Bundesgerichtshof:
Urteil vom 17. Juni 2004
Aktenzeichen: IX ZR 56/03

(BGH: Urteil v. 17.06.2004, Az.: IX ZR 56/03)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 29. Januar 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den Klägern die Zahlung weiteren Anwaltshonorars schuldet.

Mit notariellem Vertrag vom 3. Juni 1992 erwarb die Beklagte von der später in Konkurs gefallenen W. Wo. GmbH (im folgenden: Bauträger) ein Wohnungsund Teilerbbaurecht an einer noch zu errichtenden Wohnanlage zu einem Gesamtpreis von 397.000 DM. Die Vertragsparteien erklärten in der Urkunde die dingliche Einigung; der Bauträger bewilligte und die Klägerin beantragte die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch. Auf dem zu bebauenden Grundstück lasteten Buchgrundschulden im Nennbetrag von einer Million und 5,3 Millionen DM zugunsten der B. Bank Aktiengesellschaft (später B.

bank AG; im folgenden: H. bank). Für diese Grundpfandrechte hatte die H. bank mit Schreiben vom 26. November 1991 eine Lastenfreistellungsverpflichtung abgegeben. Der beurkundende Notar sollte den Vertrag unter anderem erst dann dem Grundbuchamt zum Vollzug vorlegen, wenn der Bauträger ihm schriftlich mitgeteilt hatte, daß der geschuldete Kaufpreis bezahlt sei und die Lastenfreistellungserklärung der H. bank vorliege. Die Beklagte behielt einen Teil des vereinbarten Entgelts wegen mangelhafter Bauleistung ein.

Die Beklagte beauftragte die Kläger im Jahre 1993 mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Mit am 7. Dezember 1994 bei den Klägern eingegangenem Schreiben nahm sie zu Ausführungen der Bevollmächtigten des Bauträgers Stellung. Mit Schreiben vom 2. Januar 1995 teilten die Kläger ihr daraufhin mit, daß sie "die Angelegenheit bezüglich Ihrer Wandelungsansprüche etc. noch einmal ausführlich überprüft" hätten. Im Ergebnis rieten sie von der Erhebung einer Wandelungsklage ab. Die Kläger, die aufgrund von Zwischenabrechnungen bereits 2.895,70 DM von der Beklagten erhalten hatten, stellten dieser nach Ende des Mandats mit Kostenrechnung vom 19. Dezember 2001 aus einem Gegenstandswert von 397.000 DM u.a. für ihre "Tätigkeit auf Lastenfreistellung und Eigentumsübertragung gegenüber W. und dann anschließend H. bank" insgesamt (weitere) 4.000,51 € in Rechnung. Das Amtsgericht hat der eingeklagten Geschäftsund Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO einen Gegenstandswert von 270.000 DM, den Verkehrswert des Wohnungsund Teilerbbaurechts, zugrundegelegt und die Beklagte unter Abweisung der weiter gehenden Klage zur Zahlung von 1.287,74 € nebst Zinsen verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Berufung blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage insgesamt abzuweisen, weiter.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

Die Kläger haben gegen die Beklagte aus § 611 BGB einen Anspruch auf Zahlung restlichen Anwaltshonorars in einer Höhe, die den ausgeurteilten Betrag übersteigt. Denn angefallen sind sowohl die Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) als auch die Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO). Die jeweilige Mittelgebühr ist aus einem Gegenstandswert in Höhe von jedenfalls 178.711,41 € (349.529,14 DM) zu berechnen.

1. Das Landgericht hat den Gegenstandswert allein im Blick auf die bei der H. bank zu erwirkende Pfandfreigabe bestimmt. Damit hat es jedoch den Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit verkannt (§ 7 Abs. 1 BRAGO).

a) Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist das Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit eines Rechtsanwalts bezieht. Dabei wird der Gegenstand durch den Auftrag des Auftraggebers bestimmt (BGH, Urt. v.

5. April 1976 -III ZR 95/74, LM § 7 BRAGO Nr. 2; v. 17. November 1983 -III ZR 193/82, AnwBl. 1984, 501; v. 24. November 1994 -IX ZR 222/93, ZIP 1995, 118, 122; v. 11. Dezember 2003 -IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1045; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO 15. Aufl. § 7 Rn. 2).

b) Das Mandat, das die Beklagte den Klägern erteilt hatte, umfaßte auch die Prüfung der Frage, ob eine Wandelungsklage Aussicht auf Erfolg hatte. Die Beklagte hat zwar hierzu wiederholt vorgetragen, daß sie von Anfang an beabsichtigt habe, die Wohnung zu behalten, ein Mandat, diese zurückzugeben, habe sie den Klägern nicht erteilt. Nicht bestritten hat sie jedoch, daß das am 7. Dezember 1994 bei den Klägern eingegangene Schreiben von ihr stammt. Darin hatte sie an den Kläger zu 3 unter Hinweis auf die "unfertige Wohnung" die Fragen gerichtet: "Muß ich das alles einfach so hinnehmen€ Hab ich als Verbraucher keinerlei Rechte€" Diese Fragen durften die Kläger auch als Auftrag verstehen, die Aussichten einer Wandelung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu prüfen. Sie sind daher zu Recht in ihrem Schreiben vom 2. Januar 1995 an die Beklagte ausführlich auf die Geltendmachung von Wandelungsansprüchen eingegangen.

