Verwaltungsgericht Lüneburg:
Urteil vom 20. November 2003
Aktenzeichen: 2 A 275/01

(VG Lüneburg: Urteil v. 20.11.2003, Az.: 2 A 275/01)

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen bodenschutzrechtliche Anordnungen.

Anlässlich der Überprüfung ehemaliger Deponien in der Samtgemeinde E. im Jahre 1984 wurde auch die sog. €Eulenkuhle€ mit einer Größe von ca. 3.250 m² und einem Ablagerungsvolumen von ca. 23.000 m³ erfasst (Flurstück der Flur in der Gemarkung E.). Nach den Recherchen des Beklagten handelt es sich dabei um eine durch Kiesabbau Mitte des 19. Jahrhunderts entstandene Grube, die ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt als Abfalldeponie genutzt worden ist. Im Jahre 1962 erwarb die C. AG die Fläche und verkaufte sie im August 1965 an die €T. W. AG€ in F. Am 1. September 1965 zeigte die €V. AG€ gegenüber dem Beklagten an, dass sie als Betriebsführungsgesellschaft auf den im Eigentum der T. W. stehenden Grundstücken in E. €die Herstellung von Korksteinplatten, anderen Dämmstoffen und sonstigen Baumaterialien€ aufnehme. Die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Eigentümer und dem Betreiber waren durch einen im Handelsregister angeführten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geregelt, von dem weder die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der €V. AG€ noch die T. AG als Gesamtrechtsnachfolgerin der €T. W. AG€ ein Exemplar im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren vorgelegt haben. Nach einem Protokoll über eine Verwaltungsausschusssitzung der Gemeinde E. vom 5. Mai 1966 ist €der Abladeplatz des Dämmstoffwerkes nahezu gefüllt€. Am 1. Februar 1967 wurde im Handelsregister die Aufhebung der V. Zweigniederlassung eingetragen. Eigentümerin der Grundstücke blieben weiterhin die T. W. Im Juli 1974 wurde die €Eulenkuhle€ von Herrn U. aus M. gekauft. Nachdem das Eigentum auf Frau U. übergegangen war, ist es durch Verzichtserklärung der Eigentümerin seit 1994 herrenlos.

Im November 1993 beauftragte der Beklagte die Firma G. in H., €eine Gefährdungsabschätzung für die ehemalige Deponie E./Eulenkuhle€ zu erstellen. Die hohe Untersuchungspriorität ergebe sich aus deren Lage innerhalb der Schutzzone III b des Wasserschutzgebietes G. und einer daraus resultierenden möglichen Gefährdung des im Abstrom gelegenen Wasserwerks. Bei Auswertung der fünf eingerichteten Grundwassermessstellen (PB 1 - 5) kam die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass €eine Belastung des Schutzgutes Boden im Umfeld der Deponie durch Schwermetalle und PCBs (polychlorierte Biphenyle) ... aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse weitgehend ausgeschlossen werden (kann). Im Gegensatz dazu ist der Boden stark mit PAKs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) belastet, die vorhandenen Richtwerte werden teilweise um ein Vielfaches überschritten. Ursache für die PAK-Belastung ist offensichtlich der Austrag aus der Deponie über den Luftweg. Im Deponat wurden PAK-Gehalte bis 6.177 mg/kg festgestellt.€ Weiter heißt es in dem Gutachten:

€Ein zukünftiger Austrag von PAKs ins Grundwasser in nennenswertem Umfang und eine damit verbundene Gefährdung des im Abstrom der Altdeponie liegenden Wasserwerks G. erscheint aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit zwar unwahrscheinlich, kann aber auf der Grundlage der bisher durchgeführten Untersuchungen nicht ausgeschlossen werden, da u.a. keine Aussagen über eine Stockwerkstrennung im Deponiebereich bzw. vorhandene hydraulische Verbindungen zwischen oberem und unterem Grundwasserleiter gemacht werden können.

Auf der Grundlage der festgestellten Befunde halten wir eine weitergehende Erkundung gemäß Handlungsbedarf E 2-3 des Altlastenprogramms (Detailuntersuchung) für erforderlich.

Diese Gefährdungsabschätzung veranlasste den Beklagten, hinsichtlich der Schutzgüter Luft und Oberflächenwasser zunächst keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen, wohl aber hinsichtlich des Schutzgutes Grundwasser. Im September 1996 wurde der UBAC der Auftrag erteilt, eine Teiluntersuchung der Altablagerung Eulenkuhle durchzuführen. Hinsichtlich der Kontaminierung des Grundwassers kam die Untersuchung zu folgenden Ergebnissen, wobei die drei durchgeführten Stichtagsmessungen Grundwasserbestände zeigten, die ca. 1 m unter dem Niveau von 1994 (G. -Untersuchung) lagen. In allen drei Proben wurden PAK festgestellt, und zwar am Messpunkt PB 2 0,381 µg/l, am Messpunkt PB 3 0,854 µg/l und am Messpunkt PB 5 0,620 µg/l. Der Prüfwert nach der Verordnung zum Bundesbodenschutzgesetz beträgt 0,2. µg/l

Aufgrund dieser Prüfwertüberschreitungen empfahl der Gutachter zum Schutz des Grundwassers eine halbjährige Überprüfung, wobei die Ergänzung bzw. Erneuerung des Grundwasserbeweissicherungssystems durch einen neuen Anstrom- und einen weiteren Abstrombrunnen im Südwesten €unerlässlich€ sei.

Nachdem nunmehr aus der Sicht des Beklagten konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Altlast vorlagen, ermittelte er zunächst den Gesamtrechtsnachfolger der €T Werke AG€ und der €V. AG€ als den potentiellen Hauptuntersuchungspflichtigen. Anschließend leitete er gegen die Klägerin ein Verfahren wegen eines Aufwanderstattungsanspruchs (Kosten der eingeholten Gutachten) nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 NAbfG ein (Bescheid vom 21. Dezember 1998). Dieses Verfahren wurde nach Inkrafttreten des Bundesbodenschutzgesetzes am 1. März 1999 und der damit verbundenen ersatzlosen Herausnahme des sechsten Teils des NAbfG wieder eingestellt und der Bescheid vom 21. Dezember 1998 aufgehoben. Nunmehr hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Heranziehung zu Eigenkontrollmaßnahmen in Form der Errichtung von Grundwassermessstellen sowie von Grundwasseruntersuchungen an und verpflichtete sie mit hier angefochtener Verfügung vom 20. Juli 2000, folgende Maßnahmen durchzuführen:

€1. Errichtung einer weiteren Grundwassermessstelle PB 6 an der Südwestecke der Deponie (siehe Anlage 1), Ausbau entsprechend der beiliegenden Ausbauzeichnung (Anlage 2).

2. Zweimalige Entnahme von Grundwasserproben aus den Grundwassermessstellen PB 2, PB 3, PB 4, PB 5 und PB 6 zum Zeitpunkt des Grundwassertiefststandes (Oktober) und des Grundwasserhöchststandes (April).

