Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. August 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 48/03

(BPatG: Beschluss v. 12.08.2003, Az.: 27 W (pat) 48/03)

Tenor

Auf die Beschwerde des Markeninhabers wird der Erinnerungsbeschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Dezember 2002 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 908 842 angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus der Marke 2 908 842 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 7. Juli 1993 angemeldete und gemäß § 156 Abs 1 MarkenG unter Verschiebung des Zeitrangs auf den 1. Januar 1995 für

"Bekleidungsstücke", eingetragene Marke

"KS"

ist Widerspruch eingelegt aus dem am 7. März 1988 für die Waren

"Bekleidungsstücke, nichtorthopädische Miederwaren; Sportbekleidungsstücke; Kopfbedeckungen, Schuhwaren, einschließlich Sportschuhe"

eingetragenen Wort-Bildzeichen

.

Die Markenstelle hat mit Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes vom 27. Januar 2000 den Widerspruch zurückgewiesen. Es bestehe keine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken, da diese weder identisch noch ähnlich seien. Trotz teilweiser Identität der Waren hielten die Marken aufgrund der grafischen Gestaltung der angegriffenen Marke (gemeint war offensichtlich "der Widerspruchsmarke") einen ausreichenden Abstand ein. Eine Verwechslungsgefahr könne aber auch nicht aus der in der Widerspruchsmarke enthaltenen Buchstabenfolge "KS" hergeleitet werden, weil diese als solche nach der früheren Vorschrift des § 4 Abs 2 Nr 1 WZG nicht eintragbar gewesen sei. Die Eintragung der Widerspruchsmarke sei allein wegen der grafischen Gestaltung der Buchstabenfolge und der Wortbestandteile erfolgt, so dass sich der Schutz der Marke auch nur hierauf beziehe. Die Buchstabenfolge "KS" sei nach dem WZG nicht vom Schutz umfasst.

Gegen diesen Beschluss hat die Widersprechende Erinnerung eingelegt und darauf verwiesen, dass der Widerspruchsmarke jedenfalls mit Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 eine Schutzbereichserweiterung zugekommen sei, vor der die jüngere Marke weichen müsse. Entsprechend den Grundsätzen des neuen Markenrechts sei von einer Prägung der Widerspruchsmarke durch den Bestandteil "KS" auszugehen mit der Folge, dass eine Gefahr von Verwechslungen bestehe.

Die Markenstelle hat daraufhin den Beschluss des Erstprüfers aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Beide Marken beanspruchten übereinstimmend die Warengruppe "Bekleidungsstücke". Weil davon auszugehen sei, dass ein erheblicher Teil des Publikums sich bei der Benennung des Widerspruchszeichens ausschließlich an dem grafisch deutlich hervorgehobenen Bestandteil "KS" orientieren werde, stünden sich klanglich identische Marken gegenüber, so dass eine Verwechslungsgefahr gegeben sei. Der in der Widerspruchsmarke noch enthaltene Punkt werde erfahrungsgemäß nicht ausgesprochen.

Gegen diesen Beschluss hat der Inhaber "Einspruch" eingelegt. Eine Begründung zur Sache hat er ebenso wie im Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nicht vorgetragen. Auch die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt und sich nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; die Bezeichnung des gegen den Erinnerungsbeschluss gerichteten Rechtsmittels als "Einspruch" ist unschädlich (vgl BPatGE 6, 58, 61).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, denn zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Unabhängig von der Frage, ob der grafisch gestalteten Buchstabenkombination "KS". Wegen ihrer optischen Dominanz eine den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägende Wirkung zukommt, wie vom Erinnerungsprüfer angenommen, können aus dem Buchstabenbestandteil der Widerspruchsmarke jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des gleichen Zeitrangs (§ 6 Abs 4 MarkenG) keine Rechte gegenüber der jüngeren Marke geltend gemacht werden.

