Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. April 2005
Aktenzeichen: 23 W (pat) 326/03

(BPatG: Beschluss v. 28.04.2005, Az.: 23 W (pat) 326/03)

Tenor

Das Patent wird in der Form beschränkt aufrechterhalten, daß in Patentanspruch 1 das Wort "Überspannungsimpulsen" durch das Wort "ESD-Überspannungsimpulsen" ersetzt wird.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse H 05 F des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 12. Mai 1998 eingegangene Patentanmeldung das am 17. April 2003 veröffentlichte Patent 198 21 239 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Verbundwerkstoff zur Ableitung von Überspannungsimpulsen und Verfahren zu seiner Herstellung" erteilt.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 9. Juli 2003, beim Patentamt vorweg als Telefax eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen, da dessen Gegenstand nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig sei, wobei sie zum Stand der Technik auf die Druckschriften - Proceedings of the 8th CIMTEC-World Ceramic Congress and Forum on New Materials, Symposium VI, Florence, June 29 -July 4, 1994, R. Strümpler et al. "Smart Varistor Composites", Seiten 1 bis 8 (Druckschrift E1)

- US-Patentschrift 5 004 561 (Druckschrift E2)

- US-Patentschrift 5 358 786 (Druckschrift E3)

- Lueger, Lexikon der Technik, Bd. 8: Lexikon der Fertigungstechnik und Arbeitsmaschinen, A-K, vierte Auflage, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1967, Seiten 479 und 480 (Druckschrift E4)

- PCT-Offenlegungsschrift WO 97/26693 (Druckschrift E5) und - europäische Offenlegungsschrift 0 649 150 (Druckschrift E6)

hingewiesen hat, von denen die Druckschriften E5 und E6 auch bereits im Prüfungsverfahren zum Stand der Technik in Betracht gezogen worden sind.

Die Einsprechende hat geltend gemacht, daß sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents von dem Stand der Technik nach den Druckschriften E1, E5 bzw. E6 jeweils nur durch das Merkmal unterscheide, wonach die thermoplastische Matrix aus Polybutylenterephthalat (PBT) besteht. Dieses Merkmal sei aber durch die Druckschrift E6 in Verbindung mit den Druckschriften E2 und E3 nahegelegt. Ferner seien die Merkmale der erteilten Patentansprüche 2 bis 8 im nachgewiesenen Stand der Technik enthalten.

Die Patentinhaberin ist dem Einspruchsvorbringen mit Schriftsatz vom 24. Mai 2004 in allen wesentlichen Punkten entgegengetreten. Sie hat beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, da er sich maßgeblich auf die Druckschrift E1 stütze, deren öffentliche Zugänglichkeit der Einspruchsbegründung nicht zu entnehmen sei. Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie - das im Teil A des der Druckschrift E1 entsprechenden Konferenzbandes enthaltene Inhaltsverzeichnis (Anlage A4) und - das im Teil D des Konferenzbandes enthaltene Autorenverzeichnis (Anlage A5)

vorgelegt und darauf hingewiesen, daß weder im Inhaltsverzeichnis noch in der Autorenliste Hinweise auf den in der Druckschrift E1 enthaltenen Aufsatz enthalten seien, weshalb eine Veröffentlichung des Aufsatzes in dem Konferenzband nicht in Betracht komme. Der Veröffentlichungszeitpunkt finde sich aber auch weder in der Druckschrift E1 noch in der Einspruchsbegründung. Daher sei dem Einspruchsschriftsatz insgesamt nicht zu entnehmen, ob der Inhalt der Druckschrift E1 jemals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, d.h. insoweit seien die Tatsachen, aus denen sich die Rechtfertigung des Einspruchs ergeben soll, nicht im einzelnen angegeben worden.

Hilfsweise hat die Patentinhaberin beantragt, das Streitpatent in unverändertem Umfang aufrechtzuerhalten, da der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 durch den nachgewiesenen Stand der Technik auch bei Einbeziehung der Druckschrift E1 nicht patenthindernd getroffen sei.

