Bundespatentgericht:
Urteil vom 6. Februar 2002
Aktenzeichen: 4 Ni 44/00

(BPatG: Urteil v. 06.02.2002, Az.: 4 Ni 44/00)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 145 677 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Anspruchs 1 für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 8.000,-- vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 145 677 (Streitpatent), das am 20. November 1984 unter Inanspruchnahme der Priorität der italienischen Patentanmeldung IT 6822183 vom 22. November 1983 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patentamt- und Markenamt unter der Nummer 34 85 642 geführt wird, betrifft einen verbesserten Teletext-Empfänger. Es umfasst 5 Ansprüche, von denen Patentanspruch 1 in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut hat:

"1. Fernsehsignalempfänger mit einer Teletext-Decodierschaltung (4) zum Empfang, zur Auswahl, Aufbereitung und Wiedergabe einer Vielzahl von Textseiten, von denen jede einzelne vom Benutzer aus allen empfangenen Seiten mittels Funktionstasten, die auf einer entsprechenden Bedienungseinrichtung (11), insbesondere einem Fernbedienungsgeber, angeordnet sind, durch Senden einer korrespondierenden Folge von Daten, die die ausgewählte Seite spezifizieren, an die Decodierschaltung (4) wählbar ist, welcher Empfänger eine Datenverarbeitungsschaltung (13) aufweist, die mit der Decodierschaltung (4), der Bedienungseinrichtung (11) und einer Speichereinrichtung (Register 13a) gekoppelt ist, welche Datenverarbeitungsschaltung (13) zum Speichern der Folge der Daten, zur Spezifizierung der gewählten Seite und zum Modifizieren derselben in Antwort auf die Betätigung einer speziellen Taste der Funktionstasten in der Speicherschaltung (Register 13a) vorgesehen ist, so dass die modifizierte Folge eine definierte andere Seite als die ausgewählte angibt, dadurch gekennzeichnet, dass die spezielle Taste eine entsprechende Inkrement (+)- oder Dekrement (-)- Taste ist, und dass die Datenverarbeitungsschaltung (13) als Folge der Betätigung besagter spezieller Taste die gespeicherte Folge der Daten aus der Speichereinrichtung (13a) aufruft und entsprechend inkrementiert oder dekrementiert, sie dann wieder speichert und an die Decodierschaltung (4) ausgibt."

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents sei nicht neu bzw beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, verfolgt der Kläger das Ziel, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären. Zur Begründung beruft er sich auf offenkundige Vorbenutzung, wozu er verschiedene Unterlagen vorlegt und Zeugenbeweis anbietet. Außerdem nennt er folgende Druckschriften:

- Philips-Katalog Sommer 1983, S. 25, 26 (K 4)

- Funkschau 9/1983 S. 112 (K 5)

- Philips-Saison-Katalog 1983/84, 1. u. 2. Innenseite, Rückseite sowie S. 24-29 (K 6)

- Prospekt Philips 26 CS 3890 (K 8)

- Funkschau 17/1983 S. 28 (K 9)

- Bedienungsanleitung des Gerätes 26 CS 3890 (Goya Royal 3890 VT-Printer) (K 10)

- Auszug aus Philips Servicemanual des Gerätes CS 3890 (K 11)

- Grundig, Technische Information 1980,4/5, S. 171 bis 196 (K 12)

- Videotext und Bildschirmtext - das VALVO LSI-Konzept 1979, S. 14 bis 17 (K 13)

- Chambers, Enhanced UK Teletext Moves Towards Still Pictures, in: IEEE Transactions on Consumer Electronics, Vol. CE-26, August 1980, S. 527 bis 532 (K 14)

Der Kläger beantragt, das europäische Patent 0 145 677 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Anspruchs 1 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass an die Stelle des angegriffenen folgender Anspruch 1 tritt:

