Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 68/05

(BPatG: Beschluss v. 11.07.2006, Az.: 27 W (pat) 68/05)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für die Klasse 27 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Februar 2005 wird aufgehoben.

Die Marke 302 59 276 ist aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 396 17 946 zu löschen.

Gründe

I Die Widersprechende hat gegen die am 7. März 2003 veröffentlichte Eintragung der am 3. Dezember 2002 angemeldeten und für "Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge" geschützten Marke Nr. 302 59 276 ISTIKBAL Widerspruch eingelegt aus ihrer am 15. April 1996 angemeldeten und seit 25. September 1996 für "Tische, Sessel und Stühle, Couches, Kleiderschränke, Kommoden, Toilettentische, Vitrinenschränke, Wäscheschränke, Schreibsekretäre, Geschirrschränke, Eckschränke, Sideboards, Eckvitrinenschränke, Matratzen, Kissen, Kopfstützen, Kopfpolster, Nackenrollen, Sofa-Kissen, Sitzkissen; Kissenbezüge, Volants, Federbetten, Bettlaken" eingetragenen Marke Nr. 396 17 946 Wiedergabe der Marke Die Markenstelle für Klasse 27 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 11. Februar 2005 den Widerspruch zurückgewiesen, weil ungeachtet der Frage der vom Markeninhaber bestrittenen rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke mangels der erforderlichen Warenähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr bestehe. Die beiderseits beanspruchten Waren unterschieden sich nämlich nach Einsatzbereich und Verwendungszweck grundlegend voneinander, weil die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren auf die Abdeckung und Gestaltung von Böden ausgerichtet seien, während es sich bei den für die ältere Marke geschützten Waren um Einrichtungsgegenstände und Möbel handele, die auf die Raumgestaltung als solche bezogen seien. Auch unterschieden sich die Ausgangsmaterialien, weil die unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Einrichtungsgegenstände und Textilwaren maßgeblich aus Holz bzw. Stoffen bestünden, wohingegen Bodenbeläge aus Linoleum und anderen, besonders robusten Materialien wie beispielsweise Kunststoff o. ä., hergestellt seien; zudem gebe es keine Praxis, dass Hersteller von Bodenbelägen auch Möbel herstellten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält eine Warenähnlichkeit für gegeben, weil die beiderseits beanspruchten Waren nicht nur aus denselben Ausgangsstoffen hergestellt würden, sondern auch häufig eine gemeinsame betriebliche Herkunft aufwiesen, wie den hierzu vorgelegten Unterlagen entnommen werden könne. Da die Widerspruchsmarke ausweislich der im Widerspruchsverfahren eingereichten Unterlagen rechtserhaltend benutzt sei - wobei wegen der hohen Umsätze sogar von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen sei - und die Marken klanglich identisch seien, sei die angegriffene Marke wegen der bestehenden Verwechslungsgefahr zu löschen.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss aufzuheben und dem Widerspruch aus der Marke 396 17 946.0 "istikbal" stattzugeben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet eine Warenähnlichkeit, da sich Möbel und Teppiche bzw. Bodenbeläge in ihrer Beschaffenheit und ihrem jeweiligen Verwendungszweck grundlegend unterschieden und sich auch nicht funktionell ergänzten. Eine rechtserhaltende Benutzung der eingetragenen Waren der Klasse 24 sei ebenso wenig glaubhaft gemacht wie eine angebliche Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Aus diesem Grund und wegen der fehlenden Warenähnlichkeit sei die Beschwerde daher zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

II A. Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg. Die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG kann im Ergebnis nicht verneint werden.

Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), ist der Warenabstand angesichts der klanglichen und begrifflichen Markenidentität und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht so groß, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden kann.