Die Einsprechende hat zum Nachweis, daß die einem Vortrag der Konferenz "8th CIMTEC-World Ceramic Congress and Forum on New Materials, Symposium VI, Florence, June 29 - July 4, 1994" entsprechende Druckschrift E1 vom Herausgeber P. Vincenzini beim Techna-Verlag im Band 10 "Intelligent Materials and Systems" der Serie "Advances in Science and Technology" im Jahre 1995 veröffentlicht worden ist, mit Schriftsatz vom 3. März 2005 Kopien eines Reprints der Druckschrift E1 vorgelegt. Ferner hat sie die Ausführbarkeit der Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in Frage gestellt und zum Stand der Technik zusätzlich die Druckschriften - europäische Offenlegungsschrift 0 369 826 (Druckschrift E7)

- deutsche Offenlegungsschrift 23 61 211 (Druckschrift E8)

- DE 195 34 442 A1 (Druckschrift E9)

- DE 689 24 581 T2 (Druckschrift E10)

- PCT-Offenlegungsschrift WO 94/25966 (Druckschrift E11)

- US-Patentschrift 4 798 694 (Druckschrift E12)

- US-Patentschrift 5 535 083 (Druckschrift E13)

- deutsche Offenlegungsschrift 35 08 030 (Druckschrift E14)

- J. Glatz-Reichenbach et al "New lowvoltage varistor composites" in "Journal of Materials Science", Bd. 31, 1996, Seiten 5941 bis 5944 (Druckschrift E15)

- A. Bui et al "Caracteristiques electriques non lineaires de composites à matrice polymère chargee à l'oxyde de zinc" in "L'Onde Électrique", Mai-Juni 1991, Bd. 71, Nr. 3, Seiten 34 bis 39 (Druckschrift E16)

vorgelegt, von denen die Druckschriften E7, E8 und E14 auch bereits im Prüfungsverfahren zum Stand der Technik berücksichtigt worden sind, und u.a. geltend gemacht, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften E10 und E11 jeweils nicht neu sei bzw. gegenüber dem Stand der Technik nach einer der Druckschriften E1 und E5 bis E8 in einer Zusammenschau mit einer der Druckschriften E2 bzw. E3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Im Prüfungsverfahren sind zum Stand der Technik zudem die Entgegenhaltungen - US-Patentschrift 5 068 634 (Druckschrift E17)

- deutsche Offenlegungsschrift 40 32 062 (Druckschrift E18) und - US-Patentschrift 4 726 991 (Druckschrift E19) genannt worden.

Die Patentinhaberin ist mit Schriftsatz vom 22. April 2005 dem die Zulässigkeit des Einspruchs, die Ausführbarkeit der Lehre des Patentanspruchs 1 und die Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes betreffenden Vorbringen der Einsprechenden entgegengetreten.

Die Einsprechende hat mit Telefax vom 27. April 2005 die Druckschrift E17 aus dem Prüfungsverfahren als hochrelevanten Stand der Technik vorgelegt und zum Nachweis der Zulässigkeit des Einspruchs auf das zur Druckschrift E1 alternative Vorbringen zu den Druckschriften E5 und E6 im Einspruchsschriftsatz vom 9. Juli 2003 hingewiesen sowie eine Eidesstattliche Erklärung eines Mitautors der Druckschrift E1, des Herrn S..., wohnhaft Rolf-Diesel-Straße in E..., vorgelegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2005 hat die Patentinhaberin zur beschränkten Verteidigung des Streitpatents im Patentanspruch 1 das Wort "Überspannungsimpulsen" durch den Begriff "ESD-Überspannungsimpulsen" ersetzt und die Auffassung vertreten, daß der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 gegenüber dem von der Einsprechenden geltend gemachten Stand der Technik patentfähig sei.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung zuletzt die Neuheit des Gegenstands des verteidigten Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift E11 bzw. die erfinderische Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik nach einer der Druckschrift E1, E5 und E6 - insbesondere der Druckschrift E6 - in Verbindung mit der Druckschrift E11 in Frage gestellt.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent in der Form beschränkt aufrechtzuerhalten, daß in Patentanspruch 1 das Wort "Überspannungsimpulsen" durch das Wort "ESD-Überspannungsimpulsen" ersetzt wird.

Die geltenden nebengeordneten Patentansprüche 1 und 5 lauten:

"1. Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen mit einem keramischen Füllstoff und einer den Füllstoff einbettenden Matrix, wobei der Verbundwerkstoff seinen elektrischen Widerstand in Abhängigkeit von einer anliegenden Spannung in nichtlinearer Weise ändert, dadurch gekennzeichnet, daß die nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie ausschließlich durch den Füllstoff bestimmt wird und daß die Matrix aus Polybutylenterephthalat besteht.

