Bundesgerichtshof:
Urteil vom 29. April 2014
Aktenzeichen: II ZR 216/13

(BGH: Urteil v. 29.04.2014, Az.: II ZR 216/13)

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Mai 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin war Gesellschafterin der beklagten GmbH mit einem Anteil von 49,6% und bis zur Niederlegung des Amts am 28. Juni 2010 auch Geschäftsführerin. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten stellte am 14. Dezember 2010 und erneut am 30. Dezember 2010 durch Beschluss fest, dass in der Person der Klägerin wichtige Gründe vorlägen, die dazu berechtigten, sie auszuschließen (TOP 1.1.), und beschloss ihren Ausschluss nebst der Feststellung, dass nach § 10 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags kein Abfindungsentgelt geschuldet sei, hilfsweise, dass das Abfindungsentgelt nur nach Maßnahme eines Gerichtsurteils geschuldet sei, mit dem die im Ausschluss des Abfindungsanspruchs liegende Vertragsstrafe herabgesetzt werde (TOP 1.2.). Zum Vollzug der Ausschließung wurde die Einziehung ihres Geschäftsanteils beschlossen, die ohne Rücksicht auf das Bestehen eines Abfindungsanspruchs sofort wirksam sein sollte, sowie vorsorglich die Schaffung einer Rücklage (TOP 1.4./1.5.).

Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält unter anderen folgende Regelungen:

§ 7 Einziehung und Ausschließung 1.

Der Geschäftsanteil eines Gesellschafters kann durch Beschluss der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit eingezogen werden ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters, a) wenn in der Person des Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliegt, der seine Ausschließung aus der Gesellschaft rechtfertigen würde (§ 140 HGB) ...

2.

Hat der Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft grob verletzt, so erfolgt die Einziehung ohne Entgelt. In allen anderen Fällen gegen Entgelt (vgl. § 10 dieses Vertrages).

Sollte im Falle der Einziehung wegen grober Pflichtverletzung rechtlich ein Entgelt zwingend vorgeschrieben sein, so ist dieses so niedrig wie möglich zu bemessen.

§ 10 Vergütung von Geschäftsanteilen 1.

Mit Ausnahme der Einziehung wegen grober Pflichtverletzung hat in den Fällen der Übertragung, Einziehung oder des Erwerbs von Geschäftsanteilen nach den §§ 7 - 9 dieses Vertrags der ausscheidende Gesellschafter Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens. Die Höhe dieses Auseinandersetzungsguthabens errechnet sich nach Maßgabe der jeweils geltenden steuerlichen Vorschriften des Bewertungsgesetzes für die Anteilsbewertung von GmbH-Anteilen ...

2.

Das Auseinandersetzungsguthaben ist innerhalb von fünf Jahren beginnend sechs Monate nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens, in gleichen, halbjährlich fälligen Raten auszubezahlen.

Die Klägerin hat gegen die genannten Beschlüsse Anfechtungsklage erhoben.

Die Klage hatte vor dem Landgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen festgestellt, dass die Beschlüsse zu 1.2. nichtig seien, soweit sie die Feststellungen enthalten, dass nach § 10 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages ein Abfindungsentgelt nicht geschuldet sei bzw. (hilfsweise) dass das Abfindungsentgelt nur nach Maßgabe eines Gerichtsurteils geschuldet sei, mit welchem die im Ausschluss des Abfindungsanspruchs liegende Vertragsstrafe herabgesetzt werde. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Über die Revision der Beklagten ist, obwohl die Klägerin im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten war, durch streitiges Endurteil (unechtes Versäumnisurteil), nicht durch Versäumnisurteil, zu entscheiden, da sich die Revision auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2013 - II ZR 118/11, ZIP 2013, 1174 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2011 - II ZR 28/10, BGHZ 190, 242 Rn. 6; Urteil vom 13. März 1997 - I ZR 215/94, NJW 1998, 156, 157; Urteil vom 10. Februar 1993 - XII ZR 239/91, NJW 1993, 1788).

