Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Mai 2011
Aktenzeichen: 20 W (pat) 303/06

(BPatG: Beschluss v. 09.05.2011, Az.: 20 W (pat) 303/06)

Tenor

Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 100 47 793 mit der Bezeichnung "Rotationsrheometer", dessen Erteilung am 1. September 2005 im Patentblatt veröffentlicht wurde, hat die Einsprechende am 30. November 2005 Einspruch erhoben. Das Patent umfasst insgesamt 11 Patentansprüche. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

"Rotationsrheometer M1 mit einem Messmotor (1), der eine einen ersten Messteil (4) tragende Messwelle (16) rotiert, M2 wobei zwischen diesem ersten Messteil (4) und einem weiteren, feststehenden Messteil (5) ein Messspalt (S) ausgebildet ist, in den die zu untersuchende Substanz (12), insbesondere Flüssigkeit, eingebracht wird, M3 wobei die Dicke des Messspaltes (S) durch eine Verstellung der beiden Messteile (4, 5) relativ zueinander einstellbar ist, und M4 wobei eine Einrichtung zur Bestimmung des gegenseitigen Abstandes der beiden Messteile vorhanden ist, wobei M5 -zur berührungslosen Bestimmung und/oder zur Einstellung und/oder zur Konstanthaltung der Dicke des Messspaltes (S) von dem weiteren Messteil (4, 5) zumindestein induktiver oder zumindest ein magnetischer Wegsensor (19, 21) getragen ist, so M6 -dass mit dem ersten Messteil (4) oder mit einer auf diesem Messteil (4) angeordneten Einrichtung (18) der aufdem weiteren Messteil (5) angeordnete Wegsensor (19, 21) abhängig vom Abstand der beiden Messteile (4, 5)

das Ausgangssignal dieses Wegsensors (19, 21) verändert wird, und wobei M7 -das Ausgangssignal des Wegsensors (19, 21) einer Auswerteeinheit (22, 24, 17) zugeführt wird."

Wegen des Wortlauts der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 11 wird auf die Patentschrift DE 100 47 793 B4 verwiesen.

Die Einsprechende machte in ihrem Einspruch unter Verweis auf die Dokumente D1 DE3423873A1, D2 GB2329253A, D3 US 5,349,841, D4 HAAKE Mess-Technik GmbH & Co. [Hrsg.]: Betriebsanleitung Meßeinrichtung PK 100 C, Seiten 1-14, 18-22, Druckvermerk angeblich "08.90" (auf den dem Senat vorgelegten Kopien jedoch unleserlich), D5 Fotos einer Anlage HAAKE PK 100, geltend, der Patentgegenstand stelle "keine patentwürdige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG" dar (fehlende erfinderische Tätigkeit, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Sie beantragt, D6 Auszug aus der Produktdatenbank der Einsprechendenbetreffend Teilenummer 087-2358 "Wegsensor Typ 924 AB3XM-L2P", 29. November 2005, D7 Ausdruck von der Website der Firma Honeywell International Inc. (www.honeywell.com), 29. November 2005, D8 Ausdruck von der Website der Firma Pepperl+Fuchs GmbH, Mannheim (www.pepperlfuchs.com), 29. November 2005 das Patent 100 47 793 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, den Einspruch mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das Patent mit dem Patentanspruch 1 gemäß Schriftsatz vom 23. August 2006 (Bl. 79) und den Ansprüchen 2 bis 11 gemäß Patentschrift aufrechterhalten wird.

Sie ist dem Einspruch entgegengetreten und hat dabei insbesondere in der mündlichen Verhandlung auch geltend gemacht, dass der Einspruch mangels ausreichender Substantiierung unzulässig sei.

Zu den Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten, insbesondere zum Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß dem Antrag der Patentinhaberin, wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

II.

1. Der fristgerecht eingelegte Einspruch ist unzulässig, da das innerhalb der Einspruchsfrist erfolgte Vorbringen nicht hinreichend substantiiert ist.

Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen anzugeben. Darunter ist die Gesamtheit der Tatsachen zu verstehen, aus denen die von dem Einsprechenden begehrte Rechtsfolge, nämlich der Widerruf des erteilten Patents, hergeleitet wird. Da der Einspruch nur auf die Behauptung gestützt werden kann, dass einer der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe vorliege (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG), haben sich die Tatsachenangaben, die den Einspruch rechtfertigen sollen (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), an den Widerrufsgründen zu orientieren (BGH, Beschluss vom 24. März 1987 -X ZB 14/86, BGHZ 100, 242 [II.2.a] -Streichgarn).

Es entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtssprechung, dass in dem Einspruch die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, dass der Patentinhaber und das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes ziehen können (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1972 -X ZB 6/71, GRUR 1972, 592 [III.1.b] -Sortiergerät; BGH, Beschluss vom 24. März 1987 -X ZB 14/86, BGHZ 100, 242 [II.2.c] -Streichgarn; BGH, Beschluss vom 30. März 1993 -X ZB 13/90, GRUR 1993, 651 [III.3.b] -Tetraploide Kamille). Dies gilt analog für das erstinstanzliche gerichtliche Einspruchsverfahren gemäß § 147 Abs. 3 PatG a. F. in Bezug auf das Bundespatentgericht.

2. a) Die Einsprechende trägt in ihrem Einspruchsschriftsatz unter Gliederungspunkt II pauschal vor, dass ein Rotationsrheometer mit den Merkmalen M1 bis M4 aus der schon in der Patentschrift DE 100 47 793 B4 zum Stand der Technik genannten Offenlegungsschrift DE 34 23 873 A1 (Druckschrift D1) bekannt sei. Konkrete Textstellen aus der Druckschrift D1, die die Behauptung belegen könnten, gibt die Einsprechende nicht an.

Eine solche pauschale Bezugnahme auf eine Vorveröffentlichung genügt regelmäßig nicht dem Erfordernis der Angabe der Tatsachen im Einzelnen, die den Einspruch rechtfertigen. Die Einsprechende überlässt es damit nämlich der Patentinhaberin und dem Gericht, selbst die Umstände zu ermitteln, anhand derer die Behauptung, der Gegenstand der Anmeldung sei nicht patentfähig, überprüft werden kann (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1972 -X ZB 6/71, GRUR 1972, 592 -Streichgarn; BPatG; Beschluss vom 3. April 2006 -19 W (pat) 328/03, BPatGE 49, 202 -Türantrieb).

Besonderheiten, die ausnahmsweise die pauschale Bezugnahme auf die Vorveröffentlichung genügen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.

b) Zu den Druckschriften GB 2 329 253 A (D2) und US 5,349,841 (D3) trägt die Einsprechende außer der Nummer überhaupt nichts vor, so dass auch hiermit der Einspruch nicht hinreichend substantiiert ist.

c) Unter Gliederungspunkt III. ihres Einspruchsschriftsatzes verweist die Einsprechende auf eine ihrer Auffassung nach der Patentfähigkeit des Patentgegenstandes entgegenstehende offenkundige Vorbenutzungshandlung.

Beruft sich die Einsprechende auf fehlende Patentfähigkeit des patentierten Gegenstandes infolge einer offenkundigen Vorbenutzung, muss die Einspruchsbegründung einen bestimmten Gegenstand der Benutzung bezeichnen, damit überprüft und festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er den patentgemäßen Gegenstand vorwegnimmt oder nahelegt. Ferner ist die Angabe bestimmter Umstände der Benutzung dieses Gegenstandes im Sinne des § 3 Abs. 1 PatG erforderlich, damit überprüft und festgestellt werden kann, ob er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Schließlich bedarf es einer nachprüfbaren Angabe dazu, wann der Gegenstand in dieser Weise benutzt worden ist, weil nur dann ermittelt und gegebenenfalls festgestellt werden kann, ob der Gegenstand zum Stand der Technik gehört, von dem aus Neuheit und erfinderische Leistung der patentierten Lehre zu beurteilen sind (BGH, Beschluss vom 29. April 1997 -X ZB 13/96, GRUR 1997, 740 [II.3.a] -Tabakdose; zuletzt bestätigt durch BGH, Beschluss vom 30. Juli 2009 -Xa ZB 28/08, GRUR 2009, 1098 [Tz. 14] -Leistungshalbleiterbauelement).

