Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 15. März 2012
Aktenzeichen: 202 EnWG 10/11

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 15.03.2012, Az.: 202 EnWG 10/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat am 15. März 2012 einen Beschluss gefasst (Aktenzeichen 202 EnWG 10/11). Gegen diesen Beschluss wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt (Az. EnVZ 21/12). In dem Beschluss des Oberlandesgerichts wird folgendes festgelegt: Die Beschwerde gegen die Festlegung der Landesregulierungsbehörde vom 06. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 50.000,- EUR.

In den Gründen des Beschlusses wird erläutert, dass die Beschwerdegegnerin und Landesregulierungsbehörde die Beschwerdeführerin durch eine Festlegung vom 06. Mai 2011 zu verschiedenen Auskünften verpflichtet hat. Die Beschwerdeführerin hatte eine Beschwerde und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt, welcher abgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin hat in weiteren Schriftsätzen weitere Beispiele vorgebracht, um zu belegen, dass bestimmte Kostendaten nicht erforderlich seien. Die Beschwerdegegnerin hat darauf erwidert, dass die Regulierungsbehörde das Recht habe, Auskünfte zu verlangen. Zudem sei die Datenerhebung durch Rechtsnormen gedeckt.

Das Gericht erklärt weiter, dass die Regulierungsbehörde grundsätzlich befugt ist, alle Daten des Netzbetreibers zu erfragen, die Einfluss auf die zu treffende Entscheidung haben können. Die angeforderten Daten sind erforderlich, um eine sichere Entscheidungsgrundlage zu schaffen und eine kostengünstige Energieversorgung sicherzustellen. Zudem begegnet die Abfrage der mitarbeiterbezogenen Personalkosten keinen Bedenken, da diese nicht dem besonders geschützten Bereich des Persönlichkeitskerns zuzuordnen sind. Es besteht auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder das Übermaßverbot. Die angegriffene Festlegung ist daher rechtmäßig und wirksam.

Die Beschwerde wurde zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da sie nicht statthaft ist. Der Streitwert des Verfahrens beträgt 50.000,- EUR.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Stuttgart: Beschluss v. 15.03.2012, Az: 202 EnWG 10/11


Gegen den Beschluss vom 15. März 2012 wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. des Bundesgerichtshofs: EnVZ 21/12).

Tenor

1. Die Beschwerde gegen die Festlegung der Landesregulierungsbehörde vom 06. Mai 2011 (Az.: 6-4455.7/30) wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 50.000,- EUR.

Gründe

I.

Die Beschwerdegegnerin und Landesregulierungsbehörde (LRegB) hat die Beschwerdeführerin durch Festlegung vom 06. Mai 2011 im Zuge eines energiewirtschaftlichen Entgeltgenehmigungsverfahrens zu zahlreichen Auskünften verpflichtet.

Die Beschwerdeführerin hatte neben ihrer Beschwerde einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Diesen Antrag hat der Senat durch Beschluss vom 11. August 2011 zurückgewiesen.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien nimmt der Senat vorab Bezug auf die Festlegung der LRegB vom 06. Mai 2011 und den Senatsbeschluss vom 11. August 2011, um Wiederholungen zu vermeiden.

Die Beschwerdeführerin hat zur Hauptsache insbesondere weitere Beispiele vorgetragen, um zu belegen, dass Kostendaten aus nicht regulierten Bereichen nicht erforderlich seien.

In einem weiteren, am 02. Februar 2012 eingegangenen Schriftsatz vertieft sie ihr Vorbringen zu einer Beschwer sowie dem Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage; sie rügt eine Unverhältnismäßigkeit der Anordnung im weiteren Sinne und die Ankündigung der Beschwerdegegnerin zu den Personaldaten als zu unbestimmt. Außerdem liege kein Fall von § 15 Abs. 2 Nr. 1 LDSG BW vor. Insbesondere stellten § 6 b Abs. 6 EnWG und §§ 6, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ARegV keine Rechtsvorschriften dar, die die Datenerhebung in der von der Beschwerdegegnerin gewünschten Detailtiefe und in diesem Umfang vorsähen oder zwingend voraussetzten. In § 27 Abs. 1 ARegV sei von den notwendigen" Daten die Rede.