"1. Fernsehsignalempfänger mit einer Teletext-Decodierschaltung (4) zum Empfang, zur Auswahl, Aufbereitung und Wiedergabe einer Vielzahl von Textseiten, von denen jede einzelne vom Benutzer aus allen empfangenen Seiten mittels Funktionstasten, die auf einer entsprechenden Bedienungseinrichtung (11), insbesondere einem Fernbedienungsgeber, angeordnet sind, durch Senden einer korrespondierenden Folge von Daten, die die ausgewählte Seite spezifizieren, an die Decodierschaltung (4) wählbar ist, welcher Empfänger eine Datenverarbeitungsschaltung (13) aufweist, die mit der Decodierschaltung (4), der Bedienungseinrichtung (11) und einer Speichereinrichtung (Register 13a) gekoppelt ist, welche Datenverarbeitungsschaltung (13) zum Speichern der Folge der Daten, zur Spezifizierung der gewählten und angezeigten Seite und zum Modifizieren derselben in Antwort auf die Betätigung einer speziellen Taste der Funktionstasten in der Speicherschaltung (Register 13a) vorgesehen ist, so dass die modifizierte Folge eine definierte andere Seite als die ausgewählte angibt, dadurch gekennzeichnet, dass die spezielle Taste eine entsprechende Inkrement (+)- oder Dekrement (-)- Taste ist, und dass die Datenverarbeitungsschaltung (13) als Folge der Betätigung besagter spezieller Taste die gespeicherte Folge der Daten aus der Speichereinrichtung (13a) aufruft und entsprechend inkrementiert oder dekrementiert, sie dann wieder speichert und an die Decodierschaltung (4) ausgibt, um die neu gewählte Seite ohne weitere Intervention des Benutzers anzuzeigen."

Nach Ansicht der Beklagten ist die Klage wegen fehlender Substantiierung bzw Schlüssigkeit und unzulässiger Rechtsausübung unzulässig, da der frühere Klägervertreter, Patentanwalt M..., in den Jahren 1992 bis 1995 das Streitpatent vertreten habe. Im Übrigen tritt sie dem Vorbringen des Klägers entgegen und hält das Streitpatent für bestandsfähig.

Der Kläger erwidert, Patentanwalt M... habe lediglich die Patentschrift über- setzt, er sei zwar Zustellungsbevollmächtigter, aber im Erteilungsverfahren sonst nicht tätig gewesen.

Gründe

Die Klage, mit der der in Art II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Abs 1, 2 und Art 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig und begründet.

I.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Klage sei mangels Substantiierung bzw mangels Schlüssigkeit unzulässig. Die Klage entspricht den Erfordernissen des § 81 Abs 5 Satz 1 und 2 PatG. Die Klagegründe sind durch umfangreichen Sachvortrag und Beweisangebote belegt. Deren Schlüssigkeit kann dahinstehen, denn sie ist kein Erfordernis der Zulässigkeit der Klage.

Der Klage steht auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Die Beklagte hat keinen Grund für einen derartigen Einwand dargetan. Dass der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin zuvor das Streitpatent vertreten hat, macht seine Mitwirkung auf Seiten der Klägerin wohl (standesrechtlich) unzulässig, nimmt aber der Klage selbst, die als Popularklage von jedermann ohne weitere Rechtfertigung erhoben werden konnte, nicht ihre Zulässigkeit. Ob das in jedem Falle, bspw auch dann gelten würde, wenn der Kläger das Fehlverhalten seines Verfahrensbevollmächtigten gekannt und etwa gar für seine Zwecke ausgenutzt hätte, kann dahinstehen. Denn für Derartiges fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt.

II.

