Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 25. Oktober 2000
Aktenzeichen: 2 a O 135/00

(LG Düsseldorf: Urteil v. 25.10.2000, Az.: 2 a O 135/00)

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Produkt A, 50 ml, anzubieten und/oder zu verkaufen und/oder sonst in den Verkehr zu bringen, soweit die Kartonumverpackung vollständig entfernt worden ist.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,-~ DM ersatzweise Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, angedroht.

2.

der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang Hand-lungen gemäß der Ziffer I. 1 und Handlungen wie folgt begangen wurden: Anbringen eines silbernen Klebestreifens in der Form des Beseitigen, Ausschneiden, Auskratzen der auf der Kartonumverpackung angebrachten Kontrollnummer oder ganz oder teilweise Unkenntlichmachen durch als Anlage K 1 zu den Akten gereichten Musterstückes unter Angabe von Namen und Adressen der jeweiligen Lieferanten, Einkaufszahlungen und Einkaufsmengen.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer I. beschriebenen Handlungen bisher entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.400,-- DM vorläufig

vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Das Landgericht G ist sowohl international als auch örtlich zuständig.

1.

Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach dem I-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit vom 16. 9. 1988 in Verbindung mit dem Europäischen. Gerichtsstandsund Vollstreckungsübereinkommen (vgl. Zöller, Anhang I. Artikel I GVÜ Rdnr. 2). Die Beklagte hat ihren Sitz in der Schweiz. Die Schweiz hat das I-Übereinkommen gezeichnet. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte neben ihrem Sitz in der Schweiz auch eine Niederlassung in Deutschland hat. Denn die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus Artikel 5 Nr. 3 I-Übereinkommen. Die Zuständigkeit gemäß Artikel 5 Nr. 3 des I-Übereinkommens setzt eine behauptete unerlaubte Handlung voraus, bei der der Erfolgsoder Handlungsort in Deutschland liegen. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Denn die Beklagte bot sowohl per Katalog als auch im Internet ihre Produkte zum Vertrieb in Deutschland an. Sie bezeichnete sich auf ihrem Katalog (Anlage K 2) selbst als größte Versandparfümerie in Deutschland. Ausweislich des Kataloges umfasste das Sortiment der Beklagten ausdrücklich decodierte Ware. Dieses Anbieten der decodierten Produkte im Internet und per Katalog in Deutschland reicht gemäß Artikel 5 Nr. 3· des H Übereinkommens für eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus.

2.

Das Landgericht .G ist auch örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO in Verbindung mit § 24 Abs. 2 UWG. Nach diesen Vorschriften ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Verletzungshandlung begangen worden ist. Der Testkauf der Klägerin erfolgte zwar in Kassel. Für eine daneben bestehende Zuständigkeit des Landgerichts G reicht jedoch die Begehungsgefahr aus (vgl. dazu OLG München, WRP 1986, Seite 172). Eine derartige Begehungsgefahr liegt vor. Denn im Bezirk des Landgerichts G drohte im Zeitpunkt der Klageerhebung eine Wiederholung des Wettbewerbs­ und Markenverstoßes. Dieses ergibt sich aus der Tatsache, dass die Beklagte ihr Angebot durch ihren Versandkatalog und das Internet bundesweit verbreitet hat.

II.

Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin stehen die gegenüber der Beklagten geltend· gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung zu.

1.)

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 iVm. Abs. 5, 30 Abs. 3 Markengesetz. Danach ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marken im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt. Die Klägerin als Lizenznehmerin ist gem. § 30 Abs. 3 Markengesetz berechtigt, die Rechte für die japanische Muttergesellschaft B, Tokio, wahrzunehmen. Die Rechte aus § 14 Markengesetz umfassen nach der insoweit geänderten Rechtsprechung des BGH nunmehr auch das Anbieten, Inverkehrbringen und Besitzen gekennzeichneter Waren durch einen Außenseiter (vgl. dazu BGH WRP 2000, 734 Außenseiteranspruch 11). Der Anwendungsbereich des § 14 MarkenG erfasst danach die Fälle, in denen wie hier ein Dritter unbefugt manipulierte, gekennzeichnete Originalware eines Markeninhabers oder Lizenznehmers vertreibt. Der Erschöpfungseinwand greift in diesen, Fällen nicht.

Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin bei dem Testkauf vom 13.1.2000 von der Beklagten ein decodiertes Exemplar A, 50 ml, erhalten hat. Das Bestreiten der Beklagten ist unsubstantiiert. Bereits aus ihrem Katalog ergibt sich, dass die Beklagte decodierte Ware vertrieben hat. Die Beklagte führt darüber hinaus auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 19.7.2000 selber aus, auch am 13.1.2000, dem Zeitpunkt des Testkaufes durch die Klägerin, decodierte Ware vertrieben zu haben. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin an diesem Tage ein nichtdecodiertes Exemplar erhalten hat, sind nach allem nicht gegeben.

