Bundespatentgericht:
Urteil vom 6. September 2005
Aktenzeichen: 4 Ni 40/04

(BPatG: Urteil v. 06.09.2005, Az.: 4 Ni 40/04)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 384 626 (Streitpatent), das am 12. Februar 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der britischen Patentanmeldungen GB 8903779 vom 20. Februar 1989 und GB 8924121 vom 26. Oktober 1989 angemeldet worden ist. Das in englischer Sprache veröffentlichte Streitpatent wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr 690 18 854 geführt. Es betrifft einen Schaumstoffgegenstand bzw die Anordnung entsprechender Schaumstoffgegenstände und Verfahren zur Herstellung eines Schaumstoffgegenstandes bzw deren Anordnung und umfasst insgesamt 24 Ansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Die Ansprüche 1, 7, 11, 16 und 20 lauten wie folgt:

1. Schaumstoffgegenstand in Form eines länglichen Streifens mit einer gekrümmten Oberfläche, dadurch gekennzeichnet, dass der Streifen aus einem kaltverschweißbaren Schaum gebildet ist und mindestens einen kaltverschweißten Saum in seiner Längsrichtung aufweist, welcher die Gestaltung der gekrümmten Oberfläche aufrechterhält.

7. Anordnung von benachbarten länglichen parallelen Schaumstoffstreifen, wobei jeder Streifen eine gekrümmte Oberfläche einschließt und die einzelnen Streifen von Hand aus der Anordnung abtrennbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass benachbarte Streifen miteinander durch längs verschweißte Säume, die die Krümmung der Oberfläche aufrechterhalten, verbunden sind.

11. Schaumstoffgegenstand mit gekrümmter Oberfläche, dadurch gekennzeichnet, dass der Schaum ein kaltverschweißbarer Schaum ist, wobei die gekrümmte Oberfläche durch einen kaltverschweißten Saum unter Druck aufrechterhalten wird und der Gegenstand mindestens teilweise mit einer Oberflächenschicht überzogen ist.

16. Verfahren zur Herstellung eines Schaumstoffgegenstands in Form eines länglichen Streifens mit einer gekrümmten Oberfläche, dadurch gekennzeichnet, dass ein vorher festgelegter Bereich einer länglichen kaltverschweißbaren Schaumstoffbahn unter Verwendung eines stumpfen Rotationsschneidemessers zusammengedrückt wird, so dass ein kaltverschweißter Saum gebildet wird, der entgegengesetzte Oberflächen der Bahn im Bereich der Schweißstelle aneinander bindet, wobei die gekrümmte Oberfläche gebildet wird.

20. Verfahren zur Herstellung einer Anordnung von benachbarten länglichen Schaumstoffstreifen mit gekrümmten Oberflächen, die voneinander trennbar sind aus einer Schaumstoffbahn, dadurch gekennzeichnet, dass Streifen der Schaumstoffbahn längs einer Reihe von drei oder mehreren parallelen Linien zusammengepresst werden, wobei die gekrümmten Oberflächen auf der Bahn zwischen den Linien gebildet werden, und der zusammengedrückte Schaumstoff längs der parallelen Linien verschweißt wird, wobei der verschweißte Schaumstoff zusammenhängende benachbarte Streifen bildet, welche die Krümmung der Oberfläche aufrechterhalten, wobei die Trennung der Streifen von Hand längs der parallelen Linien ermöglicht wird.

Wegen der übrigen, auf die Ansprüche 1, 7, 11, 16 und 20 rückbezogenen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift EP 0 384 626 B1 Bezug genommen.

Die Klägerinnen behaupten, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch beruhe er auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung tragen sie vor, im Stand der Technik seien zum Prioritätszeitpunkt sowohl aus länglichen, über dünne Stege miteinander verbundenen Schaumstoffstreifen gebildete und aus Schaumstoffbahnen hergestellte Schaumstoffkörper, als auch an den Rändern kalt verschweißbare Schaumstoffgegenstände, deren Säume parallel zur Längsausdehnung des Gegenstands liegen, bekannt gewesen. Sie bietet hierfür Zeugenbeweis an und beruft sich im Übrigen auf folgende Druckschriften:

- EP 0 157 333 (NK 3a)

- AT E 36 226 (NK 3b)

- Datenblatt "Powder Puff Foams", Edition No 01 vom 31. März 1991 (NK 4) mit deutscher Übersetzung (NK 7)

- US 3 123 656 (NK 6)

