Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2000
Aktenzeichen: 34 W (pat) 56/97

(BPatG: Beschluss v. 13.10.2000, Az.: 34 W (pat) 56/97)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 65 B des Deutschen Patentamts vom 16. April 1997 aufgehoben.

Die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Vorliegende Anmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut" ist durch Teilung der Anmeldung P 40 19 127.3-27 entstanden.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Prüfungsstelle die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des seinerzeit geltenden Anspruchs 1 sei gegenüber der Druckschrift DE 90 01 319 U1 nicht neu. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 und 2 vom 22. Juli 1999, der Beschreibung I vom 15. Juli 1999, sowie der ursprünglichen Zeichnung zu erteilen, hilfsweise, das Patent auf der Grundlage des (einzigen) Anspruchs (Alternativanspruch II) und der Beschreibung II vom 15. Juli 1999 sowie der ursprünglichen Zeichnung zu erteilen.

Patentansprüche 1 und 2 nach Hauptantrag lauten:

1. Verfahren zum Umhüllen von ggf. auf einer Palette (10) od. dgl. abgestütztem Stückgut (1) mit einer schlauch- bzw. haubenförmigen Stretchfolie (2, 3), insbesondere von aus mehrschichtig übereinander palettierten Stückgutschichten bestehenden, würfel- bzw. quaderförmigen Stückgutstapeln (1), bei dem der die Seitenflächenumhüllung bildende Folienabschnitt (2, 3) vor dem Überziehen über das Stückgut (1) mittels Reffrollen (12) auf querbewegliche, bügelartige Rahmenabschnitte (9') eines Hubrahmens (9) gerefft und von diesen quergestretcht wird, wobei die Folie (2, 3) beim Überziehen über das Stückgut (1) außerdem vertikal gedehnt und vor dem Loslassen ihres unteren Randabschnittes im Bereich des unteren Stückgutrandabschnittes oder/und der Palette (10) seitlich an ein Widerlager angedrückt und der seitliche Andruck aufgehoben wird, wenn sich die Folie (3) in voller Höhe an das Stückgut (1) bzw. wenigstens teilweise an die Palette (10) fest angelegt hat, und wobei die Folie (3) während des Andrükkens relativ zu ihrer Überziehkontur im Andrückbereich nach innen bewegt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Folie (3) wenigstens in der Überzieh-Endphase einerseits von den bügelartigen Rahmenabschnitten (9') sowie andererseits von den Reffrollen (12) gehalten und unter horizontaler Entspannung nach innen bewegt wird.

2. Vorrichtung zum Umhüllen von ggf. auf einer Palette od. dgl. abgestütztem Stückgut mit einer schlauch- bzw. haubenförmigen Stretchfolie, insbesondere von aus mehrschichtig übereinander palettierten Stückgutschichten bestehenden, quader- oder würfelförmigen Stückgutstapeln, mit einem vorzugsweise aus mehreren (in der Draufsicht) im wesentlichen L- oder C-förmig ausgebildeten, im wesentlichen in einer Horizontalebene angeordneten, bügelartigen Rahmenabschnitten und diese jeweils haltenden Bügelstützen bestehenden, antreibbaren Reff- und Stretch-Hubrahmen, auf den der die Seitenflächenumhüllung bildende Folienabschnitt vor dem Überziehen über das Stückgut mittels einer Reffrollen aufweisenden Reffeinrichtung aufzutreffen ist, und mittels dessen die aufgereffte Folie vor dem Überziehen querzustretchen ist, wobei die Folie vor dem Loslassen ihres unteren Randabschnittes durch eine Andrückeinrichtung im unteren Bereich des Stückgutes an dieses oder an die Palette anzudrücken ist, und wobei die Andrückeinrichtung wieder außer Eingriff mit der Folie zu bringen ist, wenn sich die Folie an den unteren Endabschnitt des Stückgutes und ggf. den oberen Endabschnitt der Palette angelegt hat, zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch eine Verwendung der bügelartigen Rahmenabschnitte (9') des Hubrahmens (9) als Widerlager für die Folie (3) einerseits sowie der Reffrollen (12) als Andrückmittel andererseits als Folien-Bewegungseinrichtung beim Überziehen der Folie (2, 3) in der Überzieh-Endphase vor dem Loslassen des Haubenrandes.

