Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 20. Februar 2003
Aktenzeichen: 4 U 161/02

(OLG Hamm: Urteil v. 20.02.2003, Az.: 4 U 161/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm hat am 20. Februar 2003 in einem Rechtsstreit über eine Werbeaussage der W AG und des Antragsgegners entschieden. Die W AG ist Hauptsponsor des Antragsgegners und bietet eine zertifizierte Riester-Rente an, sowohl als Einzelversicherung als auch als Gruppenversicherung. Der Antragsgegner hatte in einem Rundschreiben an seine Mitglieder für die Gruppenversicherung geworben und dabei den Begriff "T-Förder-Rente" verwendet mit dem Hinweis, dass diese nur für T-Mitglieder erhältlich sei. Der Antragsteller hielt die Werbung für irreführend, da die Rente auch von Nicht-Mitgliedern abgeschlossen werden kann und nicht alle T-Mitglieder die Förderrente erhalten. Er erwirkte daraufhin eine Beschlußverfügung, die dem Antragsgegner das Werben mit dieser Aussage untersagte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Essen hat der Antragsgegner das Verbot anerkannt, jedoch das landgerichtliche Urteil angefochten. Das Oberlandesgericht Hamm hat nun entschieden, dass das Verbot zu Unrecht ausgesprochen wurde, da es an der erforderlichen Irreführung nach § 3 UWG fehlt. Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Landgerichts Essen ist begründet. In der Berufungsinstanz geht es nur noch um das Verbot, dass alle Vereinsmitglieder des Antragsgegners die beworbene Rente erhalten, ohne auf Ausnahmen hinzuweisen. Das Landgericht hat das Verbot zu Unrecht ausgeurteilt. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Antragsteller teilweise und der Antragsgegner teilweise.

Dieser Auszug aus der Gerichtsentscheidung ist eine zusammenfassende Inhaltsangabe, in der die wichtigsten Fakten und Entscheidungen des Falls dargestellt werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Urteil v. 20.02.2003, Az: 4 U 161/02


Tenor

Auf die Berufung des Antragsgegners wird das am 25. September 2002 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen teilweise abgeändert:

Das Verbot zu a) wird aufgehoben und der ihm zugrundeliegende Antrag zu-rückgewiesen, und zwar unter entsprechender Aufhebung der Beschlußverfügung vom 5. März 2002.

Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen der Antragsteller 4/5 und der Antragsgegner 1/5.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsteller.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die W AG ist Hauptsponsor des Antragsgegners. Sie bietet eine zertifizierte Riester-Rente sowohl als Einzelversicherung als auch als Gruppenversicherung an. Für letztere werden geringere monatliche Prämien verlangt.

Die W AG schließt die Gruppenversicherung unter der Bezeichnung T-Rente oder T-Förder-Rente nur mit Mitarbeitern und Mitgliedern des Antragsgegners ab. Für die Einzelversicherung, die auch Nichtmitglieder des Antragsgegners abschließen können, wirbt sie ebenfalls mit der Bezeichnung T-Förderrente.

Anfang Februar 2002 versandte der Antragsgegner an seine Mitglieder ein Rundschreiben, in dem er für diese Förderrente warb. Das Schreiben ist überschrieben mit der Zeile:

"Die T-Förder-Rente - nur für T-Mitglieder!"

Sodann heißt es u.a. wie folgt:

"Derzeit beschäftigen wir uns alle unter dem Stichwort "Riester-Rente" mit einer zusätzlichen Altersvorsorge neben unserer Rente und Pension, um auch nach der aktiven Zeit im Beruf das Leben auf T und anderswo genießen zu können. Für die Mitglieder des T bietet die W darum mit der

T-FörderRente

ein neues, staatlich gefördertes Altersvorsorgeprodukt zu besonders günstigen Kondtionen an!

Mit der T-FörderRente erhalten alle T-Mitglieder, die sich privat absichern wollen, ab 2002 Zulagen vom Staat, Steuervorteile und Zukunftssicherheit."