3. Untersuchung der Proben auf folgende Parameter:

- pH-Wert

- Temperatur

- Sauerstoffgehalt

- elektr. Leitfähigkeit

- PAK (16 nach EPA)

4. Messung der Grundwasserspiegelhöhe und Ermittlung der Grundwasserfließrichtung.

5. Zusammenfassung der Ergebnisse und Beurteilung der Belastungssituation in einem Bericht.€

Zur Begründung dieser Maßnahmen gegenüber der Klägerin führte der Beklagte im Einzelnen Folgendes aus: Nach den Bestimmungen des Bundesbodenschutzgesetzes könnten die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen verpflichtet werden, Untersuchungen zur Gefahrabschätzung durchzuführen, wenn konkrete Anhaltspunkte den hinreichenden Verdacht einer Altlast ergäben. Hiervon sei regelmäßig dann auszugehen, wenn Untersuchungen die Überschreitung von Prüfwerten ergeben hätten. Das sei vorliegend der Fall. Blieben die Untersuchungen der G. von 1994 hinsichtlich des Grundwassers noch ohne entsprechenden Befund, hätten die Detailuntersuchungen der UBAC von 1997 tatsächlich eine Prüfwertüberschreitung ergeben. Somit lägen je ein positiver und ein negativer Befund vor, jedoch bei unterschiedlichen Grundwasserspiegelhöhen in den Messstellen. Es sei deshalb erforderlich, die Befunde in die eine oder andere Richtung bei vergleichbaren Verhältnissen durch erneute Untersuchungen abzusichern, damit eine Fehlbeurteilung der Kontaminationssituation unterbleibe und ggf. angemessene Maßnahmen zur Sicherung oder Sanierung der Altlast eingeleitet werden könnten. Damit lägen konkrete Anhaltspunkte nach § 9 Abs. 2 BBodSchG vor, weitere Untersuchungen zu Lasten eines Pflichtigen durchzuführen. Gemäß § 4 BBodSchG kämen als Untersuchungspflichtige die C. J., Nachfolger S., und die C. AG als Betreiber nicht mehr in Frage, da diese Firmen ohne Rechtsnachfolger bereits in den 60er Jahren erloschen seien. In welchem Umfang sie die Eulenkuhle verfüllt hätten, sei nicht bekannt. Die letzte Eigentümerin, Frau U., heranzuziehen, sei nicht sachgerecht. Denn nach dem Verkauf des Grundstücks durch die T. W. sei die Eulenkuhle nachweislich nicht mehr als Abfallentsorgungsanlage genutzt worden. Es sei noch nicht einmal sicher, ob die letzte Eigentümerin überhaupt Kenntnis von der Vornutzung des Grundstücks gehabt habe. Eine Ordnungspflichtigkeit der T. AG scheide ebenfalls aus. Ihre frühere Tochter, die TT. AG, habe selbst weder auf der Eulenkuhle produziert noch dort Produktionsabfälle verfüllt. Der mit der V. AG geschlossene Beherrschungsvertrag rechtfertige keine andere Einschätzung. Denn gemäß § 308 Abs. 1 AktG berechtige ein solcher Vertrag lediglich, dem Vorstand der Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Damit habe die beherrschende Gesellschaft nicht die Berechtigung gehabt, die Tätigkeit der beherrschten Gesellschaft zu beschränken oder zu untersagen, noch über deren Tätigkeit nach Zeit und Umfang zu bestimmen. Insbesondere habe sie keinen Einfluss darauf gehabt, wie produziert und wie Produktionsrückstände entsorgt würden. Eine andere Regelung könnte sich zwar aus dem Beherrschungsvertrag ergeben, dieser sei jedoch von den Beteiligten nicht vorgelegt worden, so dass es bei den allgemeinen Regelungen bliebe. Mithin komme als Untersuchungspflichtige nur die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der TT. AG in Betracht, die von September 1965 bis Februar 1967 in E. eine Zweigniederlassung betrieben und die Eulenkuhle als Deponie genutzt habe. Zwar könnten angesichts der relativ kurzen Produktionszeit die von ihr abgelagerten Abfallmengen tatsächlich vergleichsweise gering sein, doch komme es auf den möglicherweise nur geringen Verursachungsbeitrag nicht an. Wer einen Ursachenbeitrag geleistet habe, sei er auch noch so klein, sei Handlungsstörer. Bisher habe die Klägerin auch nicht dargetan, dass anstelle der Eulenkuhle andere Entsorgungsmöglichkeiten genutzt worden wären. Damit stehe die Klägerin als Handlungsstörerin einwandfrei fest. Es seien auch keine rechtlichen, faktischen oder finanziellen Gründe bekannt, aus denen die Erfüllung der Verpflichtung durch die Klägerin nicht gewährleistet sein könnte.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. In der angefochtenen Verfügung sei bereits die unterschiedliche Funktion der Handlungsermächtigung für die Behörde nach § 9 Abs. 1 BBodSchG und der Eingriffsbefugnis gegenüber dem Sanierungsverantwortlichen nach § 9 Abs. 2 BBodSchG verkannt worden. Die Überschreitung von Prüfwerten rechtfertige zwar ein Handeln der Behörden, noch nicht aber ein Tätigwerden gegenüber einem potentiellen Störer. Wolle die Behörde also allein gestützt auf die Überschreitung von Prüfwerten weitere Untersuchungen zur Gefahrabschätzung durchführen lassen, müsse sie dieses auf eigene Initiative und Kosten tun. § 9 Abs. 2 BBodSchG erlaube es der Behörde nicht, zunächst auf Kosten eines Sanierungsverantwortlichen zu testen, ob sich die bloßen Anhaltspunkte im Zuge der weiteren Untersuchung zu einem hinreichenden Verdacht verdichteten. Hinzu käme, dass die G.-Untersuchung von 1994 noch keinen Befund ergeben habe, die U.-Untersuchung von 1997 zwar eine Prüfwertüberschreitung, aber eine solche, die mit einer Gefährdung für die Wassergewinnung überhaupt nicht in Zusammenhang zu bringen sei. Die Annahme, die Belastung habe in den drei Jahren zugenommen, sei nicht belegbar und stehe auf tönernen Füßen. Nach drei Jahrzehnten des Vorhandenseins von PAK-haltigen Bodenverunreinigungen spreche nichts mehr dafür, dass sich von diesem Standort plötzlich €in nennenswertem Umfang€ PAK-Frachten in Richtung auf die Wassergewinnungsanlagen in Bewegung setzten könnten.

Der Beklagte ziehe aus ihr - der Klägerin - eingeräumten vergleichsweise geringen Verursachungsbeitrag unzutreffende Schlussfolgerungen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlange in einem solchen Fall eine Rechtfertigung, dass man sie als Rechtsnachfolgerin der möglichen Verursacherin nach mehr als drei Jahrzehnten, in denen sich keine Schäden gezeigt hätten, darauf in Anspruch nehme, den Untersuchungsaufwand dafür zu tragen, was sich aus der Bodenverunreinigung hätte entwickeln können. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erschöpfe sich auch nicht darin, zu prüfen, wen man noch in Anspruch hätte nehmen können. Wenn keiner in Betracht käme, müsse ggf. die Behörde selbst die weiteren Ermittlungen finanzieren, anstelle sie demjenigen aufzubürden, der allenfalls einen geringen Beitrag geleistet habe. Gemessen an der jahrzehntelangen Auffüllung der Deponie erscheine es auch willkürlich, heute zu unterstellen, dass die PAK-haltigen Schadstoffe ausgerechnet in der kurzen Betriebsphase niedergebracht worden sein sollten, für die sie einstehen soll.

Der Ausschluss der T AG aus dem Kreis der Handlungs- oder Zustandsstörer überzeuge nicht. § 308 Abs. 1 AktG schließe nicht aus, dass aufgrund des Beherrschungsvertrages auch Weisungen erteilt worden seien, wie ihre Rechtsvorgängerin Produktionsabfälle zu behandeln habe. Vielmehr spreche alles dafür, dass die damals bereits problematisch gewordene Entsorgungsfrage von der TT. AG mit verantwortet werden musste. In der kurzen Produktionszeit habe das Direktionsrecht für Produktionsstruktur, Abfallentsorgung und Abfallablagerung eindeutig bei den T. Werken gelegen. Auf die Einzelheiten eines Beherrschungsvertrages komme es nicht an.

