Landgericht Freiburg:
Urteil vom 9. Mai 2014
Aktenzeichen: 12 O 62/13

(LG Freiburg: Urteil v. 09.05.2014, Az.: 12 O 62/13)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Freiburg hat in dem Urteil vom 9. Mai 2014 entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen. Die Klage auf einen weiteren Betrag und die Widerklage werden abgewiesen. Die Beklagte muss außerdem die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch nur wenn die Klägerin eine entsprechende Sicherheitsleistung erbringt.

Der Hintergrund des Streits ist ein Vertrag zwischen den Parteien, in dem es um Zahlungsansprüche aus einem Liefer- und Lizenzvertrag geht. Die Klägerin beruft sich auf eine Regelung in dem Vertrag, wonach sie bei Beendigung des Vertrages bestimmte Zahlungen erhält. Die Beklagte hält diese Zahlungen für ungerechtfertigt und beruft sich unter anderem darauf, dass das Verfahren unterbrochen sei, da ein Insolvenzverwalter eingesetzt wurde.

Das Gericht entschied, dass das Verfahren nicht unterbrochen ist, da kein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt wurde. Außerdem erklärte das Gericht, dass die Klägerin einen Anspruch auf die Zahlungen hat, da die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die Beklagte kann sich nicht auf eine treuwidrige Handlung der Klägerin berufen, da die Zahlungsverpflichtung im Vertrag eindeutig geregelt ist. Das Gericht weist außerdem die Eventualwiderklage der Beklagten ab, da es sich um eine abstrakte Rechtsfrage handelt.

Insgesamt stellt das Gericht fest, dass die Klage begründet ist und die Beklagte zur Zahlung verpflichtet ist. Die Beklagte muss außerdem die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch nur bei Sicherheitsleistung. Die vorgerichtlichen Mahnkosten werden nicht erstattet. Das Gericht legt außerdem fest, dass die Beklagte die gesetzliche Umsatzsteuer zahlen muss. Die Eventualwiderklage der Beklagten wird abgewiesen. Die Entscheidung beruht auf den entsprechenden Paragrafen der Zivilprozessordnung.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Freiburg: Urteil v. 09.05.2014, Az: 12 O 62/13


Zur Frage, ob das Erkenntnisverfahren schon im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO nach § 240 S.2 ZPO unterbrochen ist.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 690.200,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.1.2013 zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1, 1 fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Gegenstand der Klage ist ein Zahlungsanspruch aus einem Vertrag, den die Parteien am 1. bzw. 14. Dezember 2009 abgeschlossen haben (vergleiche Anlage K 1). Die Parteien sind beide im Halbleiter- und Photovoltaikbau tätig. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 15 des als Kooperations-, Liefer- und Lizenzvertrag überschriebenen Vertrages in Verbindung mit Anlage 3 zu diesem Vertrag. Anlage 3 trägt die Überschrift: Lizenzgebühren. Dort ist unter anderem folgendes geregelt:

1. Die Gebühren für die vorgenannten Lizenzen sind während der Laufzeit des Kooperations- und Liefervertrags (I.) von dem jeweiligen Kaufpreis für die nach dem Kooperations- und Liefervertrag herzustellenden Anlagen umfasst.

2. Nach einer Beendigung des Kooperations- und Liefervertrags erhält (die Klägerin: im folgenden A.) von (der Beklagten. Im Folgenden R. ) für die fortgesetzte Lizenzgewährung nach diesem Lizenzvertrag (II.) eine

a. einmalige Zahlung in Abhängigkeit der zum Zeitpunkt der Kündigung bereits von A. gelieferten und von R. an A. bezahlten Anlagen, diese beträgt bei Beendigung vor Lieferung der ersten Anlage Euro 600.000 und reduziert sich nach Lieferung der 1.- 20. Anlage um jeweils Euro 20.000 je Anlage und für jede weitere Anlage um jeweils Euro 10.000 je Anlage

b. nach Ablauf von 5 Jahren nach Beginn des Kooperationsvertrages ist unabhängig von der verkauften Stückzahl von Anlagen keine einmalige Zahlung mehr fällig;

c. , sowie

d. eine Stücklizenz in Höhe von 3% des Nettoverkaufspreises einer jeweils von R. ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Kooperations- und Liefervertrags (I.) verkauften und durch den Kunden bezahlten Anlage, in der ein oder mehrere A.-Schutzrechte gemäß § 13 dieses Vertrages implementiert wurden.

