Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 8. Juli 2008
Aktenzeichen: X ZB 1/08

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 14. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 23. November 2007 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen.

Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 25.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die (im Weg der Umwandlung aus der A. AG hervorge- gangene) Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des am 23. August 1991 angemeldeten, auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 544 760 (Grundpatents), das "pharmazeutische Zusammensetzungen, die 5-Difluormethoxy-2-[(3,4-dimethoxy-2-piridyl)methylsulfinyl]-1H-benzimidazol und ein Anti-Helicobacter-Mittel enthalten, zur Behandlung von Magen-Darm-Krankheiten" betrifft. Wegen der Formulierung des Patentanspruchs 1 sowie der Verwendungsansprüche 9 und 10 wird auf den angefochtenen Beschluss des Bundespatentgerichts verwiesen, wegen der weiteren Patentansprüche auf die Patentschrift des Grundpatents.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat der Rechtsvorgängerin der Rechtsbeschwerdeführerin am 5. August 1997 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Pantozol mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Pantoprazol, das der Formel in Patentanspruch 1 des Streitpatents entspricht, erteilt, wobei in einer Anlage als Anwendungsgebiet auch folgendes angegeben ist:

"Zur Beseitigung des Erregers Helicobacter pylori in Kombination mit Clarithromycin und Amoxicillin oder Clarithromycin und Metronidazol oder Amoxicillin und Metronidazol (siehe Dosierungsanleitung) bei Zwölffingerdarmgeschwür und Magengeschwür mit dem Ziel der Verringerung der Häufigkeit eines durch diesen Erreger bedingten Wiederauftretens von Zwölffingerdarmgeschwüren und Magengeschwüren".

Am 30. Januar 1998 hat die Rechtsbeschwerdeführerin den Antrag gestellt, ihr ein ergänzendes Schutzzertifikat für das Erzeugnis "Pantoprazol sowie pharmazeutisch verträgliche Salze hiervon in Kombination mit Clarithromycin und Metronidazol oder Amoxicillin und Metronidazol" zu erteilen. Nach Antragstellung sind am 4. März 1999 im Königreich der Niederlande durch das College ter Beoordeling van Geneesmiddelen und am 14. August 2000 in der Bundesrepublik Deutschland durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte weitere Genehmigungen für das Inverkehrbringen der Arzneimittel PantoPAC und ZacPac mit den arzneilich wirksamen Bestandteilen Pantoprazol (als Sesquihydrat), Amoxicillin-Trihydrat und Claritromycin erteilt worden, auf die sich die Anmelderin mit am 21. Oktober 2000 eingegangenem Schriftsatz gestützt hat. Den Antrag auf Erteilung des Schutzzertifikats hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen, weil sich die im Antrag angegebene Genehmigung nicht auf ein Erzeugnis beziehe, das die Kombinationen von Pantoprazol mit Antibiotika erfasse, für die das Schutzzertifikat begehrt werde, und die spätere weitere Zulassung den Mangel nicht beseitigen könne. Die Beschwerde der Anmelderin gegen diese Entscheidung ist erfolglos geblieben; der hierzu ergangene Beschluss ist im Druck bisher nicht veröffentlicht (Volltext in juris). Mit ihrer vom Patentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.

II. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft (§ 16a Abs. 2 i.V.m. § 100 Abs. 1 PatG) und auch im Übrigen zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