Der Patentanspruch nach Hilfsantrag lautet:

Verfahren zum Umhüllen von ggf. auf einer Palette (10) od. dgl. abgestütztem Stückgut (1) mit einer schlauch- bzw. haubenförmigen Stretchfolie (2, 3), insbesondere von aus mehrschichtig übereinander palettierten Stückgutschichten bestehenden, würfel- bzw. quaderförmigen Stückgutstapeln (1), bei dem der die Seitenflächenumhüllung bildende Folienabschnitt (2, 3) vor dem Überziehen über das Stückgut (1) mittels Reffrollen (12) auf querbewegliche, bügelartige Rahmenabschnitte (9') eines Hubrahmens (9) gerefft und von diesen quergestretcht wird, wobei die Folie (2, 3) beim Überziehen über das Stückgut (1) außerdem vertikal gedehnt und mittels des Hubrahmens (9) vor dem Loslassen ihres unteren Randabschnittes im Bereich des unteren Stückgutrandabschnittes oder/und der Palette (10) seitlich an ein Widerlager angedrückt wird und der seitliche Andruck aufgehoben wird, wenn sich die Folie (3) in voller Höhe an das Stückgut (1) bzw. wenigstens teilweise an die Palette (10) fest angelegt hat, und wobei die Folie (3) während des Andrückens relativ zu ihrer Überziehkontur im Andrückbereich nach innen bewegt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Folie (3) wenigstens in der Überzieh-Endphase einerseits von den bügelartigen Rahmenabschnitten (9') sowie andererseits von den Reffrollen (12) gehalten und unter horizontaler Entspannung nach Innen bewegt wird.

II 1. Die zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt führt.

2. Dem vorliegenden Verfahren einer Teilanmeldung liegt eine wirksame Teilung zugrunde. Die (mit Schriftsatz vom 20. Dezember 1993) am 23. Dezember 1993 abgegebene Teilungserklärung ist wirksam. Zwar hat die Anmelderin am gleichen Tag Unterlagen für die Teilanmeldung eingereicht, die Divergenzen zur Teilungserklärung aufweisen. Nach der Teilungserklärung soll die Anmeldung dahingehend geteilt werden, daß der gegenüber dem gleichzeitig in der Stammanmeldung vorgelegten Anspruch 2 weitergehende Gegenstand des bisherigen in der Stammanmeldung am 24. August 1992 vorgelegten Patentanspruchs 2 im Rahmen einer Teilanmeldung weiterverfolgt werden soll. Der Anspruch 1 der Teilanmeldung nach den vorgelegten Unterlagen unterscheidet sich aber von dem in der Teilungserklärung angesprochenen Anspruch dadurch, daß die Folie während des Andrückens relativ zu ihrer Überziehkontur im Andrückbereich und nicht unterhalb des Andrückbereichs nach innen bewegt wird. Überdies enthalten die Unterlagen einen weiteren, auf eine Vorrichtung gerichteten Patentanspruch 2, von dem in der Teilungserklärung nicht die Rede ist. Diese Divergenzen sind aber unschädlich. Nach der Systematik des Teilungsverfahrens bestimmt zunächst die Teilungserklärung, in welcher Weise die Anmeldung geteilt wird. Den Anmeldeunterlagen für die Teilanmeldung kommt demgegenüber die Aufgabe zu, die bereits durch die Teilungserklärung entstandene Teilanmeldung in einer solchen Weise näher zu bezeichnen, daß auf ihrer Grundlage die weitere Untersuchung auf Patentfähigkeit im Prüfungsverfahren stattfinden kann. Da die Teilanmeldung wie eine noch nicht geprüfte Anmeldung zu behandeln ist, haben hierzu eingereichte Patentansprüche ohnehin nur vorläufigen Charakter, könnten jederzeit geändert und damit ggf. auch in Übereinstimmung mit der Teilungserklärung gebracht werden (BGH GRUR 1996, 747, 750 - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem). Deshalb ändern Divergenzen zwischen Teilungserklärung und Unterlagen für die Teilanmeldung, wie sie hier bestehen, nichts daran, daß diese Unterlagen die Erfordernisse des PatG § 39 erfüllen und nicht etwa zum Eintritt der Nichtabgabefiktion führen.

Durch die Teilungserklärung wird auch klargestellt, welcher Anspruch in der Stammanmeldung nicht mehr weiterverfolgt wird. Das erhellt sich auch aus den mit der Teilungserklärung vorgelegten geänderten Unterlagen für die Stammanmeldung. Der geänderte Anspruch 2 ist nur noch ein echter Unteranspruch und nicht wie zuvor fakultativ auch ein Nebenanspruch (siehe "insbesondere nach Anspruch 1"). Damit ist hier aus der Stammanmeldung ein Teil des Anmeldungsgegenstandes herausgelöst und in ein neues, selbständiges Anmeldeverfahren übergeleitet worden. Der um den abgetrennten Teil verminderte Rest verbleibt in der Stammanmeldung (BGH Mitt. 1998, 15, 16-Textdatenwiedergabe).

