Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 56/04

(BPatG: Beschluss v. 04.07.2006, Az.: 17 W (pat) 56/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. März 2004 aufgehoben.

Das Patent DE 44 39 661 wird gemäß Hilfsantrag 2 in beschränktem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auf die am 7. November 1994 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung P 44 39 661.9-55, welche die Priorität einer Anmeldung in Korea vom 9. November 1993 in Anspruch nimmt, wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 11 C unter der Bezeichnung

"Wortleitungstreiberschaltkreis für eine Halbleiterspeichereinrichtung"

das Patent erteilt und am 5. März 1998 veröffentlicht.

Ein gegen das Patent erhobener Einspruch führte zum Widerruf des Patents durch Beschluss der Patentabteilung 55 vom 5. März 2004 mit der Begründung, dass der Wortleitungstreiberschaltkreis nach Patentanspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Gegen den Widerruf hat die Patentinhaberin am 22. April 2004 Beschwerde eingelegt. In ihrer Beschwerdebegründung trägt sie vor, der Fachmann habe am Prioritätstag keine Veranlassung gehabt, die Lehren der von der Patentabteilung herangezogenen Druckschriften zu kombinieren; der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie beantragt:

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen:

gemäß Hilfsantrag 1 mit Patentansprüchen 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung, gemäß Hilfsantrag 2 mit Patentansprüchen 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung und Zeichnungen jeweils wie erteilt.

Die Einsprechende, die - wie angekündigt - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, hat schriftlich den Antrag gestellt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der geltende Hauptanspruch, hier mit Gliederungsmerkmalen versehen, lautet:

gemäß Hauptantrag in der erteilten Fassung

"(a) Wortleitungstreiberschaltkreis zur Verwendung in einer Halbleiterspeichereinrichtung zum Treiben einer Wortleitung der Speichervorrichtung mit einer Wortleitungstreiberspannung, die größer als eine Stromversorgungsspannung (VCC) der Speichervorrichtung ist, wobei die Wortleitung mit einer Speicherzelle verbunden ist, um einen Datenzugriff auf die Speicherzelle zu ermöglichen, wobei der Wortleitungstreiberschaltkreis aufweist:

(b) einen Feldeffektpullup-Transistor (M2) mit einer ersten Elektrode zum Empfangen eines Wortleitungstreibersignals (XI), mit einer zweiten Elektrode, die mit der Wortleitung (WL) verbunden ist, und mit einer Gate-Elektrode;

(c) einen Feldeffekttransfertransistor (M1) mit einer ersten Elektrode zum Empfangen eines Reihendekodiersignals (Xd), mit einer zweiten Elektrode, welche mit der Gateelektrode des Feldeffektpullup-Transistors (M2) verbunden ist, und mit einer Gate-Elektrode; und

(d) eine Einrichtung (10) zum Bereitstellen eines Transferverstärkungssignals (XDI) an der Gate-Elektrode des Feldeffekttransfertransistors (M1) in Antwort auf ein Steuersignal (XE), wobei das Transferverstärkungssignal (XDI) in einem ersten Zustand einen Spannungspegel aufweist, der größer als die Stromversorgungsspannung (VCC) ist;

(e) dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtung (10) zum Bereitstellen des Transferverstärkungssignals (XDI) enthält:

- einen ersten PMOS-Transistor (P1) mit einer ersten Elektrode, die an eine Pumpspannung (VPP) gekoppelt ist, mit einer zweiten Elektrode, und mit einer Gate-Elektrode, wobei die Pumpspannung (VPP) einen Spannungspegel aufweist, der mindestens um den Betrag einer Schwellspannung (VTH) eines n-Typ MOS-Transistors größer als die Stromversorgungsspannung (VCC) ist;

- einen zweiten PMOS-Transistor (P2) mit einer ersten Elektrode, die mit der Pumpspannung (VPP) gekoppelt ist, mit einer zweiten Elektrode, die mit der Gate-Elektrode des ersten PMOS-Transistor (P1) gekoppelt ist und einer Gate-Elektrode, die mit der zweiten Elektrode des ersten PMOS-Transistors (P1) gekoppelt ist;