Wenn auch die Effizienz der Sanierung im Vordergrund stehe, müsse die Heranziehung des einen oder anderen Handlungs- oder Zustandsstörers für das ganze doch am Maßstab der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit überprüft werden. Daran ändere auch die Möglichkeit des Rückgriffs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG nichts, weil sich die im Zivilrechtsweg Beklagten möglicherweise überflüssige oder zumindest dem Aufwand nach deutlich übertriebene Sanierungsanstrengungen sicherlich nicht anlasten lassen müssten. Zu bedenken sei auch, dass die Forderung, Grundwassermessstellen zu errichten und Grundwasseruntersuchungen durchzuführen, sich als ein Vorläufer von möglicherweise komplexen Maßnahmen auf dem belasteten Grundstück darstelle, um der Wanderung von PAK über den Grundwasserabstrom zur Wassergewinnungsanlage zu begegnen. Gerade bei Maßnahmen dieser Art sei das Auswahlermessen der Behörde, wie sich aus § 14 Abs. 1 Satz 3 BBodSchG deutlich ergebe, stark eingeschränkt. Eine behördliche Sanierungsplanung müsse um eine koordinierte Heranziehung aller Sanierungspflichtigen bemüht sein, sie könne sich nicht auf die Heranziehung eines potentiellen Mitverursachers mit einem allenfalls nur geringfügigen Verursachungsbeitrag beschränken und diesen dann darauf verweisen, sich in einer Vielzahl von zivilrechtlichen Rückgriffsstreitigkeiten einen Ausgleich zu verschaffen.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2001 wies die Bezirksregierung Lüneburg diesen Widerspruch zurück. Auch wenn aufgrund der 1997 festgestellten PAK-Werte noch keine akute Gefährdung für das Grundwasser in der Wasserschutzzone III b des Wasserwerkes G. bestehe, müsse doch anhand zusätzlicher Untersuchungen und Bewertungen die von den 1994 ermittelten Ergebnisse gravierend abweichenden Grundwasseruntersuchungsergebnisse aus dem Jahre 1997 abgesichert werden. Die Aussage, dass keine Gefährdung für das Wasserwerk G. bestehe, habe erst dann ihre Berechtigung, wenn gesicherte Erkenntnisse vorlägen und die Unsicherheiten über die Grundwassersituation beseitigt seien. Hier eine Klärung herbeizuführen, dienten die angeordneten Maßnahmen. Die Heranziehung der Klägerin als Verantwortliche sei nicht ermessensfehlerhaft, da nach den §§ 302 ff AktG eine Konzernmutter alle in der Jahresbilanz des Tochterunternehmens ausgewiesenen Verluste zu ersetzen habe. Diese Ausgleichspflicht sei aber nicht als ein Einstehenmüssen im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG zu verstehen, denn die herrschende Gesellschaft stehe nicht für die Erfüllung konkreter Pflichten ein, sondern gleiche lediglich einen entstandenen Fehlbetrag aus. Daraus ergebe sich, dass die Behörde auch bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages grundsätzlich nicht befugt sei, eine Sanierungsanordnung unmittelbar gegenüber der Konzernmutter zu erlassen. Die Heranziehung der Klägerin erscheine auch sachnah, da die V. AG zumindest als Mitverursacherin der Altlast €Eulenkuhle€ in Betracht komme. Nach der Rechtsprechung reiche die bloße Mitverursachung einer Gefahr aus, um eine Verantwortlichkeit zu begründen. Der Grad der Verursachung sei dabei unerheblich, soweit der Beitrag der Verunreinigung für sich betrachtet ein Einschreiten der Behörde unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit rechtfertige.

In der nunmehr gegen diese Bescheide erhobenen Klage vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Auch die Begründung des Widerspruchsbescheides sei nicht geeignet, konkrete Anhaltspunkte für den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung im Sinne des § 9 Abs. 2 BBodSchG zu belegen. Der Behörde gehe es erklärtermaßen darum, gesicherte Erkenntnisse hinsichtlich der Unsicherheiten der Grundwassersituation und möglicher Schadstofftransporte zu gewinnen. Ein solcher Aufklärungsbedarf falle aber allein in den Bereich der rein behördlichen Ermittlungspflicht. Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip sei ergänzend auszuführen, dass ein Sanierungspflichtiger nur dann herangezogen werden könne, wenn er ggf. auch für die wirklichen Sanierungs- oder Sicherungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden könnte. Das sei vorliegend aber nicht der Fall. Nach wie vor sei nicht nachvollziehbar, welchen Nachweisen der Beklagte die Gewissheit entnehme, dass sie in der Endphase ihrer Niederlassung in E. noch schadstoffhaltige Abfälle in der Deponie Eulenkuhle abgelagert habe. Es müsse bestritten werden, dass in dem hier maßgeblichen Zeitraum überhaupt noch schadstoffhaltige Abfälle abgelagert worden seien. Vielmehr spreche alles dafür, dass der Deponiebetrieb bereits Anfang 1960 beendet worden sei. Selbst wenn man davon ausgehen könnte, dass dort Ablagerungen vorgenommen worden seien, bleibe offen, ob es sich hierbei tatsächlich um schadstoffhaltige, insbesondere PAK-haltige Abfälle handele. Aber selbst wenn bis zur Produktionseinstellung vor Ende 1966 tatsächlich einige schadstoffhaltige Abfälle von dem Werk in der Eulenkuhle abgelagert worden seien, führe dies nicht zu einer Verantwortlichkeit für die gesamte vermeintliche Altlast Eulenkuhle. Nur soweit die Kausalkette reiche, könne der Verursacher bzw. dessen Gesamtrechtsnachfolger herangezogen werden. Eine Verantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 BBodSchG komme daher allenfalls insoweit in Frage, als die Altablagerung oder schädliche Bodenveränderung durch sie verursacht worden sei. Selbst nach dem Vortrag des Beklagten komme hierfür nur ein Zeitraum von sechzehn Monaten in Betracht. Unabhängig davon komme ihre Verantwortlichkeit auch deshalb nicht in Betracht, da von einer Mitverantwortlichkeit allenfalls dann ausgegangen werden könnte, wenn ihr Beitrag zur Entstehung der Altlast wesentlich gewesen sei. Bereits hieran fehle es angesichts der nur sehr kurzen Betriebsdauer. Ihre Verantwortlichkeit komme auch deshalb nicht in Betracht, weil sie die Deponie Eulenkuhle selbst nicht betrieben habe. Sie habe ihr niemals gehört. Eigentümerin sei zu dem maßgeblichen Zeitpunkt die T. W. AG gewesen. Allein diese sei für den Betrieb der Deponie verantwortlich und müsse daher für etwaige Verunreinigungen auch einstehen.

Konkrete Anhaltspunkte, die den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast begründen könnten, lägen nicht vor. Es fehle bereits an der behaupteten Prüfwertüberschreitung, wie sich im Einzelnen aus dem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten des TÜV Rheinland vom 18. Dezember 2002 ergebe. Der Rückschluss von Grundwassermesswerten auf Konzentrationen im Sickerwasser am Ort der Beurteilung sei aufgrund der vorliegenden Datenlage nicht möglich. Selbst wenn von einer Prüfwertüberschreitung auszugehen wäre, liege kein hinreichender Verdacht vor, da bereits zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen werden könne, dass eine schädliche Bodenveränderung oder eine Altlast vorliege. Dieses ergebe sich im Einzelnen aus den fachgutachterlichen Feststellungen des TÜV Rheinland. Im gegenwärtigen Zustand sei die Deponie Eulenkuhle danach nicht geeignet, Gefahren herbeizuführen. Weitere Untersuchungen, die zu keiner weitergehenden Erkenntnis führten, dürften daher nicht gefordert werden.

Selbst bei Feststellung erhöhter PAK-Werte im Grundwasser könne man nicht ernsthaft in Betracht ziehen, sie zur Auskofferung oder Einhäusung des gesamten Schadensherdes oder zum Betrieb einer Abstromsicherung auf unbestimmte Zeit heranzuziehen. Spätestens hier würde sich zeigen, dass der Sanierungsaufwand entweder schlechthin untragbar hoch sei oder jedenfalls nicht auf sie abgewälzt werden könne. Schließlich sei zu Unrecht die T. AG für eine Inanspruchnahme ausgeschlossen worden. Die Behörde habe ihr Auswahlermessen zumindest insofern fehlerhaft ausgeübt, als sie nicht neben ihr - der Klägerin - auch die T. AG in Anspruch genommen habe. Diese sei in jeder Hinsicht ihr gegenüber weisungsbefugt gewesen. Eine Beschränkung der Weisungsbefugnis auf Leitungsfragen, wie der Beklagte fälschlich annehme, sei nicht vorgenommen worden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass sie die Deponie auch betrieben habe, wäre dies im Namen und für Rechnung der T. W. geschehen. Der Einbringungsvertrag vom 30. Juni 1993, in dem der Unternehmensbereich der V. in die T. AG eingegliedert worden ist, betraf die Übertragung von Aktive und Passiva, nicht aber die Übertragung einer ordnungsrechtlichen Verantwortung für die bereits seit 30 Jahren stillgelegte und veräußerte Deponie Eulenkuhle. Abgesehen davon sei das Grundstück herrenlos. Mithin hätte gegen die letzte Eigentümerin die Untersuchungsanordnung gerichtet werden müssen, jedenfalls sei die Auswahlentscheidung rechtsfehlerhaft. Im Ergebnis seien vorrangig jedenfalls andere heranzuziehen. Der Einbringungsvertrag vom 30. Juni 1993, in dem der Unternehmensbereich V. in die T. AG eingegliedert worden sei, betraf die Übertragung von Aktiva und Passiva, nicht aber die Übertragung einer ordnungsrechtlichen Verantwortung für den Bereich der vor mehr als 30 Jahren stillgelegten und später veräußerten Deponie Eulenkuhle..