1. Das Streitpatent betrifft einen verbesserten Teletext-Empfänger, genauer einen Fernsehsignalempfänger mit einer Teletext-Dekodierschaltung, die zum Empfangen, Auswählen, Verarbeiten und Wiedergeben mehrerer Textseiten in der Lage ist. Dabei kann der Benutzer jede einzelne der empfangbaren Seiten durch Senden einer Folge von Daten zu der Decodierschaltung mittels einer Bedienungseinrichtung, insbesondere einem Fernbedienungsgeber, auswählen. Der Empfänger umfasst eine Datenverarbeitungsschaltung, die mit der Decodierschaltung, der Bedienungseinrichtung und einer Speichereinrichtung gekoppelt ist und sowohl zum Speichern als auch zum Modifizieren der Folge von Daten, die die ausgewählte Seite bestimmen, vorgesehen ist.

Nach der Patentbeschreibung ist im Stand der Technik ein derartiger Fernsehsignalempfänger bekannt, dessen Empfänger eine an die Bedienungsvorrichtung gekoppelte Datenverarbeitungsschaltung umfasse, die zum Speichern der Folge von Daten in einem internen Register vorgesehen sei. Eine besondere Bedienungstaste sei vorgesehen, die dem Benutzer erlaube, die gespeicherte Folge zu modifizieren, um eine andere vorbestimmte Seite als die ausgewählte zu bestimmen.

Bei der Verwendung bekannter Dekodierer müsse der Benutzer jedes Mal, wenn er eine der zahlreichen Seiten sehen wolle, aufeinanderfolgend drei numerische Tasten drücken, um so die dreistellige Zahl der gewünschten Seite zu bilden. Auch für das Aufrufen der nächsten Seite müsse eine neue dreistellige Zahl eingegeben , wenn nicht sogar die Seite des Inhaltsverzeichnisses aufgerufen werden. Die dadurch notwendige erhebliche Anzahl von Fernbedienungs-Tastendrücken verringere die Lebensdauer der Fernbedienungs-Batterien; außerdem könne es vorkommen, dass der Fernbedienungs-Empfänger den Befehl nicht korrekt empfange; dann müsse die empfangene Zahlenfolge von Anfang an wiederholt werden.

Schließlich sei ein Verfahren zum Verringern der Wartezeit zum Auswählen von Textseiten und Grafik bekannt, die in einem Informationssystem durch einen Datenkanal von einem Sender zu einem Empfänger übertragen würden, indem man weitere Information hinzufüge. In dem Empfänger würden neben den anzuzeigenden auch die benachbarten Seiten gespeichert; so ermögliche der Empfänger, mit einem Bedienfeld zu kommunizieren. Dieses Verfahren sei zwar schnell beim Suchen der Seite in dem Informationssystem, aber es erfordere ein Hinzufügen der erwähnten weiteren Information.

2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, einen Empfänger mit einem Teletextsignal-Dekodierer anzugeben, der die beschriebenen Nachteile vermeidet.

3. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäss einen 1.1. Fernsehsignalempfänger mit einer Teletext-Decodierschaltung (4) zum Empfang, zur Auswahl, Aufbereitung und Wiedergabe einer Vielzahl von Textseiten, 1.2. jede einzelne Textseite ist vom Benutzer aus allen empfangenen Seiten mittels Funktionstasten, die auf einer entsprechenden Bedienungseinrichtung (11), insbesondere einem Fernbedienungsgeber, angeordnet sind, durch Senden einer korrespondierenden Folge von Daten, die die ausgewählte Seite spezifizieren, an die Decodierschaltung (4) wählbar, 1.3. der Empfänger weist eine Datenverarbeitungsschaltung (13) auf, 1.4. die Datenverarbeitungsschaltung (13) ist mit der Decodierschaltung (4), der Bedienungseinrichtung (11) und einer Speichereinrichtung (Register 13a) gekoppelt, 1.5. die Datenverarbeitungsschaltung (13) ist zum Speichern der Folge der Daten zur Spezifizierung der gewählten Seite und zum Modifizieren derselben in Antwort auf die Betätigung einer speziellen Taste der Funktionstasten in der Speicherschaltung (Register 13a) vorgesehen, so dass die modifizierte Folge eine definierte andere Seite als die ausgewählte angibt, 1.6. die spezielle Taste ist eine entsprechende Inkrement (+)- oder Dekrement (-)- Taste, 1.7. die Datenverarbeitungsschaltung (13) ruft als Folge der Betätigung besagter spezieller Taste die gespeicherte Folge der Daten aus der Speichereinrichtung (13a) auf, 1.8. inkrementiert oder dekrementiert die gespeicherte Folge entsprechend, 1.9. speichert die inkrementierte oder dekrementierte Folge wieder und 1.10. gibt sie an die Decodierschaltung (4) aus.