1. Das Grundpatent schützt, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, nicht den Wirkstoff Pantoprazol allein, sondern diesen Wirkstoff lediglich in Kombination mit den vom Grundpatent erfassten Anti-Helicobacter-Wirkstoffen. Schützt das Grundpatent eine Wirkstoffkombination, so kann, wie das Bundespatentgericht zu Recht angenommen hat, ein ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel nicht schon dann erteilt werden, wenn die Genehmigung für das Inverkehrbringen wie die vom 5. August 1997 nur einen Einzelwirkstoff, und sei es auch zur Anwendung in Kombination mit den übrigen Wirkstoffen der Wirkstoffkombination, betrifft. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Schutzbereich des Grundpatents nach nationalem Recht, d.h. nicht nach Normen des Gemeinschaftsrechts, sondern bei dem europäischen Grundpatent hier nach dem auch für die nationale Rechtsanwendung maßgeblichen Art. 69 EPÜ in Verbindung mit dem Auslegungsprotokoll, zu bestimmen ist (vgl. EuGH, Entsch. v. 16.9.1999, C-392/97, Slg. 1999 I 5553 = GRUR Int. 2000, 69, 71 - Arzneispezialitäten/Farmitalia, Tz. 27). Dies gilt angesichts des derzeit erreichten Stands der Rechtsvereinheitlichung in der Gemeinschaft auch weiterhin, denn die Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EG des Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29.4.2004, ABl. EU Nr. L 157/45 vom 30.4.2004 = GRUR Int. 2004, 615; berichtigte Fassung ABl. EU Nr. L 195/16) hat eine gemeinschaftsrechtliche Vereinheitlichung der Bestimmungen über den Schutzbereich nicht herbeigeführt. In diesem Sinn stellte bei einem auf eine Wirkstoffkombination gerichteten Grundpatent unabhängig von der Beurteilung der arzneilichen Wirksamkeit ein Schutz für einen der Wirkstoffe allein eine unzulässige Teilkombination dar (so ausdrücklich für die mit dem Patentrecht übereinstimmende Rechtslage beim Gebrauchsmuster Sen. BGHZ 172, 298 - Zerfallszeitmessgerät) und der Schutz damit unzulässigerweise über den durch das Grundpatent verliehenen hinausgehen (vgl. EuGH - Arzneispezialitäten/Farmitalia, aaO Tz. 28). Dies gilt mithin auch für den durch ein Schutzzertifikat vermittelten Schutz, der innerhalb des Schutzbereichs liegen muss, den das Grundpatent eröffnet.

Auf die Frage, welchen therapeutischen Einsatz die Arzneimittelzulassung ermöglicht, kommt es deshalb entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht an, soweit dieser Einsatz nicht innerhalb des Schutzbereichs des Grundpatents liegt.

2. Es kann offen bleiben, ob sich die Antragstellerin in erweiternder Auslegung in Art. 2 VO (EWG) Nr. 1768/92 im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt noch auf die weitere, die Wirkstoffkombination betreffende Genehmigung für das Inverkehrbringen stützen konnte.

a) Auch wenn man das bejahen will, so hat die Anmelderin jedenfalls die gesetzlich vorgesehene Anmeldefrist von sechs Monaten (Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1768/92) nicht eingehalten, denn zwischen der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft, nämlich derjenigen im Königreich der Niederlande, die nach Art. 3 Buchst. d dieser Verordnung für die Zertifikatserteilung maßgeblich ist, und der Zertifikatsanmeldung lagen mehr als zwei Jahre.

b) Die Genehmigung (Zulassungsbescheid) in der Bundesrepublik Deutschland vom 14. August 2000 war im Sinn des Art. 3 Buchst. d VO (EWG) Nr. 1768/92 im Hinblick auf die zuvor im Königreich der Niederlande erteilte Genehmigung nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft; sie muss schon aus diesem Grund außer Betracht bleiben.

3. Die von der Rechtsbeschwerde angeregte Herbeiführung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften kommt nicht in Betracht, denn der Senat sieht die richtige Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts hier als so offenkundig an, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH, Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.; BGHZ 153, 82, 92; BGH, Urt. v. 19.1.2006 - I ZR 151/02, GRUR 2006, 346 - Jeans II) und deshalb eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 Abs. 1 EG zu unterbleiben hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 16a Abs. 2 PatG i.V.m. § 109 PatG. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht als erforderlich angesehen.

Melullis Scharen Keukenschrijver Mühlens Gröning Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.11.2007 - 14 W(pat) 10/05 -






BGH:
Beschluss v. 08.07.2008
Az: X ZB 1/08


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