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 15. Mai 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 BBodSchG zur Inanspruchnahme der Klägerin seien vorliegend erfüllt. Das Ergebnis der €gezielten Nachermittlung€ stelle einen Anhaltspunkt im Sinne des § 9 Abs. 1 BBodSchG dar. Die daraufhin veranlasste Untersuchung durch die G. habe konkrete Anhaltspunkte im Sinne von § 9 Abs. 2 BBodSchG erbracht, wenn nicht sogar eine Bestätigung des Altlastverdachtes. Folglich könnten alle weiteren Maßnahmen der verantwortlichen Person aufgegeben werden. Dabei sei unzweifelhaft, dass die Klägerin die Eulenkuhle zur Ablagerung ihrer produktionsspezifischen Abfälle genutzt habe. Über die Menge der abgelagerten Abfälle sei zwar nichts bekannt, darauf komme es jedoch auch nicht an. Aus der Gewerbeanmeldung der T. W. vom September 1975 ergebe sich, dass ihre Tochter - die V. - pechgebundene Korksteinplatten produziert habe und dass nach einem Schreiben der Samtgemeinde vom. April 1973 die gemeindliche Feuerwehr des öfteren habe ausrücken müssen, um die stinkenden und qualmenden Korkreste wenigstens zeitweise abzulöschen. Bei den Untersuchungen durch die G. seien überdies Stoffe - nämlich PAK - gefunden worden, wie sie in Pech regelmäßig enthalten seien. In der Eulenkuhle lägen also zu oberst Abfälle dessen, was V. produziert bzw. zur Produktion eingesetzt habe. Der Vorwurf, sie hätte die abgelagerten Abfälle nicht intensiv genug auf deren Herkunft untersucht, greife angesichts der überzeugenden historischen Datenlage nicht.

Die Ausführungen in dem Gutachten des TÜV Rheinland hinsichtlich einer fehlenden Prüfwertüberschreitung überzeugten nicht. Das Gutachten weise eine Reihe von formellen und inhaltlichen Mängeln aus, mit dem Ergebnis, dass es die Feststellungen in dem U. -Gutachten nicht zu erschüttern vermöge. Besonders gewagt seien in diesem Zusammenhang die Ausführungen zur möglichen Beeinflussung des Wasserwerkes G.. Abgesehen von der Irrelevanz der Bewertung, solange man sich noch auf der Ebene der Gefahrerforschung befinde, beurteile der Gutachter Dinge, die er nicht untersucht habe. Er stütze sich lediglich auf ein hydrogeologisches Gutachten und zitiere dieses unvollständig. Auch werde der Schadstofftransport vom Gutachter zu vereinfacht gesehen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass auch nach Ansicht des Gutachters eine Beeinträchtigung des Grundwassers im Bereich der Eulenkuhle vorliege, die auf den Einfluss der dort abgelagerten Industrieabfälle und deren Verbrennungsrückstände über das Sickerwasser zurückzuführen sei. Die Datenlage sei jedoch noch nicht hinreichend, um eine Gefahrenbeurteilung vorzunehmen. Insofern sei es erforderlich, die der Klägerin aufgegebenen Untersuchungen auch durchzuführen.

Aber selbst wenn es neben einer Prüfwertüberschreitung noch weiterer Umstände für hinreichende Verdachtsmomente bedürfe, sei auch diese Voraussetzung vorliegend erfüllt. Denn zu beachten sei, dass die Eulenkuhle im Wasserschutzgebiet liege. Dieses bedinge ein besonderes Schutzbedürfnis. Dabei lasse sich der tatsächliche Verlauf einer Grundwasserbeeinträchtigung nur über eine permanente Überwachung oder doch zumindest eine längerfristige Messreihe mit kurzen Probenahmeintervallen feststellen. Die erlassene Verfügung sei im Übrigen auch nicht ermessensfehlerhaft. Lasse sich - wie vorliegend - bei mehreren Handlungsstörern der einzelne Verursachensbeitrag nicht herausrechnen, haften diese quasi als Gesamtschuldner. Es widerspräche auch der Rechtsordnung, wenn der Allgemeinheit gleichsam automatisch Pflichten zufielen, nur weil dem Grunde nach feststehende Verursachungsbeiträge sich im Nachhinein nicht mehr quantifizieren ließen. Der Annahme der Klägerin, bei der Prüfung der Pflichtigkeit eines Störers Detailuntersuchungen durchzuführen, müssten auch schon Überlegungen zur Machbarkeit/Zumutbarkeit späterer Sanierungs- oder Sicherungsmaßnahmen einfließen, sei zu widersprechen. Überlegungen zur Tragbarkeit eines imaginären Sanierungsaufwandes seien zu diesem Zeitpunkt noch rein spekulativ. Insofern sei die Beurteilung der Untersuchungspflicht der Klägerin losgelöst von der Beurteilung der Zumutbarkeit weiterer, derzeit noch unklarer Maßnahmen zu sehen.

Schließlich gingen auch die von der Klägerin gegen die Störerauswahl erhobenen Einwendungen fehl. Eine Verantwortlichkeit der T. AG habe nicht festgestellt werden können. Sie sei keine Zustandsstörerin, da sie nicht mehr Eigentümerin der Eulenkuhle sei. Sie könne auch nicht als Verhaltensstörerin in Anspruch genommen werden. Die bloße Existenz eines Beherrschungsvertrages reiche hierfür nicht aus. Allein aus der Eigenschaft als Hintermann könne im Bodenschutzrecht die Verhaltensverantwortlichkeit nicht abgeleitet werden. Eine unmittelbare Verursachung liege aber in Bezug auf die T. AG nicht vor. Sie habe selbst die Deponie nicht benutzt. Daher wäre eine Verantwortlichkeit nur dann zu bejahen, wenn sie gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin konkrete Einzelweisungen betreffend die Ablagerung der Produktionsabfälle auf der Deponie gegeben hätte. Hierfür gebe es aber keine Anhaltspunkte. Die bloße Existenz eines Beherrschungsvertrages lasse nicht den von der Klägerin gezogenen Schluss zu, es müsse auch Weisungen die Entsorgung von Produktionsabfällen betreffend gegeben haben. Verbleibende Unsicherheiten gingen nicht zu Lasten der Allgemeinheit. Lasse sich trotz Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht ermitteln, ob eine weitere Person Störer sei, hindere dieses nicht die Inanspruchnahme eines feststehenden Störers. Selbst wenn man die sog. Zusatzverantwortlichkeit des Geschäftsherrn für den Verrichtungsgehilfen anerkennen wolle, müsse auch insoweit eine konkrete Weisung vorliegen. Daran fehle es aber. Zur Frage der Mitursächlichkeit sei weiterhin auf den Einbringungsvertrag zwischen der T. AG und der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin vom 30. Juni 1994 hinzuweisen. Unter 5.3 hätten die Verfahrensbeteiligten eine Vereinbarung über Altlasten getroffen. Daraus gehe hervor, dass zwar sämtliche Pflichten auf die V. übergegangen seien, sich T. jedoch an der Finanzierung etwaiger Untersuchungs- und Sanierungsaufwendungen bis zum 31. Dezember 2009 beteilige. Daraus werde klar, dass die Klägerin längst Vorsorge für vergleichbare Fälle wie den Vorliegenden getroffen habe. Sie habe sich per Vertrag zur polizeipflichtigen Störerin erklärt, müsse die sich daraus ergebenden finanziellen Lasten aber nicht allein tragen.

Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass die T. AG Störerin sei, wäre gegen die getroffene Störerauswahl rechtlich nichts einzuwenden. Es handele sich dabei um eine Ermessensentscheidung, die sich in erster Linie an der Effektivität der Gefahrenabwehr orientieren müsse. Aus § 14 Satz 1 Nr. 3 BBodSchG ergebe sich nicht, dass die Behörde verpflichtet wäre, alle Störer in Anspruch zu nehmen. Entscheidend sei, dass vorliegend eine effektive Gefahrenabwehr eher durch die Inanspruchnahme der Klägerin als durch die der T. AG zu erreichen sei. Als Nachfolgerin der Betriebsgesellschaft habe die Klägerin insbesondere genauere Informationen über die Produktionsabläufe sowie Menge und Zusammensetzung der angefallenen Abfälle als die lediglich lenkende Muttergesellschaft. Selbst wenn man aber unter Effektivitätsgesichtspunkten zu einer annähernd gleichwertigen Verantwortlichkeit gelangen würde, sei die Auswahl eines der beiden Störer nicht ermessensfehlerhaft. Die Effektivität der Gefahrenabwehr würde massiv beeinträchtigt, wenn in diesem Fall eine Inanspruchnahme beider Störer im Wege eines Zusammenwirkens verlangt würde. Deshalb müsse die Behörde in einem solchen Fall zur Inanspruchnahme nur eines der Störer berechtigt sein, wobei maßgeblich auf die Nähe zur Gefahrverursachung abzustellen sei. Im Übrigen würden die Folgen dieser Auswahl durch die Möglichkeiten des § 24 Abs. 2 BBodSchG relativiert, der eine Ausgleichsmöglichkeit zwischen verschiedenen Störern eröffne.

Mit Schriftsatz vom 22. September 2003 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erstmals die von ihr bereits am 4. Juni 2002 in Auftrag gegebene €Gutachterliche Stellungnahme zum möglichen Gefährdungspotential der Altablagerung €Eulenkuhle€, E. - Auswertung des vorhandenen Untersuchungsstandes€ des TÜV Rheinland/Berlin-Brandenburg€ vom Dezember 2002 vorgelegt, sowie ein €Hydrologisches Gutachten zur Ausweisung eines Schutzgebietes für das Wasserwerk G. der Stadtwerke Celle GmbH des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung vom (Tagesdatum nicht lesbar) März 1975. In der mündlichen Verhandlung am 25. September 2003 hat die Kammer auf Grund dieser verspäteten Vorlage der Gutachten beschlossen, der Beklagten Gelegenheit zu geben, hierzu noch Stellung zu nehmen, und sodann im Einverständnis mit den Beteiligten eine Entscheidung der Kammer ohne weitere mündliche Verhandlung herbeizuführen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin ermessensfehlerfrei die Durchführung von bodenschutzrechtlichen Maßnahmen verfügt.

Bei der Eulenkuhle handelt es sich um eine Altlast i. S. d. § 2 Abs. 5 BBodSchG, die den Beklagten zu Recht veranlasst hat, den Sachverhalt nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG zu ermitteln (1.). Diese Ermittlungen haben den hinreichenden Verdacht von schädlichen Bodenveränderungen ergeben, die den Beklagten berechtigte, notwendige Untersuchungen zur Gefahrabschätzung nach § 9 Abs. 2 BBodSchG durch den Pflichtigen durchführen zu lassen (2.). Bei der Auswahl des Störers nach § 4 Abs. 3 BBodSchG hat der Beklagte ermessensfehlerfrei die Klägerin ausgewählt (3.).

1. Liegen der zuständigen Behörde Anhaltspunkte dafür vor, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt, so soll sie zur Ermittlung des Sachverhalts die geeigneten Maßnahmen ergreifen. Werden die in einer Rechtsverordnung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 festgesetzten Prüfwerte überschritten, soll die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um festzustellen, ob eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt. Im Rahmen der Untersuchung und Bewertung sind insbesondere Art und Konzentration der Schadstoffe, die Möglichkeit ihrer Ausbreitung in die Umwelt und ihrer Aufnahme durch Menschen, Tiere und Pflanzen sowie die Nutzung des Grundstücks nach § 4 Abs. 4 zu berücksichtigen ( § 9 Abs. 1 Sätze 1 - 3 BBodSchG).

Die Regelung in § 9 Abs. 1 BBodSchG ermöglicht der zuständigen Behörde ein Tätigwerden zur Sachverhaltsermittlung. Es soll entweder der Verdacht einer Altlast oder einer schädlichen Bodenveränderung bestätigt oder die Fläche aus dem Kreis der Verdachtsflächen herausgenommen werden. Die "orientierenden Untersuchungen" sollen den Anfangsverdacht entweder entkräften oder erhärten. Es handelt sich dabei um eine rein behördliche Ermittlungspflicht zur Gefahrerforschung, deren Kosten auch allein von der Behörde zu tragen sind. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet, wenn Anhaltspunkte für bodenschutzrelevante Zustände vorliegen. Zwar müssen diese ein gewisses Gewicht haben, es dürfen aber auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Ausgeschlossen sollen werden vor allem willkürliche Ermittlungen (Frenz, BBodSchG, Komm. 1. Aufl. 2000, § 9 Rdn. 1, 8 und 9; Sanden/Schoeneck, BBodSchG, Kommentar, 1. Aufl. 1998, § 9 Rdn. 7; BayVGH, Beschl. vom 9. 7. 2003 - 20 CS 03.103 -, zitiert nach juris).

Bei der Eulenkuhle in E. handelt es sich um eine ehemalige Kiesabbaugrube, die unstrittig als Abfallablagerungsstätte bis weit in die 60.er Jahre hinein genutzt worden ist. Bei Ermittlungen über Altablagerungen im Landkreis Celle in den 80. Jahren wurde auch diese Lagerstätte erfasst und Anfang der 90. Jahren einer €gezielten Nachermittlung€ unterzogen. Da diese Ermittlungen Verdachtsmomente für eine Altlast ergeben hatten, gab der Beklagte im Rahmen der Gefährdungsabschätzung 1993 ein Gutachten bei der G. Auftrag. Dieses kam zwar zu dem Ergebnis, dass €ein zukünftiger Austrag von PAKs ins Grundwasser in nennenswertem Umfang und eine damit verbundene Gefährdung des im Abstrom der Altdeponie liegenden Wasserwerks G. aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit zwar unwahrscheinlich€ erscheine, €aber auf Grundlage der bisher durchgeführten Untersuchungen nicht ausgeschlossen werden€ könne (Gefährdungsabschätzung ehemalige Deponie E./Eulenkuhle im Landkreis Celle v. 20. 4. 1994, S. 47). Daher wurde ausdrücklich eine €weitergehende Erkundung ... (Detailuntersuchung)€ für erforderlich gehallten. Um abgesicherte Aussagen über das Gefährdungspotential für das Grundwasser treffen zu können, seien mindestens drei weitere Stichtagsmessungen im Abstand von jeweils 2 Monaten, eine erneute Erprobung aller Grundwassermessstellen sowie die Einrichtung einer weiteren Grundwassermessstelle geboten.

Immer noch im Rahmen der behördlichen Ermittlungspflicht nach § 9 Abs. 1 BBodSchG gab daraufhin der Beklagte bei der U. eine entsprechende Detailuntersuchung in Auftrag. Das Gutachten vom 31. Januar 1997 (Detailuntersuchung der Deponie Eulenkuhle, E.) kam zu dem Ergebnis, dass an allen drei Probeentnahmestellen (PB 2, PB 3 und PB 5) die Prüfwerte der BBodenSchV von 0,2 µg/l deutlich überschritten waren. Zur Sicherung des Schutzgutes Grundwasser empfahl der Gutachter u. a. eine halbjährige Überprüfung des Grundwassers sowie die Einrichtung eines neuen Anstrom- und eines weiteren Abstrombrunnens (S. 14).