5. Verfahren zum Herstellen eines Verbundwerkstoffs nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei der Füllstoff durch Sprühtrocknen einer Suspension oder Lösung und Sintern der sprühgetrockneten Teilchen hergestellt wird und die Füllstoffeinmischung in die Matrix auf kontinuierlich arbeitenden Compoundern, insbesondere Doppelschneckencompoundern, erfolgt."

Wegen der geltenden erteilten Unteransprüche 2 bis 4 und 6 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Zuständigkeit des (technischen) Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist.

III Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er hat im Ergebnis jedoch nur insoweit Erfolg, als das Streitpatent - wie von der Patentinhaberin beantragt - nur beschränkt aufrechtzuerhalten war.

1. Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ergibt sich entgegen der von der Patentinhaberin vertretenen Auffassung schon daraus, daß im Einspruchsschriftsatz im einzelnen dargelegt worden ist, daß sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents von dem Stand der Technik nach der Druckschrift E6 nur durch das Merkmal unterscheide, wonach die thermoplastische Matrix aus Polybutylenterephthalat besteht, und daß dieses Merkmal durch die Druckschrift E6 in Verbindung mit den Druckschriften E2 und E3 nahegelegt sei (vgl S 2, drittletzter Abs bis S 3, Abs 2 sowie S 3, le Abs bis S 4, Abs 1 des Einspruchsschriftsatzes). Damit ist im Einspruchsschriftsatz aber der erforderliche Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents und den Tatsachen des - unbestritten vorveröffentlichten - Standes der Technik nach den Druckschriften E2, E3 und E6 im einzelnen hergestellt worden, aus denen sich ergeben soll, daß das Patent zu widerrufen ist (vgl hierzu BGH BlPMZ 1988, 250 Leitsatz 2, 251 li Sp Abs 1 - "Epoxidation"; BGH Mitt 2004, 18, amtlicher Leitsatz - "Automatisches Fahrzeuggetriebe"). Ob die vorgetragenen Tatsachen den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist nämlich nicht bei der Zulässigkeit, sondern im Zusammenhang mit der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl BGH BlPMZ 1987, 203, 204 li Sp vorle Abs - "Streichgarn"; BGH BlPMZ 1985, 142 Leitsatz- "Sicherheitsvorrichtung"; BGH BlPMZ 1988, 289, 290 Abs II.1. - "Meßdatenregistrierung"; Schulte, PatG, 7. Aufl, § 59 Rdn 84).

Im übrigen ist der Einspruch auch zulässig, soweit er sich auf die Druckschrift E1 stützt. Denn der Veröffentlichungszeitpunkt dieser Druckschrift ergibt sich implizit aus dem Kopf-Vermerk auf der Titelseite "Proceedings of the 8th CIMTEC-World Ceramic Congress and Forum on New Materials, Symposium VI, Florence, June 29 - July 4, 1994", wonach der betreffende Aufsatz anläßlich des betreffenden Kongresses im Zeitraum vom 29. Juni bis 4. Juli 1994 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Folglich enthält auch das entsprechende Zitat der Druckschrift E1 im Einspruchsschriftsatz die Tatsachen, aus denen sich die Vorveröffentlichung des Aufsatzes ergeben soll (vgl BPatGE Bd 30, 40). Ob die von der Einsprechenden damit vertretene Auffassung zutrifft - d.h. die Druckschrift E1 auch tatsächlich vorveröffentlicht ist - ist wiederum keine Frage der Zulässigkeit, sondern allenfalls eine Frage der Schlüssigkeit und somit der Begründetheit des Einspruchs (vgl BPatGE Bd. 41, 102; Schulte, PatG, 7. Aufl, § 59 Rdn 90). Bei den von der Patentinhaberin hierzu vorgelegten Anlagen A4 und A5 handelt es sich im übrigen um Kopien einer Veröffentlichung mit der Bezeichnung "Advances in Science and Technology", die ausweislich des Titelseiten-Vermerks "Proceedings of the World Ceramics Congress, part of the 8th CIMTEC-World Ceramic Congress and Forum on New Materials, Florence, June 28 - July 4, 1994" ersichtlich nicht sämtliche Kongreßbeiträge umfaßt, darunter auch nicht denjenigen nach der Druckschrift E1, wie die Einsprechende anhand des vorgelegten Reprints der Druckschrift E1 nachgewiesen hat.

