Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 134/05

(BPatG: Beschluss v. 04.07.2006, Az.: 27 W (pat) 134/05)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 vom 16. Februar 2005 und vom 6. Juni 2005 werden aufgehoben und der Widerspruch aus der Marke IR 418 925 zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 28. Februar 2003 erfolgte Eintragung der Wortmarke 303 06 358 ONE & ONE für Bekleidungsstückeist Widerspruch eingelegt worden von dem Inhaber der seit dem Jahr 1975 für die Waren 25 Vêtements pour dames, messieurs et enfantsinternational registrierten Wortmarke R 418 925 ONE-O-ONE Die Markenstelle für Klasse 25 hat durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, dem Widerspruch stattgegeben und die Löschung der jüngeren Marke angeordnet, weil die Marken verwechselbar im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG seien. Die Marken würden für identische Waren beansprucht; die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich. Angesichts dieser Umstände sei eine beachtliche Abweichung zwischen den Vergleichsmarken erforderlich, die nicht gegeben sei. Vielmehr führe die Ähnlichkeit in der klanglichen Wiedergabe zu einer Verwechslungsgefahr, weil die in beiden Marken zweifach vorhandenen englischen Zahlwörter "ONE" jeweils durch ein kurzes einsilbiges Bindeglied verbunden seien, das klanglich kaum zum Zuge komme. Angesichts des dominierenden doppelten "ONE" seien Verwechslungen aufgrund von Hörfehlern nicht zu vermeiden.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der jüngeren Marke. Sie hält die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken für ausreichend und bestreitet die Benutzung der Widerspruchsmarke in der Bundesrepublik Deutschland und beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 vom 6. Juni 2006 und vom 16. Februar 2005 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke IR 418 925 zurückzuweisen.

Der Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Markenstelle eine Verwechslungsgefahr für gegeben. Zur Benutzung der Widerspruchsmarke legt er eine eidesstattliche Versicherung vom 11. Januar 2006 vor, derzufolge die Firma A... für die Winterkollektionen, die unter der Marke "ONE-O-ONE" vertrieben worden seien, in den Jahren 2000/2001, 2001/2002 und 2002/2003 Musterteile habe herstellen lassen. Die Kollektionen von 1998 bis 2005 seien auf Messen in Düsseldorf und München vorgestellt worden. Ferner habe die Firma A... Provisionen aus dem Verkauf von Mänteln und Ja- cken unter der Kennzeichnung "ONE-O-ONE" erhalten. Abrechnungen hierzu, Rechnungen für die Musterentwicklung, nicht datierte Einladungen zu Messepräsentationen sowie Fotografien von Jacken, die zum Einen mit einem farbigen Etikett, das die grafisch ausgestaltete Buchstabenfolge "oneoone", zum Anderen mit einem zweifarbigen Etikett mit der Bezeichnung "SNOWBIZ" und dem sehr klein darunter angeordneten "BY ONE - O - ONE" versehen sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten sowie die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke im Sinne des § 26 MarkenG in der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der letzten fünf Jahre nicht dargelegt worden ist.

1. Die Markeninhaberin hat die rechtserhaltende Benutzung der länger als fünf Jahre eingetragenen Widerspruchsmarke bestritten (§ 116 Abs. 1 i. V. mit § 43 Abs. 1, § 115 Abs. 2 MarkenG). Die rechtserhaltende Benutzung ist in den Fällen des § 43 MarkenG nicht gemäß § 286 ZPO voll zu beweisen, sondern lediglich im Sinne des § 294 ZPO glaubhaft zu machen. Der insoweit zu führende Nachweis ist bereits dann als erbracht anzusehen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des behaupteten Sachverhalts spricht (vgl. BGHZ 156, 139, 142 m. w. N.). Davon bleibt unberührt, dass in dieser Hinsicht der Widersprechende die Verantwortung für die vollständige Glaubhaftmachung trägt und verbleibende Zweifel zu seinen Lasten gehen (vgl. BPatG GRUR 1996, 981, 982 - ESTAVITAL, m. w. N.; Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 43 Rdn. 26).

Eine Marke wird dann ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion - die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren - benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (EuGH GRUR 2003, 425 Rdn. 43 - Ansul/Ajax).

2. An diesem Maßstab gemessen ist die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

2.1. Der Widersprechende hat sich zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke u. a. auf Provisionsabrechnungen, Lieferbestätigungen und Messeeinladungen bezogen. Über die Messeauftritte ist im Einzelnen nichts Näheres vorgetragen; ob und ggf. welche Bekleidungsstücke unter der Widerspruchsmarke dort vorgestellt wurden, ist nicht ersichtlich. Es ist zwar davon auszugehen, dass der Widersprechende für die von ihm entworfenen und in den vorgelegten Abrechnungen als "Kollektion ONE-O-ONE" bezeichneten Bekleidungsstücke Provisionen erhalten hat, und dass die Firma B... GmbH in C... gemäß ihrem Schreiben vom 16. Januar 2004 vor diesem Zeitpunkt 162 Mäntel mit einem als "One o One" bezeichneten Label an verschiedene Kunden ausgeliefert hat, darunter 118 an Kunden in Deutschland. Über die konkrete Kennzeichnung dieser Artikel ist jedoch aus den vorgelegten Unterlagen kein hinreichender Aufschluss zu erhalten. Einige der abgebildeten Jacken tragen das farbige Etikett mit der Buchstabenfolge "one o one", auf die sich möglicherweise das Schreiben der Firma B... vom 16. Januar 2004 bezieht. Andere dagegen tragen das Etikett "SNOWBIZ" mit dem nahezu unleserlichen Zusatz "BY ONE-O-ONE", der in dieser Gestaltung als eine Firmenbezeichnung erscheinen muss, wenn er denn überhaupt wahrgenommen wird. Dass im relevanten Zeitraum zwischen dem 4. Juli 2001 und dem 4. Juli 2006 über mögliche Einzelstücke und Muster hinaus eine ausreichende Anzahl von Kleidungsstücken, die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnet waren, in den Markt gelangt ist, ist nach der Überzeugung des Senats nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

2.2. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den von dem Widersprechenden vertriebenen Mänteln und Jacken um besonders exquisite und hochpreisige Waren handelte, für die es nur einen sehr speziellen Abnehmerkreis gäbe, bei dem auch eine geringe Auflage eine ernsthafte Benutzung darstellen kann. Die Höhe der vom Widersprechenden in einem nicht bekannten Zeitraum vor dem 20. Dezember 2002 für den Verkauf von 162 Bekleidungsstücken - über deren Kennzeichnung wiederum nichts Näheres bekannt ist - von durchschnittlich etwa ... EUR pro Stück spricht eher für Durchschnittsware, mit der, wie dem Senat aus einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten betreffend Marken im Bekleidungsbereich bekannt ist, Umsätze in Millionenhöhe verbreitet sind.

3. Auf die von der Markenstelle zum Widerspruchsgrund der Verwechslungsgefahr (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es sonach nicht mehr an.

4. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens war kein Anhaltspunkt ersichtlich, von der Regel des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen.






BPatG:
Beschluss v. 04.07.2006
Az: 27 W (pat) 134/05


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