Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 29. März 1990
Aktenzeichen: 2 S 519/90

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 29.03.1990, Az.: 2 S 519/90)

1. Ein Abgabenbescheid, dessen Aufhebung ein Betroffener mit einer Anfechtungsklage ohne betragsmäßige Beschränkung begehrt, wird grundsätzlich insgesamt in den Rechtsstreit eingeführt. Der Streitwert richtet sich daher auch grundsätzlich nach dem bezifferten Betrag dieses Bescheids (§ 13 Abs 2 GKG).

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig (§ 25 Abs. 2 GKG). Die durch die behauptete Unterbewertung des Streitwerts allein beschwerten Prozeßbevollmächtigten der Beklagten sind beschwerdebefugt (§ 9 Abs. 2 BRAGO). Die Beschwerde ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte den Streitwert für das Verfahren bis zu der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Einschränkung des Klageantrags auf den vollen Betrag der angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide festsetzen müssen. Denn die strittigen Erschließungsbeitragsbescheide wurden zunächst uneingeschränkt angefochten.

Nach § 13 Abs. 2 GKG ist in den Fällen, in denen der Antrag des Klägers einen auf eine bezifferte Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt betrifft, deren Höhe für die Streitwertfestsetzung maßgebend. Hat die Klage einen Teilbetrag zum Gegenstand, so bemißt sich der Streitwert nach dessen Höhe. Die Beschränkung des Klagebegehrens auf die Aufhebung nur eines Teilbetrags des angefochtenen Bescheids muß allerdings deutlich zum Ausdruck gebracht und der strittige Betrag grundsätzlich im Klageantrag beziffert werden (vgl. Beschlüsse des erk. Senats vom 5.11.1981 -- 2 S 1996/81 --; vom 6.8.1984 -- 2 S 1422/84 --; vom 26.10.1984 -- 2 S 5804/84 --; vom 18.3.1986 -- 2 S 3281/85 --; vom 13.10.1986 -- 2 S 2207/86 --). Die Klägerin hat die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom 19.4.1988 zunächst in voller Höhe angefochten. Dies ergibt sich aus der Klageschrift vom 10.5.1989, auf die es für die Wertberechnung entscheidend ankommt (vgl. § 12 Abs. 1 GKG in Verb. mit § 4 Abs. 1 S. 1 ZPO; vgl. Beschluß des Senats vom 26.10.1984 -- 2 S 8504/84 --). Der in der Klageschrift formulierte Klageantrag enthält keinerlei Beschränkung des Aufhebungsbegehrens. Zwar sind Klageanträge unter Berücksichtigung des gesamten Klagevorbringens einschließlich des Vorbringens im Widerspruchsverfahren auszulegen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 23.10.1981 -- 2 S 1256/81 --; vom 13.1.1986 -- 2 S 2586/85 --; vom 18.3.1986 -- 2 S 3281/85 --). Eine dahingehende Auslegung des Klageantrags führt vorliegend jedoch nicht zu dem Ergebnis, daß mit der Klage -- im Zeitpunkt der Klageerhebung -- nur eine teilweise Aufhebung der Erschließungsbeitragsbescheide habe erreicht werden sollen. Aus dem Vorbringen im Vorverfahren ergibt sich nicht, daß sich der Widerspruch nicht gegen die Beitragsbescheide insgesamt, sondern nur gegen einen Teilbetrag der darin festgesetzten Forderungen richten sollte. Der Widerspruch richtete sich gegen die Erschließungsbeitragsbescheide insgesamt. In der später vorgelegten Begründung wurden zwar Ausführungen zu der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten gebildeten Erschließungseinheit gemacht. Es wurde jedoch nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß -- nur aus diesem Grund -- lediglich ein Teilbetrag der strittigen Beitragsforderung aufgehoben werden solle. Auch in der Klageschrift fehlen entsprechende Ausführungen. Der Äußerung, daß die Klage nur zur Fristwahrung erhoben werde, ist keine Beschränkung des Streitgegenstands auf einen bestimmten Teilbetrag zu entnehmen. Erst mit Schriftsatz vom 11.9.1989 hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, daß sie die Erschließungsbeiträge allenfalls auf der Grundlage einer Erschließungseinheit für rechtmäßig halten könne, so daß der Streit nur noch in bezug auf den -- näher bezifferten -- Differenzbetrag zwischen Erschließungseinheit und Einzelabrechnung gehe. Dieser Auffassung hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 7.2.1990 dadurch Rechnung getragen, daß sie ihren Klageantrag entsprechend einschränkte. Von der nachträglichen Einschränkung des Streitgegenstands blieb jedoch der mit der Klageschrift anderweitig festgelegte Streitgegenstand im vorliegenden Fall unberührt.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 29.03.1990
Az: 2 S 519/90


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