3. Die einmalige Zahlung nach Nr. 2 in Höhe von Euro 600.000 wird nicht fällig

a. im Falle einer berechtigten, durch R. ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Kooperations- und Liefervertrages (I.)

b. Im Falle einer Kündigung gemäß § 4 Abs. 1 des Kooperations- und Liefervertrages (I.)

4. Die genannte Stücklizenz erhöht sich um die gesetzlich anfallende Mehrwertsteuer.

Der Kooperations-, Liefer und Lizenzvertrag ist untergliedert in einen Teil mit der Überschrift I. Kooperations- und Liefervertrag und einen Teil mit der Überschrift II. Lizenzvertrag. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Regelungen wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

Zur Begründung ihres Anspruchs trägt die Klägerin vor dass der Kooperations- und Liefervertrag aufgrund Kündigung der Klägerin am 14. Dezember 2012, d.h. vor Ablauf von 5 Jahren nach dessen Beginn, geendet habe Die Beklagte habe während der Laufzeit des Kooperations- und Liefervertrages keine einzige Anlage an die Klägerin beauftragt, weshalb diese auch keine Anlage an die Beklagte geliefert habe.

Der klägerische Anspruch sei prinzipiell unabhängig vom Schicksal der lizenzierten Patente bzw. Patentanmeldungen. Schon aus rechtlichen Gründen könne es sich bei der Einmalzahlung in Höhe von Euro 600.000 und den auf die einzelnen Anlagen entfallenden Teilbeträgen nicht um Lizenzgebühren handeln. Bei wirtschaftlicher Betrachtung handele sich bei dem Betrag im Kern nicht um eine Lizenzgebühr, sondern nach dem erkennbaren Willen der Parteien um einen finanziellen Ausgleich dafür, dass die Klägerin mangels Bestellung einer ausreichenden Anzahl von Anlagen keine hinreichenden Erträge mit der Lieferung derartiger Anlagen habe erzielen können.

Eine endgültige Entscheidung über die vertragsgegenständlichen Patente liege weder seitens des Europäischen Patentamtes vor noch seitens der zuständigen US-Behörden. Die Patente seien zwischenzeitlich sowohl in Korea und Japan als auch in China erteilt worden. In Kanada stehe das Patent kurz vor der Erteilung.

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 714 000 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem seit dem 15. Dezember 2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 4 304,80 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem seit dem 10. Januar 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beruft sich in erster Linie darauf, dass das Verfahren nach § 240 ZPO unterbrochen sei. Dem widerspricht die Klägerin.

Im übrigen beantragt die Beklagte:

1. Klagabweisung.

2. Hilfsweise, das Verfahren entsprechend § 148 ZPO bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens betreffend die Nichtigerklärung des Patents Nummer EP x durch das Europäische Patentamt auszusetzen.

3. Weiter hilfsweise, der Klage nur gegen Stellung einer Sicherheit durch Bankbürgschaft oder Hinterlegung des mit der Klage geltend gemachten Betrages stattzugeben.

4. Für den Fall, dass der Klage stattgegeben werden sollte, erhebt die Beklagte Eventualwiderklage und beantragt:

a. Festzustellen, dass die Klägerin für den Fall einer Nichtigerklärung des Patents Nr. EP x zur Rückzahlung des ihr zugesprochenen Betrages verpflichtet ist.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Verfahren sei nach § 240 ZPO unterbrochen, nachdem das Amtsgericht Villingen-Schwenningen in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Beklagten durch Beschluss vom 26. März 2014 (vergleiche As. 389) auf Antrag ihrer Geschäftsführer nach § 270a InsO

- einen vorläufigen Sachwalter bestellt habe,

- angeordnet habe, dass die Geschäftsführung der Schuldnerin berechtigt sei, unter der Aufsicht des vorläufigen Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie im Rahmen der gesetzlichen Grenzen zu verfügen,

- Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, soweit es nicht um unbewegliche Gegenstände gehe, untersagt habe

- bzw. angeordnet habe, dass bereits eingeleitete Maßnahmen einstweilen eingestellt würden und

- gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO angeordnet habe, dass die Schuldnerin bestimmte unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Rohre und Betriebsstoffe sowie Werkzeuge, die im Eigentum anderer stünden, von der Schuldnerin einsetzen dürfe und dass die Eigentümer diese Gegenstände nicht verwerten oder einziehen dürften und

- dem bestellen vorläufigen Sachwalter verboten habe, ohne ausdrückliche Ermächtigung des Gerichts Masseverbindlichkeiten zu begründen.