2. Zulässigkeit der Patentansprüche Im Einspruchsverfahren ist die Zulässigkeit der Patentansprüche von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn von der Einsprechenden der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend - nicht geltend gemacht worden ist (vgl hierzu BGH Mitt 1995, 243, Leitsatz 2 "Aluminium-Trihydroxid").

Gegen die Zulässigkeit der verteidigten Patentansprüche 1 bis 8 des Streitpatents bestehen im vorliegenden Fall jedoch keine Bedenken.

Der geltende Patentanspruch 1 findet inhaltlich eine ausreichende Stütze im erteilten Patentanspruch 1 in Verbindung mit den Angaben in den Absätzen [0004] und [0007] der Streitpatentschrift (hinsichtlich des Begriffs "ESD-Überspannungsimpulse"), wobei der erteilte Patentanspruch 1 seinerseits aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 5 hervorgegangen ist (gegenüber denen er zulässigerweise auf eine von zwei Alternativen des ursprünglichen Anspruchs 1 beschränkt worden ist) und der Begriff "ESD-Überspannungsimpulse" auch in der ursprünglichen Beschreibung (vgl S 1, Abs 3 und S 2, Abs 1) als erfindungswesentlich offenbart ist.

Der geltende nebengeordnete Patentanspruch 5 stimmt mit dem erteilten Patentanspruch 5 überein, der in sich die Merkmale des ursprünglichen Patentanspruchs 9 und eine von zwei Alternativen (kontinuierlich) des ursprünglichen Patentanspruchs 11 vereinigt.

Die verteidigten Unteransprüche 2 bis 4 und 6 bis 8 sind mit den erteilten Patentansprüche 2 bis 4 und 6 bis 8 identisch, die inhaltlich - in dieser Reihenfolge - den ursprünglichen Ansprüchen 6 bis 8 und 12 bis 14 entsprechen.

3. Patentgegenstand Nach den Angaben in der Streitpatentschrift ist aus der Druckschrift E5 ein Verbundwerkstoff bekannt, bei dem eine Polymermatrix mit Zinkoxidpulver gefüllt ist, wobei die Polymermatrix aus thermoplastischen Elastomeren oder auch aus Epoxydharzen bestehen kann (vgl Abs [0002] der Streitpatentschrift). Ein derartiger Verbundwerkstoff, bei dem ein elektrisch leitender Füllstoff in eine polymere Matrix eingebettet ist, sei auch aus der Druckschrift E6 bekannt (vgl Abs [0003] der Streitpatentschrift). Dieser Verbundwerkstoff wirke als Überstromschutz, wobei die Matrix eine aktive Rolle übernimmt, indem sie sich ausdehnt, wenn der Verbundwerkstoff durch starken Stromfluß erwärmt wird, so daß die Verbindungen zwischen den Füllstoffpartikeln gelöst werden und der Stromfluß unterbrochen wird. Bei einem Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen (Electro-Static Discharge) sei eine derartige aktive Funktion der Matrix jedoch unerwünscht, da der Überspannungsschutz parallel zur geschützten Schaltung liegt, d.h. den gesamten Störimpuls ableiten muß, ohne dabei seinen Widerstand durch Ausdehnung seiner Matrix zu erhöhen (vgl Abs [0004] der Streitpatentschrift).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, einen Verbundwerkstoff der gattungsgemäßen Art anzugeben, der die geforderten Anforderungen erfüllt (vgl Abs [0005] der Streitpatentschrift).

Diese Aufgabe wird mit den Merkmalen nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Patentanspruchs 1 gelöst (vgl Abs [0006] der Streitpatentschrift).

Denn dadurch, daß die nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie ausschließlich durch den Füllstoff bestimmt wird, sinkt der Widerstand des Verbundwerkstoffs mit steigender Spannung - bei allen vorkommenden Spannungen -, weshalb der Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen geeignet ist (vgl Abs [0008] der Streitpatentschrift). Voraussetzung dafür ist aber, daß die aus Polybutylenterephthalat bestehende Matrix bei allen vorkommenden Spannungen passiv bleibt (vgl Abs [0011] der Streitpatentschrift), d.h. im gesamten Spannungsbereich keinen Einfluß auf die nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie - beispielsweise durch Ausdehnung (vgl Abs [0003] der Streitpatentschrift iVm Druckschrift E1, S 6, Z 3 ff zur Fi 5) oder Schmelzen (vgl die Druckschrift E6, Sp 2, Abs 2) - hat. Der Füllstoff kann dabei vorzugsweise aus dotierter ZnO-Keramik bestehen (vgl die Abs [0012], [0013] und [0023] der Streitpatentschrift).