Die Einsprechende verweist in ihrem Einspruchsschriftsatz darauf, dass eine ihrer Rechtsvorgängerinnen, die H... GmbH & Co., Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts ein Rotationsrheometer vom Typ "PK 100" vertrieben habe.

Zur Beschreibung des Gegenstandes der Vorbenutzung fügt die Einsprechende dem Einspruchschriftsatz als Anlagen eine Kopie einer Betriebsanleitung einer "Meßeinrichtung PK 100 C" (D4), undatierte Fotos eines Gerätes "HAAKE PK 100" (D5), Auszüge aus einer internen Produktdatenbank der Einsprechenden (D6) sowie Auszüge aus den Internetseiten der Firmen H... Inc. (D7) und P... GmbH (D8) bei.

Die Einsprechende macht keine Angaben dazu, ob und gegebenenfalls inwieweit die beiden -unterschiedlich bezeichneten -Einrichtungen, einerseits das Rotationsrheometer vom Typ "PK 100" und andererseits die Messeinrichtung "PK 100 C", übereinstimmen oder voneinander abweichen.

Die Einsprechende hat zwar einen Gegenstand der Benutzung bezeichnet und Angaben dazu gemacht, wann der bezeichnete Gegenstand benutzt worden sei, sie trägt jedoch keine Angabe bestimmter Umstände der Benutzung dieses Gegenstandes vor, die erforderlich sind, damit überprüft und festgestellt werden kann, ob der als vorbenutzt geltend gemachte Gegenstand der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

Die Einsprechende hat in Bezug auf die Vorbenutzung des Rotationsrheometers vom Typ PK 100 weder angegeben, wem ein solches geliefert worden ist, noch ergeben sich aus dem Vortrag der Einsprechende Anhaltspunkte dafür, dass mögliche Empfänger der Öffentlichkeit zugerechnet werden könnten. Die Einsprechende macht auch keine Angaben dazu, in welchem Umfang das angeblich vorbenutzte Rotationsrheometer vom Typ PK 100 vertrieben wurde. Soweit von der Einsprechenden behauptet wird, dass "sich im Hause der Einsprechenden noch zwei Rotationsrheometer vom genannten Typ, die im Bedarfsfall auch besichtigt oder begutachtet werden können", befänden, so lässt sich daraus auch nichts bezüglich der Zugänglichmachung des angeblich vorbenutzten Gegenstandes für die Öffentlichkeit ableiten. Die Einsprechende hat es jedenfalls unterlassen, deutlich zu machen, welche Personen auf welche Art und Weise von dem Gegenstand der Benutzung vor dem Anmeldetag Kenntnis erlangt haben sollen (BGH, Beschluss vom 24. März 1987 -X ZB 14/86, BGHZ 100, 242 [II.2.d] -Streichgarn).

3. Somit hat die Einsprechende zu dem geltend gemachten Widerrufsgrund die Tatsachen nicht im erforderlichen Umfang vorgetragen. Nach alledem war der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Für eine Sachprüfung ist unter diesen Umständen kein Raum (BGH, Beschluss vom 29. April 1997 -X ZB 13/96, GRUR 1997, 740 [II.1] -Tabakdose).

Dr. Mayer Voit Gottstein Kleinschmidt Bb






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