Das Landgericht Freiburg sei nicht zuständig. Gegenstand des Rechtsstreits sei eine patentrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 143 Abs. 2 PatG für die das Landgericht Mannheim zu ständig sei. Der streitige Anspruch der Klägerin resultiere aus einem Lizenzvertrag. Für die Entscheidung seien vorrangig auch patentrechtliche Fragen maßgeblich, namentlich insbesondere in Form der Fragen, ob das Patent der Klägerin zum Stand der Technik gehöre und ob eine voraussichtliche Aussicht der Nichtigkeitsklage auf Erfolg bestehe, auch für § 148 ZPO.

Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin übersehe § 18 des Vertrages.

Dort ist folgendes vorgesehen:

Absatz 1: Die Nichterteilung, das Erlöschen oder die Nichtigerklärung von einzelnen Schutzrechten des Vertrages oder das Offenkundigwerden des Know-how lässt die Gültigkeit dieses Vertrages unberührt. Die Zahlungspflicht für die Lizenzgebühr nach § 15 des Vertrages wird jedoch in folgenden Fällen angepasst:

Absatz 2: Sollte ein vertragsgegenständliches Schutzrecht für ungültig oder nichtig erklärt werden, so kann R. für die Zukunft eine angemessene Anpassung der Lizenzgebühr verlangen.

Absatz 3: Soweit die Nichterteilung, das Erlöschen oder die Nichtigkeitserklärung von einzelnen Schutzrechten darauf beruhen, dass der Inhalt der Schutzrechte zum Stand der Technik gehört, entfällt die Zahlungspflicht nach § 15.

Die Beklagte macht geltend, die Zahlungspflicht entfalle unter den dargestellten Voraussetzungen rückwirkend. Zwischen den Beteiligten sei besprochen und vereinbart worden, dass eine jetzige, aber auch zukünftige Nichtigkeitserklärung von einzelnen Schutzrechten aufgrund dessen, dass der Inhalt der Schutzrechte zum Stand der Technik gehöre, zum Entfall jeglicher vergangener und zukünftiger Zahlungspflichten führen solle. Sozusagen als Einmalzahlung für den Falle der fortgesetzten Lizenzgewährung sei ein Betrag in Höhe von Euro 600.000 netto vereinbart worden. Das dem Vertrag zu Grunde liegende Patent mit der Nummer EP x sei zwischenzeitlich von einem Dritten sogar angegriffen worden. Der Einspruchsantrag des Dritten überzeuge die Beklagte, der Einspruch werde Erfolg haben. Die Beklagte mache sich dessen Inhalt zu Eigen.

Tatsächlich sei die aus der WO x hervorgegangene US-Patentanmeldung US x nach 2 Prüfungsbescheiden im ersten Rechtszug nicht erteilt worden, weil die beanspruchten Merkmalskombinationen zum Stand der Technik gehören würden. Bis dato liege im zweiten Rechtszug wiederum ein Zurückweisungsbescheid vor, nachdem die Patentanmeldung zurückgewiesen worden sei (Verweis auf Anlagen B 11, 12).

Die Klägerin versuche vergeblich, die angesprochene Lizenzgebühr in eine vermeintliche Kompensationszahlung für die nicht erfolgreiche Umsetzung des Kooperationsvertrages umzumünzen.

Hilfsweise beruft sich die Beklagte darauf, dass sie einen Prototyp erworben habe, dessen Anschaffung anzurechnen sei entsprechend den vertraglichen Bedingungen (in Höhe von Euro 20.000; vergleiche Anlage B 7). Außerdem stehe dann der Beklagten das Recht zu, dass die Klägerin für den der Beklagten zustehenden Rückzahlungsanspruch eine Sicherheit leiste.