Die Beschwerdegegnerin führt in ihrem Schriftsatz vom 12. Januar 2012 weiter aus:

Die Regelungen des § 10 Abs. 3 EnWG a.F. (jetzt: § 6b Abs. 3 EnWG) i.V.m. der ARegV hätten nicht das Recht der Behörde zum Gegenstand, Auskunft zu verlangen.

Es stehe integrierten Unternehmen frei, ihren Netzbetrieb zu isolieren und zum Gegenstand einer eigenständigen Unternehmung zu machen. Deswegen habe der Gesetzgeber für sie lange Zeit steuerliche Privilegierungen auch für sogenannte freiwillige Entflechtungen (vgl. § 6 Abs. 2, 3 und 4 EnWG a.F.) vorgesehen.

Die Gegenüberstellung von Werten des Gasnetzbereiches mit der Summe von Werten aller übrigen Sparten sei nicht ausreichend. Die Angabe einer Summe für mehrere, teilweise sehr zahlreiche Unternehmenssparten sei nicht auf ihre Plausibilität hin prüffähig und geradezu dazu angetan, eine Unterbelastung einzelner Unternehmensbereiche zu verschleiern. Ein Vergleichsverfahren nach § 21 Abs. 3 bis 4 EnWG bzw. §§ 21 f. GasNEV sei nicht der Zweck der Datenerhebung. Im Rahmen der Kostenprüfung nach § 6 Abs. 1 ARegV sei es der LRegB aber nicht verwehrt, bei der Plausibilisierung von Angaben der Netzbetreiber auch Erkenntnisse über andere Netzbetreiber vergleichend heranzuziehen.

§ 7 Abs. 2 bzw. § 8 Abs. 6 EnWG a.F. (jetzt § 7 Abs. 2 bzw. § 7a Abs. 6 EnWG n.F.) und § 7a Abs. 4 Satz 2 EnWG n.F. beträfen die Verpflichtung von Netzbetreibern, sich rechtlich bzw. operationell zu entflechten, beschränkten aber nicht die Aufklärungspflicht gegenüber der Regulierungsbehörde. Gerade Mehrspartenunternehmen unterlägen uneingeschränkt der Kontrolle ihrer Kostenzuordnung.

Inzwischen habe die LRegB unter allen Unternehmen anhand von Referenzfällen und Strukturdaten eine Liste von sehr teuren" Netzbetreibern erstellt. Soweit es sich dabei um kleine" Netzbetreiber handele, hätten sie nunmehr abweichend von Ziff. 2.4 des Bescheidtenors uneingeschränkt Unterlagen vorzulegen.

Die Möglichkeit zu pauschalen Kürzungen schränke die behördliche Prüfungspflicht nicht ein. Sie diene nur der Effizienz des Prüfungsverfahrens.

Der angegriffene Bescheid enthalte noch keine Verpflichtung zur ausführlichen Darstellung der Personalkosten oder zur Vorlage des Erhebungsbogens Personalkostenübersicht. Dies habe die Beschwerdeführerin ausweislich ihres weiteren Vorgehens nicht verkannt. § 21 TKG enthalte eine grundlegend andere Regelungsstruktur. Gegenüber der Beschwerdeführerin sei derzeit eine Vorlagepflicht nicht geplant, gegenüber anderen Unternehmen nur in pseudonymisierter Form, was in den Ausführungen zu Ziffer 3" in Anlage 1 der Festlegung erwähnt sei (s. dort S. 17). Die Beschwerde stelle auch den Umfang der Datenerhebung falsch dar. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz habe der LRegB zwischenzeitlich mit Schreiben vom 12.10.2011 mitgeteilt, dass die datenschutzrechtliche Prüfung keine Beanstandungen ergeben habe (BG 1). Die Datenerhebungen seien durch Rechtsnormen gedeckt.

Zum Vorbringen der Parteien wird darüber hinaus auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 09. Februar 2012 Bezug genommen..

II.

