Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. August 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 86/04

(BPatG: Beschluss v. 07.08.2006, Az.: 32 W (pat) 86/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Februar 2004 aufgehoben, soweit die Widersprüche aus den Marken 2 900 360 und 399 11 556 für andere Dienstleistungen als "Geschäftsführung" zurückgewiesen wurden.

Die Marke 300 69 218 wird teilweise gelöscht, und zwar wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 900 360 für "Dienstleistungen eines Online-Anbieters, nämlich Sammeln, Bereitstellen und Übermittlung von Informationen, Texten, Zeichnungen und bewegten und nicht bewegten Bildern im Internet; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, Verlagswesen, Fernsehproduktionen; Programmierungsleistungen, Organisation, Herstellung und Bearbeitung von Programmen auf Bild- und Tonträgern" sowie wegen des Widerspruchs aus der Marke 399 11 556 für "Dienstleistungen eines Online-Anbieters, nämlich Sammeln, Bereitstellen und Übermittlung von Informationen, Texten, Zeichnungen und bewegten und nicht bewegten Bildern im Internet".

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die am 14. September 2000 angemeldete und am 28. September 2001 farbig (gelb, blau, schwarz, weiß, grau) eingetragene Marke 300 69 218 farbig (gelb, blau, schwarz, weiß, grau) eingetragene Marke 300 69 218 genießt für folgende Dienstleistungen Schutz:

Geschäftsführung; Dienstleistungen eines Online-Anbieters, nämlich Sammeln, Bereitstellen und Übermittlung von Informationen, Texten, Zeichnungen und bewegten und nicht bewegten Bildern im Internet, Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, Verlagswesen; Fernsehproduktionen; Programmierungsleistungen, Organisation, Herstellung und Bearbeitung von Programmen auf Bild- und Tonträgern Widerspruch erhoben ist aus zwei prioritätsälteren Wortmarken derselben Inhaberin, welche jeweilsranlauten. Hierbei handelt es sich um 1. die am 1. September 1994 angemeldete Marke 2 900 360, welche für zahlreiche Waren und Dienstleistungen unterschiedlicher Klassen Schutz genießt, u. a. für Rundfunk- und Fernsehwerbung, auch in Form von Sponsorship; den Medienbereich betreffende Meinungsforschung und werbungsspezifische Beratung; Ausstrahlung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk sowie durch ähnliche technische Einrichtungen, Ton- und Bildübertragungen durch Satelliten; Sammeln und Liefern von Nachrichten; Vermittlung von Presseinformationen und Informationen mit nichtwerbendem Charakter; Produktion, Gestaltung und Ausstrahlung von Fernseh- und Rundfunksendungen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art sowie von Nachrichtensendungen; Organisation und Durchführung von Show-, Quiz- und Musikveranstaltungen sowie Veranstaltung von Wettbewerben im Unterhaltungs- und Sportbereich, auch zur Aufzeichnung oder als Live-Sendung im Rundfunk oder Fernsehen; Produktion von Fernseh- und Rundfunkwerbesendungen einschließlich entsprechender Gewinnspielsendungen; Produktion, Reproduktion, Vorführung und Vermietung von Filmen, Produktion, Reproduktion von Ton- und Bildaufnahmen auf Video- und/oder Audio-Kassetten, -Bändern und -Platten, Vorführung von Video- und/oder Audio-Kassetten, -Bändern und -Platten; Theateraufführungen, Musikdarbietungen; Vergabe von Sende-, Weitersende-, audiovisuellen mechanischen und sonstigen Nutzungsrechten an Fernsehsendungen, insbesondere Nachrichtensendungen sowie sonstigen Ton- und Bildproduktionen; Verwaltung und Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten für andere; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; fernseh- und rundfunktechnische Beratung; Fotografieren;

2. die am 1. März 1999 angemeldete Marke 399 11 556, geschützt für die Dienstleistungen Finanzdienstleistungen, insbesondere Geld- und Kreditgeschäfte, Finanzwesen einschließlich Ausgabe von Kredit-, Lastschrift- und Benutzerkarten sowie Karten mit vorausbezahltem Guthaben; Betreuung von elektronischen Zahlungssystemen einschließlich der Abwicklung von mittels Kreditkarten getätigten Zahlungen; Immobilienwesen; Versicherungswesen; Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Reisen; Beherbergung von Gästen; Betrieb von Hotels, Feriencamps und sonstigen Ferienanlagen; Zimmerreservierung; Verpflegung von Gästen, Catering; Internet- und Intranetdienstleistungen, nämlich Dienstleistungen eines Providers, Einstellen von Webseiten für Dritte, Design von Netzwerkseiten, Bereitstellung von Zugangsmöglichkeiten zu digitalen Netzen für Dritte, E-Mail-Datendienste; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen zu wirtschaftlichen und Werbezwecken.

Beide Widersprüche richten sich gegen sämtliche Dienstleistungen der jüngeren Marke.