Erstbegehungsgefahr für einen Verkauf ohne Kartonumverpackung liegt nach Auffassung der Kammer vor. Für die Geltendmachung des vorbeugenden Unterlassungsanspruches gern. § 14 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 5 Markengesetz hinsichtlich des Verkaufes ohne Kartonumverpackung genügt es, dass die erstmalige Begehung dieser Kennzeichenverletzung ernstlich und unmittelbar zu besorgen ist (vgl. BGHGRUR 1994, 530, 532 Beta). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Zwar wird der Beklagten nicht vorgeworfen, in der Vergangenheit ausgepackte D­Produkte verkauft zu haben. Unstreitig hat sie jedoch in den Vormonaten Manipulationen an der Verpackung vorgenommen. Diese bereits begangenen Verletzungshandlungen legen auch den Verkauf ohne Verpackung nahe. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich in der Vergangenheit auch ein Wettbewerber der Parteien für einen derartigen Verkauf entschieden. hat, nachdem ihm der Verkauf manipulierter Verpackung untersagt worden war.

Die Erstbegehungsgefahr scheitert im vorliegenden Fall auch nicht daran, dass die Beklagte ihren Versandhandel zum 1.7.2000 aufgegeben hat. Denn .die Beklagte ist weiterhin existent. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie ihren Versandbetrieb in Kürze wieder aufnehmen wird. Daran vermag auch der Verkauf an die französische E-Kette nichts zu ändern. Denn auch bei diesem Unternehmen handelt es sich um eine Parfümeriekette. Der Vortrag der Beklagten, die Parfümeriekette E habe ein völlig anderes Konzept, ist insoweit unsubstantiiert. Denn sie führt nicht aus, warum dieses Konzept einer Wiederaufnahme der Versandparfümerie der Beklagten entgegensteht.

2. )

Der mit Klageantrag zu Ziffer I. 2) geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Auskunft ergibt sich aus § 19 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Markengesetz. Danach kann der Inhaber einer Mar.ke, und gern. § 30 Abs. 3 Markengesetz auch der Lizenznehmer, den Verletzer in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen in Anspruch nehmen, es sei denn, dass dies im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Gern. § 19 Abs. 2 Markengesetz gehören zu den der Auskunft· 'unterliegenden Gegenständen auch die Namen und Adressen der jeweiligen Lieferanten, Einkaufszahlen und Einkaufsmengen. Den angekündigten Antrag auf Vorlage entsprechender Einkaufsbelege, Rechnungen oder Lieferscheine hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 20.9.2000 zurückgenommen.

3.)

Der Antrag der Klägerin zu Ziffer II. ist gern. § 14 Abs. 6 Markengesetz begründet. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 ZPO daran, die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz zunächst dem Grunde nach feststellen zu lassen statt auf Leistung zu klagen. Denn beziffern kann die Klägerin ihre Schadenersatzansprüche erst, wenn die Beklagte über den Umfang ihrer Verletzungshandlungen Auskunft erteilt hat. Der Schadenersatzanspruch gern. § 14 Abs. 6 Markengesetz scheitert auch nicht an fehlendem Verschulden. Der Verletzter, das heißt die Beklagte, trägt insoweit das Fahrlässigkeitsrisiko. Sie kann sich nicht auf einen Rechtsirrtum berufen. Ein Rechtsirrtum entschuldigt nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, vor §§ 14 bis 19, Rdnr. 62).

Eine Änderung der Rechtsprechung, wie sie durch das Urteil des BGH in WRP 2000 Seite 734 erfolgt ist, ist zu jeder Zeit denkbar. Darüber hinaus hat sich diese Änderung der Rechtsprechung bereits im Sommer 1999 (BGH WRP 1999, 1022 ff.) angedeutet. Diese Änderung der Rechtsprechung ist in der Fachpresse ("Markt Intern,,)

veröffentlicht worden.

4 .

Die Beklagte kann sich auch nicht auf Verjährung berufen. Gern. § 20 Markengesetz verjähren die in den §§ 14 bis 19 genannten Ansprüche in drei Jahren von dem Zeitpunkt an in dem der Berechtigte von der Verletzung seines Rechts und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von der Verletzung an. Der Testkauf erfolgte am 13.1.2000. Klage wurde am 19.4.2000 eingereicht. Anhaltspunkte für eine Verjährung bestehen nicht.

5.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 20.9.2000. rechtfertigt eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht, § 156 ZPO. Denn die Klägerin ist durch die Berücksichtigung des Inhaltes des Schriftsatzes vom 5.9.2000, der ihr am 18.9.2000 per Gerichtsfach zugestellt worden ist, nicht benachteiligt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 2. Hs. 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war die Beklagte ebenfalls verpflichtet die Kosten zu tragen. Denn die Beklagte hätte aus den oben ausgeführten Gründen ohne die Abgabe der beiderseitigen Erledigungserklärungen den Rechtsstreit unter Berücksichtigungdes bisherigen Sach- und Streitstandes voraussichtlich verloren.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO.

Streitwert:

Bis zur Abgabe der beiderseitigen Erledigungserklärungen:

100.000,--DM, danach 20.000,--DM.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 25.10.2000
Az: 2 a O 135/00


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