Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. September 2009
Aktenzeichen: 17 W (pat) 29/05

(BPatG: Beschluss v. 29.09.2009, Az.: 17 W (pat) 29/05)

Tenor

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patentund Markenamt wurde am 3. Februar 2003 ein Antrag auf Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung "Material mit spektral selektiver Reflexion" gestellt.

In einem Prüfungsbescheid hat die Prüfungsstelle für Klasse G 02 B unter anderem beanstandet, dass der geltende Anspruch 1 nicht zur Schaffung eines zweifelsfreien Schutzrechts geeignet sei, da weder klar sei, was unter einer "im Wesentlichen nicht absorbierenden Schicht" zu verstehen sei noch was darunter zu verstehen sei, dass die optische Dicke der ersten Schicht "zwischen etwa 600 nm und 900 nm" liege und die dritte Schicht eine geometrische Dicke "von etwa 20 bis 80 nm" aufweise. Damit sei der Anspruch 1 mangels Klarheit seines Gegenstands nicht gewährbar. Entsprechendes gelte für den Nebenanspruch 8, wo nicht klar sei, welche Ausbildung mit Materialien mit hohem und niedrigem Brechungsindex, die in den mit "z. B." eingeleiteten Aufzählungen genannt würden, unter Schutz gestellt werden solle. Weiterhin sei unklar, was genau unter den mit "etwa" charakterisierten Schichtdicken zu verstehen sei. Diese Formulierung sei auch in den Ansprüchen 5 bis 7 enthalten.

Auf diesen Prüfungsbescheid hin hat die Anmelderin auf einen (von der Prüfungsstelle nicht beanstandeten) Widerspruch in der Formulierung des Anspruchs 1 hingewiesen, wonach die optische Dicke im ursprünglich eingereichten Anspruch nicht richtig berechnet gewesen sei. Die von der Prüfungsstelle beanstandeten Formulierungen "z. B." und "etwa" hält sie aufrecht, da dem Fachmann durch diese Angaben eine gewisse Schwankungsbreite angedeutet werden solle. Wenn diese Begriffe gestrichen würden, könne ein potentieller Patentverletzer der Auffassung sein, die Anmelderin habe sich (ausschließlich) auf die angegebenen Dicken und Materialien beschränkt. Entsprechendes gelte auch für den Begriff "im Wesentlichen".

Die Anmelderin hat einen neuen Satz Patentansprüche eingereicht, in dem lediglich die von ihr selbst aufgegriffene widersprüchliche Angabe der optischen Dicke in Anspruch 1 geändert ist.

Daraufhin hat die Prüfungsstelle für Klasse G 02 B einen Zurückweisungsbeschluss erlassen. Die Anmelderin habe neue Ansprüche eingereicht. Der neue Anspruch 1 weise aber die gleichen unklaren Merkmale auf wie der ursprüngliche Anspruch 1 und sei damit nicht zur Schaffung eines zweifelsfreien Schutzrechts geeignet. Der geltende Anspruch 1 sei somit mangels Klarheit seines Gegenstandes nicht gewährbar. Der neue Nebenanspruch 8, der unverändert gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 8 aufrechterhalten werde, habe ebenso wenig Bestand, weil er zusammen mit dem nicht gewährbaren geltenden Anspruch 1 Gegenstand desselben Antrags auf Patenterteilung sei. Zudem weise der Anspruch 8 ebenfalls weiterhin unbestimmte und somit unklare Merkmale auf, die bereits Gegenstand des Prüfungsbescheids gewesen seien. Die Ausführungen der Anmelderin könnten zu keinem anderen Ergebnis führen, denn sie änderten nichts an dem Sachverhalt, dass die Ausdrücke "im Wesentlichen", "z. B." oder "etwa" unbestimmt und damit unklar seien.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des Versagungsbeschlusses und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr begehrt. Zu der Anregung auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr führt sie aus, dass sie einen komplett neuen Anspruch 1 eingereicht habe, weil in dem ursprünglichen Anspruch 1 ein Fehler enthalten gewesen sei. Es handle sich hierbei um ein "erhebliches Vorbringen". Diesen neuen Anspruch aber habe die Prüfungsstelle in sachlicher Hinsicht nicht gewürdigt, sondern sich nur mit den Begriffen "etwa" und "im Wesentlichen" beschäftigt, die der Klarheit des Anspruchs 1 entgegenstünden. Auf die von der Anmelderin zitierte Literaturstelle in Schulte (PatG, 6. Aufl., § 34 Rdnr. 111) beziehungsweise die aktuelle Rechtsprechung zu den relativen Begriffen, aus der sich ergebe, dass ungefähre bzw. relative Begriffe zulässig sein können, sei die Prüfungsstelle nicht eingegangen. Sie habe auch nicht näher dargelegt, weshalb der Anspruch 1 durch die beanstandeten Begriffe unklar werden könnte. Zahlenund Maßangaben seien wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs grundsätzlich der Auslegung fähig. Hätte sich die Prüfungsstelle sachlich mit dem neuen Patentanspruch 1 und der aktuellen Rechtsprechung zu den relativen Begriffen auseinandergesetzt, sei die Einlegung der Beschwerde vermeidbar gewesen. Zudem habe der Zurückweisungsgrund der mangelnden Klarheit keine gesetzliche Grundlage. Die Anmelderin hat die Patentanmeldung nach Ladung zurückgenommen, den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr aber ausdrücklich aufrechterhalten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig und kann nach Rücknahme der Beschwerde aufrechterhalten werden (§ 80 Abs. 4 PatG). Er ist aber unbegründet, weil ein Anlass für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht ersichtlich ist (§ 80 Abs. 3 PatG).