- einen ersten NMOS-Transistor (M4) mit einer ersten Elektrode, die mit der zweiten Elektrode des ersten PMOS-Transistors (P1) und der Gate-Elektrode des zweiten PMOS-Transistors (P2) gekoppelt ist, einer zweiten Elektrode, die an eine Referenzspannung (VSS) gekoppelt ist, und einer Gate-Elektrode zum Empfangen des Steuersignals (XE);

- einen ersten Signalinvertierer (I1) zum Empfangen des Steuersignals (XE) und zum Erzeugen eines invertierten Steuersignals (øXE);

- einen zweiten NMOS-Transistor (M5) mit einer ersten Elektrode, die mit der zweiten Elektrode des zweiten PMOS-Transistors (P2) und der Gate-Elektrode des ersten PMOS-Transistors (P1) gekoppelt ist, einer zweiten Elektrode, die an eine Referenzspannung (VSS) gekoppelt ist, und einer Gate-Elektrode zum Empfangen des invertierten Steuersignals (øXE);

- einen Steuerknoten (11) zwischen der zweiten Elektrode des zweiten PMOS-Transistors (P2) und der ersten Elektrode des zweiten NMOS-Transistors (M5);

- einen dritten PMOS-Transistor (P3) mit einem an die Pumpspannung (VPP) gekoppelten Halbleiterkörper, mit einer an die Pumpspannung (VPP) gekoppelten ersten Elektrode, einer zweiten Elektrode, die mit der Gate-Elektrode des Feldeffekttransfertransistors (M1) gekoppelt ist und einer Gate-Elektrode, die mit dem Steuerknoten (11) verbunden ist;

- einen vierten PMOS-Transistor (P4) mit einem an die Pumpspannung (VPP) gekoppelten Halbleiterkörper, mit einer an die Stromversorgungsspannung (VCC) gekoppelten ersten Elektrode, einer zweiten Elektrode, die mit der Gate-Elektrode des Feldeffekttransfertransistors (M1) gekoppelt ist, und einer Gate-Elektrode zum Empfangen eines Signals, das bezüglich des Signals am Steuerknoten (11) invers ist."

Anmerkung: Dabei steht die Schreibweise "øXE" für das invertierte XE-Signal, im Streitpatent gekennzeichnet durch einen hier technisch nicht darstellbaren Überstrich über dem Symbol XE.

In der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt und das kennzeichnende Merkmal aus Unteranspruch 5 ergänzt:

(f) wobei die Einrichtung (10) zum Bereitstellen eines Transferverstärkungssignals (XDI) in der ersten Betriebsart - wenn das Steuersignal (XE) einen ersten logischen Wert aufweist - ein Transferverstärkungssignal (XDI) mit einem Spannungspegel (VPP) erzeugt, der um zumindest eine Schwellspannung (VTN) des Feldeffekttransfertransistors (M1) größer ist als die Stromversorgungsspannung (VCC), und einer zweiten Betriebsart - wenn das Steuersignal (XE) einen zweiten logischen Wert aufweist - ein Transferverstärkungssignal (XDI) mit einem Spannungspegel erzeugt, der der Stromversorgungsspannung (VCC) entspricht.

In der Fassung gemäß Hilfsantrag 2 wird in Hilfsantrag 1 der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt und noch folgendes Merkmal (entsprechend der Patentschrift Spalte 4 Zeile 64 - Spalte 5 Zeile 4 und Figur 3) hinzugefügt:

(g) wobei sich die Einrichtung zum Bereitstellen des Transferverstärkungssignals (XDI) zu dem Zeitpunkt, zu dem das Wortleitungstreibersignal (XI) aktiviert wird, in der zweiten Betriebsart befindet.

Dem Gegenstand des Streitpatents liegt unverändert die Aufgabe zugrunde, einen Wortleitungstreiberschaltkreis anzugeben, welcher eine verbesserte Operationsgeschwindigkeit der Halbleiterspeichereinrichtung gestattet (siehe Streitpatent Spalte 2 Zeile 40 - 43).

Zu den Unteransprüchen und weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat insoweit teilweise Erfolg, als der Gegenstand des Patents in der gemäß Hilfsantrag 2 beschränkten Fassung eine patentfähige Erfindung nach den §§ 1 bis 5 PatG darstellt.