- Produktinformationsblatt der Firma Recticel "Die Cut Weldability I.2.7 - 9711" (NK 9a) mit deutscher Übersetzung (NK 10a)

- Produktinformationsblatt "Bulpren 100 NS IV.1.5 - 9701" (NK 9b) mit deutscher Übersetzung (NK 10b)

- Produktinformationsblatt "MMS Schuimen III.2.5 - 0850" (NK 9c) mit deutscher Übersetzung (NK 10c)

- Produktinformationsblatt "Industrieschäume II.1.2 - 3811" (NK 9d)

- GB 849 774 (NK 11) mit deutscher Übersetzung (NK 11a)

- US 3 869 831 (NK 12) mit auszugsweiser deutscher Übersetzung (NK 12a)

- ES 314 317 (NK 13) mit deutscher Übersetzung (NK 13a)

Die Klägerinnen behaupten, die Produktinfomationsblätter stammten aus den Jahren 1979 (NK 9a, NK 9b), 1980 (NK 9c) und 1983 (NK 9d).

Die Klägerinnen beantragen, das europäische Patent 0 384 626 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Daten der von den Klägerinnen vorgelegten Produktinformationsblätter und deren tatsächliche außerbetriebliche Veröffentlichung. Zudem hält sie das Streitpatent sowohl im Hinblick auf dessen Neuheit als auch auf die erfinderische Tätigkeit in vollem Umfang für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß der Artikel II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm und Art 54, 56 EPÜ geltend gemacht wird, ist nicht begründet, denn das Ergebnis der Verhandlung hat zu keiner eindeutigen Feststellung im Sinne des Vorbringens der Klägerin geführt. Nachdem das Patent ordnungsgemäß erteilt worden ist, kann der Patentinhaberin die dadurch erlangte Rechtsstellung nur dann genommen werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass sie diese zu Unrecht erlangt hat (vgl BGH GRUR 1991, 522, 523 mwN).

Der Senat konnte nicht feststellen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 und die Gegenstände der ihm nebengeordneten Patentansprüche 7, 11, 16 und 20 des Streitpatents nicht patentfähig sind. Dies geht zu Lasten der Klägerin. Die auf die Patentansprüche 1, 7, 11, 16 und 20 unmittelbar rückbezogenen abhängigen Patentansprüche 2 bis 6, 8 bis 10, 17 bis 19 und 21 bis 24 haben mit jenen Bestand; sie werden durch ihre Rückbeziehungen mitgetragen, ohne dass es weiterer Feststellungen bedürfte (vgl Busse, Patentgesetz, 6. Aufl, § 84 Rn 42 mwN).

I.

1. Das Streitpatent betrifft nach Patentanspruch 1 einen Schaumstoffgegenstand in Form eines länglichen Streifens mit einer gekrümmten Oberfläche, nach Patentanspruch 7 eine Anordnung von benachbarten länglichen parallelen Schaumstoffstreifen, nach Patentanspruch 11 einen Schaumstoffgegenstand mit gekrümmter Oberfläche und nach den Patentansprüchen 16 und 20 jeweils ein Verfahren zur Herstellung eines Schaumstoffgegenstandes bzw ein Verfahren zur Herstellung einer Anordnung von benachbarten länglichen Schaumstoffstreifen. Nach der Patentbeschreibung werden Gegenstände aus Schaumstoff, die eine gekrümmte Oberfläche aufweisen, aus einer Schaumstoffbahn oder aus einem Block hergestellt worden. Die gekrümmten Oberflächen werden durch Falzen oder Verdichten einer Schaumstoffbahn zB in einer Form erzielt, wobei eine weitere Bahn oder ein Träger an den geformten Schaumstoff geheftet und der geformte Schaum dadurch an seiner Rückstellung gehindert wurde.

Es gibt aber auch Schäume, die "kalt verschweißt" werden können. Kaltverschweißen geschieht, wenn ein Schaum sich verbindet ("to fuse" vereinigen, verbinden, verschmelzen), sofern er geschnitten oder unter Druck geschert wird. Beispielsweise werden Kosmetikpolster aus einer dünnen Schaumstoffbahn gestanzt, wobei ein Schneidwerkzeug mit stumpfer Schneide verwendet wird. Während des Stanzvorgangs bildet sich an der Stelle, an der der Schaum zusammengedrückt wird, eine Schweißnaht, was zu einem geschweißten Saum führt (Sp 1, Z 54 bis Sp 2, Z 2 der EP 0 384 626 B1).