Die Beschwerdeführerin beantragt:

I. Die Verpflichtungen

a) zur Beschreibung der Geschäftsfelder außerhalb des Strom- und Gasnetzes gemäß Tenor Ziffer 2. bis 2.3 in Verbindung mit den Ausführungen zu Ziffer 1.1 der Anlage 1,

b) zur Beifügung und Erläuterung eines Organigramms für die Geschäftsfelder außerhalb des Strom- und Gasnetzes gemäß Tenor Ziffer 2. bis 2.3 in Verbindung mit den Ausführungen zu Ziffer 1.2 der Anlage 1,

c) zur Beschreibung der Tätigkeiten außerhalb des Strom- und Gasnetzes gemäß Tenor Ziffer 2. bis 2.3 in Verbindung mit den Ausführungen zu Ziffer 1.3 der Anlage 1,

d) zur Angabe von getrennten Kostenstellen für einzelne Geschäftsfelder außerhalb des Strom- und Gasnetzes gemäß Ziffer 2. bis 2.3 in Verbindung mit den Ausführungen zu Ziffer 2.1 der Anlage 1,

e) zur getrennten Darstellung der Kostenschlüsselung für einzelne Geschäftsfelder außerhalb des Strom- und Gasnetzes gemäß Tenor Ziffer 2. bis 2.3 in Verbindung mit den Ausführungen zu Ziffer 2.2 bis 2.7, 4.2, 4.3 und 6.4 der Anlage 1,

f) zur Darlegung der ausführlichen Personalkosten gemäß Tenor Ziffer 2. bis 2.3 in Verbindung mit den Ausführungen zu Ziffer 3. bis 3.4, 4.2 und 4.3 der Anlage 1 und

g) zur Erläuterung von Mitarbeiterbefragungen in Bezug auf einzelne Geschäftsfelder außerhalb des Strom- und Gasnetzes gemäß Tenor Ziffer 2. bis 2.3 in Verbindung mit den Ausführungen zu Ziffer 5.4 der Anlage 1,

der am 6. Mai 2011 ergangenen Festlegung der Beschwerdegegnerin - Az.: 6-4455.7/30 werden aufgehoben,

II. Hilfsweise zu I.: Die am 6. Mai 2011 ergangene Festlegung der Beschwerdegegnerin - Az.: 6-4455.7/30 - wird insgesamt aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin wird analog § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verpflichtet, eine Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligte hat keinen Antrag gestellt.

III.

Der zulässige Beschwerde ist in Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.

A

Die Beschwerde ist zulässig.

1.

Die Beschwerde kann sich insbesondere nicht erst gegen einen die Erlösobergrenzen festsetzenden Bescheid richten (Senatsbeschluss vom 11. August 2011 - 202 EnWG 10/11).

2.

Die angegriffene Festlegung vom 06. Mai 2011 ist eine die Beschwerdeführerin beschwerende Entscheidung der Regulierungsbehörde. Sie ist mit unmittelbaren Rechtsfolgen verbunden, indem die Adressatin die geforderten Auskünfte zusammenstellen und erteilen muss.

Dies gilt auch für die mit der Beschwerde unter I. 1 f) angegriffene Festlegung. Mit ihrer Bestandskraft steht fest, dass die Beschwerdeführerin über die Personaldaten Auskunft erteilen muss. Die im Tenor ausgesprochene Verpflichtung verliert ihren belastenden Charakter weder dadurch, dass die Beschwerdegegnerin anderweitig erklärt hat, bis auf weiteres nicht aus der Anordnung vorzugehen, noch dadurch, dass die Behörde sich vorbehält, nähere Einzelheiten zu Art und Umfang der Auskunft später in einem weiteren Verwaltungsakt festzulegen.

B

Obwohl die LRegB unter dem 12. Januar 2012 vorgetragen hat, dass zwischenzeitlich alle Gasnetzbetreiber die durch die Festlegung angeforderten Daten vorgelegt hätten, ist keine Erledigung der Hauptsache im prozessrechtlichen Sinne eingetreten. Eine solche tritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht ein, wenn der Adressat eines Auskunftsverlangens nach § 59 GWB oder § 69 EnWG freiwillig oder im Rahmen der Vollstreckung die begehrte Auskunft erteilt, das Auskunftsverlangen aber - etwa als Rechtsgrund für eine Speicherung und Verwertung der erlangten Daten - weiterhin Wirkung entfaltet (BGH, Beschluss vom 19.06.2007 - KVR 17/06, BGHZ 172, 368, bei juris Rz. 16 f., m.w.N.). Dasselbe gilt für das seiner Natur nach kartellrechtliche energiewirtschaftliche Entgeltgenehmigungsverfahren.

