Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Januar 2002
Aktenzeichen: 23 W (pat) 11/00

(BPatG: Beschluss v. 22.01.2002, Az.: 23 W (pat) 11/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H05K des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. Dezember 1999 aufgehoben und das Patent 197 05 173 mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 7 nach Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibungsseiten 1, 2, 2a und 5, eingegangen am 18. Dezember 1997, Seite 3 eingereicht in der mündlichen Verhandlung und ursprüngliche Beschreibungsseiten 4 und 6 bis 8, eingegangen am 11. Februar 1997 und 2 Blatt Zeichnung, Figuren 1 bis 6, eingegangen am 25. März 1997 Bezeichnung: Elektrisches Gerät Anmeldetag: 11. Februar 1997

Gründe

I Die vorliegende Patentanmeldung ist mit der Bezeichnung "Elektrisches Gerät" am 11. Februar 1997 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.

Mit Beschluß vom 21. Dezember 1999 hat die zuständige Prüfungsstelle für Klasse H05K des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung zurückgewiesen.

Die Prüfungsstelle hat ihre Entscheidung damit begründet, daß der Gegenstand nach dem damaligen Patentanspruch 1 im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß der deutschen Patentschrift 44 29 983 und der DDR-Patentschrift 205 802 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin neue Ansprüche 1 bis 7 für einen Hauptantrag und Ansprüche 1 bis 5 für einen Hilfsantrag mit angepaßtem Beschreibungsteil überreicht und die Auffassung vertreten, daß den Gegenständen der neugefaßten Patentansprüche 1 der vorstehend genannte Stand der Technik, einschließlich der weiteren, von der Prüfungsstelle ermittelten schweizerischen Patentschrift 635 961 sowie der deutschen Offenlegungsschriften 41 07 620 und 42 17 066, auch iVm der von der Anmelderin selbst genannten deutschen Offenlegungsschrift 44 40 755 nicht patenthindernd entgegenstehe.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H05K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Dezember 1999 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen: Ansprüche 1 bis 7 nach Hauptantrag bzw Ansprüche 1 bis 5 nach Hilfsantrag, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibungsseiten 1, 2, 2a und 5, eingegangen am 18. Dezember 1997, Seite 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung und ursprüngliche Beschreibungsseiten 4 und 6 bis 8, eingegangen am 11. Februar 1997, und zwei Blatt Zeichnung, Figuren 1 bis 6, eingegangen am 25. März 1997.

Die Patentansprüche 1 bis 7 nach Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:

"1. Elektrisches Gerät, das aufweist:

- ein quaderförmiges Gehäuse (1) zur Aufnahme eines Schaltungsträgers (2) mit Bestückungsfläche (21),

- ein Verschlußteil (3) für eine Einschuböffnung an einer Stirnseite (11) des Gehäuses (1),

- ein einstückig mit dem Verschlußteil (3) ausgebildetes Steckerteil (4) mit Anschlußstiften (41), wobei - das Steckerteil (4) und die Anschlußstifte (41) etwa rechtwinklig zu der Bestückungsfläche (21) des Schaltungsträgers (2) und zur Einschubrichtung gerichtet sind, und - das Steckerteil (4) und die Anschlußstifte (41) über einem auf der Seite der Einschuböffnung liegenden Randbereich (22) der Bestückungsfläche (21) des Schaltungsträgers (2) angeordnet sind.

2. Elektrisches Gerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Anschlußstifte (41) gerade ausgebildet sind.

3. Elektrisches Gerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Anschlußstifte (41) in den Schaltungsträger (2) geführt sind.

4. Elektrisches Gerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Steckerteil (4) und das Verschlußteil (3) aus Kunststoff hergestellt sind.

5. Elektrisches Gerät nach Anspruch 2 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Anschlußstifte (41) in das Steckerteil gepreßt sind.

6. Elektrisches Gerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß eine zur Bestückungsfläche (21) parallele Seite (12) des Gehäuses (1) auf der Seite der Einschuböffnung (11) eine Aussparung (13) zur Aufnahme des Steckerteils (4) aufweist.

7. Elektrisches Gerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Schaltungsträger (2) und das Verschlußteil (3) mechanisch verbunden und gemeinsam in das Gehäuse (1) einschiebbar sind."

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als patentfähig.

1) Sämtliche Patentansprüche gemäß Hauptantrag sind zulässig, denn alle Anspruchsmerkmale sind für den Durchschnittsfachmann - einen berufserfahrenen, mit der Entwicklung von elektrischen Geräten mit Schaltungsträger in einem Gehäuse befaßten Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluß - aus der Gesamtheit der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart.