Aufgabe der Erfindung ist es daher, dass ein Gegenstand aus Schaumstoff in Form eines länglichen Streifens mit einer gekrümmten Oberfläche bereitgestellt wird, in die der Streifen aus einem kaltverschweißbaren Schaum geformt wird und der mindestens einen kaltverschweißten Saum entlang seiner Länge hat, der die Gestaltung der gekrümmten Oberfläche aufrechterhält. Auf diese Weise können längliche kreisförmige Schnüre von bemerkenswerter Kreissymmetrie aus flachen Schaumstoffbahnen geformt werden.

Einem weiteren Gesichtspunkt der Erfindung entsprechend wird eine Anordnung von benachbarten länglichen parallelen Schaumstoffstreifen bereitgestellt, wobei jeder Streifen eine gekrümmte Oberfläche umfasst und die einzelnen Streifen von Hand aus der Anordnung abzutrennen sind, in der benachbarte Streifen miteinander durch längsverschweißte Saumnähte, die die Krümmung der Oberflächen aufrechterhalten, miteinander verbunden sind. In dieser letzteren Ausführungsform der Erfindung ist das Kaltverschweißen ein bevorzugtes Verfahren zur Ausbildung der Schweißnähte.

Die Erfindung stellt auch Verfahren zur Herstellung der vorstehend erwähnten Schaumstoffgegenstände und der Anordnung bereit. In einem der Erfindung entsprechenden Verfahren zur Herstellung eines Gegenstands aus Schaumstoff in Form eines länglichen Streifens, der eine gekrümmte Oberfläche einschließt, wird ein vorher festgelegter Bereich einer ausgedehnten Schaumstoffbahn verdichtet und gegebenenfalls mit einer stumpfen Schneide unter Druck abgeschnitten, so dass während des Schneidevorgangs ein verschweißter Saum gebildet wird, der die gegenüberliegenden Oberflächen der Bahnen miteinander im Saumbereich verschmilzt und auf diese Weise eine gekrümmte Oberfläche bereitstellt (S 3, Z 16 bis S 4, Z 16 der DE 690 18 854 T2).

2.1 Patentanspruch 1 beschreibt einen Schaumstoffgegenstand mit folgenden Merkmalen:

1. Schaumstoffgegenstand 1.1 in Form von länglichen Streifen, 1.1.1 die eine gekrümmte Oberfläche aufweisen 1.2 der Streifen besteht aus einem kaltverschweißbaren Schaum, der 1.2.1 mindestens einen kaltverschweißten Saum in seiner Längsrichtung 1.2.2 aufweist, der 1.2.3 die Gestaltung der gekrümmten Oberfläche aufrechterhält.

2.2 Der zum Patentanspruch 1 nebengeordnete Patentanspruch 7 beschreibt eine Anordnung mit folgenden Merkmalen:

1. Anordnung von benachbarten länglichen parallelen Schaumstoffstreifen, 1.1 jeder Streifen schließt eine gekrümmte Oberfläche ein und 1.2 die einzelnen Streifen der Anordnung sind von Hand abtrennbar, wobei 1.3 die einzelnen Streifen miteinander durch längs verschweißte Säume verbunden sind, die 1.3.1 die Krümmung der Oberfläche aufrechterhalten.

2.3 Im dem weiteren nebengeordneten Patentanspruch 11 ist ein Schaumstoffgegenstand beansprucht, der folgende Merkmale aufweist:

1. Schaumstoffgegenstand mit gekrümmter Oberfläche, 1.1 der Schaum ist ein kaltverschweißbarer Schaum, wobei 1.2 die gekrümmte Oberfläche durch einen kaltverschweißten Saum unter Druck aufrechterhalten wird und 1.3 der Schaumstoffgegenstand mindestens teilweise mit einer Oberflächenschicht überzogen ist.

2.4 Der nebengeordnete Patentanspruch 16 beschreibt ein Verfahren mit folgenden Merkmalen:

1. Verfahren zur Herstellung eines Schaumstoffgegenstandes, 1.1 der Schaumstoffgegenstand liegt in Form eines länglichen Streifens vor, 1.1.1 der Schaumstoffgegenstand weist eine gekrümmte Oberfläche auf.

1.2 Ein festgelegter Bereich wird zusammengedrückt, 1.2.1 unter Verwendung eines stumpfen Rotationsschneidemesser, so dass 1.2.2 ein kaltverschweißter Saum gebildet wird.