Durch Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts - Beamtin des gehobenen Dienstes - vom 25. Februar 2004 sind beide Widersprüche wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen worden. Zwar liege insbesondere bei den Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 41 und 42 teilweise Identität und teilweise Ähnlichkeit vor. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei aufgrund ihrer Bekanntheit im Bereich der Sportberichterstattung als geringfügig überdurchschnittlich einzustufen. Den mithin hohen Anforderungen an den Zeichenabstand werde die angegriffene Marke jedoch in ausreichendem Maße gerecht. Der Gesamteindruck dieser Marke werde nicht allein durch den Wortbestandteil "run" geprägt. Dieser englischsprachige Begriff (= laufen, rennen) komme, insbesondere für Fernsehproduktionen, einer beschreibenden Angabe nahe und sei deshalb kennzeichnungsschwach. Von daher könne nicht von einer Vernachlässigung des weiteren, wenngleich ebenfalls beschreibenden, Bestandteils "TV" ausgegangen werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Ihrer Ansicht nach wird die jüngere Marke durch den kennzeichnungskräftigen Wortbestandteil "run" geprägt, der selbständig kollisionsbegründend sei. Das Bild des Läufers trete gegenüber den Wortbestandteilen zurück. Die Buchstabenfolge "TV" sei für die beanspruchten Dienstleistungen, die sämtlich einen Bezug zu "Television" aufwiesen, beschreibend und deshalb äußerst kennzeichnungsschwach. Die Prägung des Gesamteindrucks einer Kombinationsmarke durch einen einzelnen Bestandteil setze nicht die Verkürzung auf dieses dominierende Element voraus. Ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs werde das Wort "run" in der jüngeren Marke englisch wiedergeben, so dass Identität zur Aussprache der Widerspruchsmarken gegeben sei.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Februar 2004 aufzuheben und die angegriffene Marke für alle identischen und ähnlichen Dienstleistungen zu löschen.

Die - mittlerweile in Liquidation befindliche - Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat sich in der Beschwerdeinstanz schriftsätzlich nicht zur Sache geäußert. In der mündlichen Verhandlung vertritt sie - wie bereits im patentamtlichen Verfahren - die Auffassung, "run TV" sei ein Gesamtbegriff i. S. v. "laufende Bilder" oder "bewegtes Internet", wobei die Abbildung des Läufers den Sinngehalt der Wortbestandteile unterstreiche.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist, da sie vor dem 31. Dezember 2004 eingelegt wurde, ohne vorherige Erinnerung statthaft und auch sonst zulässig (§ 66, § 165 Abs. 4 MarkenG). In der Sache hat sie weitgehend Erfolg, da die sich gegenüberstehenden Marken im Umfang der Beschlussformel der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegen.

Nach diesen Bestimmungen, die in Umsetzung der Regelung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Markenrichtlinie ergangen sind, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Insbesondere sind die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke(n), der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie die Art des beteiligten Verkehrs und dessen zu erwartender Aufmerksamkeit von Bedeutung. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Dienstleistungen wirken (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 - Sabl/Puma; GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd/Loints; GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2005, 326 - il Padrone/Il Portone; 419 - Räucherkate). Die maßgeblichen Faktoren (insbesondere Kennzeichnungskraft, Waren-/Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit, Markenähnlichkeit) stehen untereinander in einer Wechselbeziehung; so kann z. B. ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 26, 29 m. w. Nachw.).

Den meisten der für die angegriffene Marke registrierten Dienstleistungen stehen in den Verzeichnissen der Widerspruchsmarken identische und sehr ähnliche Dienstleistungen gegenüber. Lediglich die Dienstleistung "Geschäftsführung" findet auf seiten der Widerspruchsmarken keine unmittelbare Entsprechung.

Den Widerspruchsmarken kommt für Mediendienstleistungen, insbesondere im Fernsehbereich, ein überdurchschnittlicher Schutzumfang zu. Der Bedeutungsgehalt des umgangssprachlichen Kurzwortes "ran" ist unscharf (vgl. den - allerdings andere Waren betreffenden - Beschluss des Senats vom 17. Oktober 2001, 32 W (pat) 194/01). In Verbindung mit den vorliegend verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen des Medienbereichs kann diesem Begriff allenfalls ein vager beschreibender Anklang entnommen werden, so dass bereits von Hause aus die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken nicht wesentlich geschwächt ist.