Der geltende Anspruch 1 geht auf den ursprünglichen Anspruch 1 iVm dem Ausführungsbeispiel zurück: Denn aus der Angabe auf Seite 6, 1. Abs, le Satz, wonach das stirnseitige Verschlußteil (3) mitsamt des Schaltungsträgers (2) aus dem Gehäuse (1) herausgezogen und vice versa eingeschoben werden kann, folgt zwingend das Vorhandensein einer stirnseitigen Einschuböffnung des Gehäuses (1); weiter wurde der unklare Begriff "Breitseite (21) des Schaltungsträgers" durch den auf Seite 6, 2. Abs, 2. Satz sinngemäß offenbarten technisch präziseren Begriff "Bestückungsfläche (21)" ersetzt; und schließlich ergibt sich die über die etwa rechtwinklige Ausrichtung des Steckerteils (4) und der Anschlußstifte (41) zum Schaltungsträger (2) hinausgehende Konkretisierung, daß das Steckerteil (4) und die Anschlußstifte (41) auch etwa rechtwinklig zur Einschubrichtung stehen, aus den Figuren 3 und 4 iVm der zugehörigen Beschreibung, weil die geometrischen Abmessungen des quaderförmigen Gehäuses (1) nur eine Einschubrichtung, die etwa rechtwinklig zur Einschuböffnung und parallel zur Bestükkungsfläche (21) des Schaltungsträgers (2) steht, erlauben.

Die Ansprüche 2 bis 5 nach Hauptantrag gehen aus den entsprechenden ursprünglichen Ansprüchen hervor, wobei die Reihenfolge der Ansprüche 4 und 5 vertauscht ist.

Der geltende Anspruch 6 geht aus dem ursprünglichen Anspruch 6 hervor, wobei die Terminologie an den Anspruchswortlaut des Anspruchs 1 angepaßt ist.

Der geltende Anspruch 7 findet seine inhaltliche Stütze in dem Ausführungsbeispiel, vgl Beschreibung Seite 6, 1. und 2. Abs.

2) Die Patentanmeldung geht nach den Angaben der Anmelderin in der geltenden Beschreibung S 1 Abs 2 von einem elektrischen Gerät nach der gattungsbildenden deutschen Offenlegungsschrift 42 40 755 (vgl Figur 4 und 5) aus, das ein quaderförmiges Gehäuse für einen Schaltungsträger mit Bestückungsfläche aufweist, wobei das Gehäuse an seiner stirnseitigen Öffnung mit einem Verschlußteil abgeschlossen ist, das einstückig mit einem Steckerteil mit Anschlußstiften ausgebildet ist, die im Inneren des Gehäuses über Bonddrähte mit dem Schaltungsträger verbunden sind. Das Steckerteil mit Anschlußstiften ist dabei parallel zu der Bestückungsfläche des Schaltungsträgers ausgerichtet.

Sollte es aus Gründen der Raumerfordernis notwendig sein, die Anschlußstifte in etwa senkrecht aus dem Gehäuse des elektrische Gerätes zu führen, so stehen nach den Ausführungen der Anmelderin dem Fachmann zwei aufwendige Fertigungsalternativen zur Verfügung, nämlich aus einem Metallband ein Stanzgitter mit Anschlußstiften zu stanzen, anschließend das Stanzgitter abzubiegen und das abgebogene Stanzgitter zu umspritzen oder alternativ einzelne Stifte abzubiegen und diese in einer geeigneten Halterung anzuordnen, so daß diese von einem Spritzwerkzeug umspritzt werden können, vgl Seiten 1 und 2 der Beschreibung.

Daher liegt der Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein elektrisches Gerät zu schaffen, das einen einfachen Aufbau aufweist und in nur wenigen Fertigungsschritten herzustellen ist, vgl den die Beschreibungsseiten 2 und 3 überbrückenden Absatz.

Dieses technische Problem wird mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.

Das wesentliche Lösungsmerkmal besteht darin, daß das Steckerteil und die Anschlußstifte etwa rechtwinklig zu der Bestückungsfläche des Schaltungsträgers und zur dessen Einschubrichtung stehen.

3) Der Anmeldungsgegenstand nach dem Patentanspruch 1 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu (PatG § 3), da - wie es sich aus der nachfolgenden Abhandlung zur erfinderischen Tätigkeit ergibt - in keiner Druckschrift des ermittelten Standes der Technik ein elektrisches Gerät offenbart ist, bei dem das Steckerteil und die Anschlußstifte etwa rechtwinklig zu der Bestückungsfläche des Schaltungsträgers und zur dessen Einschubrichtung stehen.

4) Die gewerblich anwendbare Erfindung (PatG § 5) beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn die Lehre gemäß dem Patentanspruch 1 ergibt sich für den in Betracht zu ziehenden, vorstehend definierten Durchschnittsfachmann nicht in naheliegender Weise aus dem nachgewiesenen Stand der Technik (PatG § 4).

Die deutsche Patentschrift 44 29 983 betrifft ein elektrisches Gerät mit einem im Querschnitt dreieckförmigen Gehäuse (7), in das ein auf einem Tragkörper (2) angeordneter Schaltungsträger (flexible Leiterplatte 1), der Steckerstifte (9) trägt, eingeschoben und mit dem Gehäuse (7) verrastet werden kann, vgl die einzige Figur mit zugehöriger Beschreibung. Die Einschuböffnung wird von einem Verschlußteil (Steckerkorb 8), der die Steckerstifte umfaßt und mit dem Schaltungsträger (1) mechanisch verbunden ist, mittels einer Rastverbindung (10) verschlossen, vgl Sp 3, Zn 31 bis 38.