1.3 Der kaltverschweißte Saum bindet die entgegengesetzten Oberflächen der Bahn im Bereich der Schweißstelle aneinander, wobei 1.3.1 die gekrümmte Oberfläche gebildet wird.

2.5 Der nebengeordnete Patentanspruch 20 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung einer Anordnung mit folgenden Merkmalen:

1. Verfahren zur Herstellung einer Anordnung von Schaumstoffstreifen, wobei 1.1 die Anordnung aus benachbarten Schaumstoffstreifen mit gekrümmten Oberflächen besteht, und wobei 1.2 die Schaumstoffstreifen aus einer Schaumstoffbahn voneinander trennbar sind, wobei 2. Streifen der Schaumstoffbahn längs einer Reihe von drei oder mehreren parallelen Linien zusammengepresst werden, wobei 2.1 die gekrümmten Oberflächen auf der Bahn zwischen den Linien gebildet werden und 2.2 der zusammengepresste Schaumstoff längs der parallelen Linien verschweißt wird, wobei 2.3 der verschweißte Schaumstoff zusammenhängende benachbarte Streifen bildet, 2.3.1 welche die Krümmung der Oberflächen aufrechterhalten, wobei 2.4 die Trennung der Streifen von Hand längs der parallelen Linien ermöglicht wird.

II.

1. Der Senat konnte nicht feststellen, dass der unstrittig gewerblich anwendbare Schaumstoffgegenstand nach Patentanspruch 1 gegenüber dem angeführten Stand der Technik nicht patentfähig ist.

1.1 Neuheit So betreffen die EP 0 157 333 A1 (Anlage NK 3, 3a), die GB 849 774 (NK 11) und die in der mündlichen Verhandlung überreichte ES 314 317 (NK 13) gestanzte bzw geschweißte kreisförmige Gegenstände und keinen Schaumstoffgegenstand in Form eines länglichen Streifens. Das Datenblatt "Powder Puff Foams" (NK 4) sowie die Produktinformationsblätter (NK 9a bis NK 9d) betreffen allgemeine Informationen über nicht stanzbare Schäume (NS-Schäume). Das Merkmal, dass ein Schaumstoffgegenstand in Form eines länglichen Streifens vorliegt, fehlt. Bei der US 3 123 656 (NK 6) und der US 3 869 831 (NK 12) werden längliche Streifen aus Schaumstoff hergestellt, es fehlt jedoch das Merkmal, dass der in Längsrichtung des Streifens verlaufende kaltverschweißte Saum die Gestaltung der gekrümmten Oberfläche aufrechterhält.

1.2 Erfinderische Tätigkeit Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, ist ausschlaggebend für die zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe die im Patentanspruch 1 angegebenen Lehre, nämlich dass der Streifen aus kaltverschweißbaren Saum gebildet ist, welcher die Gestaltung der gekrümmten Oberfläche aufrechterhält.

Für diese Maßnahme vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann, einem auf dem Gebiet Kunststofftechnologie versierten Maschinenbauingenieur (FH), der ausreichende Kenntnisse in der Verarbeitung von Schaumstoffen besitzt, keine Anregungen.

Beim Verfahren nach der US 3 123 656 (NK 6) wird zur Herstellung einer Anordnung von benachbarten länglichen Schaumstoffstreifen, welche im Querschnitt einheitlich sind, das Ausgangsmaterial in einer mit halbrunden Nuten versehenen Walze, in der der Schaum auf eine Temperatur leicht oberhalb des Schmelzpunkts erwärmt wird (Sp 2, Z 53 bis 63). Dabei schrumpft der Schaum ohne Einwirkung von Druck (Sp 1, Z 33 ff) in eine streifenförmige Gestalt, die eine gekrümmten Oberfläche aufweisen, wobei die einzelnen Schaumstoffstreifen in einem randförmigen Bereich über Stege miteinander verbunden sind. Die so hergestellte Anordnung kann dann durch Abbrechen der einzelnen Streifen vereinzelt werden (Sp 3, Z 40 ff). In einer weiteren Ausführungsform (Fig 10) wird der Schaumstoff erst in eine streifenförmige Gestalt geschnitten, anschließend über die Walzen erwärmt, geschrumpft und als vereinzelte Streifen mit gekrümmter Oberfläche den Walzen entnommen. Bei beiden Ausführungsbeispielen erhält somit der Schaumstoffstreifen seine gekrümmte Oberfläche über einen Wärmeschrumpfungsvorgang. Ein Verschweißen über Wärme oder Kaltverschweißen findet hier nicht statt, so dass sich auch kein Saum, der aus einer Schweißnaht gebildet ist und sich in seiner Längsrichtung erstreckt, ausgebildet wird. Noch weniger wird damit die Gestaltung der gekrümmten Oberfläche des Streifens durch diesen kaltverschweißten Saum aufrechterhalten, so dass diese Druckschrift dem Fachmann keinen Hinweis auf die patentgemäße Lehre geben kann.