4. Ausführbarkeit Die Lehre des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden ausführbar.

Der beanspruchte Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen wird der zu schützenden Schaltung parallel geschaltet (vgl Abs [0004] der Streitpatentschrift). Bei Auftreten eines ESD-Überspannungsimpulses verringert sich aufgrund der damit verbundenen Spannungserhöhung der elektrische Widerstand des Verbundwerkstoffs (vgl Abs [0008] der Streitpatentschrift). Daher wird der durch den Spannungsanstieg bedingte Strom zum Schutz der jeweiligen Schaltung durch den Verbundwerkstoff abgeleitet (vgl die nichtlinearen Strom-Spannungs-Kennlinien im doppeltlogarithmischen Maßstab der einzigen Fig der Streitpatentschrift). Der Stromfluß führt zu einer Erwärmung des Verbundwerkstoffs, die von der Überspannung und der Dauer des jeweiligen Überspannungsimpulses abhängt. Im Unterschied zum Überstromschutz, bei dem die Matrix eine aktive Rolle spielt (vgl Abs [0003] der Streitpatentschrift), d.h. das Matrixmaterial bewußt einer Strukturänderung bzw. Phasenumwandlung durch Schmelzen unterzogen wird (vgl hierzu die dem Hause der Einsprechenden entstammende Druckschrift E6, Sp 2, Abs 2 bis 4 und Sp 6, Z 17 bis Sp 7, Abs 1 zur Fig 1), muß die Matrix beim ESD-Überspannungsschutz bei allen vorkommenden ESD-Überspannungsimpulsen passiv bleiben, um den gesamten Störimpuls ableiten zu können, ohne dabei den Widerstand des Verbundwerkstoffs durch Ausdehnung der Matrix zu erhöhen (vgl die Abs [0004] und [0011] der Streitpatentschrift). Dementsprechend zeichnet sich das gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 des Streitpatents für den Verbundwerkstoff zum Ableiten von ESD-Überspannungsimpulsen ausgewählte Matrixmaterial Polybutylenterephthalat dadurch aus, das es bei sämtlichen vorkommenden ESD-Überspannungsimpulsen passiv bleibt, d.h. bei keinem der vorkommenden ESD-Überspannungsimpulse in den Bereich der Schmelztemperatur gelangt (vgl hierzu die einzige Fig der Streitpatentschrift iVm der Druckschrift E6, Sp 2, Abs 3 und Sp 7, Abs 1 zur Fig 1), was ersichtlich daran liegt, daß einerseits die Erwärmung durch ESD-Überspannungsimpulse dadurch begrenzt ist, daß diese eine sehr kurze Dauer bis zu einigen hundert Nanosekunden (10-9 sec) aufweisen, und daß sich andererseits Polybutylenterephthalat gegenüber anderen polymeren Matrixmaterialien durch eine ausreichend hohe Schmelztemperatur bzw. Wärmefestigkeit auszeichnet.

5. Patentfähigkeit A) Patentanspruch 1 Der - zweifelsohne gewerblich anwendbare - Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen nach dem geltenden Patentanspruch 1 des Streitpatents ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von Ableitern für ESD-Überspannungsimpulse befaßter, berufserfahrener Physiker oder Elektroingenieur mit Fachhochschulausbildung zu definieren ist.

a) Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß die Zweckangabe "zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen" im geltenden Patentanspruch 1 - entgegen der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung - bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit insofern zu berücksichtigen ist, als sie eine spezielle Ausbildung des Verbundwerkstoffs impliziert (vgl hierzu BGH GRUR 1981, 259, 260 Abschnitt II. 2a - "Heuwerbungsmaschine II"; BGH GRUR 1987, 794, amtlicher Leitsatz 1 - "Antivirusmittel"). Ein Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen muß nämlich Varistoreigenschaften mit niedriger Ansprechzeit aufweisen, um einerseits die extrem kurzzeitigen ESD-Überspannungsimpulse ableiten zu können (niedrige Ansprechzeit) und andererseits elektrisch nichtleitend zu sein, wenn keine ESD-Überspannungsimpulse anliegen (Varistoreigenschaften) (vgl hierzu die Streitpatentschrift, Abs [0007]). Zudem erfordert die Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen einen relativ hohen Füllstoffanteil (vgl Patentanspruch 3 iVm Abs [0020] der Streitpatentschrift).