I. Das Berufungsgericht (OLG Karlsruhe, ZIP 2013, 1958) hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt, der vollständige Abfindungsausschluss sei wegen Verstoßes gegen § 138 BGB beziehungsweise § 241 Nr. 4 AktG unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Knebelung von Anfang an nichtig. Der Klägerin würden ungerechtfertigterweise erworbene Vermögenspositionen entzogen, ihre persönliche und wirtschaftliche Freiheit werde erheblich beeinträchtigt, weil die Beschränkung, hier der Ausschluss der Abfindung, vollkommen außer Verhältnis zu den Beschränkungen stehe, die erforderlich seien, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft und die Fortführung des Unternehmens zu sichern. § 7 Nr. 2 GV könne auch nicht in ein Vertragsstrafeversprechen in Form einer Verfallklausel umgedeutet werden. Beide Rechtsinstitute verfolgten unterschiedliche Zwecke. Die Vertragsstrafe diene als Druckmittel zur Erzwingung vertragsgerechten Verhaltens und setze ein Verschulden des Vertragsstrafenschuldners voraus, die Einziehung sei unabhängig von einem Verschulden des Gesellschafters möglich und diene dazu, die Gesellschaft davor zu schützen, dass ihr Vermögen zur Unzeit durch Abfindungsansprüche ausgehöhlt werde. Im Übrigen würde auch bei einer Umdeutung die sittenwidrige Knebelung durch einen ungerechtfertigten Entzug miterarbeiteter Vermögenswerte erhalten bleiben. Die Umdeutung für schuldhafte Verstöße hätte außerdem die Wirkung einer geltungserhaltenden Reduktion, die § 241 Nr. 4 AktG beziehungsweise § 138 BGB zuwiderlaufe.

II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Der Beschluss zu TOP 1.2., der feststellt, dass nach § 10 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags kein Abfindungsentgelt geschuldet sei, ist nach § 241 Nr. 4 AktG nichtig, weil der in der Satzung bestimmte Abfindungsausschluss sittenwidrig und nichtig ist.

1. Ein Beschluss, mit dem eine Feststellung getroffen wurde, ist mit der Nichtigkeitsfeststellungsklage entsprechend § 249 AktG überprüfbar. In die Kompetenz der Gesellschafterversammlung einer GmbH fallen grundsätzlich auch satzungsauslegende Beschlüsse, mit denen über die Satzungskonformität bestimmter Maßnahmen entschieden werden soll. Sie sind - wie sonstige Gesellschafterbeschlüsse - auf Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage eines Gesellschafters entsprechend §§ 246, 249 AktG gerichtlich überprüfbar (BGH, Urteil vom 25. November 2002 - II ZR 69/01, ZIP 2003, 116, 118). Der Beschluss zu TOP 1.2., in dem festgestellt wurde, dass entsprechend einer Satzungsregelung kein Abfindungsentgelt geschuldet sei, hatte regelnden Charakter und war nicht nur eine unverbindliche Meinungsäußerung. Damit sollte darüber entschieden werden, ob die Klägerin ein Abfindungsentgelt erhalten sollte oder ein Fall der groben Pflichtverletzung vorlag, der nach § 7 Abs. 2 GV den Ausschluss einer Abfindung zur Folge hatte.

2. Der Gesellschafterbeschluss verstößt durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten und ist entsprechend § 241 Nr. 4 AktG nichtig.

a) Der Beschluss knüpft zwar an eine Satzungsregelung, nämlich § 7 Nr. 2 GV, an. Da der Abfindungsausschluss in der Satzung aber inhaltlich sittenwidrig und nichtig ist, findet der darauf beruhende Beschluss über den konkreten Abfindungsausschluss nicht nur keine wirksame Grundlage in der Satzung, sondern ist seinerseits inhaltlich sittenwidrig und nichtig.

b) Der Abfindungsausschluss in § 7 Nr. 2 GV bei einer groben Verletzung der Interessen der Gesellschaft ist sittenwidrig und damit nichtig. Eine sittenwidrige Abfindungsklausel im Gesellschaftsvertrag ist entsprechend § 241 Nr. 4 AktG nichtig, weil sie inhaltlich gegen die guten Sitten verstößt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1991 - II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 368). Das ist bei dem in § 7 Abs. 2 GV vorgesehenen Ausschluss einer Abfindung bei grober Interessenverletzung, die in § 10 Abs. 1 GV einer groben Pflichtverletzung gleichgestellt wird, der Fall.

aa) Das Recht eines Gesellschafters, bei Ausscheiden aus der Gesellschaft eine Abfindung zu erhalten, gehört zu seinen Grundmitgliedsrechten (BGH, Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 279/09, ZIP 2011, 2357 Rn. 8). Ein gesellschaftsvertraglicher Abfindungsausschluss ist grundsätzlich sittenwidrig im Sinn von § 138 Abs. 1 BGB und nur in Ausnahmefällen zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1997 - II ZR 81/96, BGHZ 135, 387, 390). Der Gesellschafter hat durch Kapitaleinsatz und ggf. Mitarbeit zu dem im Wert seines Geschäftsanteils repräsentierten Gesellschaftsvermögen beigetragen. Die Gesellschafterstellung darf dann nicht ohne Wertausgleich verloren gehen. Der Abfindungsausschluss kann für den Gesellschafter, der Vermögen und Arbeitskraft in die Gesellschaft eingebracht hat, existenzgefährdend sein und beeinträchtigt seine wirtschaftliche Freiheit.

