Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Oktober 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 43/01

(BPatG: Beschluss v. 16.10.2002, Az.: 29 W (pat) 43/01)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Dezember 1998 und vom 17. November 2000 werden aufgehoben.

Gründe

I Die Zahlist als Wortmarke für die Waren der Klasse 2: Farben, Firnisse, Lacke;

Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Photographien; Schreib-, Zeichen-, Mal- und Modellierwaren und deren Teile; Klebstoffe für Pappier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke;

Klasse 18: Leder und Lederimitationen, soweit in Klasse 18 enthalten; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme; Aktentaschen, Rucksäcke, Schulranzen, Schultaschenzur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch zwei Beschlüsse zurückgewiesen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist. Die angemeldete Marke bestehe aus einer Zahl, die zur Unterscheidung der einzelnen Artikel des Sortiments dienen können. Ihr fehle jegliche Unterscheidungskraft, weil bei Papier und Schreibwaren ebenso wie bei den übrigen Produktgruppen der Anmeldung Zahlen als Typenbezeichnung fungierten und meist auf Größen oder sonstige Beschaffenheitsmerkmale hinwiesen. Der Verkehr sei gewohnt, daß zB bei Stiften eine Zahl benutzt werde, um eine bestimmte Farbe oder Härte angeben zu können. Für den Verbraucher sei erkennbar, daß die Zahl eine bestimmte Eigenschaft der Ware benenne. Ob auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG bestehe, wie es der Erstprüfer wegen der hohen Zahl von Einzelartikeln in der Papier-, Bürobedarf- und Schreibwarenbranche für Zahlen bis zum fünfstelligen Bereich angenommen hat, könne dahingestellt bleiben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht geltend, daß eine Reihe von Herstellern bzw Anbietern in der Papier, Bürobedarf- und Schreibwarenbranche Zahlen als Produktmarken zur Unterscheidung ihrer Produkte von denen anderer Hersteller verwendeten. Zwar gebe es bestimmte Zahlen- und Buchstabenkombinationen, die beschreibende Funktion haben, zB zur Angabe von Minenstärken und Härtegraden. Die Zahl 7000 sei jedoch geeignet, produktidentifizierend zu wirken, weil sie nicht als Beschaffenheitsangabe diene.

Sie beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der angemeldeten Marke stehen die Eintragungshindernisse des § 8 Abs 2 Marken nicht entgegen. Insbesondere fehlt der angemeldeten Zahl "7000" für die beanspruchten Waren weder jegliche Unterscheidungskraft noch ist sie als beschreibende Angabe von der Eintragung ausgeschlossen (§ 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG).

Zahlen kommt nach § 3 Abs 1 MarkenG abstrakte Unterscheidungseignung zu, wovon auch die Markenstelle ausgegangen ist. Sie sind nicht nur markenfähig, sondern können auch konkrete Unterscheidungskraft besitzen, wenn ihnen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt für die in Rede stehenden Waren zuzuordnen ist und sie vom Verkehr auch nicht stets als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl BGH MarkenR 99, 400, 401 - FÜNFER; BGH GRUR 2000, 608, 609 - ARD-1; BGH MarkenR 2002, 285 - B-2 alloy; zuletzt BGH MarkenR 2002, 291 - Zahl 1; s.a. BPatG GRUR 1998, 572 - 9000 und BPatG 24 W (pat) 96/97 - 3000). Die konkrete Unterscheidungseignung kann ihnen insbesondere nicht generell oder für ein gesamtes Warengebiet bzw eine Branche abgesprochen werden, auch wenn Zahlen dort häufig als Typenbezeichnungen verwendet werden. Das verbreitete Auftreten von Zahlen auf den Gebieten der beanspruchten Waren legt es zwar nahe, daß diese in erster Linie beschreibend und nicht kennzeichnend verstanden werden. Die hohe Anzahl an Einzelartikeln auf den angegebenen Warengebieten rechtfertigt es jedoch nicht, Zahlen oder Buchstaben als Typenbezeichnungen die Eignung, unter bestimmten Voraussetzungen betriebskennzeichnend zu wirken, pauschal für bestimmte Warenbereiche abzusprechen, da diesen Erwägungen mit der Gesetzänderung die Grundlage entzogen worden ist (vgl BGH MarkenR 2000, 426, 427 -K). Geboten ist stets eine Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der Bezeichnungsgewohnheiten auf dem jeweiligen Gebiet (vgl BGH aaO -B-2 alloy und Zahl 1).

Davon ausgehend konnte nicht festgestellt werden, daß die Zahl "7000" in beschreibender Weise für die beanspruchten Waren etwa als Größenangabe oder Typenbezeichnung verwendet wird. Die Minenstärken oder Härtegrade von Stiften werden, wie die Anmelderin zu Recht hervorhebt, mit niedrigen Zahl-/Buchstabenkombinationen (2B, B HB, 2H oder mit Dezimalzahlen (0,5 - 1,0 u.ä.) wiedergegeben. Die angemeldete Zahl ist auch nicht wie Angaben von Farben (zB RAL Farben) oder wie Pinselstärken (2, 4, 8, 10, 12, 16 etc) gebildet. Soweit 1000-er Zahlen auftreten, werden sie teils als Artikelbezeichnung zB für Kugelschreiber oder kennzeichnend bei den "edding" Stiften 3000, 3300 sowie bei "Goldfaber" 4100 von A. W. Faber-Castell verwendet, ohne daß für den angesprochenen Verkehr erkennbar ist, ob und welcher Bedeutungsgehalt darin enthalten ist. Die Zahlen erscheinen vielmehr als gewillkürte Auswahl des jeweiligen Hersteller oder Anbieters, um die Produkte von denen anderer Unternehmen abzuheben.

Mangels Feststellung beschreibender Inhalte erkennbarer Größen-, Mengen- oder Maßangaben geht der Senat davon aus, daß die angemeldete Zahl bei der beanspruchten Verwendung in Alleinstellung nicht als eine Beschaffenheitsangabe aufgefaßt wird, sondern geeignet ist, als betriebskennzeichnendes Unterscheidungsmittel verstanden zu werden.

Schließlich kommt es entgegen der Ansicht der Markenstelle auch nicht darauf an, ob sich die angemeldete Zahl im einzelnen gut merken läßt. Denn weitere über die Unterscheidungseignung hinausgehende Anforderungen können weder an Bildzeichen noch an Zahl- oder Wortmarken gestellt werden, bei denen insbesondere eine Prüfung darauf, mit welcher Mühe sich die angemeldete Marke einprägen und merken läßt, nicht stattfindet (vgl BGH MarkenR 2000, 99 - St. Pauli Girl).

Aus den zur Unterscheidungskraft genannten Gründen fehlt es auch an konkreten Anhaltspunkten, daß die angemeldete Zahl "7000" gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG als Angabe zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit oder sonstiger verkehrswesentlicher Merkmale der beanspruchten Waren dienen kann und entsprechend freizuhalten ist.

Grabrucker Baumgärtner Pagenberg Cl






BPatG:
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Az: 29 W (pat) 43/01


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