Die nach Auffassung der Einsprechenden neuheitsschädliche Druckschrift E11 betrifft leitende Polymere, die aus einer Polymer-Matrix mit eingebetteten ZnO-Teilchen bestehen (vgl den Anspruch 1) und folgende Merkmale des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweisen:

- Verbundwerkstoff (vgl. Anspruch 1)

- mit einem keramischen Füllstoff (zinc oxide particles, vgl. Anspruch 1 und 23) und - mit einer den Füllstoff einbettenden Matrix (polymers, vgl. Seite 31, unten bis Seite 34, unten),

- wobei die Matrix aus Polybutylenterephthalat besteht (vgl. Seite 33, Zeilen 5 und 6).

In der Druckschrift E11 nicht offenbart sind demgegenüber die Zweckangabe - zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsenund die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents, wonach - der Verbundwerkstoff seinen elektrischen Widerstand in Abhängigkeit von einer anliegenden Spannung in nichtlinearer Weise ändert und - die nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie ausschließlich durch den Füllstoff bestimmt wird.

Soweit die Einsprechende geltend macht, daß der Verbundwerkstoff nach der Druckschrift E11 auch bereits der Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen diene, kann dem nicht beigetreten werden. Denn an den von der Einsprechenden dazu genannten Textstellen dieser Druckschrift sind lediglich Verbundwerkstoffe offenbart, die zur Ableitung elektrostatischer Ladungen mit einem festen spezifischen elektrischen Widerstand (resistivity) von beispielsweise 100 ohm.cm versehen sind (vgl S 2, Abs 1 und S 7, le Abs bis S 8, Abs 2). D.h. diese Verbundwerkstoffe weisen - wie nachfolgend dargelegt wird - keine Varistoreigenschaften mit nichtlinearer Strom-Spannungs-Kennlinie auf, wie dies für Verbundwerkstoffe zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen insofern bezeichnend ist, als diese erst bei Überschreiten eines bestimmten Spannungs-Schwellwerts bei anliegendem ESD-Überspannungsimpuls elektrisch leitend werden (Varistoreigenschaften), und zwar dergestalt, daß der Strom mit der Spannung überproportional zunimmt (nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie), d.h. der elektrische Widerstand und der spezifische elektrische Widerstand dementsprechend abnehmen. In der Druckschrift E11 heißt es dazu zwar, daß der - durch Kalzinieren hergestellte - keramische Füllstoff für das Sintern geeignet ist, um Varistoren zu bilden (vgl S 31, Abs 2). Jedoch werden die Verbundwerkstoffe gemäß dieser Druckschrift ohne Sintern direkt aus dem kalzinierten Pulver hergestellt (vgl das Herstellungsverfahren gemäß dem nebengeordneten Anspruch 23 iVm den Verfahren auf S 18, vorletzter Abs bis S 58, Abs 2, insbes S 30, vorletzter Abs bis S 31, Abs 4 zu den Fig 1 und 5). Da der ungesinterte ZnO-Füllstoff indessen keine Varistoreigenschaften mit nichtlinearer Strom-Spannungs-Kennlinie aufweist (vgl Druckschrift E1, S 2, vorletzter Abs iVm S 4, le zwei Z), fehlt bei dem Verbundwerkstoff nach der Druckschrift E11 auch das vorstehende Unterschiedsmerkmal des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents, wonach der Verbundwerkstoff seinen elektrischen Widerstand in Abhängigkeit von einer anliegenden Spannung in nichtlinearer Weise ändert. Zudem kann dann bei dem Verbundwerkstoff nach der Druckschrift E11 die - nicht vorhandene - nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie auch nicht ausschließlich durch den Füllstoff bestimmt sein, wie dies dem zweiten vorstehenden Unterschiedsmerkmal des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents entspricht, und die dortige Matrix aus Polybutylenterephthalat auch keine passive Matrix im Sinne des Streitpatents sein.