1. Das Streitpatent betrifft die Ansteuerung einer Wortleitung WL in einer Halbleiterspeichereinrichtung. Um für die Speicherkondensatoren die volle Versorgungsspannung Vcc zur Verfügung stellen zu können, muss der Spannungsabfall über den vorgeschalteten Schalttransistoren kompensiert werden. Dies geschieht im Stand der Technik bereits durch eine Ansteuerung der Schalttransistoren mit einer um deren Schwellspannung erhöhten Spannung Vpp > Vcc.

Darüber hinaus führen bauteilbedingte parasitäre Effekte wie die Kapazitäten der Feldeffekttransistoren zu Signalverzögerungen. Durch eine geschickt arbeitende Ansteuerung können diese weitgehend neutralisiert werden (vgl. Streitpatent Figur 4: Signalverlauf an der "herkömmlichen" Wortleitung CWL gegenüber der beanspruchten PWL); dafür schlägt das Streitpatent eine ganz bestimmte Schaltungsanordnung vor.

Als Fachmann für die Aufgabe, die Ansteuerschaltung so auszulegen, dass sie eine höhere Betriebsgeschwindigkeit der Halbleiterspeichervorrichtung gestattet, ist ein Entwicklungsingenieur für Halbleiterspeicherschaltungen mit Hochschul- oder Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung anzusehen.

2. Die Ansteuerschaltung (10) ist im Streitpatent in Figur 2 detailliert dargestellt und im Merkmal (e) des Hauptanspruchs ebenso detailliert beansprucht als Zusammenschaltung von vier PMOS-Transistoren, zwei NMOS-Transistoren, einem Inverter und einem gegenüber Punkt 11 invertierten Signal, wobei der Schaltung als Betriebsspannung einerseits die erhöhte Spannung Vpp, andererseits die normale Spannung Vcc zugeführt wird.

Diese technische Lehre ist für den angesprochenen Fachmann ohne weiteres verständlich. Dem Zeitdiagramm nach Figur 3 in Verbindung mit der Schaltungsbeschreibung wird er entnehmen, dass durch die beanspruchte Schaltung (10) das entscheidende Treibersignal (Transferverstärkungssignal XDI) abhängig vom Pegel des Steuersignals (XE) zwischen der erhöhten Spannung Vpp und der normalen Spannung Vcc umgeschaltet wird. Nach den Ausführungen der Patentinhaberin kommt es dabei auf den richtigen Zeitpunkt zum Vorladen des Gates von Pull-Up-Transistor M2 (t0, siehe Streitpatent Spalte 4 Zeile 36 - 47) und dann zum Abschalten der Vorladespannung (t2, siehe Spalte 4 Zeile 48 - Spalte 5 Zeile 14) an. Wie nachträglich erläutert wurde, soll die besondere Erkenntnis der Anmeldung darin liegen, den Transfertransistor M1 rechtzeitig (nämlich vor Eintreffen des Wortleitungstreibersignals XI) wieder abzuschalten, um ein Abfließen der gespeicherten Ladung am Gate von M2 (Figur 2 Knoten N1) zu verhindern.

3. Die Einsprechende hat folgende Druckschriften herangezogen:

D1 DE 42 36 456 A1 D2 Foss, R.C. et all: Application of a High-Voltage Pumped Supply for Low-Power DRAM. In: 1992 Symposium on VLSI Circuits Digest of Technical Papers, S. 106/107 D3 JP 04 - 259 995 A.

Ferner hat sie ein Gutachten von Prof. Dr. rer. nat. A... in B, ehem. C..., bezüglich des von der Beschwerdeführerin abgezweigten, daher wohl mit dem technischen Inhalt des Streitpatents identischen Gebrauchsmusters DE 94 22 048 U1 vorgelegt. Dort wird noch Bezug genommen auf D4 Carr, W.N.; Mize, J.P.: MOS/LSI Design and Application, S. 123, D5 Annaratone, Marco: Digital CMOS Circuit Design, S. 100.