C

Die Beschwerdeführerin vermag mit ihren Angriffen die angegriffene Festlegung nicht zu erschüttern. Insoweit nimmt der Senat billigend Bezug auf die Rechtsausführungen der Landesregulierungsbehörde in jenem Bescheid und im Beschwerdeverfahren. Desweiteren nimmt der Senat Bezug auf die Gründe seines Beschusses vom 11. August 2011. Beides um Wiederholungen zu vermeiden. Der Senat hält auch nach der im Hauptsacheverfahren gebotenen eingehenden Prüfung fort.

1.

Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die angegriffene Datenerhebung. Die angegriffene Festlegung ist durch die Aufklärungsbefugnisse gedeckt, auf die sich die Landesregulierungsbehörde stützt.

a)

Die Regulierungsbehörde ist grundsätzlich befugt, alle Daten des Netzbetreibers zu erfragen, die einen Einfluss auf die zu treffende Entscheidung haben können. Es liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, zu entscheiden, ob sie auf der Grundlage der ihr vorliegenden Daten eine Entscheidung treffen kann. Auf Grund der Komplexität der Entscheidung und der in ihr zwingend enthaltenen Einschätzungen steht ihr in der Gestaltung des Verfahrens ein weiter Spielraum zu (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. März 2010 - 202 EnWG 20/09 und vom 19. Januar 2012 - 202 EnWG 21/08). Sie ist trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht verpflichtet, solche Daten abzufragen, die der Netzbetreiber im Zuge seiner Mitwirkungspflicht vorzulegen hat (BGH, ZNER 2009, 252 [Tz. 21] - [WU Netze]). Dies schließt aber nicht aus, dass die Regulierungsbehörde weitere Angaben und Unterlagen verlangen kann. Denn während der vorgenannte Gedanke die Frage betrifft, wie weit ihre Aufklärungspflicht reicht, verhindert der letztgenannte, dass die Regulierungsbehörde durch das Vorbringen des Netzbetreibers in ihrer Prüfungskompetenz beschränkt und damit unter Umständen an einer richtigen Entscheidung gehindert wird. Dieser Dualismus ist letztlich Folge des im EnWG angelegten Charakters der Erlösobergrenzenfestlegung als begünstigender Verwaltungsakt. Aus ihm folgt die Mitwirkungspflicht des Netzbetreibers (vgl. statt vieler Senat, a.a.O.), die zu sichern die angegriffenen Festlegungen dienen.

b)

Dementsprechend ist aus § 72 EnWG eine allgemeine Befugnis der Regulierungsbehörde herzuleiten, im Zuge einer Anordnung jede Entscheidung zu treffen, die von ihr generell getroffen werden kann. Die vorläufige Anordnung darf den Rahmen des zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahrens nicht übersteigen.

Dies hat konsequenterweise für Festlegungen zu gelten, die für den Netzbetreiber regelmäßig weniger einschneidend sind als vorläufige Regelungen in Bezug auf die zu treffende Hauptentscheidung (vorläufige Entgeltfestsetzung).

c)

Die von den Parteien für ihre jeweilige Rechtsauffassung herangezogenen Vorschriften des EnWG und der ARegV, die bestimmen, welche Unterlagen der Netzbetreiber im Ausgangspunkt vorzulegen und welche Auskünfte er zu erteilen hat, müssen zusammen mit der allgemeinen Mitwirkungspflicht des Netzbetreibers und dem korrespondierenden Fragerecht der Regulierungsbehörde gesehen werden, auf das die Landesregulierungsbehörde zutreffend Bezug genommen hat.

Das gesamte System der Regulierung ist darauf ausgerichtet, die Ziele des EnWG umzusetzen, eine sparsame und sichere Energieversorgung sicherzustellen. Daher können auch die in der ARegV statuierten Befugnisse der Behörde und die korrespondierenden Pflichten des Netzbetreibers nicht unter Hinweis auf die Normhierarchie beiseite geschoben werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Februar 2008 - VI -3 Kart 151/07 (V), S. 14 ff.).