Die Beklagte meint, die Klägerin handele treuwidrig, weil sie bei einer etwaigen Verurteilung der Beklagten den Betrag an diese infolge des rückwirkenden Entfalls der Zahlungsverpflichtung wieder zurückzahlen müsse ("Dolo-agit-Einrede").

Der Zahlungsanspruch sei auch deswegen nicht begründet, weil die Beklagte nicht in der Lage sei, das Patent und die Schutzrechte wirksam gegen Dritte zu schützen. Eine fortgesetzte Lizenzgewährung nach Beendigung des Vertrages liege damit nicht vor.

Für den Fall, dass das Gericht die Klage nicht für gegenwärtig abweisungsreif halten solle, werde die Aussetzung des Verfahrens beantragt nach § 148 ZPO, da die Nichtigkeitsklage eines Dritten gegenüber dem Patent der Klägerin voraussichtlich Erfolg haben werde .

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

1. Das Verfahren ist nicht unterbrochen. Das Gericht kann der Auffassung der Beklagten, bereits die Einsetzung eines vorläufigen Sachwalters im Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 270a InsO und die Ermächtigung der Geschäftsführung der Schuldnerin, unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie im Rahmen der gesetzlichen Grenzen zu verfügen (unter Hinweis auf die §§ 275 bis 285 InsO), führe zur Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO, nicht zustimmen.

a. Nach dieser Vorschrift wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Eine solche Verfahrensunterbrechung tritt auch dann ein, wenn das Insolvenzgericht keinen Insolvenzverwalter bestellt, sondern die Eigenverwaltung durch den Schuldner anordnet (BGH NJW-RR 2007,629). Dies ergibt sich, wie der Bundesgerichtshof in der angegebenen Entscheidung erläutert hat, bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen einer solchen Unterbrechung nicht. Denn auch der Insolvenzschuldner als Eigenverwalter bedarf einer Überlegungsfrist, wie er sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem die Insolvenzmasse betreffenden Rechtsstreit verhalten soll. Denn er darf sein bisheriges Prozessverhalten nicht ohne weiteres beibehalten (BGH aaO).

b. Solange das Insolvenzverfahren nicht eröffnet ist, scheidet eine Unterbrechung nach der zitierten Vorschrift aus. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens wird das Erkenntnisverfahren (vgl. dazu BGHZ 172,16) nach § 240 S. 2 ZPO nur dann unterbrochen, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist. Weder in der Praxis noch von der Konzeption des Gesetzes ist der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter der Regelfall (vergleiche §§ 21 f InsO). Eine Unterbrechung des Erkenntnisverfahrens im Insolvenzeröffnungsverfahren tritt also lediglich unter bestimmten, vom Gesetz im einzelnen beschriebenen Voraussetzungen ein. Ordnet das Insolvenzgericht lediglich einen Zustimmungsvorbehalt an, tritt eine Unterbrechung nicht ein (vgl. BGH NJW 1999,2822; NJW-RR 2013,1431). Vorliegend ist eine Unterbrechung des Verfahrens in unmittelbarer Anwendung von § 240 S. 2 ZPO nicht eingetreten, da ein vorläufiger Insolvenzverwalter nicht bestellt worden ist.

c. Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine analoge Anwendbarkeit der Vorschrift nicht gegeben, ohne dass entschieden werden müsste, ob einer entsprechenden Anwendung nicht schon entscheidend entgegensteht, dass im Falle der vorläufigen Eigenverwaltung ein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf ein anderes Rechtssubjekt gar nicht stattfindet und deshalb in diesem frühen Verfahrensstadium eine Unterbrechung des Prozesses prinzipiell nicht eintreten kann.