4. Zum Hauptantrag Der Wortleitungstreiberschaltkreis gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ergab sich vor dem Prioritätstag des Streitpatents für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

4.1 Unstrittig zeigt die bereits im Streitpatent zitierte D1, der dieselbe Aufgabe (Spalte 3 Zeile 41 - 43: "die Betriebsgeschwindigkeit einer Halbleiterspeichereinrichtung mit einem Worttreiber zu erhöhen") zugrunde liegt, in Figur 2 einen Wortleitungstreiberschaltkreis gemäß dem Oberbegriff des Hauptanspruchs [Merkmale (a) - (d): Wortleitung WL, Speicherzelle MC, Feldeffektpullup-Transistor TR2, Wortleitungstreibersignal RX mit Wortleitungstreiberspannung VCC + , Feldeffekttransfertransistor TR1, Reihendekodiersignal N2, Transferverstärkungssignal B welches einen Spannungspegel aufweisen kann, der größer als VCC ist, siehe Figur 5 / Figur 8]. Zur Erzeugung des Transferverstärkungssignals B ist eine Einrichtung gemäß Figur 3 oder Figur 7 vorgesehen, welche ebenso unstrittig nicht mit der beanspruchten Einrichtung [Merkmal (e)] übereinstimmt.

Gemäß D1 Figur 3 / Figur 5 und zugehöriger Beschreibung wird das vorbekannte Transferverstärkungssignal B in Abhängigkeit eines Eingangssignals øRAS zwischen VCC und VPP umgeschaltet. In einer ersten Ausführungsform ist VPP dabei geringfügig kleiner als VCC plus Schwellenspannung Vth (siehe D1 Spalte 8 Zeile 2 - 5); alternativ wird aber eine zweite Ausführungsform beschrieben, bei der VPP = VCC + Vth ist (Spalte 10 Zeile 3 - 13, Figur 7 / Figur 8). Durch den Pegel des Signals B wird genau wie bei der beanspruchten Schaltung die Anstiegszeit des Signals an der Wortleitung WL verkürzt, weil das Potential am Gate des Pullup-Transistors TR2 (Knoten N3) schon vor dem Zeitpunkt der Aktivierung des Wortleitungstreibersignals RX hoch ist (siehe D1 Spalte 8 Zeile 59 - 65).

Der Fachmann erkennt die Einrichtung zur Erzeugung des Transferverstärkungssignals entsprechend Merkmal (e) des Hauptanspruchs daher als gleichwirkend mit der aus D1 vorbekannten. Besondere Vorteile des detailliert beanspruchten Schaltungsaufbaus sind nicht ersichtlich. Die beanspruchten Schaltungseinzelheiten waren dem Fachmann als typische Grundschaltungen vertraut (vgl. P1, P2, M4, M5, I1 aus Figur 2 des Streitpatents z. B. mit D5 Figur 4-8 (a) oder mit D2 Figur 1 links oben (Level Shifter); oder P3 an VPP, P4 an VCC aus Figur 2 des Streitpatents mit dem wahlweisen Schalten zweier SpannungspegelVPP oder VDD auf eine Schaltleitung ISO1 nach D2 Figur 4 mittlerer Teil). Es war keine erfinderische Tätigkeit erforderlich, um die aus D1 bekannte Erzeugungsschaltung des Transferverstärkungssignals B durch die beanspruchte, gleichwirkende Schaltung zu ersetzen.

4.2 Hiergegen hat die Patentinhaberin vorgetragen, erst die Schaltung nach Merkmal (e) des Hauptanspruchs ermögliche die Ansteuerung des Transfertransistors M1 so, dass er vor Eintreffen des Wortleitungstreibersignals XI wieder abschaltbar sei, um ein Abfließen der gespeicherten Ladung am Gate von M2 zu verhindern.

Dem kann nicht gefolgt werden. Das erläuterte rechtzeitige Abschalten ist beim Streitpatent nämlich allein ein Ergebnis des Ansteuersignals XE, weil das erzeugte Transferverstärkungssignals XDI direkt von XE abhängt. Wie der Fachmann ohne weiteres erkennt, würde die Abschaltung später erfolgen, wenn XE länger ansteht. Umgekehrt wäre offensichtlich auch bei der Schaltung nach D1 Figur 7 / Figur 8 ein früheres Abschalten möglich, etwa wenn am Gatter G5 statt RX' das Signal N2 angelegt würde. Somit ist der frühe Zeitpunkt des Abschaltens in keiner Weise ein Resultat der Schaltung nach Merkmal (e) des Hauptanspruchs, sondern vielmehr der Ansteuerung. Da letztere sich im Hauptanspruch nach Hauptantrag nicht wiederfindet, kann sie zur Frage der Patentfähigkeit nichts beitragen.