Der Antragsteller hat dieses Werbeschreiben für irreführend gehalten, weil die beworbene Rente weder nur für Mitglieder des Antragsgegners konzipiert sei, noch alle Mitglieder des Antragsgegners diese Rente als "Riester-Rente" in Anspruch nehmen könnten, weil allein die Mitgliedschaft beim Antragsgegner fehlende gesetzliche Förderungsvoraussetzungen nicht ersetzen könne.

Er hat deshalb unter dem 5. März 2002 eine Beschlußverfügung erwirkt, durch die dem Antragsgegner unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist,

mit dem Begriff "T-Förder-Rente" in Zusammenhang mit der Werbeaussage "nur für T-Mitglieder" zu werben, ohne zugleich den ausdrücklichen Hinweis zu geben, daß das gleiche Produkt bei der W2 AG auch von Nichtmitgliedern erworben werden kann; zu behaupten, die T-Förderrente sei nur für T-Mitglieder zu erhalten, ohne darauf hinzuweisen, daß auch Nicht-Mitglieder diese Förderrente in Anspruch nehmen können; zu behaupten, alle T-Mitglieder erhalten die T-Förderrente, ohne an gleicher Stelle darauf hinzuweisen, daß der Erhalt der Förderrente sich nicht an der Mitgliedschaft des T orientiert, sondern sich ausschließlich nach dem Altersvermögenergänzungsgesetz richtet, insbesondere darauf hinzuweisen, daß T-Mitglieder, die

a) geringfügig beschäftigt sind und keine Sozialabgaben leisten,

b) Sozialhilfeempfänger ohne versicherungspflichtiges Einkommen sind,

c) in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig versichert sind,

d) selbständig und nicht versicherungspflichtig sind, aber regelmäßig

eine private Altersvorsorge aufbauen,

sofern der Ehepartner nicht ein versicherungspflichtiges Einkommen

erzielt, nicht gefördert werden und auch nicht die T-Förderrente

erhalten;

4. zu behaupten, T-Mitglieder erhalten besonders günstige Konditionen,

ohne im Zusammenhang die Bedingungen für die festgelegten Voraus-

setzungen zu nennen.

In der mündlichen Verhandlung über den Widerspruch des Antragsgegners gegen diese Beschlußverfügung hat der Antragsgegner das Verbotsbegehren des Antragstellers wie folgt anerkannt:

Der Antragsgegner verpflichtet sich gegenüber dem Antragsteller, nicht länger für die von der M AG als "T-Förderrente" beworbene Lebensversicherung mit den Werbeaussagen zu werben,

a)

dass bei der staatlichen Förderung der vorgenannten Rente Vereinsmitglieder des Antragsgegners günstigere Konditionen eingeräumt würden,

b)

dass zur Erreichung staatlicher Förderung der vorgenannten Rente die Vereinsmitgliedschaft bei dem Antragsgegner ausreiche, insbesondere durch Unterlassen des Hinweises, dass sich das Ob und die Höhe staatlicher Förderung auch für die Vereinsmitglieder ausschließlich an den Regelungen des Altersvermögensgesetzes orientiert.

Nachdem der Antragsteller gleichwohl erklärt hat, an seinem bisherigen Verbotsbegehren festhalten zu wollen, hat das Landgericht durch Urteil vom 25. September 2002 wie folgt für Recht erkannt:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Essen vom 05.03.2002 (Aktenzeichen: 44 O 92/02) wird - unter Abweisung der weitergehenden Anträge der Parteien - unter teilweiser Aufhebung wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Dem Verfügungsbeklagten wird, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu behaupten:

a)

alle Vereinsmitglieder des Antragsgegners erhielten eine staatliche Förderung der beworbenen "T-Förderrente", ohne an gleicher Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die staatliche Förderung ausschließlich nach dem Altersvermögensgesetz richtet und daher eine staatliche Förderung auch für Vereinsmitglieder des Antragsgegners dann unterbleibt, wenn sie

- geringfügig beschäftigt sind und keine Sozialabgaben leisten,

- Sozialhilfeempfänger ohne versicherungspflichtiges Einkommen sind,

- in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig versichert sind,

- selbständig und nicht versicherungspflichtig sind, sofern der Ehepartner

nicht ein versicherungspflichtiges Einkommen erzielt.

b)

alle Vereinsmitglieder des Antragsgegners erhielten für die staatliche Förderung "besonders günstige Konditionen".