III.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist in keiner der verteidigten Fassungen patentfähig.

Der zur Frage der Patentfähigkeit zu berücksichtigende Fachmann ist ein nachrichtentechnisch ausgebildeter, auf dem Gebiet der Teletext-Fernsehempfänger erfahrener Entwickler, der auch mit dem Aufbau und der Wirkungsweise von Teletext-Decodern vertraut ist.

1. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 mag zwar neu sein; er beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er ergab sich nämlich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Aus K12, insbesondere Bilder 10 b, 12 und 20 und dem jeweils zugehörigen Text, ist ein Fernsehsignalempfänger bekannt, der bereits einen wesentlichen Teil der Merkmale des Anspruchs 1 aufweist.

So ist dort ebenfalls eine Teletext-Decodierschaltung (Bild 10 b) zum Empfang, zur Auswahl, Aufbereitung und Wiedergabe einer Vielzahl von Textseiten vorhanden (Anspruchsmerkmal 1.1.). Mittels Funktionstasten, die auf einer entsprechenden Bedieneinrichtung, nämlich einem Fernbedienungsgeber (Bild 20), angeordnet sind, kann der Benutzer jede einzelne aus allen empfangenen Seiten auswählen und zwar durch Senden einer korrespondierenden Folge von Daten (enthaltend eine Seitennummer), die die ausgewählte Seite spezifizieren, an die Decodierschaltung (Anspruchsmerkmal 1.2.). Die Folge von Daten, die die ausgewählte Seite spezifizieren, gelangt dort in einen "Speicher für gewählte Seite und Zeitcode", um mittels eines Seitennummern-Komparators mit der jeweils übertragenen Seitennummer verglichen zu werden (Bild 12 iVm S 177 reSp 3. Abs).

Zur Verarbeitung der vom dortigen Fernbedienungsgeber ausgesandten Folge von Daten und zur Einspeicherung der die gewählte Seite spezifizierenden Datenfolge in den "Speicher für gewählte Seite und Zeitcode" weist der Empfänger eine entsprechende Datenverarbeitungsschaltung auf (S 176 miSp 2. Abs), die mit der Decodierschaltung, der Bedienungseinrichtung und dem erwähnten Speicher gekoppelt ist (Anspruchsmerkmale 1.3. und 1.4., Teil von Anspruchsmerkmal 1.5.).

Aus dem Zeitschriftenartikel "Videotext: Farbgerät mit Drucker" in K9 konnte der Fachmann außerdem einen Teletext-Fernsehempfänger entnehmen, der ebenfalls mit einem Fernbedienungsgeber ausgerüstet ist und bei dem im Rahmen eines "Videotext Plus" genannten Gerätemerkmals eine einfache Veränderung der gerade gesehenen Teletext-Seitennummer möglich ist. Es heißt dort im einzelnen:

"Interessant ist "Videotext Plus": Damit lassen sich 20 Vt-Seitennummern speichern, verteilt über alle den Videotext übertragenden Fernsehprogramme, d.h. der Benutzer ist in der Lage, die 20 ihn am meisten interessierenden Vt-Seiten-Nummern einzuspeichern und sequentiell wieder abzurufen. Es handelt sich also nicht, wie gelegentlich irrtümlich angenommen, um die volle Speicherung von 20 Vt-Seiten. Übrigens kann die gerade gesehene Vt-Seitennummer um jeweils eine Seitennummer erhöht oder vermindert werden, d.h. es brauchen nicht mehr alle drei Ziffern gewählt zu werden, wenn man z.B. von der Seite 123 nach 124 möchte".