452. Besteht auf Grund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast, kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben. Die zuständige Behörde kann verlangen, dass Untersuchungen von Sachverständigen oder Untersuchungsstellen nach § 18 durchgeführt werden (§ 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BBodSchG).

Entscheidend für die Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 BBodSchG, der Ermittlungen auf Kosten der Behörde ermöglicht, und dem § 9 Abs. 2 BBodSchG, der Untersuchungsmaßnahmen auf Kosten eines Dritten ermöglicht, ist damit, ob (nur) Anhaltspunkte oder (sogar) ein hinreichender Verdacht dafür gegeben ist, dass schädliche Bodenveränderungen oder eine Altlast gegeben sind. Unfundierte Vermutungen oder denkbare schädliche Bodenveränderungen rechtfertigen noch nicht die Anordnung von Untersuchungsmaßnahmen (€Vorsorge ins Blaue€). Denn auch solche Maßnahmen bilden, wenn sie auf privatem Grund durchgeführt werden, einen Grundrechtseingriff. Vielmehr ist ein solches Eingreifen zu Lasten des Untersuchungspflichtigen nur statthaft, wenn durch Tatsachen oder zumindest durch wissenschaftlich abgesicherte Wahrscheinlichkeitsurteile abgestützte Anhaltspunkte vorliegen. Der Verdacht darf - anders als bei Absatz 1 - nicht auf Vermutungen oder allgemeinen und ungesicherten Hinweisen basieren, erforderlich sind nachprüfbare und belastbare Indizien (Frenz, § 9 Rdn. 9 ff, 43 ff, Sanden/Schoeneck, § 9 Rdn. 16). Solche Anhaltspunkte werden im Zusammenhang mit Verdachtsflächen ( § 2 Abs. 4 BBodSchG) und altlastenverdächtigen Flächen (§ 2 Abs. 6 BBodSchG) in § 3 Abs. 1 BBodSchV aufgeführt. Danach bestehen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Altlast bei einem Altstandort insbesondere, wenn auf Grundstücken über einen längeren Zeitraum oder in erheblicher Menge mit Schadstoffen umgegangen wurde und die jeweilige Betriebs-, Bewirtschaftungs- oder Verfahrensweise oder Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs nicht unerhebliche Einträge solcher Stoffe in den Boden vermuten lassen. Bei Altablagerungen sind diese Anhaltspunkte insbesondere dann gegeben, wenn die Art des Betriebs oder der Zeitpunkt der Stillegung den Verdacht nahe legen, dass Abfälle nicht sachgerecht behandelt, gelagert oder abgelagert wurden. Nach § 3 Absatz 4 BBodSchV liegen konkrete Anhaltspunkte, die den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast begründen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG) in der Regel vor, wenn Untersuchungen eine Überschreitung von Prüfwerten ergeben oder wenn auf Grund einer Bewertung nach § 4 Abs. 3 BBodSchV eine Überschreitung von Prüfwerten zu erwarten ist (vgl. hierzu BayVGH, Beschl. vom 7. 11. 2002 - 22 CS 02.2577 -, NZM 2003, 651).

Zutreffend führt die Klägerin aus, dass in der G. Untersuchung ein zukünftiger Austrag von PAKs ins Grundwasser als unwahrscheinlich angesehen wurde, doch handelt es sich dabei (nur) um eine allgemeine Gefährdungsabschätzung, ohne dass insoweit weitergehende Untersuchungen vorgenommen worden wären. Diese wurden von der G. auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse aber ausdrücklich für erforderlich gehalten und die empfohlenen Maßnahmen detailliert beschrieben. Daher ist im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin bei der Frage, ob (lediglich) Anhaltspunkte i.S.d. § 9 Abs. 1 BBodSchG vorliegen, die in die Risikosphäre der Behörde fallen, oder ob ein €hinreichender Verdacht€ i.S.d. § 9 Abs. 2 BBodSchG vorliegt, der in die Risikosphäre des Untersuchungspflichtigen fällt, entscheidend auf die nachfolgende Untersuchung der U. abzustellen. Darin wurden aber bei allen gezogenen Wasserproben aus den Grundwassermessstellen PB 2, PB 3 und PB 5 deutliche Überschreitungen des Prüfwertes der BBodSchV von 0,2 µg/l PAK festgestellt.

Die hiergegen in dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten des TÜV Rheinland/Berlin-Brandenburg vom Dezember 2002 erhobenen Einwände, die auf einer anderen Bewertung der vorhandenen Gutachten beruhen und nicht auf eigenen Erhebungen, greifen nicht durch. Zwar ist es zutreffend, dass zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Schadstoffkonzentrationen gemessen worden sind, doch haben die Detailuntersuchungen der U. die Prognose der G. einer unwahrscheinlichen Grundwasserbeeinträchtigung nicht bestätigt, wie die oben angeführten Messergebnisse belegen. Es ist auch nicht zutreffend, dass die Naphtalin€Werte bei der Untersuchung von 1997 im Vergleich zur G. -Untersuchung abgenommen hätten, vielmehr sind sie faktisch gleich geblieben. Im Ergebnis hält die Kammer die Aussage des U. -Gutachtens daher nach wie vor für zutreffend, dass deutliche Prüfwertüberschreitungen vorgefunden worden sind. Hinzu kommt, dass auch die in unmittelbarer Nähe entnommenen Bodenproben erhöhte PAK-Werte aufgewiesen haben. Der daraus gezogene Schluss des Beklagten, dass der Boden dort insgesamt verunreinigt und eine Eintragung von Schadstoffen in das Grundwasser möglich sei, ist nicht von der Hand zu weisen. Schließlich räumt auch das Bewertungs-Gutachten des TÜV ein, dass die Situation nicht klar und eindeutig und dass eine Beeinträchtigung des Grundwassers jedenfalls durch aus der Deponie stammendes PAK-haltiges Sickerwasser möglich sei. Die dennoch vom TÜV-Gutachten gezogene Schlussfolgerung, es bestehe kein €Sanierungsbedarf€, erscheint bei dieser Ausgangslage verfrüht. Vielmehr sprechen nach Auffassung der Kammer bei dieser Sachlage gute Gründe dafür, jedenfalls zunächst die in dem angefochtenen Bescheid angeordneten Grundwasserproben vorzunehmen, um zu klareren Ergebnissen zu kommen. Erst dann wird man über den Sanierungsbedarf entscheiden können.

Gegen die an die Prüfwertüberschreitung anknüpfende Regelvermutung des § 3 Absatz 4 BBodSchV kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass diese €im Zusammenhang mit allen anderen Informationen gesehen werden€ muss und dass diese nicht ausreichten, um von einem konkreten Anhaltspunkt i.S.d. § 9 Abs. 2 BBodSchG zu sprechen; insbesondere hätten €sich in den letzten drei Jahrzehnten keine Auswirkungen auf die Gewinnung von einwandfreiem Grundwasser gezeigt€. Die Kammer folgt auch nicht der Auffassung der Klägerin, dass nach dem von ihr vorgelegten TÜV-Gutachten eine Gefährdung des Grundwassers nach so langer Zeit ausgeschlossen werden könne. Diese eindeutige Aussage enthält das Gutachten bereits nicht. Es ist vielmehr widersprüchlich. Schließt es auf Seite 14 noch eine Gefährdung des Grundwassers im Hinblick auf die Lage der Eulenkuhle aus, so heißt es in der Zusammenfassung der Argumentation, diese sei €nicht wahrscheinlich€ (S. 15). Auf Seite 18 des Gutachtens ist von einer €eher unwahrscheinlichen€ Betroffenheit des Wasserwerkes G. durch eine PAK-Schadstofffahne die Rede und einer auf Grundlage der bisherigen Untersuchungen € nicht nachweisbaren€ Gefährdungslage (S. 19). Unabhängig davon überspannt diese Argumentation in jedem Fall die Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 BBodSchG i.V.m § 3 Absatz 4 BBodSchV. Entscheidend ist nicht, dass die Gefahr bereits eingetreten ist, sondern dass ein €hinreichenden Verdacht€ und €konkrete Anhaltspunkte€ für das Eintreten einer Gefahr bestehen. Insoweit ist auf die Detailuntersuchung der U. zu verweisen, die von einer Grundwassergefährdung durch PAKs ausgeht und auf Grund der Lage der Deponie in der Wasserschutzzone III b eine weitere Beobachtung unbedingt für erforderlich hält. Die in dem Gutachten vorgeschlagenen und in der angefochtenen Verfügung vom 20. Juli 2003 umgesetzten Maßnahmen zur Gefährdungsabschätzung fallen damit in die Risikosphäre des Untersuchungspflichtigen.