Die gegenläufige Auslegung der Beschwerdeführerin, welche diese aus der begrenzten buchhalterischen Aufschlüsselungspflicht entnimmt, hat weder einen eindeutigen Gesetzeswortlaut für sich, weil die von der Beschwerdeführerin zitierten Normen nicht die Befugnis der Behörde zum Gegenstand haben, Auskünfte einzufordern, noch ist die Ansicht der Beschwerdeführerin mit dem erklärten Ziel des EnWG vereinbar, eine kostengünstige Energieversorgung sicherzustellen. Dieser Zweck gebietet ein weitgehendes Aufklärungsrecht der Regulierungsbehörden.

In diesem Zusammenhang betont die Beschwerdeführerin mehrfach die Unterscheidung zwischen dem regulierten und dem nichtregulierten Bereich. Sie überspielt damit aber, dass sie eine einheitliche Rechtsperson ist (dasselbe Unternehmen) und dass die Datenerhebung gerade Kenntnis darüber schaffen soll, ob Kosten dem regulierten Bereich Netzbetrieb zuzuordnen sind. Von daher ist die Aufteilung in den regulierten und den nichtregulierten Bereich künstlich und zweckwidrig.

d)

Soweit die Beschwerdeführerin demgegenüber weiter vorbringt, sie müsse Daten auffächern, die sie nach dem Gesetz zusammenfassen dürfe, kann zum Tatsächlichen auf den klarstellenden Hinweis der Landesregulierungsbehörde in der Beschwerdeerwiderung Bezug genommen werden, in welchem Umfang eine Zusammenfassung schon nach dem angegriffenen Bescheid von ihr akzeptiert wird.

2.

Auch die Abfrage der mitarbeiterbezogenen Personalkosten, bei der die Behörde Datenschutzerwägungen durch ein gestuftes Verfahren besonders Rechnung getragen hat, begegnet keinen Bedenken. Unbeschadet der Frage, ob die datenschutzrechtlichen Erwägungen der Beschwerdeführerin überhaupt im Zuge der Beschwerde zu berücksichtigen sind, da Rechte Dritter geltend gemacht werden, können diese Bedenken nicht durchgreifen. Die Weitergabe dieser nicht dem besonders geschützten Bereich des Persönlichkeitskerns zuzurechnenden Daten ist vom Bundesgesetz- und Verordnungsgeber gewollt. Ohne solche Angaben ist eine verständliche Schlüsselung der Personalkosten unmöglich. Diese bundesrechtliche Freigabe kann nicht über das Landesdatenschutzrecht des Landes Baden-Württemberg untergraben werden.

Für den regulierten Geschäftsbereich zieht dies ersichtlich auch die Beschwerdeführerin nicht in Zweifel. Die datenschutzrechtliche Betroffenheit des Arbeitnehmers ist aber nicht davon abhängig, in welcher Sparte des Unternehmens er tätig ist. Auch eine wesentliche Veränderung eines Abwägungsparameters ergibt sich aus seiner Spartenzugehörigkeit nicht.

Im Übrigen, und ohne dass es darauf noch ankäme, trägt die Landesregulierungsbehörde etwaigen Bedenken, die ohnehin noch nicht aus der angegriffenen Festlegung abgeleitet werden könnten, dadurch Rechnung, dass sie ankündigt, allenfalls pseudonymisierte Daten zu verlangen.

3.

Die Beschwerde kann sich auch nicht auf einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG stützen.

Verfehlt ist der Angriff, in keinem anderen Bundesland seien die Netzbetreiber zu einer derart weitgehenden Datenerhebung verpflichtet. Eine Selbstbindung der Verwaltung kann nicht selbständige Behörden anderer Bundesländer ergreifen. Auch eine Abweichung der Landesregulierungsbehörden von den Verfahrensgepflogenheiten der BNetzA führt wegen der getrennten Zuständigkeitsbereiche nicht zu einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Darüber hinaus zeigen die im Verfahren zitierten Beschlüsse der Oberlandesgerichte Düsseldorf und Naumburg, dass auch andere Regulierungsbehörden bestrebt sind, durch vergleichbare Festlegungen oder Anfragen ein genaueres Bild der Netzkosten zu erhalten.

4.

Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtlich fundierte Übermaßverbot ist nicht gegeben.

a)

Dass die verlangten Angaben geeignet sind, die Erlösobergrenzenfestlegung auf eine sicherere, weil breitere Datengrundlage zu stellen, den Entscheidungsprozess also zu verbessern, steht außer Zweifel. Für eine derartige Anforderung bietet sich eine frühzeitige Festlegung mit Fristsetzung an, um das komplexe Genehmigungsverfahren zu strukturieren sowie zu beschleunigen und den Verwaltungsaufwand zu begrenzen, was sowohl im Interesse des Netzbetreibers wie der Allgemeinheit liegt.

