bis auf die Ebene von Einzelnachweisen nicht möglich, muss es zulässig sein, die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auf der Grundlage einer Modellrechnung darzulegen... Die Anforderungen an eine zulässige Modellrechnung dürfen nicht überspannt werden. Es reicht aus, wenn sie auf plausiblen und nachvollziehbaren Annahmen beruht. Um den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und der Praktikabilität zu genügen, müssen auch gewisse Typisierungen zulässig sein,"

vgl. Urteil der Kammer vom 05. Juni 2003 - 1 K 6301/99 -.

In Anwendung dieser Maßstäbe sind hinsichtlich der einmaligen Produkt- und Angebotskosten die eingereichten Kostenbelege nicht ausreichend. Bei den einmaligen Produkt- und Angebotskosten wird der Gesamtzeitaufwand in 1998 (Bl. 49 - 51) mit 90 Stunden für den Prozess Auftragsannahme, Eingangsbestätigung/Weitergabe, Testbestätigung, Dokumentation, mit 125 Stunden für den Prozess Zuordnung, Registrierung sowie 70 Stunden für den Prozess Fakturierung als gegebene Größe mitgeteilt, ohne dass eine plausible Herleitung erfolgte. Auf entsprechende Nachfrage der Beschlusskammer vom 18. Januar 1999 (Bl. 165) teilte die Klägerin unter dem 29. Januar 1999 (Bl. 183) lediglich mit, die Prozesszeiten resultierten aus qualifizierter Schätzung der aufgekommenen Arbeitsstunden durch die ausführenden Ressorts. Da es insofern an einer Mitteilung der jeweiligen Schätzgrundlagen völlig fehlt, kann nicht von einer plausiblen und nachvollziehbaren Annahme im obigen Sinne gesprochen werden.

Gleiches gilt im Ergebnis für das beantragte jährliche Entgelt für Codierungsänderungen (DM 3,51): Bezüglich der den jährlichen Produkt- und Angebotskosten zugrundegelegten Gesamtzahl von 200 Notrufcodierungen - auch insoweit hat die RegTP die Klägerin unter dem 18. Januar 1999 um nähere Angaben zu Struktur und Gesamtzahl gebeten, Bl. 166 - hat die Klägerin, Bl. 184, nur ausgeführt, die Zahl beruhe auf qualifizierter Schätzung. Auf welcher Grundlage sie zur der Annahme gelangt ist, es fielen 20 Änderungen wegen Verlegung der Notrufabfragestellen, 100 wegen der Umrüstung der Notrufabfragestelle von analog auf digital sowie 80 wegen technischer Gründe (= Umschaltemaßnahmen in Verbindung mit den Notrufmeldeleitungen) an, ist nicht dargelegt. Diese Ausführungen sind als Kostenbeleg unzureichend mit der Folge, dass die RegTP zu Recht die nämlichen Posten gestrichen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 und 2 VwGO.

Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die der Sprungrevision auf § 134 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 02.10.2003
Az: 1 K 1859/99


Link zum Urteil:
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