c) Nach Sachlage wäre nicht eine Klage "auf" Wandelung gemäß § 465 BGB a.F. zu erheben gewesen. Vielmehr hätte die Beklagte nach Abgabe einer Wandelungserklärung sofort auf Leistung klagen müssen. Dementsprechend haben die Kläger in ihrem bereits erwähnten Schreiben vom 2. Januar 1995 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein "Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises" wohl nicht realisiert werden könne. Verlangt der Käufer in einem solchen Fall sein Geld -hier: den geleisteten Teilbetrag -zurück, so ist der Forderungsbetrag wertbestimmend (Staudinger/Honsell, BGB 13. Bearb. § 465 Rn. 27; Stein/Jonas/Roth, ZPO 21. Aufl. § 3 Rn. 63; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 3 Rn. B II b 1; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozeß

11. Aufl. Rn. 5004, 5005; s. auch OLG Hamm OLGR 2000, 17; MünchKommZPO/Schwerdtfeger, 2. Aufl. § 3 Rn. 136). Dieser Betrag beläuft sich auf 178.711,41 €. Das ergibt sich aus der von den Klägern mit Schriftsatz vom 1.

Juli 2002 vorgelegten Aufstellung des Bauträgers vom 11. April 1995, der die Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht widersprochen hat. Ob darüber hinaus für die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts in einem solchen Fall der volle Kaufpreis wertbestimmend ist, kann der Senat offenlassen.

2.

Aus diesem Gegenstandswert ist die Geschäftsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO angefallen. Das gleiche gilt für die Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO: Aus den von den Klägern mit Schriftsatz vom 27. März 2002 vorgelegten Schreiben vom 23. Mai 1995 an die Bevollmächtigte des Bauträgers und an die Beklagte sowie aus den mit Schriftsatz vom 1. Juli 2002 vorgelegten weiteren Schreiben vom 11. Januar 1995 an die Beklagte und vom 19. Juli 1995 an die Bevollmächtigte des Bauträgers ergibt sich, daß der Kläger zu 3 wiederholt mit der Bevollmächtigten Besprechungen über tatsächliche oder rechtliche Fragen der Angelegenheit durchgeführt hat (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2003, aaO S. 1047; Gerold/Schmidt/

v. Eicken/Madert, aaO § 118 Rn. 8). Daß das Mandat in der Zwischenzeit die Frage einer Wandelung nicht mehr umfaßte, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Ob auch die Besprechungen mit der H. bank auf den Gegenstandswert von 178.711,41 € bezogen werden können, kann somit dahinstehen.

3.

An der rechtlich zutreffenden Einordnung des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ist der Senat nicht durch den Umstand gehindert, daß die Beklagte keine dahin zielende Verfahrensrüge erhoben hat. Die Frage, was Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit war, betrifft die rechtliche Würdigung des zu beurteilenden Tatbestands, d.h. die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung dahin, ob die richtige Rechtsnorm richtig angewandt worden ist.

An die geltend gemachten Revisionsgründe ist der Senat nicht gebunden (§ 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO; vgl. MünchKomm/Wenzel, ZPO 2. Aufl. Aktualisierungsband § 557 Rn. 37 ff; Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 551 Rn. 10).

4.

Werden die von den Klägern mit Kostenrechnung vom 19. Dezember 2001 geltend gemachten 7,5/10-Geschäftsgebühr und 7,5/10-Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO) aus einem Gegenstandswert von 178.711,41 € berechnet, ergibt sich -ausgehend von dem am 7. Dezember 1994 geltenden Gebührenrecht (§ 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO) -eine die bereits von der Beklagten geleistete Zahlung von 2.895,70 DM sowie den zuerkannten Betrag von 1.287,74 € übersteigende Summe. Daß die Zahlung der Beklagten auf den nämlichen Gegenstand erfolgt ist, der auch der Kostenrechnung vom 19. Dezember 2001 zugrunde liegt, ist von den Vorinstanzen zutreffend erkannt worden. Sie ist daher auf die mit dieser Kostenrechnung geltend gemachten Gebühren und Auslagen anzurechnen (§ 13 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BRAGO). Gleichwohl verbleibt zugunsten der Kläger ein Überschuß. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch; das ergibt sich schon daraus, daß sie die Einrede nicht auf Gebührenansprüche bezogen hat, die Gegenstand der Kostenrechnung vom 19. Dezember 2001 sind.

Kreft Ganter Raebel Kayser Cierniak






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Urteil v. 17.06.2004
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