i. Die Regelung des § 240 S.2 ZPO beruht auf dem zunächst formalen Umstand, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, die der Schuldner spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 80 InsO verliert, unter den genannten Voraussetzungen bereits zuvor auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Dieser Wechsel bedarf der verfahrensrechtlichen Absicherung, damit sowohl der Insolvenzverwalter wie auch die Parteien Gelegenheit erhalten, sich auf die durch die Insolvenz veränderte rechtliche und wirtschaftliche Lage einzustellen (BGH NJW-RR 2013,1461). Der Vorgriff auf die Wirkungen eines eröffneten Insolvenzverfahrens findet somit seine Rechtfertigung in der nunmehr maßgeblichen Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Ausdruck dieser Rechtsstellung des so genannten starken vorläufigen Insolvenzverwalters ist regelmäßig die umfassende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, aber auch die Ermächtigung, bereits jetzt Masseverbindlichkeiten zu begründen (§ 55 Abs. 2 InsO) und damit erst die notwendigen Voraussetzungen für die gewünschte Reorganisation und Fortführung des schuldnerischen Betriebs zu schaffen. Nach zutreffender und ganz herrschender Auffassung ist ein Schuldner im Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 270a InsO nicht kraft Gesetzes befugt, Masseschulden zu begründen (vgl. i.e. Pape ZInsO 2013,2129,2134 f), Nur im Falle eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO, welches hier aber gar nicht eingeleitet ist, soll der Schuldner "quasi in die Rechtsstellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters einrücken" können (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 26.10.2011 - BT-Drucksache 17/7511 S. 37). Ein Schuldner, der bei noch nicht eröffneter Eigenverwaltung im Verfahren nach § 270a InsO unter Aufsicht eines vorläufigen Eigenverwalters steht, der wiederum nicht einmal selbst ohne ausdrückliche Genehmigung im Einzelfall durch das Insolvenzgericht Masseverbindlichkeiten begründen darf, kann einem solchen starken vorläufigen Insolvenzverwalter nicht gleichstehend erachtet werden.

ii. Vorliegend haben Schuldnerin und vorläufiger Sachwalter auch nicht als Gesamtheit gesehen die Befugnisse, die die Rechtsstellung eines so genannten starken vorläufigen Insolvenzverwalters kennzeichnen. Selbst eine Gesamtbetrachtung rechtfertigt es hier nicht, das Erkenntnisverfahren als nach § 240 S.2 ZPO unterbrochen anzusehen.

2. Eine patentrechtliche Streitigkeit ist nicht gegeben. Die Zuständigkeitsrüge der Beklagten geht deshalb fehl. Nach § 143 Abs. 1 PatG sind für alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (Patentstreitsachen) die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zu ständig. Nach Abs. 2 der Bestimmung in Verbindung mit § 14 der Zuständigkeitsverordnung des Landes Baden-Württemberg wäre vorliegend, würde es sich um eine Patentstreitsache handeln, das Landgericht Mannheim ausschließlich zuständig. Der Begriff der Patentstreitsache ist grundsätzlich weit auszulegen. Zu den Patentstreitsachen zählen alle Klagen, die einen Anspruch auf eine Erfindung oder aus einer Erfindung zum Gegenstand haben oder sonst wie mit einer Erfindung eng verknüpft sind. Ein Rechtsstreit ist jedoch nicht bereits deshalb Patentstreitsache, weil Ansprüche aus einem Vertrag geltend gemacht werden, in dem sich eine Vertragspartei zur Übertragung eines Patents verpflichtet hat (BGH GRUR 2011,662 - Patentstreitsache I). Maßgeblich ist also, ob die besondere Sachkunde spezialisierter Gerichte für die Streitentscheidung erforderlich ist (vgl. BGH GRUR 2013, 756 - Patentstreitsache II). Nach der klägerischen Darstellung des Sach- und Streitstandes ist dies nicht der Fall. Dasselbe gilt im Ergebnis hinsichtlich der Einwendungen der Beklagten, weil es auf deren Darlegungen, die patentrechtlichen Sachverstand erforderlich machen, aus noch darzulegenden Gründen nicht ankommt.

