Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. November 2008
Aktenzeichen: 15 W (pat) 58/04

(BPatG: Beschluss v. 28.11.2008, Az.: 15 W (pat) 58/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 152

Gründe

I.

Die Anmelderin reichte am 16. April 1993 beim Deutschen Patentamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Zweistufen-Verfahren zur Herstellung von thermoplastischem Polycarbonat"

ein, die am 20. Oktober 1994 in Form der DE 43 12 390 A1 veröffentlicht wurde.

Mit Beschluss vom 16. August 2004 wies die Prüfungsstelle für Klasse C 08 G des Deutschen Patentund Markenamts die Anmeldung zurück. Dem Beschluss lagen die ursprünglichen, gemäß DE 43 12 390 A1 offengelegten Patentansprüche 1 bis 2 folgenden Wortlauts zugrunde:

Die Zurückweisung der Patentanmeldung wurde mit mangelnder Neuheit gegenüber der Druckschrift DE 1 570 534 A (1) begründet und zwar im Wesentlichen damit, dass die Merkmale des Verfahrens gemäß Anspruch 1 bereits aus (1), insbesondere aus den Arbeitsweisen des Beispiels 6 i. V. m. Beispiel 1, bekannt seien.

Mit Schriftsatz vom 10. September 2004, eingegangen am 14. September 2004, legte die Anmelderin Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss ein. Eine Beschwerdebegründung hat sie nicht eingereicht.

Die Anmelderin wurde mit Schreiben vom 6. Oktober 2008 ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 17. November 2008 geladen. Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2008 hat die Anmelderin mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Sie beantragt die Aufhebung des Verhandlungstermins, das Verfahren schriftlich fortzusetzen und Entscheidung nach Aktenlage, wobei sie ihren Antrag auf Patenterteilung aufrechthält. Im Übrigen verweist sie auf ihre Ausführungen im Erwiderungsschreiben vom 28. November 1997 auf den Erstbescheid der Prüfungsstelle (vgl. PA Bl. 33, 34).

Die Anmelderin beantragt dementsprechend, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den ursprünglichen Unterlagen zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist fristund formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie führt jedoch nicht zum Erfolg.

Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind die am Anmeldetag eingegangenen Patentansprüche 1 bis 2 mit den Beschreibungsseiten 1 bis 14.

Patentanspruch 1 betrifft gemäß nachfolgender Merkmalsanalyse ein 1) Verfahren zur Herstellung von verzweigungsarmem Polycarbonat 1.1) durch Schmelzumesterung von Diphenolen und Kohlensäurediarylestern 1.2) in Gegenwart von Katalysatoren 1.3) bei Temperaturen zwischen 80 oC und 320 oC 1.4) bei Drücken von 1000 mbar bis 0,01 mbar 2) in zwei Stufen 3) mit quartären Ammoniumverbindungen oder Phosphoniumverbindungen als Katalysatoren in der ersten Stufe 3.1) in Mengen von 10-4 Mol bis 10-8 Mol, bezogen auf 1 Mol Diphenol, 4) Aufschmelzen der Reaktanden in der ersten Stufe bei 80 C bis 180 oC unter Atmosphärendruck in einer Zeit bis zu 5 Stunden und 5) nach Zugabe des Katalysators und Anlegen eines Vakuums (1 bar bis 0,5 bar) und Erhöhung der Temperatur auf bis zu 290 C 6) Herstellung eines Oligocarbonats durch Abdestillieren von Monophenolen 7) in der zweiten Stufe Polykondensation des Oligocarbonatszum Polycarbonat 7.1) unter Zugabe von Alkaliund Erdalkalimetallsalzen in Mengen von 10-4 bis 10-8 Mol bezogen auf 1 Mol Diphenol 7.2) bei Temperaturen zwischen 240oC bis 320oC 7.3) bei Drücken von kleiner als 500 mbar bis 0,01 mbar 7.4) in kurzen Zeiten von weniger als drei Stunden.

Die Anmelderin hat dadurch, dass sie keine Beschwerdebegründung eingereicht und auch von der anberaumten mündlichen Verhandlung keinen Gebrauch gemacht hat, von sich aus nicht dazu beigetragen, die im Zurückwiesungsbeschluss angeführten patenthindernden Mängel auszuräumen.

