Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Januar 2006
Aktenzeichen: 20 W (pat) 302/03

(BPatG: Beschluss v. 30.01.2006, Az.: 20 W (pat) 302/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Im Einspruch ist fehlende Patentfähigkeit wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit geltend gemacht worden.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den Patentansprüchen 1 - 19, überreicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.

Als Reaktion auf die von der Einsprechenden genannten Druckschriften hatte die Patentinhaberin zunächst beantragt, das Patent nach Maßgabe der mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2005 vorgelegten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten. Die Einsprechende sieht darin einen Teilverzicht und hält die in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche schon aus diesem Grund nicht für gewährbar.

In der mündlichen Verhandlung wurden folgende Druckschriften erörtert:

(1) EUROPÄISCHE VORNORM ENV 12313-1, July 1998, Deckblatt u. Page 7-9, 12, 18, 28, 30;

(2) DE 197 53 050 A1.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"1. Verfahren zur Übertragung von Verkehrsinformationen betreffend ein Straßenverkehrsnetz von einer Verkehrsinformationszentrale (20) an mindestens ein Endgerät (24), wobei eine digitale Karte des Straßenverkehrsnetzes als Datei in der Verkehrsinformationszentrale und im Endgerät vorgesehen ist, in welcher digitalen Karte Abschnitte von Straßen oder Fahrbahnen oder Fahrbahngruppen jeweils als ein Segment repräsentiert sind, wobei übertragene Verkehrsinformationen ("1, 3, 0, Ende") zumindest den Zustand ("0"; "Stau") mindestens eines Segmentes (1 bis 12) des Straßenverkehrsnetzes und die Identität dieses Segmentes oder dieser Segmente (1 bis 12) repräsentieren, wobei in der Zentrale (20) von ihr zu übertragende Verkehrsinformationen (21) derart zusammengestellt (22) werden, dass für zu einer Kette von im Straßenverkehrsnetz hinsichtlich ihrer Numerierung aufeinanderfolgenden Straßenverkehrsnetzsegmenten (1-2-3) zu übertragende Verkehrsinformationen (Durchschnittsgeschwindigkeit "0") betreffend den Zustand dieser Straßenverkehrsnetz-Segmente zusammengefasst werden zu einem Verkehrsinformationspaket ("1, 3, 0, ende"), in welchem Verkehrsinformationspaket diese Segmente und deren Zustand durch folgendes angegeben werden:

die Identität ("1") eines an einem Ende ("1"; "3") der Kette (1-2-3) von Straßenverkehrssegmenten liegenden Straßenverkehrssegmentes ("1"), eine die Gesamtzahl der Segmente (1-2-3) dieser Kette repräsentierende Kettensegmentzahlangabe ("3") undmindestens eine Zustandsinformation ("0"; "Stau"; "0 0 0") betreffend den Zustand mindestens eines dieser Segmente, dadurch gekennzeichnet, dassin der Verkehrsinformationszentrale für alle diejenigen Verkehrsinformationspakete, die alle die gleichen Segmente betreffen, ein Sequenzbezeichner definiert wird, der in den Paketen jeweils übertragen wird."

Die Einsprechende führt ferner aus, das in den geltenden Anspruch 1 neu aufgenommene Merkmal "Sequenzbezeichner" sei in dem Patent nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann die Erfindung ausführen könne.

Die Patentinhaberin ist der Auffassung, die mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2005 vorgelegten Patentansprüche stellten einen bloßen Formulierungsvorschlag dar. Das Patent sei für den Fachmann ausführbar und der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 sei gegenüber dem Stand der Technik nicht nur neu, sondern beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Die Übertragung des Sequenzbezeichners führe zu einer Reduktion der zu übertragenden Daten in den Verkehrsinformationspaketen und einer Einsparung von Speicherkapazitäten in der Zentrale und dem Endgerät.

II.

Der zulässige Einspruch führt zum Widerruf des Patentes.

