Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 28. Januar 2010
Aktenzeichen: I-3 Wx 3/10

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 28.01.2010, Az.: I-3 Wx 3/10)

Tenor

Der vorbezeichnete Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Amtsgericht - Registergericht wird angewiesen, von den im angefochtenen Beschluss vom 26. November 2009 angeführten Bedenken Abstand zu nehmen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 50.000 Euro

Gründe

I.

Der Aufsichtsrat der nicht der Mitbestimmung unterliegenden Gesellschaft besteht gemäß der Satzung aus drei Mitgliedern.

Zwei Aufsichtsratsmitglieder haben ihre Ämter als Mitglieder des Aufsichtsrats mit Schreiben vom 13. Oktober 2009, der Gesellschaft zugegangen am selben Tage bzw. Schreiben vom 13. Oktober 2009, der Gesellschaft zugegangen am 26. Oktober 2009, mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Dem Aufsichtsrat gehört damit nur noch ein Mitglied an.

Der Vorstand der Gesellschaft hat unter dem 29. Oktober 2009 (Eingang: 30.Oktober 2009) unter Hinweis auf die Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats (§ 108 Abs. 2 Satz 3 AktG) gebeten, zwei namentlich bezeichnete Ersatzaufsichtsratsmitglieder zu bestellen.

Das Amtsgericht hat nach Hinweis, dass eine Ergänzungsbestellung gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 AktG mangels Dringlichkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten in Betracht komme, durch Beschluss vom 26. November 2009 den Antrag abgelehnt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, mangels Darlegung eines dringenden Falles komme eine Ergänzungsbestellung gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht vor Ablauf von drei Monaten in Betracht und seien die Niederlegungsschreiben der Aufsichtsräte K. und F. der Gesellschaft erst am 13. bzw. 26. Oktober 2009 zugegangen.

Die vom Antrag stellenden Vorstand gegenüber der Anwendung von § 104 Abs. 2 AktG und zur Begründung der bloßen Anwendung von § 104 Abs. 1 AktG angeführte Unterscheidung zwischen Ersatzbestellung wegen Unvollständigkeit oder Beschlussunfähigkeit sei unerheblich, da im vorliegenden Fall zugleich beide Varianten gegeben seien, d. h. Beschlussunfähigkeit wegen Nichterreichens der gesetzlichen Mindestanzahl vorliege. § 104 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 i. V. m. Satz 2 AktG treffe insofern speziell für das Nichterreichen der durch Gesetz festgesetzten Zahl die hier einschlägige Ausgestaltung.

Gegen diesen - am 04. Dezember 2009 zugestellten - Beschluss hat der Beteiligte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29. Dezember 2009 sofortige Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses durch das

Registergericht zwei namentlich genannte Ersatzaufsichtsratsmitglieder,

zu bestellen.

Er macht geltend,

nach der eindeutigen Konzeption des Gesetzes betreffe § 104 Abs. 1 AktG den Fall der Ergänzung des Aufsichtsrats wegen Beschlussunfähiqkeit, die vorliege, wenn dem Aufsichtsrat weniger als drei Mitglieder angehören (§ 108 Abs. 2 Satz 3 AktG). Demgegenüber gelte § 104 Abs. 2 AktG bei solchen Fallgestaltungen, in denen der Aufsichtsrat zwar unterbesetzt, aber eben immer noch beschlussfähig sei (s. § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG).

Demgemäß komme vorliegend allein die Vorschrift des § 104 Abs. 1 AktG zum Tragen, deren Voraussetzungen mit der Amtsniederlegung durch die beiden Aufsichtsratsmitglieder ersichtlich erfüllt seien. Der Darlegung eines dringenden Falles im Sinne des § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG bedürfe es daher nicht.

II.

Die gemäß §§ 13, 104 Abs. 1 Satz 5 AktG; 58 Abs. 1; 63 Abs. 1, 375 Nr. 3, 377 Abs. 1 FamFG zulässige befristete Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Das Amtsgericht - Registergericht - hat zum Einen den Antrag bereits von Anfang an zu Unrecht abgelehnt (1.); überdies darf der Antrag jedenfalls nach gegenwärtigem Stand nicht mehr abgelehnt werden (2.)