Der Ansicht des Erstprüfers, die Buchstaben "KS" der Widerspruchsmarke seien von dem Markenschutz nicht umfaßt, kann zwar für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 nicht gefolgt werden. Während die Buchstaben "KS" als solche nach der bei Eintragung der Widerspruchsmarke geltenden Vorschrift des § 4 Abs 2 Nr 1 Halbs 2 WZG nicht schutzfähig waren und für sie - wenn überhaupt - Schutz nur nach Maßgabe ihrer Eigenprägung aufgrund der geringfügigen grafischen Gestaltung hätte beansprucht werden können (vgl BGH GRUR 1998, 165, 166 - RBB), haben sie mit dem Inkrafttreten des Markengesetzes eine Schutzerweiterung erfahren, denn nach der gemäß § 152 MarkenG auch auf bereits eingetragene Marken anzuwendenden Vorschrift des § 3 Abs 1 MarkenG sind Buchstaben dem Markenschutz grundsätzlich zugänglich, sofern nicht Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 MarkenG vorliegen.

Die mit dem 1. Januar 1995 eingetretene Schutzerweiterung für den Buchstabenbestandteil der Widerspruchsmarke gilt indessen, wie offenbar der Erinnerungsprüfer - allerdings ohne Begründung - angenommen hat, nicht uneingeschränkt, sondern nur gegenüber solchen jüngeren Marken, die nach dem 1. Januar 1995 angemeldet worden sind (vgl BPatG GRUR 1996, 413 - ICPI/ICP; GRUR 1999, 426, 428 - U.T.S: 26 W (pat) 179/00 vom 28. März 2001 - mtv/MTV - zitiert auf PAVIS PROMA). Ist eine vor diesem Zeitpunkt angemeldete Marke gemäß § 156 Abs 1 MarkenG unter Verschiebung ihres Zeitrangs auf den 1. Januar 1995 eingetragen worden, können gegen sie nicht aus dem Bestandteil einer einer prioritätsälteren Widerspruchsmarke dem seinerseits Schutz erst mit dem 1. Januar 1995 zugewachsen ist, Rechte hergeleitet werden. Dies folgt aus dem im Kollisionsverfahren geltenden Prioritätsprinzip, wonach bei Beurteilung der Kennzeichnungskraft einer älteren Marke grundsätzlich auf den für den Zeitrang der jüngeren Marke maßgeblichen Zeitrang abzustellen ist (vgl BGH GRUR 1961, 347, - Almglokke), hier also den 1. Januar 1995 (§ 156 Abs 1 MarkenG). Die Tatsache, dass die Widerspruchsmarke längere Zeit vor der angegriffenen Marke angemeldet und eingetragen war, spielt bei der Beurteilung der Priorität der Marken im Verhältnis zueinander keine Rolle, denn auf den Erwerbstatbestand des markenrechtlichen Schutzes, also darauf, dass die ältere Marke aufgrund einer Rechtsänderung, die jüngere aber aufgrund einer Zeitrangverschiebung am 1. Januar 1995 zusammentrafen, kommt es nicht an (vgl Fezer, Markenrecht, 3. Aufl, Rdn 13 zu § 6; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl, Rdn 13 zu § 6 MarkenG). Eine Besserstellung des Inhabers der prioritätsälteren Widerspruchsmarke mit einem nach früheren Recht schutzunfähigen Buchstabenbestandteil gegenüber dem Inhaber einer unter Zeitrangverschiebung nach § 156 Abs 1 MarkenG eingetragenen Buchstabenmarke, dem es seinerseits verwehrt wäre, aus dieser gegen eine verwechslungsfähige Buchstabenmarke gleichen Zeitrangs vorzugehen, ist nach der Neuregelung des Markengesetzes nicht vorgesehen, vielmehr soll für beide Marken die in § 6 Abs 4 vorgesehene Regelung gelten (vgl Begründung zum Gesetzentwurf, BlPMZ 1994, 62 zu § 6; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl, aaO sowie Rdn 4 zu § 153 MarkenG; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl, aaO).

Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Anhaltspunkte für ein Abweichen von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz MarkenG weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Dr. Schermer Friehe-Wich Dr. van Raden Pü






BPatG:
Beschluss v. 12.08.2003
Az: 27 W (pat) 48/03


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