3. Das geltende Patentbegehren ist zulässig.

3.1 Die Merkmale des auf ein Verfahren gerichteten Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag sind in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 3 sowie 5 und 6 der Stammanmeldung P 40 19 127.3-27 enthalten.

Zu den Merkmalen des Vorrichtungsanspruchs 2 wird auf die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3 sowie 5 und 6 verwiesen.

3.2 Der Anspruch nach Hilfsantrag entspricht i.w. dem Anspruch 1 nach Hauptantrag; lediglich im Oberbegriff findet sich vor dem Satzteil "vor dem Loslassen" noch das Merkmal "mittels des Hubrahmens (9)", das aber - analog zum Anspruch 1 nach Hauptantrag - als gestrichen anzusehen ist, nachdem die Anmelderin in ihrer Eingabe vom 22. Juli 1999 selbst schreibt, daß die Streichung dieses auf einem offensichtlichen Formulierungsfehler beruhenden Merkmals geboten ist.

4. Im Patentanspruch 1 ist ausgegangen von dem DE 90 01 319 U1.

Der Gebrauchsmusterschrift ist eine Vorrichtung entnehmbar, deren Betriebsweise dem Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs entspricht. Es wird dort von Klemmbacken Gebrauch gemacht, die die Folie in der untersten Stellung des Hubrahmens an das Stückgut oder an die unter diesem angeordnete Palette drücken. Weitere Klemmbacken, die die Folie an ihrem unteren Rand klemmend erfassen, werden für das Bewegen der Folie unter das Stückgut oder unter die Palette eingesetzt. In der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung wird der Aufwand des Betriebs der zusätzlichen Klemmbacken als Nachteil gesehen und davon ausgehend die Aufgabe formuliert, ein Verfahren und eine Vorrichtung anzugeben, mittels welcher der erstrebte Unterstretch einfach und sicher zu verwirklichen ist, s Beschreibung S 3 Abs 2.

Eine Lösung des verfahrensmäßigen Teils der gestellten Aufgabe wird in den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 gesehen.

5. Die Maßnahme, daß die Folie wenigstens in der Überzieh-Endphase einerseits von den bügelartigen Rahmenabschnitten sowie andererseits von den Reffrollen gehalten und unter horizontaler Entspannung nach innen bewegt wird, ist durch die Druckschrift DE 90 01 319 U1 nicht vorbekannt und wird durch sie auch nicht nahegelegt.

6. Die Prüfungsstelle hat im Prüfungsverfahren der Stammanmeldung zu dem seinerzeitigen Unteranspruch 6, dessen Gedanke für die jetzt beanspruchte Lehre wesentlich ist, nur pauschal Stellung genommen und keinen Stand der Technik entgegengehalten. Ob zu diesem Anspruch recherchiert worden ist, ist nicht erkennbar.

Eine sachliche Prüfung der oa Maßnahme im Prüfungsverfahren der Teilanmeldung konnte nicht erfolgen, da das dort geltende Patentbegehren nicht auf diesen Sachverhalt gerichtet war.

7. Die Zurückverweisung der Anmeldung an das Deutsche Patent- und Markenamt erfolgt gemäß PatG § 79 Abs 3 Nr 1, weil das Patentbegehren im Beschwerdeverfahren eine erheblich geänderte Fassung erhalten hat, zu der die Prüfungsstelle sachlich noch nicht Stellung genommen hat. Die Anmeldung bedarf einer neuen Sachprüfung.

Die Anmelderin hat Stand der Technik genannt, der ihr aus dem parallelen europäischen Verfahren (europäisches Patent 0 633 186) bekannt ist. Ob dies - wie die Anmelderin vermutet - der einzige relevante Stand der Technik ist, kann der Senat nicht beurteilen. Dies muß vielmehr in einer speziell auf die Maßnahmen des Kennzeichens des geltenden Anspruchs 1 ausgerichteten Recherche geklärt werden.

8. Patentanspruch 2 wird mangels Neuheit seines Gegenstandes nicht gewährbar sein.

Die gegenständlichen Merkmale des auf eine Vorrichtung ... zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichteten Anspruchs 2 sind sämtlich aus der DE 90 01 319 U1 bekannt.

Mit der gegenüber der bekannten Vorrichtung geänderten Verwendung einzelner vorbekannter Elemente, nämlich der Verwendung der Reffrollen als Andrückmittel bzw als Folien-Bewegungseinrichtung beim Überziehen der Folie in der Überzieh-Endphase vor dem Loslassen des Haubenrandes, läßt sich die Neuheit der Vorrichtung nicht begründen.

9. Ein Eingehen auf den Hilfsantrag erübrigt sich, vgl das zu Anspruch 1 nach Hauptantrag gesagte.

Ch. Ulrich Hövelmann Dr. Frowein Ihsen Na






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Az: 34 W (pat) 56/97


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