Sozialgericht Würzburg:
Beschluss vom 22. November 2010
Aktenzeichen: S 2 SF 26/10 E

(SG Würzburg: Beschluss v. 22.11.2010, Az.: S 2 SF 26/10 E)

Tenor

Die Erinnerung des Antragstellers vom 12.04.2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.03.2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Streitig sind der Anfall der Einigungsgebühr und die Höhe der Kosten für Ablichtungen aus Behördenakten im Klageverfahren der Eheleute K. gegen die A., Az.: S 16 AS 541/08.

Im o. g. Klageverfahren machten die Kläger geltend, die Beklagte fordere zu Unrecht Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.05.2007 bis 30.06.2007 in Höhe von 640,00 Euro zurück.

Mit Beschluss vom 08.09.2009 bewilligte das Sozialgericht Würzburg den Klägern für das o. g. Klageverfahren ab Klageerhebung Prozesskostenhilfe und ordnete den Antragsteller den Klägern bei.

In der öffentlichen Sitzung vom 05.10.2009 erklärte sich die Beklagte bereit, die Übernachtungen vom 16.04.2007 bis 19.04.2007 und 23.04.2007 bis 27.04.2007 als notwendig anzuerkennen und ebenso die Wegstreckenentschädigung zwischen den Gasthäusern und der Arbeitsstätte sowie einer Heim-/Rückfahrt und für jede nachgewiesene in diesem Zeitraum in einer Gastwirtschaft eingenommene Mahlzeit, eine warme Speise anzuerkennen. Daraufhin erklärte der Antragsteller für die Kläger das Verfahren für erledigt.

Mit Beschluss vom 03.02.2010 wurde der Antrag der Kläger, deren außergerichtliche Kosten zu erstatten, abgelehnt. Das Verfahren sei für erledigt erklärt worden, nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung eine Einigung über die bei der Einkommensberechnung anzurechnenden Kosten erzielt worden sei. Entsprechend des Rechtsgedankens des § 195 SGG sei daher zu entscheiden, dass eine Kostenerstattung nicht stattfinde.

Mit Schriftsatz vom 22.10.2009 machte der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner seine Kosten wie folgt geltend:

Verfahrensgebühr 225,00 EuroTerminsgebühr 150,00 EuroEinigungs-/Aussöhnungsgebühr 100,00 EuroEntgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 20,00 EuroFotokopiekosten 52,00 EuroSumme 547,00 EuroUmsatzsteuer auf die Vergütung 103,93 Eurozu zahlender Betrag 650,93 Euro

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle teilte dem Antragsteller mit, dass die beantragte Einigungsgebühr nicht gewährt werden könne, da diese nur bei Abschluss eines Vergleichs in Betracht komme, nicht jedoch bei einem Anerkenntnis. Des Weiteren könnten Fotokopiekosten ohne Nachweis nur für 50 Kopien à 0,50 Euro berücksichtigt werden. Daraufhin übersandte der Antragsteller zum Nachweis der angefallenen Kopierkosten Bl. 53 bis 264 seiner Akte. Bezüglich der von ihm angesetzten Einigungsgebühr meinte er, dass man mit Unterstützung des Gerichts nach einigem Hin und Her man überein gekommen sei, dass die Beklagte bestimmte Ausgabeposten des Klägers zu 1. als notwendig anerkannt habe und der Antragsteller das Verfahren sodann im Gegenzug für erledigt erklärt habe.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.03.2010 setzte der Urkundsbeamte die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf 510,51 Euro fest.

B e r e c h n u n g

1. Instanz

Verfahrensgebühr §§ 3, 14 iVm der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - VV Nr. 3102 225,00 EURTerminsgebühr VV Nr. 3106 150,00 EURAuslagenpauschale - VV Nr. 7002 20,00 EURFotokopiekosten - VV Nr. 7000 50 Seite(n) à 0,50 EUR 25,00 EUR 60 Seite(n) à 0,15 EUR 9,00 EUR - 429,00 EUR19 % Mehrwertsteuer - VV Nr. 7008 81,51 EURinsgesamt 510,51 EUR

Die Gebührenbestimmung sei hinsichtlich der geltend gemachten Einigungsgebühr und der beantragten Kosten für Fotokopien unbillig. Eine Einigungsgebühr stehe nicht zu, da keine besondere anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits vorliege. In der mündlichen Verhandlung sei der Sachverhalt erörtert und der Rechtsstreit schließlich für erledigt erklärt worden. Diese Handlung sei mit der Termins- bzw. Verhandlungsgebühr abgegolten. Es seien 52,00 Euro für Fotokopien in Ansatz gebracht. Nach Durchsicht der vom Antragsteller übersandten Kopien werde festgestellt, dass 110 Kopien mit dem Verfahren in Zusammenhang stünden und als angemessen betrachtet werden könnten.