Die Überprüfung des Sachverhalts durch den Senat hat nun ergeben, dass das Zweistufen-Verfahren zur Herstellung von verzweigungsarmem Polycarbonat durch Schmelzumesterung gemäß geltendem Patentanspruch 1, wie im Zurückweisungsbeschluss festgestellt, nicht mehr neu ist und deshalb kein Anlass besteht, der Beschwerde stattzugeben, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent gemäß geltendem Antrag zu erteilen.

Aus der DE 1 570 534 A (1) ist ein gattungsgemäßes Verfahren zum Herstellen hochmolekularer, thermoplastischer Polycarbonate nach dem Umesterungsverfahren bekannt, in dem Diphenole und Kohlensäurediarylester in Gegenwart von quartären Ammoniumoder Phosphoniumverbindungen als Umesterungskatalysatoren aufgeschmolzen und bei erhöhter Temperatur und reduziertem Druck unter Abdestillieren des entstehenden Phenols polykondensiert werden (vgl. (1)

S. 14 Anspr. i. V. m. S. 9 bis 13 Beisp. 1b, 2 bis 9), so dass die Merkmale 1 sowie 1.1 bis 1.4 erfüllt sind. Aus den Beispielen 1b und 2 bis 9 (vgl. ggf. Rückbezug auf Beisp. 1a, b) gehen außerdem bereits eine zweistufige Verfahrensführung und damit auch das Merkma 2 sowie auch die weiteren Merkmale 3, 3.1, 4 bis 7, 7.2 und 7.3 hervor und zwar insofern, als zunächst in einem ersten Schritt das Eduktgemisch in Gegenwart der quartären Ammoniumund Phosphoniumkatalysatoren in einer Menge von 1 . 10-4 bis 1 . 10-2 Mol-%, das sind 10-6 bis 10-4 bezogen auf 1 Mol Diphenol, damit im Zahlenbereich des Merkmals 3.1, bei 140 bis 160 oC aufgeschmolzen, nachfolgend bei einem Druck von etwa 100 Torr und Temperaturerhöhung auf 180 bis 230oC das entstehende Phenol innerhalb von etwa 2 bis 3 Stunden abdestilliert wird und der Druck danach, in einer zweiten Stufe, weiter bis auf etwa 0,5 Torr gesenkt und die Reaktion bei gleichzeitig erhöhter Temperatur von 290 bis 305oC zu Ende geführt wird, wobei weiteres Phenol abdestilliert, ohne dass in den Beispielen 1b, 2 bis 5 sowie 7 bis 9 in der zweiten Stufe weiterer Umesterungskatalysator zugesetzt wird (vgl. (1) Beisp. 1 bis 9 i. V. m. S. 3 Abs. 1, S. 4 Abs. 2, S. 5 Abs. 2). Im Übrigen hat die Anmelderin die Zweistufigkeit des Verfahrens gemäß (1) anerkannt (vgl. PA Schreiben vom 28. November 1997, S. 1 Abs. 2). In Beispiel 6 werden nun in dieser zweiten Reaktionsstufe, aufgrund der Bezugnahme auf die vorangehenden Beispiele unter ansonsten identischen Reaktionsbedingungen, 0,01 Gewichtsteile Kaliumdiphenylphosphat, im Hinblick auf die Beschreibung bezogen auf die Dihydroxyverbindung bzw. das Diphenol allgemein zwischen 0,01 bis 0,0001 Mol-% bzw. 10-4 bis 10-6 Mol (vgl. (1) S. 4 Abs. 2), und damit ein Kaliumsalz entsprechend den Maßgaben des Merkmals 7.1 des Verfahrens gemäß Patentanspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung zugesetzt. Dass es sich bei Kaliumdiphenylphosphat um einen bekannten Umesterungskatalysator handelt, geht aus (1) hervor (vgl. (1) S. 1 Z. 1 bis 6), und auch der weitere Zusatz solcher an sich bekannter Umesterungskatalysatoren neben den quartären Ammoniumund Phosphoniumverbindungen ergibt sich aus der allgemeinen Beschreibung von (1). (vgl. (1) S. 4 Abs. 2 le. S.). Insofern kann der Senat auch nicht den Ausführungen der Anmelderin und Beschwerdeführerin in dem Erwiderungsschreiben vom 28. November 1997 auf den Erstbescheid der Prüfungsstelle beitreten, wonach in der zweiten Stufe des Beispiels 6 in (1) Kaliumdiphenylphosphat in einer Menge von 1,2 Mol zugesetzt werde. Denn der an sich bekannte Umesterungskatalysator Kaliumdiphenylphosphat wird in dem betreffenden Beispiel in einer Menge von nur 0,01 Gewichtsteilen in Bezug auf 7000 Gewichtsteile des Diphenols Bisphenol A zugesetzt, das sind in Bezug auf das Diphenol etwa 1 . 10-6 Mol. Dieser sich aus Beispiel 6 von (1) ergebende Rechenwert stimmt auch mit den Ausführungen in der Beschreibung von (1) überein, wonach der Umesterungskatalysator in einer Menge von 10-4 bis 10-2 Mol-%, das sind 10-6 bis 10-4 Mol, bezogen auf die Dihydroxyverbindung bzw. das Diphenol zugesetzt wird (vgl. (1) S. 4 Abs. 2).