Gegen die angeordneten Untersuchungsmaßnahmen selbst sind keine Bedenken zu erheben. In Umsetzung des Gutachtens der U. ist die Errichtung einer weiteren Grundwassermessstelle (PB 6) - im Gutachten waren sogar zwei weitere Messstellen gefordert worden -, eine zweimalige Entnahme von Grundwasserproben aus den Grundwassermessstellen PB 2, PB 3, PB 4, PB 5 und PB 6 zum Zeitpunkt des Grundwassertiefststandes (Oktober) und des Grundwasserhöchststandes (April) sowie die Untersuchung der Proben auf bestimmte Parameter angeordnet worden. Die Grundwasserspiegelhöhe ist zu messen und die Grundwasserfließrichtung zu ermitteln. Die Ergebnisse und die Beurteilung der Belastungssituation sind in einem Bericht zusammenzufassen.

513. Wer Untersuchungspflichtiger nach § 9 Abs. 2 BBodSchG ist, richtet sich nach § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.

Das Gesetz knüpft die Verantwortung zur Durchführung notwendiger Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung an verschiedene Gesichtspunkte. Der Pflicht des Verursachers liegt ein bestimmtes schädigendes Verhalten zu Grunde, der Gesamtrechtsnachfolger haftet auf Grund seiner Nachfolgeeigenschaft, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt auf Grund ihrer Einwirkungsmöglichkeiten. Eine Rangfolge der Haftung ist gesetzlich nicht festgelegt. Bei der behördlichen Störerauswahl handelt es sich vielmehr um eine Ermessensentscheidung, die sich an dem Zweck der Ermessensermächtigung zu orientieren hat (§ 40 VwVfG). § 4 Abs. 3 BBodSchG verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen erstrebt er eine schnelle und effektive Beseitigung eingetretener Störungen, bzw. im Falle des § 9 Abs. 2 BBodSchG eine zügige Untersuchung der Gefahr, zum anderen geht es darum, die öffentliche Hand von finanziellen Lasten möglichst frei zu halten. Die Grundentscheidung des Gesetzgebers, in erster Linie die nach § 4 BBodSchG Verantwortlichen zur Erkundung und Sanierung von Altlasten heranzuziehen, aber auch die Begrenztheit der verfügbaren öffentlichen Mittel und der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz gebieten es ferner, dem Interesse der Allgemeinheit großes Gewicht zuzumessen, dass die für eine Altlast Verantwortlichen ihren Erkundungs- und Sanierungspflichten zeitnah nachkommen (VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 3. 9. 2002 - 10 S 957/02 - NVwZ-RR 2003, 103). Dieses hat den Gesetzgeber auch veranlasst, in § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG Regelungen aufzunehmen, die sowohl bei Haftungsverschiebungen auf handels- oder gesellschaftsrechtlicher Ebene, als auch bei Eigentumsaufgabe dennoch eine Sanierungspflicht begründen. Auch der frühere Eigentümer kann nach § 4 Abs. 6 BBodSchG zur Sanierung herangezogen werden. Damit wird eine hohe Schutzdichte vor Missbrauchsmaßnahmen angestrebt. Entscheidend ist somit, dass im Einzelfall ein Privater die Untersuchung und ggf. spätere Sanierung vornimmt, der effektiv die aufgetretenen Gefahren bannen kann (Frenz, § 4 Abs. 3 Rdn. 71, 123; Sanden/Schoeneck § 4 Rdn. 51).

Vorliegend hat der Beklagte ermessensfehlerfrei die C. J. Nachfolger S. und die C. AG als frühere Betreiber und Frau U. als letzte Eigentümerin der Grundstücksfläche aus dem Kreis der Untersuchungspflichtigen herausgenommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). In der Zeit von September 1965 bis Februar 1967 betrieb die V. AG (ab Juli 1966: V. [B] AG) in E. eine Zweigniederlassung, wobei die Eulenkuhle mit zu den Betriebsgrundstücken gehörte. Grundstückseigentümerin waren die T. W. AG. Zwischen beiden Gesellschaften war ein im Handelsregister eingetragener Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen worden. Die € unwidersprochen gebliebenen € Ermittlungen des Beklagten haben ergeben, dass die Gesamtrechtsnachfolge der V. AG die Klägerin und die der T Werke AG die T AG angetreten haben. Strittig ist unter den Beteiligten allein, ob der Beklagte ermessensfehlerfrei die Klägerin als Untersuchungspflichtige in Anspruch genommen hat (a.) und gleichzeitig ermessensfehlerfrei eine Untersuchungspflicht der T AG ausgeschlossen hat (b.). Das ist der Fall. Dazu im Einzelnen:

a. Der Beklagte ist zu Recht von einer Handlungsstörereigenschaft der Klägerin (als Gesamtrechtsnachfolgerin) für die Eulenkuhle ausgegangen. Die V. AG hat in E. u.a. pechgebundene Korksteinplatten und andere Dämmstoffe produziert und nach noch darzulegender Überzeugung der Kammer die zu den Betriebsgrundstücken gehörende Eulenkuhle als Abfalldeponie genutzt. Die Tatsache, dass diese Nutzung nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum erfolgte, ändert an der Eigenschaft als Handlungsstörerin nichts. Denn im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist es nicht ermessensfehlerhaft, jemanden zur Untersuchung heranzuziehen, der € wie die Klägerin - nur einen geringen Verursacherbeitrag geleistet hat (VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 3. 9. 2002, a.a.O.). Begründung hierfür ist die mit § 4 Abs. 3 BBodSchG angestrebte Zügigkeit und Effektivität der Gefahrenbeseitigung. Eine Heranziehung nur nach dem Anteil der Verursachung und dem Grad der Wahrscheinlichkeit würde einen hohen Verwaltungsaufwand verbunden mit einem entsprechenden Zeitverlust nach sich ziehen. Knüpfte man die Heranziehung einer Person daran, dass ihr Verursacherbeitrag auch im Verhältnis zu anderen Personen genau nachgewiesen wird, wäre in vielen Fällen eine Inanspruchnahme von Verursachern gänzlich ausgeschlossen. Daher ist es bereits ein Gebot der Effektivität, auch bei der möglichen Verursachung durch mehrere, Einzelne oder einen Einzelnen als Verursacher herauszugreifen. Ob dieser dann gegenüber anderen Regress nehmen kann, ist eine andere Frage und berührt die Verantwortlichkeit als solche nicht (Frenz, § 4 Abs. 3 Rdn. 20, 127 f).

Auch die Tatsache, dass sich der exakte Verursacherbeitrag an der Gefahr einer Grundwasserbeeinträchtigung heute € nach mehr als 30 Jahren - nicht mehr feststellen lässt, steht einer Heranziehung der Klägerin nicht entgegen. Entscheidend ist allein, dass sein Verursachungsbeitrag feststeht (VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 3. 9. 2002, a.a.O.). Das ist bei dem anzulegenden großzügigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab unzweifelhaft gegeben. Zu Recht beruft sich der Beklagte in diesem Zusammenhang auf seine historischen Ermittlungen. Eine andere Erkenntnisquelle bleibt ihm auch nicht, nachdem die Klägerin de facto jegliche Mitwirkung bei der Ursachenermittlung verweigert hat. Danach gibt es ausreichende Hinweise in den durchgesehenen Unterlagen über das Auffinden von pechhaltigen Korkresten in der Eulenkuhle. Die Klägerin ist auch jede plausible Erklärung darüber schuldig geblieben, wohin denn sonst, wenn nicht in die werkseigene Deponie, ihre Abfälle gelangt sein sollten. Es würde wirtschaftlich auch keinen Sinn machen, die gerade im Zusammenhang mit der Aufgabe des Standortes E. anfallenden vermehrten Abfälle zu einer anderen Lagerstätte zu bringen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn ihr Verursacherbeitrag isolierbar wäre. Davon ist aber bei einer Deponiealtlast regelmäßig nicht auszugehen, weil die Verursachungsbeiträge dergestalt miteinander verwoben sind, dass sie erst zusammen eine schädliche Bodenveränderung ergeben. Ein Ausgleich unter mehreren potentiellen Handlungspflichtigen erfolgt im Falle einer nachfolgenden Sanierungsanordnung, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, über die Ausgleichsregelung des § 24 Abs. 2 BBodSchG (Frenz, § 4 Abs. 3 Rdn. 127 ff; § 24 Rdn. 14).