Beim Verfahren nach der US 3 869 831 (NK 12) wird ein PU- oder PE-Schaumstoff in einem Zweistufenverfahren in eine Vielzahl von Streifen mit einheitlichem Querschnitt geschnitten. Die mit rechteckigem Querschnitt ausgeformte Schaumstofffolie wird über eine Walze geführt und durch eine erste Schneidevorrichtung teilweise durchschnitten (Fig 8). Danach wird der teilweise durchschnittene Schaumstoff von der anderen Seite her mittels eines zweiten Schneidmessers so geschnitten, dass die in Fig 9 und 10 abgebildeten Schaumstoffstreifen entstehen. Durch diesen zweimaligen Schneidevorgang und der damit verbundenen Ausformung der gekrümmten Oberfläche entsteht ein Verlust an Schaumstoffmaterial von ca. 22% (Sp 3, Z 7 bis 11). An keiner Stelle der Druckschrift ist die Rede von einer Kaltverschweißung. Auch zeigen die Figuren keinen Saum, der die Gestaltung der gekrümmten Oberfläche des länglichen Streifens aufrechterhält, denn bei diesem Schneidevorgang kann kein Saum entstehen, da hier ein Ausschneiden der Zwickelflächen erfolgt und dadurch der kreisförmige Querschnitt des Streifens erzeugt wird. Diese Druckschrift beschreibt somit eine andere Technik als diejenige, die beim Patentgegenstand vorliegt, und kann daher keinen Hinweis auf die patentgemäße Lehre geben.

Aus der EP 0 157 333 A1 (Anlage NK 3a, Übersetzung der Patentschrift - AT-E 36 226 B (NK 3b)) geht ein Laminat als bekannt hervor, das aus einem Schaumstoffmaterial (Polystyrol) besteht, das an der Vorderseite eine Bildtragschicht und an der Rückseite ein Befestigungsmittel aufweist. Das Schaumstoffmaterial liegt dabei an der gesamten Umfangskante frei. Um nunmehr ein Abzeichen in einem einzigen Arbeitsgang herzustellen, wird ein Schneidblatt, das nicht nur das Abzeichen aus dem Laminat ausschneidet, so auf die Vorderseite angedrückt, dass das Schaumstoffmaterial zusammengedrückt wird. In seinem Randbereich bleibt nunmehr der Schaumstoff in einem dauernd zusammengedrückten Zustand, da das Schaumstoffmaterial kein Erinnerungsvermögen besitzt und daher nicht mehr in seinen Ausgangszustand zurückkehren kann (Seite 2, dritter Absatz). Die Kanten bilden, da der Schaum ausschließlich zusammengedrückt wird, keinen kaltverschweißten Saum auf, der die Gestaltung einer gekrümmten Oberfläche aufrechterhält. Vielmehr soll das Abzeichen in ebenem Zustand gehalten werden. Auch betrifft die Lehre dieser Entgegenhaltung einen Stanzvorgang und kein Verschweißen von länglichen Streifen, die in Längsrichtung verschweißt werden. Es wird hier nicht nur ein Schaumstoff verarbeitet, der andere Werkstoffeigenschaften aufweist, als derjenige der im Streitpatent beschriebenen ist, es wird hierbei auch eine andere Technologie angewandt. Diese Druckschrift kann daher keinen Hinweis auf die Lehre des Streitgegenstandes geben.

Gleiches gilt für das in der GB 849 774 (NK 11) beschriebene Verfahren zum Herstellen eines Kissens oder anderer Gegenstände aus weichem PU-Schaumstoff mittels eines Stanzwerkzeugs. Zur Bildung einer abgerundeten Kantenfläche wird ein Block eines geschnittenen PU-Schaums durch Hitze und Druck so zusammengedrückt, dass der Block entlang seiner Hauptflächen verschweißt wird. Dabei wird erst der Druck mittels des Stanzwerkzeugs aufgebracht und dann unter Aufrechterhaltung des Druckes wird der Schaumstoff dielektrisch erwärmt (S 2, Z 35 bis 55). Somit findet auch hier kein Kaltverschweißen des Schaumstoffes statt, so dass auch in dieser Entgegenhaltung kein kaltverschweißter Saum ausgebildet wird, der die gekrümmte Oberfläche in ihrer Gestaltung hält.