Ausnahmefälle, in denen eine Abfindung ausgeschlossen sein kann, sind die Verfolgung eines ideellen Zwecks durch die Gesellschaft (BGH, Urteil vom 2. Juni 1997 - II ZR 81/96, BGHZ 135, 387, 390 [GbR]), Abfindungsklauseln auf den Todesfall (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1976 - II ZR 115/75, WM 1977, 192, 193; Urteil vom 14. Juli 1971 - III ZR 91/70, WM 1971, 1338 f. [GbR]; Urteil vom 22. November 1956 - II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, 194 f. [OHG]) oder auf Zeit abgeschlossene Mitarbeiter- oder Managerbeteiligungen ohne Kapitaleinsatz (BGH, Urteil vom 19. September 2005 - II ZR 342/03, BGHZ 164, 107, 115 f.; Urteil vom 19. September 2005 - II ZR 173/04, BGHZ 164, 98, 104). In diesen Ausnahmefällen besteht ein sachlicher Grund für den Ausschluss der Abfindung darin, dass die ausscheidenden Gesellschafter kein Kapital eingesetzt haben oder bei der Verfolgung eines ideellen Ziels von vorneherein auf eine Vermehrung des eigenen Vermögens zugunsten des uneigennützigen Zwecken gewidmeten Gesellschaftsvermögens verzichtet haben.

Ob auch der Abfindungsausschluss bei der Einziehung wegen pflichtwidrigen Verhaltens oder hier wegen eines Verstoßes gegen die Treuepflicht zu diesen Ausnahmefällen zählt, ist umstritten. In der Literatur wird ein solcher Abfindungsausschluss bei der Einziehung aus wichtigem Grund als Vertragsstrafe in der Form einer Verfallklausel für zulässig erachtet (Ulmer/Ulmer, GmbHG, § 34 Rn. 104 m.w.N.; Michalski/Sosnitza, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 66; Sandhaus in Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 34 Rn. 70; Bork/Schäfer/Thiessen, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 82; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band I Teil 1, 1977, S.180; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 406; Geßler, GmbHR 1984, 29, 35). Der Betroffene könne nach § 343 BGB die Herabsetzung auf einen angemessenen Betrag bzw. (beim Ausschluss) die Gewährung einer Teilabfindung wegen Unverhältnismäßigkeit der Verfallklausel verlangen. Andere dagegen halten eine derartige Abfindungsbeschränkung für unzulässig und lassen eine Abfindungsbeschränkung nur zu, wenn sie erforderlich ist, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft und die Fortführung des Unternehmens zu sichern (T. Fleischer in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 34 GmbHG Rn. 19; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 34 Rn. 34a; Görner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 34 Rn. 58; Scholz/Seibt, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 34 Rn. 59; MünchKommGmbHG/Strohn, § 34 Rn. 222; Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 159 f.; Röhricht, AcP 189 [1989], 386, 394; Behnke, NZG 1999, 112, 113). In der Rechtsprechung wurde eine dem Wert der Beteiligung nicht voll entsprechende Abfindung bei der Einziehung aus wichtigem Grund gelegentlich als "eine Art Vertragsstrafe" angesehen (BGH, Beschluss vom 29. September 1983 - III ZR 213/82, WM 1983, 1207, 1208; gegen einen Vertragsstrafencharakter der Abfindungsbegrenzung aber BGH, Urteil vom 19. September 1977 - II ZR 11/76, WM 1977, 1276, 1277 f.).

bb) Eine Bestimmung in der Satzung einer GmbH, nach der im Fall einer (groben) Verletzung der Interessen der Gesellschaft oder der Pflichten des Gesellschafters keine Abfindung zu leisten ist, ist als Abfindungsausschluss sittenwidrig und nicht grundsätzlich als Vertragsstrafe zulässig. Ein sachlicher Grund dafür, eine Abfindung allein aufgrund einer (groben) Pflichtverletzung auszuschließen, fehlt. Der Abfindungsausschluss führt insbesondere zu der unangemessenen Rechtsfolge, dass dem Gesellschafter wegen einer - unter Umständen - einzigen (groben) Pflichtverletzung der Wert seiner Mitarbeit und seines Kapitaleinsatzes entschädigungslos entzogen werden kann.

Eine Beschränkung oder ein Ausschluss der Abfindung soll in der Regel dem Bestandsschutz der Gesellschaft dienen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1991 - II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 368) und hat keinen Vertragsstrafencharakter. Auch der Abfindungsausschluss im Fall einer (groben) Pflichtverletzung des Gesellschafters erfüllt üblicherweise nicht die Zwecke einer Vertragsstrafe. Eine Vertragsstrafe soll als Druckmittel zur ordnungsgemäßen Leistung anhalten oder einen Schadensersatzanspruch pauschalieren (BGH, Urteil vom 23. Juni 1988 - VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24, 27; Urteil vom 18. November 1982 - VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305, 312 f.; Urteil vom 27. November 1974 - VIII ZR 9/73, BGHZ 63, 256, 259 f.). Als Pauschalierung eines Schadensersatzanspruches ist eine Regelung mit vollständigem Abfindungsausschluss zu undifferenziert, zumal wenn jeder Bezug zu einem möglicherweise eingetretenen Schaden fehlt. Eine (grobe) Pflichtverletzung des Gesellschafters führt auch nicht immer zu einem Schaden der Gesellschaft.