Der von der Klägerin weiterhin erhobene Einwand, sie könne nach mehr als 30 Jahren nicht mehr herangezogen werden, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Vor Inkrafttreten des BBodSchG ist die Frage diskutiert worden, ob es so etwas wie eine €Ewigkeitshaftung für Altlasten€ gebe. Das Bundesbodenschutzgesetz enthält in § 4 Abs. 3 bewusst keine Stichtagsregelung. Die Übertragung des zivilrechtlichen Instituts der Verjährung nicht nur auf öffentlich-rechtliche vermögensrechtliche Ansprüche, sondern auch auf öffentlichrechtliche Gefahrbeseitigungsansprüche wird von der Rechtsprechung abgelehnt. Die Polizeipflicht unterliegt nicht der Verjährung. Der Verursacher einer zeitlich weit zurückliegenden Altlast bzw. dessen Rechtsnachfolger stehen der Verursachung und einer sich daraus ergebenden Pflichtigkeit immer noch näher als die Allgemeinheit (Frenz, § 4 Abs. 3, Rdn. 182). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet aber, gefahrnähere Verantwortliche vorrangig heranzuziehen. Dieses hat der Beklagte getan, wie noch auszuführen sein wird.

Schließlich ist es für die Heranziehung der Klägerin rechtlich auch unerheblich, ob sie nicht nur als Untersuchungspflichtige nach § 9 Abs. 2 BBodSchG sondern auch als Sanierungspflichtige nach § 14 BBodSchG in Betracht kommt. Zu Recht weist der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Eingriffsbefugnis nach § 9 Abs. 2 BBodSchG und nach § 14 BBodSchG verschiedene Regelungsinhalte umfasst. Untersuchungspflichten nach § 9 Abs. 2 BBodSchG bedingen nicht, dass der dabei festgestellte Sanierungsbedarf quasi automatisch auf den Untersuchungspflichtigen übertragen wird. Die Untersuchungsmaßnahmen nach § 9 Abs. 2 BBodSchG dienen der Gefährdungsabschätzung. Es bedarf einer erneuten Ermessenentscheidung, wer dem festgestellten Sanierungsaufwand nachzukommen hat und in welchem Maße er die Sanierung tatsächlich durchzuführen hat. Bei dieser Entscheidungsfindung, die ebenfalls im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten steht, fließen weitere Faktoren an, die bei der Anordnung von Maßnahmen der Gefahrabschätzung - wie vorliegend - noch eine anderes Gewicht haben, wie etwa Zumutbarkeit der Kostentragung im Verhältnis zum Verursacherbeitrag. Zu Recht weist der Beklagte daher darauf hin, dass Überlegungen zur Tragbarkeit eines imaginären Sanierungsaufwandes derzeit rein spekulativ sind.

b. Der Beklagte hat im Rahmen seines Auswahlermessens fehlerfrei entschieden, die T. AG als Nachfolgerin der T. W. AG nicht für Untersuchungsmaßnahmen nach § 9 Abs. 2 BBodSchG heranzuziehen.

Die T. AG ist keine Zustandsstörerin, da sie nicht mehr Eigentümerin der ehemaligen Deponiefläche ist. Eine Verhaltensstörereigenschaft ließe sich nur dann begründen, wenn sie auf Grund des mit der V. AG geschlossenen Beherrschungsvertrages als Störer anzusehen wäre. Das ist nicht der Fall.

Besteht - wie vorliegend - ein Beherrschungsvertrag, so ist das herrschende Unternehmen berechtigt, dem Vorstand der Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Bestimmt der Vertrag nichts anderes, so können auch Weisungen erteilt werden, die für die Gesellschaft nachteilig sind, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen (§ 308 Abs. 1 AktG).

61Im vorliegenden Verfahren hat der Beklagte sowohl die T. AG als auch die Klägerin ohne Erfolg aufgefordert, den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vorzulegen. Übereinstimmend wurde mitgeteilt, dass er nicht mehr auffindbar sei. Anhaltspunkte für eine Weisung hinsichtlich der Abfallentsorgung an die Leitung der V. AG sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Mangels bekannter konkreter Regelungen ist daher allgemein die Frage zu beantworten, ob bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen zwischen vergleichbaren Unternehmen in den 60 Jahren regelmäßig davon auszugehen ist, dass die Abfallbeseitigung Gegenstand einer Weisung an die Leitung der beherrschten Gesellschaft gewesen ist. Das ist nicht der Fall. Die Entsorgungsfrage hatte in den 60. Jahren nicht den Stellenwert, den sie heute hat. Dies zeigt sich allein daran, dass in Folge gestiegenen Umweltbewusstseins entsprechende gesetzgeberische Aktivitäten erst wesentlich später einsetzten. Das Schutzgut Wasser wurde erstmals durch das Wasserhaushaltsgesetz im Jahre 1960, das Schutzgut Luft durch das Bundesimmissionsschutzgesetz von 1974 und das Schutzgut Boden durch das Bundesbodenschutzgesetz von 1998 durch ein eigenes Gesetz unter Schutz gestellt. Die geordnete Ablagerung und Deponierung von Abfällen sowie die Problematisierung sog. wilder Müllkippen begann erst mit dem Abfallgesetz von 1972. Vorliegend kommt hinzu, dass das herrschende Unternehmen seinen Sitz in F. hatte und die Produktion der pechgebundenen Korksteinplatten und sonstigen Dämmstoffe in eigener Regie der V. AG in E. erfolgte. Mangels bekannter entgegenstehender schriftlicher Aussagen ist daher davon auszugehen, dass auch die Entsorgungsfrage eigenverantwortlich von der V. abgewickelt wurde. Die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin, die T. AG sei in jeder Hinsicht weisungsbefugt gewesen, eine Beschränkung auf Leitungsfragen sei nicht vorgenommen worden, ist durch keinerlei Unterlagen oder schlüssige Argumentation belegt. Sie ist daher nicht geeignet, eine andere Auffassung zu rechtfertigen.

Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass selbst wenn die T. AG als Verhaltensstörer anzusehen wäre, der Beklagte vorliegend im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens bei der Störerauswahl fehlerfrei entschieden hat, die T. AG für Untersuchungsmaßnahmen nicht heranzuziehen. Wie bereits ausgeführt, gibt es nach dem BBodSchG keine Verpflichtung, jeden Störer heranzuziehen. Maßgeblich für die Auswahl bei mehreren Störern ist vielmehr der dem Ermessen zu Grunde liegende Zweck, möglichst schnell und effektiv die eingetretene Störung zu beseitigen, bzw. die notwendigen Untersuchungen durchführen zu lassen. Die Kammer hält die Auffassung des Beklagten für überzeugend, dass eine effektive Gefahrenabwehr eher durch die Klägerin als durch die T. AG zu erreichen ist. Bei der Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft, die seiner Zeit aktiv die Produktion und auch die Deponie betrieben hat, ist die Vermutung naheliegend, dass die Unterlagen der V. AG auf sie übergegangen und von ihr archiviert worden sind. Von ihr sind daher genauere und bessere Informationen über den Produktionsablauf einschließlich der Abfallbeseitigung zu erwarten als von der ortsfernen Muttergesellschaft, die zu keinem Zeitpunkt in E. produziert hat.






VG Lüneburg:
Urteil v. 20.11.2003
Az: 2 A 275/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c937d8ef6809/VG-Lueneburg_Urteil_vom_20-November-2003_Az_2-A-275-01




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