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Maßgebend dafür sind alle Umstände des Falles. Die Billigkeit der Rückzahlung kann sich aus der Sachbehandlung durch das Deutsche Patentund Markenamt ergeben (z. B. sachliche Fehlbeurteilung, Verfahrensfehler, Verstoß gegen Verfahrensökonomie, vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 80 Rdnr. 21; Schulte, PatG, 8. Aufl., § 80 Rdnr 111). Ein Verfahrensfehler, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt, liegt beispielsweise vor, wenn die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör beeinträchtigt worden ist (Benkard, a. a. O., § 80 Rdnr. 26). Eine Nichtberücksichtigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin kann der Prüfungsstelle vorliegend jedoch nicht entgegengehalten werden.

Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs beinhaltet, dass sich der Einzelne vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zum Verfahren und seinem voraussichtlichen Ergebnis äußern kann. Dazu gehört, dass eine Entscheidung nur auf Gründen beruhen darf, zu denen sich der Beteiligte äußern konnte. Stützt sich die Begründung eines Beschlusses auf Mängel, zu denen sich der Beteiligte vorher nicht äußern konnte, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Die Anmelderin konnte sich im vorliegenden Verfahren jedoch zu den Gründen, auf denen der Zurückweisungsbeschluss beruhte, hinreichend äußern.

Im Prüfungsbescheid hat die Prüfungsstelle (u. a.) auf die von ihr als unklar bezeichneten Formulierungen "im Wesentlichen" und "etwa" in Patentanspruch 1 und "z. B." und "etwa" in Patentanspruch 8 hingewiesen. Daraufhin hat die Anmelderin zwar neue Ansprüche vorgelegt, allerdings die von der Prüfungsstelle gerügten Unklarheiten unverändert gelassen. Damit konnte die Prüfungsstelle den Zurückweisungsbeschluss auf die zuvor von ihr beanstandeten Umstände stützen, ohne eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu begehen. Ein Antrag auf eine weitere schriftliche Diskussion oder eine Anhörung lässt sich nicht entnehmen, so dass sich die Prüfungsstelle auch nicht zu einem abwägenden Handeln veranlasst sehen musste, das einen weiteren Bescheid gerechtfertigt hätte (Benkard, PatG, 10. Aufl., § 48 Rdnr. 8).

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt sich auch nicht dadurch, dass es die Prüfungsstelle, wie von der Anmelderin vorgetragen, unterlassen hat, sich mit der aktuellen Rechtsprechung zu den relativen Begriffen auseinanderzusetzen. Wird das richtige Recht angewendet, ist aber seine Anwendung auf den konkreten Fall unrichtig, so ist diese falsche Beurteilung kein Grund für eine Rückzahlung (Schulte, a. a. O., § 73 Rdnr. 130 m. w. N.). Die sachliche Begründung liegt auch nicht so völlig neben der Sache, dass dies ausnahmsweise eine Rückzahlung rechtfertigen könnte. Jedenfalls bei den Bereichsangaben, z. B. "etwa 20-80 nm" im Anspruch 1 oder "etwa 400 bis 600 nm" im Anspruch 8 könnte die Formulierung durchaus für unklar gehalten werden.

Die Zurückweisung durch die Prüfungsstelle erfolgte auch nicht ohne gesetzliche Grundlage. § 34 Absatz 3 Satz 3 PatG verlangt, dass die Anmeldung Patentansprüche enthalten muss, anhand derer identifiziert werden kann, was als patentfähig unter Schutz gestellt sein soll. Im Erteilungsverfahren ist für Patentansprüche zu sorgen, die die unter Schutz gestellte Erfindung klar und deutlich umschreiben (BGH GRUR 1988, 757 -Düngerstreuer) und geeignet sind, den Anmeldungsgegenstand eindeutig zu kennzeichnen und vom Stand der Technik abzugrenzen (BGH GRUR 1979, 461 -Farbbildröhre). Der Schutzbereich muss, ggf. unter Auslegung mittels der Beschreibung, so klar und eindeutig definiert sein, dass er "für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar ist" (BGH BlPMZ 90, 240 -Batteriekastenschnur). Diese Erfordernisse waren nach Ansicht der Prüfungsstelle nicht erfüllt, so dass sie zur Zurückweisung der Anmeldung gelangte. Selbst eine unrichtige Rechtsanwendung würde eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht rechtfertigen (vgl. oben).

Dr. Fritsch Baumgardt Dr. Thum-Rung Eder Ko






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Beschluss v. 29.09.2009
Az: 17 W (pat) 29/05


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