Gegen dieses Urteil hat der Antragsgegner form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Der Antragsgegner beanstandet, daß die vom Landgericht vorgenommene Tenorierung nicht von seinem Anerkenntnis gedeckt sei. Die tenorierte Unterlassungsverpflichtung verlange von ihm, in der Werbung konkrete Kriterien der staatlichen Förderung zu benennen, die zudem willkürlich herausgegriffen worden seien. Bei einer entsprechenden Werbung laufe er Gefahr, wegen unrichtiger und unvollständiger Auflistung auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Jedermann wisse, daß man die staatliche Förderung nur erhalte, wenn man die Förderkriterien erfülle.

Der Antragsgegner beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils sowie teilweiser Aufhebung der Beschlußverfügung des Landgerichts Essen vom 5. März 2002 das Verfügungsbegehren zu lit. a) insgesamt zurückzuweisen,

hilfsweise, das Verfügungsbegehren im Bezug auf den Urteilsausspruch zu lit. a) zurückzuweisen, soweit mehr als zu lit. b) Bl. 5 des Protokolls vom 25. September 2002 anerkannt worden ist.

Der Antragsteller beantragt,

die gegenerische Berufung zurückzuweisen.

Der Antragsteller hatte seine eigene Berufung gegen das Urteil des Landgerichts vor Eintritt in die mündliche Verhandlung im Senatstermin vom 20. Februar 2003 zurückgenommen.

Gründe

Die Berufung des Antragsgegners ist begründet.

In der Berufungsinstanz geht es nur noch um das vom Landgericht zu a) seines Urteils ausgesprochene Verbot der Werbeaussage, daß alle Vereinsmitglieder des Antragsgegners die beworbene Rente erhielten, ohne auf näher ausgeführte Ausnahmen hinzuweisen.

Das vom Landgericht zu b) ausgesprochene Verbot wird vom Antragsgegner hingenommen.

Soweit das Landgericht durch das angefochtene Urteil die Beschlußverfügung teilweise aufgehoben und den zugrundeliegenden Verfügungsantrag zurückgewiesen hat, ist dies nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, nachdem der Antragsteller seine diesbezügliche Berufung zurückgenommen hat.

Das somit allein noch im Streit befindliche Verbot zu a) hat das Landgericht zu Unrecht ausgeurteilt.

Dies folgt zwar nicht bereits daraus, daß der Antragsteller das landgerichtliche Urteil nicht erneut vollzogen hat. Denn eine solche erneute Vollziehung war im Hinblick auf das Verbot zu a) nicht erforderlich, weil es sich praktisch mit dem bereits durch die vollzogene Beschlußverfügung ausgesprochenen Verbot zu 3) deckt.

Das begehrte und ausgeurteilte Verbot ist aber unbegründet, weil es an der erforderlichen Irreführung nach § 3 UWG als Verbotsgrund fehlt. Eine Irreführung sieht der Antragsteller im Sinne des § 3 UWG darin, daß nicht gesagt werde, daß nur die Mitglieder des Antragsgegners in den Rentengenuß gelangen könnten, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllten. Diese Sichtweise teilt der Senat nicht. Die in dem Rundschreiben beworbene Rente wird ausdrücklich als Riesterrente bezeichnet. Die Riesterrente ist ein Dauerthema in den Medien gewesen und ist es teilweise auch noch immer. Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher kommt dabei nicht auf die Idee, daß allein die Vereinsmitgliedschaft beim Antragsgegner fehlende gesetzliche Voraussetzungen für die Förderung ersetzen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 20.02.2003
Az: 4 U 161/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d580dbe79ac3/OLG-Hamm_Urteil_vom_20-Februar-2003_Az_4-U-161-02




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