Bei diesem Gehäuse (7) stehen die Steckerstifte (9) zwar senkrecht zu dem sie tragenden Teil des um den dreieckförmigen Tragkörper (2) gefalteten Schaltungsträgers (1), jedoch nicht senkrecht zu der Einschubrichtung; wie dies der Anspruch 1 der erfindungsgemäßen Lehre vorsieht.

Daher vermag diese Druckschrift nicht, den Fachmann zu der Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag anzuregen.

Die deutsche Offenlegungsschrift 41 07 620 betrifft ein elektrisches Gerät mit einem Gehäuse (10), in das ein Schaltungsträger (flexible Leiterplatte 11, 37) eingeschoben und im Gehäuse mittels Nuten (25, 26) spiralförmig aufgerollt wird, wobei das Gehäuse (10) mit einem mit dem Schaltungsträger (11, 37) verbundenen (verklebten) Verschlußteil (Stirnwand 16) durch Rastverbindungen (Rastnasen 31, Rastzungen 30) verschlossen wird, vgl dort insbes die Figuren 1 und 2 iVm der zugehörigen Beschreibung. Dabei stehen die Anschlußstifte (Stecker 38) zwar senkrecht zu dem mit dem Verschlußteil (16) verbundenen Schaltungsträgerteil (37), jedoch parallel zur Einschubrichtung, so daß diese Druckschrift dem Fachmann insoweit ebenfalls nicht die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nahelegen kann.

Die DDR-Patentschrift 205 802 betrifft ein im wesentlichen quaderförmiges Gehäuse (1) für elektrische Kleingeräte, in das mehrere Schaltungsträger (Leiterplatte 10) geführt von Führungen (8) in Längsrichtung eingeschoben werden, wobei das Gehäuse (1) mit einem Verschlußteil (Frontteil 3) verschlossen wird, vgl die Figuren 1 bis 3 mit zugehöriger Beschreibung. Dabei werden die Schaltungsträger (10) mittels Anschlußlitzen und daran befestigten Anschlußklemmen (11) elektrisch kontaktiert, indem die Anschlußklemmen in eine zwischen Gehäuse (1) und Verschlußteil (3) angeordnete Klemmenaufnahme (9) eingelegt werden, um eine möglichst automatische Kontaktierung zu ermöglichen. Nachdem in dieser Druckschrift keine Rede ist von einem Steckerteil und Anschlußstiften, die etwa senkrecht zur Bestückungsfläche der Schaltungsträger und zur Einschubrichtung gerichtet sind, vermag sie ebenfalls nicht, die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nahezulegen.

Die von der Anmelderin selbst genannte deutsche Offenlegungsschrift 42 40 755 offenbart - wie dargelegt - ein gattungsgemäßes elektrisches Gerät, bei dem die Anschlußstifte (10) parallel zur Bestückungsfläche des Schaltungsträgers (1) und parallel zur Einschubrichtung stehen, so daß auch diese Entgegenhaltung dem Fachmann den Anmeldungsgegenstand nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht nahelegen kann.

Die schweizerische Patentschrift 635 961 betrifft ein Elektrogerätegehäuse mit einem Verschlußteil (Deckel 12) und einer Anschlußleiste mit Flachsteckern (18), bei dem es auf eine Relation zwischen der Bestückungsfläche des Schaltungsträgers bzw Einschubrichtung und Steckerteil (18) mit Anschlußstiften (22) nicht ankommt, zumal dort von einem Schaltungsträger keine Rede ist, so daß diese Entgegenhaltung den Fachmann nicht zur Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag anregen kann.

Die deutsche Offenlegungsschrift 42 17 066 A1 betrifft eine Einrichtung zum Ankoppeln von elektrotechnischen Endgeräten (Applikationsteil 5) an eine Bus-Leitung, wobei Anschlußstifte (6) zwar senkrecht zur Längserstreckung des Gehäuses des Applikationsteils (5) stehen, jedoch ist dort von einem in das Gehäuse einschiebbaren Schaltungsträger keine Rede, so daß diese Druckschrift bezüglich der Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag irrelevant ist.

Da sich auch bei einer Gesamtschau des insgesamt nachgewiesenen Standes der Technik kein für den Fachmann naheliegender Weg zur erfindungsgemäßen Lösung ergibt, ist das elektrische Gerät nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag somit patentfähig.

5) An den Patentanspruch 1 nach Hauptantrag können sich die auf ihn zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 anschließen, denn sie haben vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsformen des elektrischen Gerätes nach dem Anspruch 1 zum Gegenstand, deren Patentfähigkeit von derjenigen des Gegenstandes des Hauptanspruchs mitgetragen wird.

6) Die geltende Beschreibung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Wiedergabe des maßgeblichen Standes der Technik und bezüglich der Erläuterung des beanspruchten elektrischen Gerätes in Verbindung mit der Zeichnung.

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BPatG:
Beschluss v. 22.01.2002
Az: 23 W (pat) 11/00


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