1. Da die am 25. September 1996 eingetragene Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 7. März 2003 seit mehr als fünf Jahren eingetragen war, hatte die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für beide Zeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG glaubhaft zu machen, also für die Zeit vom März 1998 bis März 2003 sowie vom Juli 2001 bis Juli 2006. Nach den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen des Inhabers der Widersprechenden und des Geschäftsführers ihrer inländischen Lizenznehmerin, der A... GmbH in B... sowie den eingereichten weiteren Unterlagen ist davon auszuge- hen, dass die Widerspruchsmarke für sämtliche eingetragenen Waren rechtserhaltend in den Jahren 1999 bis 2003 benutzt wurde, wobei die Umsätze sich kontinuierlich steigerten und im Jahr 2003 über 20 Mio. € lagen. Entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke zeigen die Unterlagen - ohne dass es hierauf im Ergebnis ankäme - auch eine Benutzung für Waren der Klasse 24, weil das vorgelegte Material nachweist, dass auch die hier genannten Waren als Accessoires für Bettmöbel, was offenbar den Schwerpunkt der Markenbenutzung bildet, vertrieben wurden.

2. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzusehen. Die von der Widersprechenden behauptete Steigerung der Kennzeichnungskraft vermag der Senat allerdings den eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen, weil sich aus diesen zwar für das Jahr 2003 Umsätze von über 20 Mio. € ergeben, mangels Vergleichs mit Konkurrenzprodukten hieraus aber nicht ohne weiteres auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft geschlossen werden kann. Letztlich kann dies aber auf sich beruhen, da auch unter Zugrundelegung normaler Kennzeichnungskraft, welche der Widerspruchsmarke von Haus aus unstreitig zukommt, eine Verwechslungsgefahr vorliegt.

3. Die sich gegenüberstehenden Marken sind, was zwischen den Beteiligten außer Streit steht, klang- und begriffsidentisch, so dass eine bis zur Identität reichende hochgradige Zeichenähnlichkeit vorliegt.

4. Angesichts der zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der an Identität grenzenden hochgradigen Markenähnlichkeit bedürfte es schon einer erheblichen Ferne zwischen den Waren "Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge", für welche die angegriffene Marke eingetragen ist, und den für die Widerspruchsmarke geschützten und rechtserhaltend benutzten Möbeln und Textilien. Eine solche Warenferne vermag der Senat entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke und der Markenstelle nicht festzustellen.

a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit alle Faktoren zu berücksichtigen, welche das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen, wozu insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen gehört (vgl. EuGH, GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 23] - Canon). Nach diesen Kriterien steht nach Ansicht des Senats eine zumindest mittlere Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren außer Frage.

b) Das Warenverzeichnis der jüngeren Marke erstreckt sich auf sämtliche Bodenbeläge, wozu u. a. auch solche aus Holz - vor allem als Parkett oder Laminat - oder Kork gehören. Wie der Senat bereits in anderer Sache festgestellt hat (vgl. BPatG 27 W (pat) 155/04 - BIGFOOT/Bigfoot, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM), werden solche Bodenbeläge ungeachtet der Frage der Herstellungsbetriebe, die ohnehin nur einen von mehreren Faktoren bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit betrifft, in der Regel in denselben Vertriebsstätten angeboten wie die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Möbel. So bieten etwa Schreinereien - was gerichtsbekannt ist - Fußbodenbeläge aus Holz oder Kork in aller Regel neben der Herstellung von Möbeln an; auch in Einrichtungshäusern werden solche Bodenbeläge zusammen mit Möbeln ausgestellt und angeboten, wobei es bei kleinen und mittelgroßen Geschäften entgegen der von der Inhaberin der angegriffenen Marke in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht nach den Erfahrungen des Senats sogar üblich ist, auch Teppiche und Linoleumböden in unmittelbarer Nähe zu Möbeln auszustellen und anzubieten. Für eine Ähnlichkeit der beiderseits beanspruchten Waren spricht schließlich auch ihr Charakter als einander ergänzende Waren, da Fußböden ebenso wie Möbel der (Innen-) Ausstattung von Wohnungen und Häusern dienen. Es liegt daher auf der Hand, dass die angesprochenen Verkehrskreise - dies sind wegen der Art der jeweils geschützten Waren alle inländischen Verbraucher - Bodenbeläge und Möbel demselben Unternehmen zuordnen, wenn sie diesen mit den sich hier gegenüberstehenden klang- und begriffsidentischen Kennzeichnungen begegnen.

5. Da somit eine Verwechslungsgefahr im Ergebnis nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, war der anderslautende Beschluss der Markenstelle aufzuheben und auf den Widerspruch der Widersprechenden die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 11.07.2006
Az: 27 W (pat) 68/05


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