3. Der Rechtsstreit war nicht nach § 148 ZPO auszusetzen im Hinblick auf das Verfahren betreffend die Nichtigerklärung des Patents Nr. EP x durch das europäische Patentamt.

a. Soweit sich die Beklagte dabei auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs GRUR 2013,618 - Internet € Videorecorder II beruft, geht dies schon deshalb fehl, weil die dortige Beklagte einen fälligen Gegenanspruch einwandte, über dessen Bestehen ein Schiedsgericht zu entscheiden hatte. Der vorliegende Sachverhalt ist hiermit nicht vergleichbar. Ein fälliger Gegenanspruch der Beklagten ist schon nicht vorgetragen.

b. Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Voraussetzung einer Aussetzung ist die Vorgreiflichkeit der anderweit anhängigen Rechtsfrage. Dies ist nur dann der Fall, wenn im anderen Verfahren über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit präjudizielle Bedeutung hat (Zöller/Greger ZPO 30. Auflage § 148 Rdnr. 5). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da es gegenwärtig auf die Frage, ob zu einem späteren Zeitpunkt das genannte Patent für nichtig erklärt wird, nicht ankommt.

4. Die Parteien sind unterschiedlicher Auffassung, ob eine künftige € bislang liegen rechtskräftige oder bestandskräftige Entscheidungen nicht vor € Nichtigerklärung oder Nichterteilung der vertragsgegenständlichen Patente Einfluss auf eine etwaige (Rück)Zahlbarkeit der aus Anlage 3 zu § 15 des Vertrages resultierenden Zahlungspflicht hat. Streit besteht, ob die Regelung über das Erlöschen/Nichtigerklärung von Schutzrechten nach § 18 des Vertrages überhaupt den Zahlungsanspruch zu Fall bringen vermag oder - so die Beklagte € insoweit von Bedeutung ist, als sie ihr den Einwand nach § 242 BGB gestattet, dass derjenige, der etwas verlangt, was er sofort wieder zurückerstatten muss, treuwidrig handelt. Auf diese unterschiedlichen Auffassungen kommt es im derzeitigen Verfahrensstadium nicht an. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Zahlungsverpflichtung sind unstreitig erfüllt.

a. Als tatbestandliche Voraussetzung des Anpassungsanspruchs bzw. des Wegfalls der Zahlungspflicht wird vorausgesetzt, dass ein vertragsgegenständliches Schutzrecht für ungültig oder nichtig erklärt wird bzw. das Schutzrecht nicht erteilt wird oder das Schutzrecht erlischt. Sämtliche Voraussetzungen hierfür sind derzeit nach dem unstreitigen Sachvortrag nicht rechtskräftig bzw. bestandskräftig erfüllt. Vor einer solchen bindenden Entscheidung verbleibt es nach dem Wortlaut des Vertrages auf jeden Fall bei der vereinbarten Zahlungsverpflichtung.

b. Auch die Beklagte macht nicht konkret geltend, dass der Vertrag abweichend zu verstehen wäre. § 18 Abs. 3 des Vertrages sieht einen Wegfall der Zahlungsverpflichtung nach § 15 des Vertrages vor. Der Wegfall ist demnach als rechtsvernichtende Einwendung ausgestaltet. Die Zahlungsverpflichtung nach § 15 knüpft nicht an die Erteilung eines Schutzrechts oder an eine zeitlich definierte rechtswirksame Lizenzgewährung an. Die Verpflichtung, EURO 600 000 (nebst gesetzlich anfallender MWSt) zu zahlen, entstand nach dem Wortlaut des Vertrages als Folge der Beendigung des Kooperations- und Liefervertrags und war sofort fällig (§ 271 BGB). Weitere Voraussetzungen sind nicht formuliert. Folglich kommt es nur darauf an, ob die Beklagte eine rechtsvernichtende Einwendung gegen diesen Zahlungsanspruch anführen kann. Die Klägerin führt mit Recht aus, dass es nicht im Interesse der Parteien gewesen sein könnte, diese Zahlungsverpflichtung nach dem Verlauf ggf. unterschiedlicher patentgerichtlicher Entscheidungen im Instanzenweg entstehen bzw. entfallen zu lassen. Gegen dieses Argument wendet sich die Beklagte nicht. Es kommt also für eine etwaige Rückzahlungsverpflichtung auf rechts- bzw. bestandskräftige Entscheidungen über die Schutzrechte an. Solche gibt es bislang nicht.

c. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin verhalte sich treuwidrig, beruht auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung. Nachdem die Parteien die beiderseitigen Risiken in der dargestellten Weise verteilt haben, kann der Klägerin treuwidriges Verhalten bei Durchsetzung ihres Zahlungsanspruchs nicht vorgehalten werden. Wann die - hier unterstellten - Voraussetzungen für eine etwaige Rückforderung gegeben sein werden, ist völlig ungewiss. Für die Entscheidung maßgeblich ist, dass sie zum derzeitigen Zeitpunkt nicht erfüllt sind. Ein später entstehender etwaiger Rückzahlungsanspruch macht das klägerische Verlangen nicht treuwidrig. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien der Beklagten als Schuldnerin den Einwand hätten eröffnen wollen, die Zahlungsvoraussetzungen würden irgendwann später entfallen, weshalb sie bereits jetzt nicht leisten müsse. Das wäre eine Prämie für treuwidriges, verzögerliches (Erfüllungs)Verhalten der Beklagten, was nicht im Sinne redlicher Parteien liegen kann.

5. Nachdem die Parteien keine Regelung vereinbart haben, wonach die Klägerin für einen etwaigen Rückerstattungsanspruch Sicherheit leisten muss, scheidet eine solche, von der Beklagten gewünschte ergänzende Vertragsauslegung als dem Parteiwillen widersprechend aus. Die Beklagte hat das Insolvenzrisiko der Klägerin zu tragen, so wie die Klägerin das bereits eingetretene Risiko tragen muss, welches sich aus dem Antrag der Beklagten ergibt, ein Eigeninsolvenzverfahren zu eröffnen.

6. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die von der Beklagten bestellte und unstreitig bezahlte Anlage schuldmindernd zu berücksichtigen (EURO 20 000 bezogen auf die Nettozahlungsverpflichtung von EURO 600 000). Das Argument der Klägerin, es handele sich hierbei um einen Prototypen, die Klägerin habe erhöhten Aufwand gehabt, entgegen den vertraglichen Vereinbarung habe die Klägerin nicht die gesamte Anlage gestellt, sondern lediglich Teile, überzeugt nicht. Den gesonderten Aufwand hat die Klägerin sich gesondert bezahlen lassen. Auch ein Prototyp kann als Anlage qualifiziert werden, insbesondere nachdem die Kosten dieses Prototyps sich in einer Größenordnung bewegen, die auch dem Kaufpreis entspricht, den die Parteien übereinstimmend für eine Anlage angestrebt hatten (vergleiche einerseits § 4 des Kooperationsvertrages-, Liefer € und Lizenzvertrages, andererseits Anlage B 7).

7. Die vorgerichtlichen Mahnkosten sind nicht erstattungsfähig. Die Auffassung der Klägerin, der Mahnung habe es hier nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht bedurft, trifft nicht zu. In Anl. 3 des Vertrages finde sich eine derartige Regelung nicht. Deshalb ist nicht erkennbar, dass die anwaltliche, kostenauslösende und hier berechnete Mahnung nach Verzugseintritt ausgesprochen worden wäre. Eine Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung ist somit nicht gegeben.

8. Verzug ist durch die genannte Mahnung (Anlage K 4) zum 10. Januar 2013 eingetreten. Es gilt der Verzugszinssatz des § 288 Abs. 2 BGB, weil es um eine Entgeltforderung (Entgelt für die - ggf. zukünftige - Lizenzgewährung) geht. Insoweit erhebt auch die Beklagte keine Einwendungen.

9. Aus den dargestellten Gründen schuldet die Beklagte auch die gesetzliche Umsatzsteuer, was sie gleichfalls dem Grundsatz nach nicht beanstandet.

10. Die Eventualwiderklage ist unzulässig: Nach § 256 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das Rechtsverhältnis muss eine gegenwärtiges sein. Unzulässig ist eine Klage auf Feststellung von Rechtsfolgen aus einem erst künftig möglicherweise entstehenden Rechtsverhältnis. Vorliegend ist völlig ungewiss, ob das Patent für nichtig erklärt werden wird. Die Beklagte will somit eine abstrakte Rechtsfrage geklärt wissen. Hierzu dient das gerichtliche Erkenntnisverfahren nicht.

11. Die Entscheidung beruht im übrigen auf den §§ 92 Abs.2 , 709 ZPO.






LG Freiburg:
Urteil v. 09.05.2014
Az: 12 O 62/13


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