Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Mai 2011
Aktenzeichen: 29 W (pat) 508/11

(BPatG: Beschluss v. 04.05.2011, Az.: 29 W (pat) 508/11)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Wortzeichen STOFFPAPIER ist am 8. Juni 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren angemeldet worden:

Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten;

Klasse 25: Bekleidungsstücke.

Mit Beschluss vom 18. Januar 2011 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung teilweise gemäß § 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, und zwar für die Waren "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten". Sie hat ausgeführt, dass die aus zwei geläufigen Wörtern der deutschen Sprache zusammengesetzte und ohne weiteres verständliche Wortkombination "Stoffpapier" in seiner Gesamtbedeutung als "Papier mit/aus Stoff" verstanden werde. Die angesprochenen breiten Verkehrskreisen sähen in dem Anmeldezeichen daher einen beschreibenden Hinweis darauf, dass die so gekennzeichneten Waren der Klasse 16 aus Papier mit Stoffanteilen bzw. aus Stoff bestünden oder hergestellt seien. Die angemeldete Bezeichnung stelle daher einen Sachhinweis auf die Art und Beschaffenheit der angebotenen Waren, nicht aber einen betrieblichen Herkunftshinweis dar. Sie gehe nicht über die Zusammenfügung der beschreibenden Elemente hinaus, sondern erschöpfe sich vielmehr in deren Summenwirkung.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, den versagenden Teil des Beschlusses des DPMA vom 18. Januar 2011 aufzuheben, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Sie vertritt die Ansicht, dass es sich bei dem lexikalisch nicht nachweisbaren Begriff "Stoffpapier" um eine Wortkombination aus gegensätzlichen und in ihrer Bedeutung konträren Einzelbegriffen handele. Denn "Papier" bezeichne eben eine gänzlich andere Materialkategorie als "Stoff", worunter im allgemeinen Sprachgebrauch nur ein Textilstoff verstanden werde. Da aber ein Papiermaterial kein textiles Gebilde und ein Textilmaterial kein Papier sei, sei die Wortkombination "Stoffpapier" für das angesprochene Publikum widersinnig. Hieraus resultiere, dass dem angemeldeten Zeichen aufgrund seiner Ungewöhnlichkeit und der sachlichen Unvollständigkeit des Begriffsinhalts eine originäre Unterscheidungskraft innewohne. Zu den vom Senat mit Schreiben vom 4. April 2011 und 28. April 2011 übersandten Recherchebelegen (vgl. Bl. 20 bis 23 und Bl. 27 bis 44 GA) führte die Beschwerdeführerin aus, dass sich hieraus kein einziges stichhaltiges Argument gegen die Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung "STOFFPAPIER" ergebe. Auch die "BIOMILD"-Entscheidung des EuGH sei vorliegend nicht einschlägig, da die Wortverbindung "STOFFPAPIER" -anders als die Wortverbindung "BIOMILD" -für die angesprochenen Verbraucher in ihrem Sinngehalt überhaupt nicht nachvollziehbar sei. Hilfsweise sei die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da der angemeldete Begriff "STOFFPAPIER" weder glatt beschreibend noch unzweideutig sei und damit nicht den vom BGH in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Schutzunfähigkeit von beschreibenden Angaben entspreche.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet.

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens "STOFFPAPIER" als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 16 das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher insoweit zu Recht die Eintragung versagt.

1. a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. -EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rdnr. 13 -Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 -FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. -FUSSBALL WM 2006; a. a. O. -Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 -STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 -Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 -My World). Wortmarken besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl.

u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 -Postkantoor; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; GRUR 2001, 1153 -anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard; a. a. O. Rdnr. 19 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 -DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die -etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien -stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 -Gute Zeiten -Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 -Cityservice; a. a. O. -FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. -FUSSBALL WM 2006). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Ware oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt (BPatG GRUR 2007, 58, 60 -BuchPartner).

b) Das angemeldete Wortzeichen weist für sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren nur einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt auf.

aa) Die um Schutz nachsuchende Angabe setzt sich sprachüblich aus den in der deutschen Sprache geläufigen und allgemein verständlichen Substantiven "Stoff" und "Papier" zusammen.

Der Begriff "Papier" bedeutet ein "aus Pflanzenfasern [mit Stoffu. Papierresten] durch Verfilzen u. Verleimen hergestelltes, zu einer dünnen, glatten Schicht gepresstes Material, das vorwiegend zum Beschreiben u. Bedrucken od. zum Verpacken gebraucht wird", bzw. "Schriftstück, Aufzeichnung, schriftlich niedergelegter Entwurf, Brief, Aufsatz, Vertrag o. Ä." (Duden -Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM]).

"Stoff" bedeutet ein "aus Garn gewebtes, gewirktes, gestricktes, in Bahnen aufgerollt in den Handel kommendes Erzeugnis, das bes. für Kleidung, [Haushalts]wäsche u. Innenausstattung verarbeitet wird" bzw. eine "in chemisch einheitlicher Form vorliegende, durch charakteristische physikalische u. chemische Eigenschaften gekennzeichnete Materie; Substanz" (Duden -Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.).

bb) Auch die -bei Zeichen, die aus mehreren Worten oder Wortbestandteilen zusammengefügt sind -vorzunehmende Gesamtbetrachtung (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 28 -SAT 2; a. a. O. Rdnr. 96 -Postkantoor) führt vorliegend nicht zu einem Bedeutungsgehalt, der über die Summe der Einzelbestandteile des Wortzeichens hinausgehen würde.