Auch den weiteren Ausführungen der Anmelderin und Beschwerdeführerin (vgl. PA Schreiben v. 28. November 1997 S. 1 Abs. 2) betreffend die Zugabe von Kaliumdiphenylphosphat in Beispiel 6 von (1) kann sich der Senat nicht anschließen. Die seitens der Anmelderin hierfür aus (1) angezogene Textstelle (vgl. (1) S. 2 Abs. 2) bezieht sich ersichtlich auf Stand der Technik betreffend nicht näher spezifizierte Verbindungen des Phosphors und des Bors und nicht auf die Lehre von (1). Dagegen handelt es sich bei der Zugabe von Kaliumphenylphosphat in Beispiel 6, wie bereits zuvor ausgeführt, um die gezielte Zugabe eines an sich bekannten Umesterungskatalysators (vgl. (1) S. 1 Z. 1 bis 6 i. V. m. S. 4 Abs. 2 le Satz).

Was den Druck in der ersten Reaktionsstufe der Umesterung und damit das Merkmal 5 anbelangt, so dürfte es sich bei den eingeklammerten Angaben 1 bar bis 0,5 bar in Patentanspruch 1 der vorliegenden Anmeldung um einen offensichtlichen Fehler handeln. Denn gemäß der allgemeinen Beschreibung sowie in sämtlichen Ausführungsbeispielen liegt der Druck bzw. das angelegte Vakuum in der ersten Stufe beim Abdestillieren des Phenols im Bereich 1 bar ist 0,5 mbar, bevorzugt kleiner als 0,5 bar bis 1 mbar (vgl. DE 43 12 390 A1 S. 4 Z. 11, 12 i. V. m. d. Beisp), und damit in dem bereits aus (1) für die erste Stufe bekannten Bereich.

Was die Polykondensationszeit von weniger als 3 Stunden und damit das Merkmal 7.4 anbelangt, so liegen die Werte der Ausführungsbeispiele zwischen 280 und 30 Minuten, sodass auch in dieser Arbeitszeit kein neuheitsbegründendes Merkmal erkannt werden kann. Denn die Reaktionszeit hängt gewöhnlich von den übrigen Reaktionsparametern ab, die im Übrigen noch so breit gefasst sind, dass der fachkundige Leser den Fortgang der Reaktion ohnehin sorgfältig überwachen wird und davon abhängig die Reaktion gegebenenfalls bereits vor Erreichen der 3 Stunden terminiert.

Auch in dem Attribut "verzweigungsarm" des Oberbegriffs ist kein abgegrenzendes Teilmerkmal zu erkennen, da die Nacharbeitung des Beispiels 6 aus (1) unter das beanspruchte Verfahren fällt und gleiche bzw. vergleichbare Arbeitsweisen regelmäßig zu gleichen bzw. vergleichbaren Ergebnissen führen. Entsprechendes gilt für den Begriff "Oligocarbonat" für das Zwischenprodukt nach der ersten Reaktionsstufe, auch wenn dieser Begriff sowie die Unterteilung in erste und zweite Reaktionsstufe expressis verbis nicht in (1) benannt sind.

Sämtliche Merkmale des beanspruchten Verfahrens gehen damit aus der Druckschrift (1) hervor oder ergeben sich für den fachkundigen Leser aus den dort beschriebenen Arbeitsweisen unmittelbar und zwangsläufig. Patentanspruch 1 ist damit mangels Neuheit nicht gewährbar, mit ihm auch der darauf rückbezogene Unteranspruch 2 (BGH -GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät").

Feuerlein Schwarz-Angele Egerer Lange Na






BPatG:
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