Da Teletext-Seiten üblicherweise mit Hilfe der numerischen Tasten des Fernbedienungsgebers durch Eingabe von drei Ziffern gewählt werden, konnte der Fachmann nach Überzeugung des Senats den letzten Teil der vorstehend wiedergegebenen Passage nur dahingehend verstehen, daß der Fernbedienungsgeber eine Taste aufweist, durch deren Betätigung die Nummer der gerade gesehenen Seite um 1 erhöht bzw erniedrigt wird, womit die Wahl der benachbarten Seite - verglichen mit der bisher üblichen Eingabe von drei Ziffern - vereinfacht ist.

Zwar ist in K9 eine derartige Taste nicht ausdrücklich erwähnt; aufgrund seines Fachwissens war aber dem Fachmann ohne weiteres klar, daß zur Realisierung der in K9 angegebenen Bedienungsfunktion in erster Linie eine Taste auf dem Fernbedienungsgeber in Frage kommt. So sind auch gemäß K5, Abschnitt "Gedächtnis für Videotext-Seiten" zum Vor- oder Zurückblättern von Teletextseiten, dh im gleichen Zusammenhang, Tasten + 1 und - 1 vorgesehen.

Da das vorstehend erörterte Gerätemerkmal den Bedienungskomfort eines Teletext-Fernsehempfängers verbessert, lag dem Fachmann der Gedanke nahe, den aus K12 bekannten Fernsehempfänger damit auszurüsten, dh auf dessen Fernbedienungsgeber eine spezielle Taste in Form einer Inkrement- oder Dekrement-Taste anzuordnen (Merkmal 1.6.).

Dabei gehörte es zum fachmännischen Grundwissen, daß man gespeicherte Daten dadurch modifiziert, daß sie ausgelesen, in gewünschter Weise verändert und in der veränderten Form wieder eingelesen werden. Es entsprach daher lediglich üblichem fachmännischen Vorgehen, zur Realisierung der erwähnten Bedienungsfunktion an eine Ausbildung des "Speichers für gewählte Seite und Zeitcode" und der Datenverarbeitungsschaltung in der Weise zu denken, daß aufgrund einer Betätigung der speziellen Taste die gespeicherte Folge der Daten (Seitennummer) aus dem Speicher ausgelesen, entsprechend inkrementiert oder dekrementiert wird und dann wieder in den Speicher eingelesen und an die Decodierschaltung, nämlich an den in der Decodierschaltung enthaltenen Komparator, ausgegeben wird (verbliebener Teil des Anspruchsmerkmals 1.5. sowie Anspruchsmerkmale 1.7. bis 1.10.), damit die gewünschte benachbarte Seite aus den übertragenen Seiten herausgesucht werden kann.

Die Beklagte hat dagegen zwar eingewendet, die in K9 erwähnte Erhöhung oder Verminderung der Seitennummer stelle lediglich einen möglichen Schritt bei der in der zitierten Passage außerdem noch erwähnten Einspeicherung von 20 Seitennummern dar. Dabei könne zB auf dem Bildschirm des Empfängers eine Wiedergabe der eingespeicherten Seitennummern, etwa in Form einer Tabelle erfolgen, und eine einzelne Seitennummer könne dann - etwa mittels eines Cursors - gezielt erhöht oder vermindert werden.