1.

Das Amtsgericht durfte die Ergänzung des Aufsichtsrats der Gesellschaft als solche nicht ablehnen.

a)

Gehört dem Aufsichtsrat die zur Beschlussfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern nicht an, so hat ihn das Gericht auf Antrag u. A. des Vorstands zu ergänzen (§ 104 Abs. 1 Satz 1 AktG), wobei der Vorstand verpflichtet ist, den Antrag unverzüglich zu stellen, es sei denn, dass die rechtzeitige Ergänzung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist (§ 104 Abs. 1 Satz 2 AktG).

Gehören dem Aufsichtsrat länger als drei Monate weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl an, so hat ihn das Gericht auf Antrag auf diese Zahl zu ergänzen (§ 104 Abs. 2 Satz 1 AktG) In dringenden Fällen (dazu Hüffer, Aktiengesetz 8. Auflage 2008 Rn. 7) hat das Gericht auf Antrag den Aufsichtsrat auch vor Ablauf der Frist zu ergänzen (§ 104 Abs. 2 Satz 2 AktG).

b)

Laut § 10 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der nicht mitbestimmten Gesellschaft besteht der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern und ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 der Satzung beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist, unter ihnen der Vorsitzende oder sein Stellvertreter. Der Aufsichtsrat ist mithin gegenwärtig beschlussunfähig, weil hiernach mindestens zwei Mitglieder an einer Beschlussfassung teilnehmen müssen (§ 108 Abs. 3 Satz 3 AktG), der Aufsichtsrat aber zur Zeit nur aus einem Mitglied besteht.

Darin liegt zwar eine Unterbesetzung des Aufsichtsrats, die an sich auch die Voraussetzungen des § 104 Abs. 2 AktG erfüllt. Allerdings führt diese - was § 104 Abs. 2 AktG nicht voraussetzt - zur Beschlussunfähigkeit.

Den gravierenderen Fall der zur Beschlussunfähigkeit des Gremiums führenden Unterschreitung der Mitgliederzahl des Aufsichtsrats regelt die gegenüber § 104 Abs. 2 AktG speziellere Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG dahin, dass - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - das Registergericht den Aufsichtsrat ohne Bindung an die dreimonatige Frist oder das Vorliegen eines dringenden Falles auf Antrag des Vorstands auf die zur Beschlussfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern zu ergänzen hat (im Ergebnis so wohl auch Mertens, Kölner Kommentar zum AktG, 2. Auflage, Rdn. 11 zu § 104).

Hat die Unterbesetzung des Aufsichtsrates nämlich zur Beschlussunfähigkeit geführt, wäre es unverständlich, wenn der Vorstand einerseits zur unverzüglichen Antragstellung (es sei denn, dass die rechtzeitige Ergänzung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist), verpflichtet wäre (§ 104 Abs. 1 Satz 2 AktG) und zu dieser Antragstellung vom Registergericht sogar durch Zwangsgeld soll angehalten werden können (§ 407 Abs. 1 AktG), er aber anderseits bevor er einen zulässigen Ergänzungsantrag stellen kann, das Verstreichen der dreimonatige Frist abwarten müsste, also die Handlungsunfähigkeit des Aufsichtsrats - abgesehen von dringenden Fällen (§ 104 Abs. 2 Satz 2 AktG) - für eine Wartezeit gesetzlich festgeschrieben würde.

2.

Im Übrigen ist der Antrag des Vorstands der Gesellschaft vom 29. Oktober 2009 nunmehr auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Amtsgerichts nicht mehr abzulehnen, weil bei erforderlicher dreimonatiger Vakanz des Aufsichtsrats die mit dem Wegfall des ersten Aufsichtsratsmitglieds - demnach hier am 13. Oktober 2009 - beginnende Frist (Habersack, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz 3. Auflage 2008 § 104 Rdz. 15) am 13. Januar 2010 abgelaufen ist.

3.

Dass das Amtsgericht sich mit dem Bestellungsvorschlag des Antragstellers bislang inhaltlich noch nicht auseinander gesetzt hat, lässt es geboten erscheinen, die Sache entsprechend § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zurückzuverweisen.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 28.01.2010
Az: I-3 Wx 3/10


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