Am 12.04.2010 hat der Antragsteller gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung eingelegt. Geltend gemacht seien die Kosten für 230 Kopien aus der Verwaltungsakte. Zu ersetzen seien die Kosten für Ablichtungen aus Behördenakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten sei. Es sei dabei anerkannt, dass der Anwalt einerseits nicht einfach die ihm überlassene Akte ungeprüft durchkopieren und dann vollständige Erstattung der Kosten erwarten könne, dass ihm aber umgekehrt ein Ermessensspielraum zustehe. Der Rechtsanwalt müsse ex ante entscheiden, welche Kopien er bei der weiteren Fallbearbeitung benötigen werde. Dabei sei kein kleinlicher Maßstab anzulegen, denn es entspreche der Natur der Sache, dass in diesem Verfahrensstadium regelmäßig schwer einzuschätzen sei, welche Umstände im weiteren Verfahren noch eine Rolle spielen würden. Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes sei keine einzige der abgesetzten Kopien überflüssig gewesen. Der Anfall der Einigungsgebühr setze - anders als bei der Vergleichsgebühr nach der BRAGO - kein gegenseitiges Nachgeben mehr voraus, sondern nur noch einen wie auch immer gearteten Einigungs-vertrag. Aufgrund dessen könne die Einigungsgebühr beispielsweise sogar dann anfallen, wenn eine Klagerücknahme erfolge und der Beklagte absprachegemäß auf eine Erstattung seiner Kosten verzichte. Im vorliegenden Fall liege eine Einigung der Parteien in diesem Sinne vor. Mit Unterstützung des Gerichts sei man übereingekommen, dass die Beklagte bestimmte Ausgabeposten des Klägers zu 1. als notwendig anerkannt habe und der Antragsteller sodann im Gegenzug das Verfahren für erledigt erklärt habe.

Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Klageakte mit dem Erinnerungsschreiben der 2. Kammer als Kostenkammer zugeleitet.

II. Die gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und § 56 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) statthafte und form- und fristgerecht erhobene Erinnerung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die angegriffene Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer.

Die Kammer nimmt im Wesentlichen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Kostenfestsetzung. Eine Einigungs-/Erledigungsgebühr nach Nr. 1005/1006 VV RVG ist schon deshalb nicht angefallen, weil die im Termin vom 05.10.2009 getroffene "Vereinbarung" nicht den Klagegegenstand betrifft. Denn streitgegenständlich war die in den angefochtenen Bescheiden festgestellte Überzahlung von Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 30.06.2007 (Klageantrag vom 16.06.2008).

Auch wenn man den Antragsteller zubilligen muss, dass er abschätzen darf, welche Kopien er für das weitere Verfahren benötigt und deshalb kein kleinlicher Maßstab anzulegen ist, ist die geltend gemachte Anzahl der Kopien von 230 Stück unbillig im Sinne des § 14 RVG. Denn dies bedeutet ein fast durchgehendes Abkopieren der 241 Seiten der Beklagtenakte. Ein solches Vorgehen lässt sich mit der Ziffer 1a der Nr. 7000 VV RVG, wonach Ablichtungen und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war, zu erstatten sind, nicht rechtfertigen.

Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet. Ein Rechtsmittel ist nicht zulässig (§ 197 Abs. 2, Halbsatz 2 SGG).

Die Kammer lässt eine Beschwerde in Kenntnis des § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG nicht zu. Denn für das gerichtliche Verfahren am Sozialgericht ist das SGG als "lex specialis" zu dem RVG zu betrachten und geht deshalb dem für alle Gerichtszweige geltenden RVG vor. Auf die Ausführungen in der Zeitschrift "Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb)", Ausgabe Oktober 2008, Seite 620 ff. zu dem Verhältnis der Verfahrensvorschriften des Sozialge-richtsgesetzes und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und des LSG Rheinland-Pfalz vom 07.04.2008 - L 2 B 47/08 SB - sowie des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.12.2006 - L 8 B 4/06 So SF - wird hingewiesen. Wegen des abschließenden Normengefüges der §§ 172 ff. SGG auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG sind auf Erinnerung ergangene Beschlüsse unanfechtbar. Dieser Auffassung entsprechen im Ergebnis auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23.08.2005 - 1 BVR 46/05 - und vom 19.12.2006 - 1 BVR 2091/06 -. Das Bundesverfassungsgericht sieht im PKH-Verfahren gegenüber anderen Verfahrensregeln wie denen des SGG keine Regelung mit Vorrangstellung.






SG Würzburg:
Beschluss v. 22.11.2010
Az: S 2 SF 26/10 E


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