Ein vollständiger Abfindungsausschluss ist nicht besonders geeignet, um den Gesellschafter zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Dem betroffenen Gesellschafter droht bei pflichtwidrigem Verhalten bereits der Verlust seiner Stellung als Gesellschafter und damit der Verlust künftiger Einnahmen. Wenn der Gesellschafter in der Gesellschaft tätig ist, ist mit dem Verlust der Gesellschafterstellung auch der Verlust der regelmäßigen Einnahmequelle verbunden. Der Ausschluss eines Abfindungsentgelts bietet dann darüber hinaus keinen erheblichen zusätzlichen Anreiz für ein pflichtgemäßes Verhalten. Da er an die Einziehung oder den Ausschluss anknüpft, dient er eher der zusätzlichen Sanktionierung des in der Vergangenheit liegenden Verhaltens als dazu, den Gesellschafter zur Erfüllung der Pflichten anzuhalten.

Gegen die Einordnung eines Abfindungsausschlusses im Fall einer (groben) Pflichtverletzung als Vertragsstrafe spricht auch, dass in jedem Einzelfall die Verhältnismäßigkeit der "Strafe" überprüft werden müsste, ohne dass dafür praktisch handhabbare Maßstäbe bestehen. Der vollständige Ausschluss ist - wie hier - jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn die Gesellschaft durch das Verhalten des Gesellschafters nicht in Existenznot geraten ist und den verbleibenden Gesellschaftern trotz der Pflichtverletzung ein nicht unerheblicher Wert zuwächst. Ist die Gesellschaft in Existenznot geraten, ist regelmäßig schon der Verkehrswert des Geschäftsanteils gering, so dass es eines vollständigen Abfindungsausschlusses zur Rettung der Gesellschaft nicht bedarf. Wenn der Gesellschafter, der ausgeschlossen werden soll oder dessen Anteil zwangsweise eingezogen werden soll, die Gesellschaft darüber hinaus durch sein Verhalten, das dem Ausschluss oder der Einziehung zugrunde liegt, geschädigt hat, kann der Schaden konkret berechnet und ihm entgegengehalten werden. Die Verwirkung einer Vertragsstrafe setzt schließlich darüber hinaus Verschulden des Ausgeschlossenen voraus, das bei einer Pflichtverletzung oder einem groben Verstoß gegen die Interessen der Gesellschaft nicht vorliegen muss.

cc) § 7 Nr. 2 GV ist nicht dahin auszulegen, dass eine Vertragsstrafenregelung für ein bestimmtes pflichtwidriges Verhalten getroffen ist, die über den (sittenwidrigen) Ausschluss der Abfindung bei einer (groben) Pflichtverletzung hinausgeht. Dafür könnte neben der Voraussetzung einer groben Verletzung der Gesellschaftsinteressen für den Abfindungsausschluss allenfalls die räumliche Trennung von der Abfindungsregelung in § 10 GV sprechen, die mit dem Bezug auf die steuerlichen Bewertungsgesetze eine weitere Abfindungsbeschränkung enthält. Für eine pauschalierende Schadensersatzregelung fehlt jeder Bezug zu einem Schaden. Eine besondere Anreizfunktion zu einem pflichtgemäßen Verhalten fehlt der Regelung ebenfalls.

Mit der groben Verletzung der Interessen der Gesellschaft enthält sie eine unbestimmte und ausfüllungsbedürftige Tatbestandsvoraussetzung, die sich von der Pflichtverletzung, für die bereits der Ausschluss aus der Gesellschaft droht, nur schwer unterscheiden lässt, so dass der Gesellschafter nicht sicher einschätzen kann, in welchen Fällen er die "Strafe" verwirkt. Ein Verschulden setzt die Bestimmung für den Verfall der Abfindung nicht voraus.

c) Damit entfällt auch, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die Grundlage für den hilfsweise gefassten Beschluss, dass das Abfindungsentgelt nur nach Maßgabe eines Gerichtsurteils geschuldet sein soll, mit welchem die im Ausschluss des Abfindungsanspruchs liegende Vertragsstrafe herabgesetzt wird.

Bergmann Reichart Drescher Born Sunder Vorinstanzen:

LG Baden-Baden, Entscheidung vom 29.02.2012 - 5 O 14/11 KfH -

OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.05.2013 - 7 U 57/12 -






BGH:
Urteil v. 29.04.2014
Az: II ZR 216/13


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