Auch der Einwand der Patentinhaberin, das Eingangssignal XE des Streitpatents sei ein internes, vom Konstrukteur beeinflussbares Signal, während das Eingangssignal øRAS in D1 ein unbeeinflussbares Systemsignal sei, führt hier nicht weiter.

Denn wie die detaillierten Zeitdiagramme in D1 Figur 5 / Figur 8 zeigen, entstehen bei der Ansteuerung einer Halbleiterspeichereinrichtung eine Vielzahl von Signalen, die alle letztlich von Systemsignalen wie øRAS abgeleitet werden. Wenn der Fachmann eine bestimmte Zeitbedingung als vorteilhaft erkennt, kann er jederzeit durch logische Verknüpfung ein "passendes" Signal erzeugen. Ob die Ansteuerung der Einrichtung zur Erzeugung des Transferverstärkungssignals XDI von einem abgeleiteten Signal wie XE oder aber direkt von einem Systemsignal erzeugt wird, ist für den Fachmann ohne jede Bedeutung und kann eine erfinderische Tätigkeit keinesfalls begründen.

4.3 Im Ergebnis stellt sich die als Besonderheit beanspruchte Schaltung nach Merkmal (e) des Hauptanspruchs als gleichwirkend mit der aus D1 bekannten Schaltung dar, die außerdem die Merkmale (a) bis (d) nahezu identisch aufzeigt.

Solch ein Austausch eines Schaltungsteils durch einen anderen, der keine nachgewiesenen oder erkennbaren Vorteile mit sich bringt, kann nicht als erfinderische Tätigkeit gewertet werden; der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist daher nicht patentfähig.

Sonach war die Beschwerde im Umfang des Hauptantrag zurückzuweisen, weil der Wortleitungstreiberschaltkreis nach dessen Patentanspruch 1 eine für den Fachmann naheliegende Abwandlung der Schaltung gemäß D1 ist. Über die Unteransprüche war nicht zu befinden, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.

Inwieweit es für den Fachmann nahelag - was die Patentinhaberin bestreitet -, die aus der D3 bekannte Schaltung bei dem aus D1 bekannten Wortleitungstreiberschaltkreis einzusetzen, so wie es im Widerrufsbeschluss der Patentabteilung ausgeführt ist, kann bei dieser Sachlage dahinstehen. (Anmerkung: D3 ist im Widerrufsbeschluss als "Druckschrift 2" bezeichnet.)

5. Zum Hilfsantrag 1 Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, wie oben dargestellt, durch die zusätzliche Aufnahme des kennzeichnenden Merkmals aus dem erteilten Unteranspruch 5 (s. o. Merkmal (f)). Er ist jedoch ebenfalls nicht patentfähig.

Zwar wird formal eine zulässige Beschränkung erzielt. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 definiert für die Einrichtung (10) zum Bereitstellen des Transferverstärkungssignals (XDI) in Abhängigkeit von dem logischen Wert des Steuersignals XE eine erste und eine zweite Betriebsart, wobei XDI in der ersten Betriebsart den Spannungspegel VPP = VCC + VTN erhält, in der zweiten Betriebsart den Spannungspegel VCC. Dies heißt aber lediglich, dass der Pegel von XDI abhängig vom Pegel des Steuersignals (XE) zwischen erhöhter Spannung Vpp und normaler Spannung Vcc umgeschaltet wird.

Somit entnimmt der Fachmann der neuen Formulierung nichts anderes als der bisherigen. In technischer Hinsicht erfolgt keine Einschränkung der Lehre, sondern nur eine Definition für die Begriffe "erste" und "zweite Betriebsart", während die beanspruchte Schaltung und ihre Funktion unverändert bleiben. Da aus D1 beispielsweise Figur 5 - wie bereits dargelegt - die beanspruchte Umschaltung des Transferverstärkungssignals (dort: B) zwischen erhöhter Spannung und normaler Spannung abhängig vom Eingangssignal (dort: øRAS) vorbekannt ist, kann der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nicht günstiger als der Anspruch 1 nach Hauptantrag beurteilt werden.

Darum war die Beschwerde im Umfang des Hilfsantrags 1 mit derselben Begründung wie beim Hauptantrag zurückzuweisen.