Als Fachmann ist hier ein Diplomingenieur FH für Informatik mit Erfahrung in der Entwicklung von Verkehrsleitsoftware anzusetzen.

Gegenstand des Einspruchsverfahrens ist das Patent in der in der mündlichen Verhandlung überreichten Fassung der Patentansprüche 1-19. Dem Schriftsatz der Patentinhaberin vom 21. Dezember 2005 ist lediglich eine Beschränkung der erteilten Patentansprüche zu entnehmen, nicht aber der Wille, auf Rechte aus dem Patent sofort und endgültig zu verzichten. Im Übrigen hätte ein wirksamer Verzicht in der Form des § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG erklärt werden müssen.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1 mag zwar neu sein, er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Druckschrift (1) beschreibt ein Verfahren zur Übertragung von Verkehrsinformationen betreffend ein Straßenverkehrsnetz (Page 8 Abs. 1: "ALERT C Protocol", "road driver information"), wobei die Verkehrsinformationen offensichtlich von einer Verkehrsinformationszentrale an mindestens ein Endgerät übertragen werden. Bei diesem Verfahren werden Verkehrsinformationspakete (Page 8 Abs. 4: "Standard MC user messages") übertragen, in denen eine die Gesamtzahl der Segmente einer aufeinanderfolgenden Kette von Straßenverkehrssegmenten repräsentierende Kettensegmentzahlangabe (Page 8 Pkt. 2: "higway segment", Pkt. 3: "Extent, identifying the adjacent segments" und Page 18 Pkt. 2.2.3.2: "The extent identifies a chain of up to seven steps through adjacent defined TMC locations"), die Identität des an dem Ende der Kette liegenden Straßenverkehrssegmentes (Page 18 Pkt. 2.2.3.2: "The last step in this chain identifies the secondary location, which together with the primary location straddles the event."), und eine Zustandsinformation betreffend den Zustand des Straßenverkehrssegmentes (Page 8 Pkt. 1 "Event description") angegeben wird.

Die Verwendung einer digitalen Karte des Straßenverkehrsnetzes als Datei in der Verkehrsinformationszentrale und im Endgerät ist bei Verfahren zur Übertragung von Verkehrsinformationen, wobei in der digitalen Karte Abschnitte von Straßen oder Fahrbahnen oder Fahrbahngruppen jeweils als ein Segment repräsentiert sind, dem Fachmann ebenso geläufig wie eine zentralseitige Zusammenstellung der Verkehrsinformationen (Druckschrift (2): Anspruch 20, Sp. 1 Z. 49-53 u. Sp. 2 Z. 10-17).

Zusätzlich zu diesen o. g. Basis-Informationen (Page 8 Abs. 4: "basic items") können bei dem Verfahren nach Druckschrift (1) auch noch weitere, detailliertere Informationen zu einem oder mehreren der Verkehrsinformationspakete (RDS data groups) hinzugefügt werden (Page 8: Abs. nach Pkt. 5). Es steht damit im Belieben des Fachmannes in der Verkehrsinformationszentrale für alle diejenigen Verkehrsinformationspakete, die alle die gleichen Segmente betreffen (zusätzlich zu der Identität, der Kettensegmentzahlangabe und der Zustandsinformation) einen Sequenzbezeichner zu definieren und in den (Verkehrsinformations-) Paketen jeweils mit zu übertragen.

Damit gelangt der Fachmann in nahe liegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1.

Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob das Merkmal "Sequenzbezeichner" in dem Patent so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann die Erfindung ausführen kann.

Die nebengeordneten Patentansprüche 17 und 18 sowie die Unteransprüche 2 bis 16 und 19 teilen das Schicksal des Patentanspruchs 1, weil über das Patent nur als Ganzes entschieden werden kann.






BPatG:
Beschluss v. 30.01.2006
Az: 20 W (pat) 302/03


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