Die Lehre der ES 314317 (NK 13, Übersetzung NK 13a) geht über die in Sp 1, Z 56 bis Sp 2, Z 2 der Streitpatentschrift beschriebenen Lehre nicht hinaus. Auch hier findet lediglich ein Stanzvorgang statt, bei dem wohl ein kaltverschweißter Saum ausgebildet wird, der jedoch im Gegensatz zum Streitpatent sich nicht in Längsrichtung eines Streifens erstreckt. In Kenntnis der Lehre nach der ES 314317 war auch nicht zu erwarten, dass ein an einem kreisrunden, flachen und dünnen Schaumstoffteil ausgebildeter Saum (ein Kosmetik Pad ist lediglich ein flaches Teil) auch in der Lage ist, an einem länglichen Streifen, der sich in seiner geometrischen Form wesentlich von einem Pad unterscheidet, die gekrümmte Oberfläche des Streifens aufrechtzuerhalten.

In den Druckschriften NK 4, NK 5, NK 7 und NK 9a bis 9d sind Produktinformationen aufgeführt, die allgemeiner Natur sind, so dass auch sie keinen Hinweis auf die patengemäße Lehre geben können. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Druckschriften vorveröffentlicht sind.

Die Entgegenhaltungen (14) bis (18) sind von der Klägerin nicht mehr aufgegriffen worden. Sie liegen auch weiter ab und können daher keinen Hinweis auf die Lehre des Streitpatents geben, wir der Senat überprüft hat.

Der Patentanspruch 1 hat somit Bestand.

2. Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 7, 11, 16 und 20, die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr angegriffen wurden, sind ebenfalls patentfähig.

Wie bereits zur Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 ausgeführt wurde, befassen sich nur die US 3 123 656 (NK 6) und die US 3 869 831 (NK 12) mit der Herstellung von Schaumstoffgegenständen, die aus länglichen Schaumstoffstreifen bestehen. Weder bei dem in der US 3 123 656 (NK 6) noch in der US 3 869 831 (NK 12) beschriebenen Verfahren wird eine Anordnung (Patentanspruch 7 des Streitpatents) von benachbarten Streifen geschaffen, bei der die gekrümmte Oberfläche durch längs verschweißte Säume aufrechterhalten wird. Auch sind die in diesen Entgegenhaltungen beschriebenen Schaumstoffgegenstände nicht mit einer Oberflächenschicht überzogen, wie es im Patentanspruch 11 des Streitpatents gefordert wird. Weder beim Verfahren nach der US 3 123 656 (NK 6) noch der US 3 869 831 (NK 12) wird ein kaltverschweißter Saum mittels eines stumpfen Rotationsmessers gebildet. Gerade die US 3 869 831 (NK 12) schneidet die Schaumstoffbahn in Streifen, die einen kreisförmigen Querschnitt aufweisen. Ein stumpfes Rotationsmesser wäre hier sicher unangebracht. Auch beim Verfahren nach der US 3 123 656 (NK 6) ist kein stumpfes Rotationsmesser vorhanden, sondern eine mit Nuten versehene Walze, über die Wärme in die zu verformende Schaumstoffbahn eingebracht wird. Durch den mit der Wärme eingeleiteten Schrumpfvorgang entsteht dann die gekrümmte Oberfläche, so dass auch hinsichtlich des auf ein Verfahren gerichteten Patentanspruchs 16 dieser Druckschrift kein Hinweis auf die patentgemäße Lehre entnommen werden kann.

Der Patentanspruch 20 befasst sich mit einem Verfahren zur Herstellung einer Anordnung von benachbarten länglichen Schaumstoffstreifen. Es wird auf die oben angeführten bzw unter Abschnitt 1 beschriebenen Ausführungen hingewiesen.

Wie bereits im Abschnitt 1 ausgeführt, können die weiteren Entgegenhaltungen keinen Hinweis auf die Lehre der Streitpatentschrift geben, da sie entweder eine andere Technologie beschreiben oder aber lediglich Produktinformationen enthalten.

Die zum Patentanspruch 1 nebengeordneten Patentansprüche 7, 11, 16 und 20 haben somit Bestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Winkler Dr. Huber Voit Gießen Kuhn WA






BPatG:
Urteil v. 06.09.2005
Az: 4 Ni 40/04


Link zum Urteil:
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