Die Widersprechende hat sich zudem bereits im patentamtlichen Verfahren - von der Markeninhaberin in der Sache unwidersprochen - darauf berufen, "ran" bezeichne eine der erfolgreichsten und bekanntesten Fernsehsendungen in Deutschland, was zu einem gesteigerten Schutzumfang der Widerspruchsmarken führe. In der mündlichen Verhandlung hat sie nochmals darauf hingewiesen, dass die so bezeichnete, in der Vergangenheit durch den Fernsehsender SAT. 1 ausgestrahlte Sendung vor allem durch die Übertragung der Fußballbundesligaspiele hohe Bekanntheit genossen habe und weiterhin genieße. Für den Senat bestehen keine ernsthaften Zweifel, dass jedenfalls im Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke (September 2000) die betreffende Fernsehsendung sehr bekannt war, so dass zumindest der älteren Widerspruchsmarke 2 900 360 eine vergleichsweise hohe Kennzeichnungskraft zukam. Selbst wenn die betreffende Sportsendung später nicht mehr ausgestrahlt wurde, fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass diese Kennzeichnung den maßgeblichen Publikumskreisen überhaupt nicht mehr vertraut sein sollte. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke 2 900 360 ist von daher auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung über den Widerspruch (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 35) noch erhöht.

Angesichts dieser Vorgaben wahren die Vergleichsmarken - entgegen der Auffassung der Markenstelle - im Bereich identischer und sehr ähnlicher Dienstleistungen nicht den erforderlichen Abstand, um eine Verwechslungsgefahr mit der gebotenen Sicherheit ausschließen zu können.

Vom schriftbildlichen Gesamteindruck her besteht allerdings im Hinblick auf die besondere graphische und bildliche Ausgestaltung der jüngeren Marke keine Zeichenähnlichkeit. Anders verhält es sich aber in klanglicher Hinsicht, weil die in der angegriffenen Marke vertikal angeordneten Buchstaben "run" ganz überwiegend und ohne jegliche Verständnisschwierigkeiten als das englischsprachige Wort mit der Hauptbedeutung "Lauf, Rennen" bzw. "laufen, rennen" (PONS, Wörterbuch für Schule und Studium, Teil 1 Englisch-Deutsch, 1. Aufl., S. 1130/1131) verstanden werden und von daher phonetisch in gleicher Weise in Erscheinung treten, wie das deutsche Wort "ran", welches die beiden Widerspruchsmarken verkörpern. Die Abbildung des stilisierten Läufers unterstreicht noch diesen Sinngehalt von "run".

Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin ergibt "run TV" keinen in seinem Bedeutungsgehalt eindeutig feststehenden Gesamtbegriff, der bereits deshalb nur in der Zusammenfassung verwendet würde. Glatt beschreibend - und daher für Mediendienstleistungen generell schutzunfähig - ist nur die Buchstabenfolge "TV" als allgemein geläufige Abkürzung für "Television". Zwar mag ein Teil des Verkehrs auch dem Wort "run" einen beschreibenden Anklang entnehmen, jedoch ist dieses Element im Verhältnis zu "TV" deutlich kennzeichnungskräftiger und von daher - jedenfalls bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr in klanglicher Beziehung - der die jüngere Marke prägende und deshalb für sich gesehen kollisionsbegründende Bestandteil. Wie die Widersprechende zutreffend ausgeführt hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob bei der Benennung der angegriffenen Marke in entscheidungserheblichem Umfang mit einer Verkürzung nur auf "run" (gesprochen wie "ran") zu rechnen ist. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass die jüngere Marke überwiegend mit "run TV" (in englischer Aussprache) wiedergegeben wird, ändert dies nichts daran, dass (nur) der Bestandteil "run" als prägendes Element aufgefasst wird (vgl. BGH GRUR 1986, 72, 73 - Tabacco d'Harar).

Von den im Beschluss der Markenstelle angeführten Entscheidungen des Bundespatentgerichts (29 W (pat) 218/99 und 32 W (pat) 481/99) unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich dadurch, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken infolge Benutzung erhöht ist und auch der prägende Wortbestandteil der angegriffenen Marke nicht als besonders kennzeichnungsschwach angesehen werden kann.

Soweit sich identische und sehr ähnliche Dienstleistungen gegenüberstehen, ist deshalb von unmittelbarer Verwechslungsgefahr auszugehen, so dass die angegriffene Marke wegen der Widersprüche im Umfang der Beschlussformel zu löschen ist.

Eine andere Beurteilung ist nur geboten, soweit die jüngere Marke für die Dienstleistung "Geschäftsführung" beansprucht wird. Die selbständige Erbringung dieser Dienstleistung für Dritte ist allenfalls mit einigen der Dienstleistungen der Marke 399 11 556 auf den Gebieten der Finanzgeschäfte, des Immobilien- und Versicherungswesens sowie des Hotel- und Gaststättenbereichs entfernt ähnlich. Nach den - oben aufgezeigten - Grundsätzen der Wechselwirkung der maßgeblichen Einzelfaktoren besteht insoweit aber keine Verwechslungsgefahr.

Gründe: für eine Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. § 71 Abs. 1 MarkenG) sind nicht ersichtlich.

gez.

Unterschriften






BPatG:
Beschluss v. 07.08.2006
Az: 32 W (pat) 86/04


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