Das DPMA hat zutreffend ausgeführt, dass das Zeichen "STOFFPAPIER" in seiner Gesamtbedeutung ohne weiteres als Papier, welches aus textilem Material besteht bzw. solches enthält, verstanden werden kann, wie auch beispielsweise das Wort "Stoffpuppe" eine Puppe aus textilem Material oder der Begriff "Stofftier" eine Nachbildung eines Tieres aus textilem Material bezeichnet.

Die vom Senat durchgeführte Internetrecherche hat ergeben, dass es verschiedene Papierarten, die aus textilem Material bestehen bzw. solches enthalten, auf dem Markt gibt, wie beispielsweise:

- "Papier aus Bauwolle -M-Real Zanders bietet das Papiersortiment Colonaan, das aus reiner Baumwolle besteht." (http://druckmedien.net ..., Anlagezum Schreiben des Senats vom 28. April 2011, Bl. 27 GA);

- "Bauwollpapier mit erhabenem Druck ..., das Papier aus 100 % Baumwolle"

(www.buchkunstpapier.de ..., Anlage zum o. g. Schreiben, Bl. 28 GA);

- "Aquarellpapier ... Die Stoffzusammensetzung: Häufig wird zur Herstellungdes Aquarellpapiers eine Kombination verschiedener Zellstoffe mit entsprechenden Zusatzstoffen eingesetzt. Das Papier aus Baumwolle hat dagegeneine noch höhere Qualität ..." (www.gerstaecker.de ..., Anlage zum o. g.

Schreiben, Bl. 30 GA);

- "Banknotenpapier aus Baumwolle ... Bauwollpapier wird seit Jahrhunderteneingesetzt und bildet auch heute noch die Grundlage für die wichtigsten Weltwährungen ..." (www.louisenthal.com ..., Anlage zum o. g. Schreiben, Bl. 32 GA);

- "Goldpiont Baumwollpapier-Blumenstrauß-Verpackungspapier/Vliesstoffgewebe" (http://german.alibaba.com ..., Anlage zum o.g. Schreiben, Bl. 33 GA);

- "Dunkles Gewebe-Umdruckpapier" (wie vor, Bl. 34 GA);

- "Baumwollgewebe-Umdruckpapier" (wie vor, Bl. 37 GA);

- "Wandgewebepapier ... Material: Garn 14 % rayon, 58 % cotton, 13 % polyester, 15 % polyamide ..." (wie vor Bl. 40 GA);

- "Sofagewebe-Offsetdruckpapier" (wie vor Bl. 41 GA).

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechercheergebnisse kann die Wortverbindung "STOFFPAPIER" von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres als unmittelbarer Sachhinweis auf die Art bzw. Beschaffenheit der in Klasse 16 beanspruchten Waren "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten" verstanden werden, nämlich, dass das Papier bzw. die Pappe aus textilem Material/Gewebe besteht oder textile Anteile enthält, ferner, dass die fraglichen Waren aus einem solchen Papier aus textilem Material bzw. mit textilen Anteilen hergestellt sind. Aufgrund des vorstehenden beschreibenden Sinngehalts der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren eignet sie sich nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.

cc) Der Umstand, dass das Anmeldezeichen "STOFFPAPIER" lexikalisch nicht nachweisbar ist, ändert nichts an seiner Schutzunfähigkeit für die beschwerdegegenständlichen Waren.

Denn auch wenn ein Wortzeichen bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, reicht es aus, dass es in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21 -Companyline; GRUR 2004 146, 147 f. Rdnr. 32 -DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 97 -Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 38 -BIOMILD); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung -etwa syntaktischer oder semantischer Art -hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung seiner schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 -Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. -BIOMILD; GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 28 -SAT 2; GRUR 2006, 229, 239 Rdnr. 29 -BioID; MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. -CELLTECH).

"STOFFPAPIER" ist zwar eine sprachliche Neuschöpfung, aber der Verkehr ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Der Durchschnittsverbraucher wird auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche und nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen (BPatG 26 W (pat) 90/09 -brand broadcasting m. w. N.). So liegt der Fall auch bei der hier angemeldeten, nicht besonders ungewöhnlich gebildeten Wortkombination, bei der ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe ihrer Bestandteile nicht besteht. Selbst wenn mehrere Bedeutungen dieses neuen Begriffs "STOFFPAPIER" in Betracht kommen, kann das Zeichen im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Waren nur im obigen Sinn verstanden werden.

c) Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann aus Sicht des Senats dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus für die fraglichen Waren freihaltungsbedürftig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist.

2. Für die von der Beschwerdeführerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass, da vorliegend weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

Abgesehen davon, dass es sich bei dem Anmeldezeichen um eine unmittelbare Sachangabe für die noch in Rede stehenden Waren handelt, unterliegen nach der ständigen Rechtsprechung des BGH -entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin -nicht nur glatt beschreibende und ohne Zweideutigkeit verständliche Wortzeichen dem Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Vielmehr genügt für die Verneinung der Unterscheidungskraft eines Wortzeichens nach der oben unter Ziff. 1 a) zitierten Rechtsprechung des BGH bereits ein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt oder auch nur ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Ferner ist eine Unzweideutigkeit des Begriffs nicht erforderlich, vielmehr reicht es, wie oben unter Ziff. 1 b) cc) dargestellt, aus, wenn das Wortzeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet.

Der Senat steht mit seiner rechtlichen Beurteilung des Anmeldezeichens daher im Einklang mit der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung.

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BPatG:
Beschluss v. 04.05.2011
Az: 29 W (pat) 508/11


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