6. Zum Hilfsantrag 2 Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber Hilfsantrag 1 noch als zusätzliches Merkmal (g) ergänzt, dass "sich die Einrichtung zum Bereitstellen des Transferverstärkungssignals (XDI) zu dem Zeitpunkt, zu dem das Wortleitungstreibersignal (XI) aktiviert wird, in der zweiten Betriebsart befindet."

Dies versteht der Fachmann ausgehend von der Streitpatentschrift so, dass entsprechend Figur 3 das Signal XDI zum Zeitpunkt der Aktivierung von XI (t3) bereits wieder auf den Spannungspegel VCC abgesenkt ist und dadurch den Feldeffekttransfertransistor M1 sperrt; wie nachträglich vorgetragen, soll dadurch ein Abfließen der Ladung am Gate von M2 verhindert werden.

6.1 Diese Fassung des Patentanspruchs 1 liegt im Rahmen der Lehre des Streitpatents, denn der zeitliche Zusammenhang ist dem Zeitdiagramm nach Figur 3 unmittelbar entnehmbar.

Zwar ist das Problem des Abfließens von Ladung am Gate von M2 und der behauptete Vorteil, wenn dies rechtzeitig verhindert werde, im Streitpatent nicht offenbart. Vorteile dürfen aber nachträglich geltend gemacht werden, soweit sie "die Erfindung nicht verändern". In der Rechtsprechung ist anerkannt worden, "dass der Zweck, zu dem die Lösungsmittel eines Patents dienen sollen, nur unter der Voraussetzung als ein der Offenbarung nicht bedürftiger bloßer Vorteil angesehen werden kann, wenn das Patent auch ohne Kenntnis dieses Zwecks eine geschlossene und in sich verständliche Lehre zum technischen Handeln darstellt" (BGH GRUR 1962, 83 "Einlegesohle"). Unzulässig wäre es hingegen, unter dem Begriff des "Vorteils" eine Maßnahme einzuführen, die sich in der Sache als neue Lehre zum technischen Handeln darstellt (ebenda).

Die vorliegend beanspruchte Schaltungsanordnung und deren zeitliche Ansteuerung ist aber zweifellos "eine geschlossene und in sich verständliche Lehre zum technischen Handeln", die durch den nachträglich erläuterten Vorteil nicht verändert wird. Weil durch das zusätzliche Merkmal des vorgegebenen Spannungspegels von XDI zum Zeitpunkt der Aktivierung von XI (t3) zudem eine Beschränkung stattfindet, ist der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 zulässig.

6.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist auch neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zwar ist das Problem des Abfließens von Ladung am Gate von M2 in D1 insbesondere Spalte 9 Zeile 3 - 22, Spalte 10 Zeile 28 - 33 bereits dargestellt. Durch die dort vorgeschlagenen Maßnahmen (erste Ausführungsform: VPP etwas kleiner als VCC + Vth wählen; zweite Ausführungsform: B wieder auf VCC zurückschalten, jedoch erst nach Erzeugung des Wortleitungstreibersignals) sollte es aber gelöst worden sein. Irgendeine Anregung, B bereits vor der Erzeugung des Wortleitungstreibersignals auf VCC zurückzuschalten, kann D1 nicht entnommen werden; gerade dadurch soll aber, wie von der Patentinhaberin überzeugend vorgetragen, die Signalbeschleunigung gemäß Figur 4 des Streitpatents erreicht werden.

Von den übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften befasst sich nur D2 mit dem zeitlichen Ablauf von Ansteuersignalen für Halbleiterspeichereinrichtungen; doch ein dem beanspruchten Transferverstärkungssignal entsprechendes Signal ist diesem Dokument nicht entnehmbar. D3 zeigt eine Umschaltung zwischen zwei Betriebsspannungen für das Beschreiben eines EPROM, D4 und D5 beschreiben MOS-Grundschaltungen. Keines dieser Dokumente kann eine Anregung in Richtung auf den beanspruchten Zeitablauf geben.

Folglich ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 patentfähig. Die auf diesen Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2, 3 und 4 nach Hilfsantrag 2 betreffen zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Erfindung. Ihre Gegenstände sind daher ebenfalls patentfähig.

III.

Der Beschwerde war somit im Umfang des Hilfsantrags 2 stattzugeben.






BPatG:
Beschluss v. 04.07.2006
Az: 17 W (pat) 56/04


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