Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 10. Mai 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 67/09

(BGH: Beschluss v. 10.05.2010, Az.: AnwZ (B) 67/09)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 6. Juni 1944 geborene Antragsteller war seit dem 15. Dezember 1972 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Von 1982 bis 1996 war er zum Notar bestellt. Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen widerrief mit Bescheid vom 3. September 1997 die Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F. wegen Vermögensverfalls und mit Bescheid vom 22. Juli 1998 gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 10 BRAO a.F. wegen fehlender Berufshaftpflichtversicherung. Der Antragsteller focht die Bescheide an; während der laufenden Verfahren verzichtete er am 9. November 1998 auf die Zulassung. Am 6. März 1998 wurde er vom Landgericht B. wegen Betrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Taten hatte er 1995 und 1996 begangen. Für jede Tat wurde eine Einzelstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe verhängt. Das Urteil ist seit dem 14. März 1998 rechtskräftig. Der Antragsteller hat zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt, die Vollstreckung des Strafrestes war bis zum 21. September 2005 zur Bewährung ausgesetzt und ist mit Wirkung vom 3. November 2005 erlassen worden. Am 1. September 2008 beantragte der Antragsteller seine Wiederzulassung. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 unter Berufung auf den Versagungsgrund des § 7 Nr. 5 BRAO ab.

Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht wegen unwürdigen Verhaltens versagt worden.

1. Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der Bewerber sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Der Bewerber erscheint dann unwürdig, wenn er ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände - wie Zeitablauf und zwischenzeitlicher Führung - nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt; dabei sind das berechtigte Interesse des Bewerbers nach beruflicher und sozialer Eingliederung und das durch das Berufsrecht gestützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden, an der Integrität des Anwaltsstandes einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 44/08 Tz. 6 m.w.N.). Auch ein schwerwiegendes berufsunwürdiges Verhalten kann nach einer mehr oder minder langen Zeit durch Wohlverhalten oder andere Umstände soviel an Bedeutung verlieren, dass es die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr hindert (Senatsbeschluss vom 12. April 1999 - AnwZ (B) 67/98, NJW-RR 1999, 1219 unter II 1). Die Frage, wie viele Jahre zwischen einem die Unwürdigkeit begründenden Verhalten und dem Zeitpunkt liegen müssen, in dem eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft möglich ist, lässt sich nicht durch eine schematische Festlegung auf bestimmte Fristen beantworten, sondern verlangt eine einzelfallbezogene Gewichtung aller für und gegen den Bewerber sprechenden Umstände (Senatsbeschluss vom 12. April 1999, aaO). Erforderlich ist, dass der Zulassungsbewerber verlässlich gezeigt hat, dass er von seinen Verfehlungen innerlich abgerückt ist und sich gewandelt hat (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 7 Rdn. 41).

2. Der Senat hat in früheren Entscheidungen bei besonders gravierenden Straftaten, etwa schweren Fällen von Betrug und Untreue, einen zeitlichen Abstand zwischen der die Unwürdigkeit begründenden Straftat des Bewerbers und dessen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft von in der Regel 15 bis 20 Jahren für erforderlich gehalten (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2000 - AnwZ (B) 8/99, BRAK-Mitt. 2000, 145, unter II 1 m.w.N.). Dieser Zeitraum wurde aber auch - wie im Senatsbeschluss vom 10. Juli 2000 - AnwZ (B) 40/99, BRAK-Mitt. 2000, 306 unter II 1 - unterschritten, wenn dem Interesse des Bewerbers an seiner beruflichen und sozialen Eingliederung bei einer Gesamtwürdigung der Umstände unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 12 GG dies geboten erscheinen ließ; maßgebend dafür war die Einschätzung, dass der Bewerber sein Leben wieder geordnet hatte und deshalb nicht mehr festgestellt werden konnte, er sei für den Anwaltsberuf noch untragbar (aaO unter II 2 b und c).

3. Hier kommt angesichts der fünf äußerst schwerwiegenden Straftaten, die der Antragsteller im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung des Anwalts- und Notarberufs begangen hat, eine Wohlverhaltensdauer im unteren Bereich nicht in Betracht. Wie schwer diese Taten, mit denen der Antragsteller Schäden in Millionenhöhe angerichtet hat, wiegen, findet insbesondere in den verhängten Einzelstrafen Ausdruck, die mit jeweils drei Jahren Freiheitsstrafe dem oberen Bereich des gesetzlichen Strafrahmens entnommen worden sind, wobei die Strafkammer neben weiteren Gesichtspunkten strafmildernd insbesondere das umfassende Geständnis, aber auch den Umstand berücksichtigt hat, dass eine Neuzulassung des Antragstellers als Rechtsanwalt zweifelhaft erscheint und jedenfalls nicht alsbald erfolgen wird. Auch die Höhe der verhängten Gesamtstrafe von fünf Jahren belegt, obwohl die Einsatzstrafe durchaus moderat erhöht worden ist, eindrucksvoll die Schwere der Taten des Antragstellers und das Ausmaß seiner Schuld.

4. Das Fehlverhalten des Antragstellers hat auch nicht durch zwischenzeitliches Wohlverhalten oder andere Umstände derartig an Bedeutung verloren, dass es nunmehr nicht mehr der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entgegenstünde (vgl. Senatsbeschluss vom 6. November 2006 - AnwZ (B) 87/05 Tz. 11). Der Antragsteller hat noch bis zum 21. September 2005 unter Bewährung gestanden. Auch unter Würdigung seines Alters und des Vorbringens im Beschwerdeverfahren sowie in der Verhandlung vor dem Senat haben sich keine durchgreifenden Gesichtspunkte ergeben, die es derzeit oder in näherer Zukunft rechtfertigten, die Wiederzulassung des Antragstellers auszusprechen.

Tolksdorf Roggenbuck Fetzer Stüer Quaas Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 13.02.2009 - 1 AGH 102/08 -






BGH:
Beschluss v. 10.05.2010
Az: AnwZ (B) 67/09


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