Die im Tenor der Festlegung angesprochenen oder in Bezug genommenen Daten erlauben unstreitig Rückschlüsse, die dazu beitragen, von Rechts wegen anzuerkennende Netzkosten errechnen zu können.

b)

Die Festlegung ist auch erforderlich. Die Beschwerdegegnerin und die Beteiligte haben - ohne dass darauf eine substantiierte Erwiderung erfolgt wäre - dargelegt, dass mit den verlangten Daten eine verdeckte Quersubventionierung (beispielsweise über Dienstleistungsaufträge) besser erkannt werden kann.

Im Übrigen sind dem Senat aus etlichen Beschwerdeverfahren in Energiewirtschaftssachen Versuche von Netzbetreibern bekannt geworden, Kosten dem Netzbetrieb zuzuschreiben, die nach den gesetzlichen Vorgaben nicht in die zu genehmigenden Kosten hätten einfließen dürfen; in etlichen anderen Fällen hat sich ein dahin gehender Verdacht ergeben. Insbesondere haben Unternehmen trotz klarer Hinweise der Landesregulierungsbehörde und des Senats - namentlich im Bereich der Personalkosten - keine nachvollziehbare Kostenzuschlüsselung vorgelegt. Auch vor diesem Hintergrund kann die Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Datenanfrage nicht verneint werden.

Ferner kann die Regulierungsbehörde vor diesem Hintergrund nicht darauf verwiesen werden, sie dürfe erst bei konkretem Verdacht weitere Erkundigungen einziehen. Dies birgt die Gefahr in sich, dass Kostenverschiebungen zu Lasten des Netzes und damit der Netzkunden nicht aufgedeckt werden könnten, wenn sich nicht in den Daten des regulierten Bereichs konkrete Anhaltspunkte fänden. Diesbezüglich übergeht die Beschwerde auch die mit einem gestuften Verfahren einhergehenden Nachteile, insbesondere den Verwaltungsmehraufwand und den vor dem Hintergrund der gesetzlichen Zeitvorgaben (Regulierungsperioden) gewichtigen Zeitverlust.

Zu Unrecht vermengt die Beschwerdeführerin die Frage der Erforderlichkeit einer Maßnahme mit dem Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage im Gesetz. Beides ist rechtsdogmatisch voneinander zu trennen.

c)

Eine Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Unangemessenheit) ist nicht gegeben.

Unwidersprochen hat die Landesregulierungsbehörde vorgetragen, dass die in der angegriffenen Festlegung verlangten Auskünfte für die Beschwerdegegnerin nicht mit erheblichen Kosten verbunden wären, zumal die Daten bei ihr eigentlich vorhanden sein müssten. Auf eine Kostenbelastung hat diese ihren Antrag denn auch nicht gestützt.

Andere Umstände, die eine Unangemessenheit im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung begründen könnten, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob der Beschwerdeführerin zuzumuten gewesen wäre, ihren Netzbetrieb frühzeitig in ein eigenes Unternehmen auszugliedern, um derartigen Anordnungen zu entgehen.

V.A

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 90 EnWG).

B

Den Streitwert des Beschwerdeverfahrens schätzt der Senat auf 50.000,- EUR.

C

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da nicht statthaft. Es handelt sich bei der angegriffenen Festlegung nicht um eine Entscheidung in der Hauptsache. Denn das Auskunftsverlangen bildet weder den einzigen noch auch nur den eigentlichen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, sondern die angefochtene Entscheidung betrifft lediglich eine Zwischenfrage auf dem Weg zur Festsetzung einer Erlösobergrenze. Die Landesregulierungsbehörde wollte mit dem Ersuchen eine weitere Entscheidung vorbereiten. Nur dazu sollten die angeforderten Informationen dienen (vgl. § 86 Abs. 1 EnWG; ferner BT-Drs. 15/4068 S. 9 und BGH, Beschluss vom 19.06.2007 - KVR 17/06, BGHZ 172, 368, bei juris Rz. 13 f.).






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 15.03.2012
Az: 202 EnWG 10/11


Link zum Urteil:
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