Landgericht München I:
Beschluss vom 24. Mai 2011
Aktenzeichen: 21 O 9065/11

(LG München I: Beschluss v. 24.05.2011, Az.: 21 O 9065/11)

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass eines Beschlusses gemäß § 101 Abs. 9 UrhG vom 29. 4. 2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Geschäftswert wird auf € 3.000,- festgesetzt

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) ist ein bekannter Tonträgerhersteller und -vertreiber. Die Beteiligte zu 2) betreibt unter der URL € ein Unternehmen, das im Internet Speicherplatz anbietet (sog. Web-Hosting).

Die Beteiligte zu 1) macht geltend, sie habe festgestellt, dass ein Kunde der Beteiligten zu 2), der unter der URL € eine der größten Piraterieseiten des Internet betreibe, am 19.4. 2011 das erst am 23. 4. 2010 offiziell veröffentlichte Album "€" der Künstlerin "€" öffentlich zugänglich gemacht habe.

Die Antragstellerin beantragt mit ihrem auf den 29. 4.2011 datierten und am 2. 5. 2011eingegangenen Antrag den Erlass eines Beschlusses gemäß § 101 Abs. 9 UrhG zur Mitteilung der Identität des Nutzers, der unter der URL ... betrieb und jedenfalls am 19. 4. 2010 über die statische IP- Adresse € erreichbar war. Sie ist der Auffassung, es handle sich bei der statischen IP- Nummer nicht um Verkehrs- sondern um Bestandsdaten und die Beteiligte zu 2) verweigere zu Unrecht unter Hinweis auf § 101 Abs. 9 UrhG die von ihr nach § 101 Abs 2 geschuldete Auskunft, wer dieser Kunde sei. Die Antragstellerin auf den Weg der Leistungsklage zu verweisen, sei aus Kostengründen unzumutbar. Im Übrigen werde die Gestattung beantragt, falls die Kammer der Meinung sei, es handle sich um ein Verkehrsdatum.

Die Beteiligte zu 2) ist der Auffassung, aus datenschutzrechtlichen Gründen sei der Weg über die Gestattung gem. § 101 Abs. 9 UrhG zu wählen, da es sich auch bei einer statischen IP-Nummer um ein Verkehrsdatum i. s. v., § 101 Abs. 9 UrhG handle. Ein Anspruch gem. § 101 Abs. 2 sei im Wege der Leistungsklage geltend zu machen.

II.

5Der Antrag auf Erlass eines Beschlusses nach § 101 Abs. 9 UrhG war zurückzuweisen, da die Antragstellerin kein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag gem. § 101 Abs. 9 UrhG hat, weil kein Fall des § 101 Abs. 9 UrhG vorliegt.

Die Kammer teilt die Auffassung der Antragstellerin und Beteiligten zu 1), wonach die statische IP- Nummer kein Verkehrsdatum sondern ein Bestandsdatum ist (vgl. die Übersicht über den Meinungsstand bei Schricker/Wimmers, UrhG, 4. Aufl., § 101 Rdn. 108 ff).

Das Bundesverfassungsgericht hat zum Grundrechtsschutz von Telekommunikationsverhältnissen gem. § 10 GG ausgeführt:

Die grundrechtliche Gewährleistung umfasst nicht nur den Inhalt geführter Telefongespräche, sondern auch die näheren Umstände des Fernmeldeverhältnisses. Dazu gehört insbesondere die Tatsache, ob und wann und wie oft zwischen welchen Personen und Fernmeldeanschlüssen Fernmeldeverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist (BVerfG NJW 2000, 55, 57).

Auch BVerfG MMR 2005, 520, stellt auf Einzelverbindungsnachweise ab.

Umgekehrt ist Schricker/Wimmers, a.a.O. offenbar der Ansicht, die Bekanntgabe des hinter einer auch dynamischen IP- Nummer (die auch von ihm als Bestands- und damit nicht als Verkehrsdatum angesehen wird) stehenden Nutzers werde dadurch zum Verkehrsdatum, dass durch die Namensauskunft dieses Bestandsdatum mit einem konkreten Nutzungsvorgang verknüpft werde. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Bestandsdaten und (unabhängig von der Definition€) gegebener Sensibilität der Verbindungsdaten, die einen Richtervorbehalt verfassungsrechtlich angezeigt erscheinen lasse, lässt sich auch aus den Meinungsunterschieden zwischen Bundesrat und Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren ersehen (BT-Drucksache 16/5048, S. 56, 63); die Bundesregierung knüpft allein an die erforderliche Überprüfung der "Verbindungsdaten" an und verwendet damit einen weiteren, nicht näher definierten dritten Begriff (so auch etwa BVerfG Beschluss vom 13.11.2010 - 2 BvR 1124/10 - Beck RS 2011 2618).

Legt man die Begründung von Bär, MMR 2005, 623, 624 zugrunde, wonach der Provider auf Verkehrsdaten zurückgreifen muss, die in seinen Logfiles vorgehalten sind, und die mit den Bestandsdaten zu verknüpfen sind, ist die Verknüpfung mit einem solchen konkreten Nutzungsvorgang im vorliegenden Fall nur insoweit gegeben, als ein von der Beteiligten zu 2) als möglich dargestellter Wechsel auch der statistischen IP-Nummer betroffen sein kann. Die Bet. zu 2) hat aber der Darstellung der Antragstellerin nicht widersprochen, wonach die statische IP-Adresse unabhängig von der Frage tatsächlich zustande gekommener Verbindungen vorgehalten werden muss.

Damit ist von einer Feststellbarkeit der Zuordnung nicht mehr nur über einen Kommunikationsvorgang auszugehen, und damit von einer verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Mitteilung dieser einzelnen Adresse, wie es das Bundesverfassungsgericht in der oben angeführten Entscheidung 2 BvR 1124/10 für den Fall einer Speicherung der (dort wohl dynamischen) IP-Adresse beim Kommunikationsteilnehmer angenommen hat.

Der Streitwert wurde in Höhe des Regelstreitwerts mit € 3.000,- festgesetzt.






LG München I:
Beschluss v. 24.05.2011
Az: 21 O 9065/11


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