Gegen dieses Verständnis von K9 spricht aber, daß in K9 weder von einer Wiedergabe der eingespeicherten Seitennummern auf dem Bildschirm, noch von einer Möglichkeit, eine der eingespeicherten Seitennummern zu erhöhen oder zu vermindern, die Rede ist. Aber auch, wenn man unterstellt, daß die von der Beklagten vorgenommene Interpretation von K9 dem Fachmann als bloße Möglichkeit in den Sinn kommen konnte, so mußte ihm diese als offensichtlich nicht zutreffend oder jedenfalls als abwegig erscheinen, weil es kaum sinnvoll ist, für das Einspeichern der bevorzugten Seitennummern, das ja nur einmal oder allenfalls gelegentlich vorzunehmen ist, zusätzlich zu der vorhandenen Bedienungsmöglichkeit eine weitere Bedienungsmöglichkeit vorzusehen, die einen Cursor oder eine gesonderte Taste erfordert.

Nach Überzeugung des Senats sind vielmehr in der oben zitierten Passage von K9 zwei unabhängige Aspekte des Gerätemerkmals "Videotext Plus" aufgeführt: Der erste Aspekt wird dahingehend beschrieben, daß der Benutzer 20 ihn am meisten interessierende Seitennummern einspeichern und sequentiell wieder abrufen kann. Die Beschreibung des zweiten Aspektes, die mit dem einleitenden Wort "Übrigens" schon sprachlich von dem vorangehenden ersten Aspekt abgesetzt ist, betrifft die oben bereits erörterte Möglichkeit, die gerade gesehene Seitennummer um 1 zu erhöhen oder zu vermindern, um dadurch die Wahl einer zu der gesehenen Seite benachbarten Seite zu vereinfachen.

Die Nummer der gerade gesehenen Seite ist nach K12 durch den Inhalt des "Speichers für gewählte Seite und Zeitcode" bestimmt. Dabei handelt es sich im Teletext-Betrieb entweder um die vom Benutzer angewählte Seite oder - nach dem ersten Einschalten - um die Seite 100 (S 181 miSp 3. Abs. von unten). Etwas anderes hingegen ist der in K9 vorgeschlagene zusätzliche Speicher für 20 Seitennummern. Wollte ihn der Fachmann in der Anordnung nach K12 vorsehen, so würde er ihn dazu nutzen, aus ihm gezielt eine bestimmte Teletext-Seitennummer abzurufen und in den "Speicher für gewählte Seite und Zeitcode" zu schreiben, um daraufhin die gewünschte Seite auf dem Bildschirm anzuzeigen.

2. Auch der Gegenstand der hilfsweisen Fassung des Anspruchs 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Von dem erteilten Anspruch 1 unterscheidet sich die hilfsweise Fassung des Anspruchs 1 sachlich dadurch, daß

a) im Merkmal 1.5. zwischen den Worten "gewählten" und "Seite" die Worte "und angezeigten" eingefügt sind undb) an das Ende des Anspruchs die Worte", um die neugewählte Seite ohne weitere Intervention des Benutzers anzuzeigen." angefügt sind.

Diese Merkmale sind jedoch auch bei dem Gegenstand vorauszusetzen, der oben als durch den Stand der Technik nahegelegt hergeleitet wurde.

So ist im Hinblick auf Merkmal a) aus K12 ohne weiteres ersichtlich, daß die Folge der Daten (Seitennummer) nicht nur die gewählte Seite, sondern, sobald diese aus den übertragenen Seiten herausgesucht worden ist, auch die angezeigte Seite spezifiziert.

Oben ist bereits darauf hingewiesen worden, daß gemäß K9 das Erhöhen oder Vermindern der Seitennummer gegenüber der sonst üblichen Eingabe von drei Ziffern eine Bedienungsvereinfachung darstellt. Daraus ergibt sich aber ohne weiteres, daß die Anzeige der benachbarten Seite keinen zusätzlichen Bedienungsschritt des Benutzers erfordert (Merkmal b)).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Dr. Schwendy Obermayer Kalkoff Schuster Dr. Hartungprö






BPatG:
Urteil v. 06.02.2002
Az: 4 Ni 44/00


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