Ferner kann der Einsprechenden auch nicht gefolgt werden, soweit sie die Neuheit des Gegenstands des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift E10 in Frage stellt. Denn diese Druckschrift betrifft ein Funkwellen absorbierendes Material, das zwar folgende Merkmale des verteidigten Patentanspruchs 1 aufweist:

- Verbundwerkstoff (Verbundmaterialien, vgl. Seite 7, Absatz 3)

- mit einem keramischen Füllstoff (ZnO-Whisker in Form eines Sinters, vgl. Seite 12, Absatz 3) und - mit einer den Füllstoff einbettenden Matrix (Haltematerial, vgl. Anspruch 1 iVm Seite 4, Absatz 3 und Seite 12, Absatz 4 bis Seite 13, Absatz 1),

- wobei die Matrix aus Polybutylenterephthalat besteht (vgl. Seite 13, Zeile 3).

In der Druckschrift E10 nicht offenbart sind jedoch ebenfalls die Zweckangabe - zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsenund die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents, wonach - der Verbundwerkstoff seinen elektrischen Widerstand in Abhängigkeit von einer anliegenden Spannung in nichtlinearer Weise ändert und - die nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie ausschließlich durch den Füllstoff bestimmt wird.

Der für die Absorption von Funkwellen vorgesehene Verbundwerkstoff nach der Druckschrift E10 ist zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen nämlich insofern weder bestimmt noch geeignet, als die ZnO-Whisker bzw. deren Sinter (vgl S 11, vorletzter Abs) gemäß dieser Druckschrift mit geeigneten Abständen voneinander in der Matrix dispergiert sind, so daß sie als Funkwellen absorbierende kurze Schleifenantennen wirksam sind, an deren scharfen und zwangsläufig isolierten Spitzen sich ein sehr starkes elektrisches Feld ausbildet (vgl S 6, Z 14 bis 35). Die nicht miteinander verbundenen ZnO-Whisker bzw. deren Sinter können zudem mit einem elektrisch isolierenden Überzug aus - Funkwellen zusätzlich absorbierendem - Ferritmaterial versehen sein (vgl S 23, vorletzter Abs zur Fig 6). Soweit in der Druckschrift E10 Varistoreigenschaften angesprochen sind (vgl S 6, le Z bis S 7, Z 2), bezieht sich dies demnach nicht auf den Verbundwerkstoff insgesamt, sondern nur auf die in der Matrix mit Abstand voneinander dispergierten - als Antennen wirksamen - ZnO-Whisker bzw. deren Sinter. Da der Verbundwerkstoff nach der Druckschrift E10 sonach insgesamt elektrisch nichtleitend ist, kann er unmöglich - seinen elektrischen Widerstand in Abhängigkeit von einer anliegenden Spannung in nichtlinearer Weise ändern,

- wobei die nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie ausschließlich durch den Füllstoff bestimmt wird, wie dies den vorstehenden beiden Unterschiedsmerkmalen des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents entspricht.

Die Neuheit des beanspruchten Verbundwerkstoffs gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften E1 bis E9 und E12 bis E19 ergibt sich implizit aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.

b) Die der Erfindung am nächsten kommende Druckschrift E6 vermag dem vorstehend definierten zuständigen Durchschnittsfachmann den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents weder für sich noch in einer Zusammenschau mit den Druckschriften E1 bis E5 und E7 bis E19 nahezulegen.

Der Einsprechenden kann zwar dahingehend gefolgt werden, daß die Druckschrift E6 einen Verbundwerkstoff offenbart, von dem sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents letztlich nur durch das Merkmal unterscheidet, wonach die Matrix aus Polybutylenterephthalat besteht. Denn dabei handelt es sich um einen Verbundwerkstoff zur Spannungsbegrenzung (vgl Sp 3, Z 10 bis 19 iVm Sp 8, Z 21 bis 40) - mit dem ersichtlich auch ESD-Überspannungsimpulse ableitbar sind - mit einem keramischen Füllstoff (beispielsweise dotiertem ZnO) und einer den Füllstoff einbettenden Matrix (beispielsweise aus Polyäthylen), dessen elektrischer Widerstand sich in Abhängigkeit von einer anliegenden Spannung in nichtlinearer Weise ändert (vgl die Ansprüche 1, 5 und 6 iVm Sp 6, Abs 3 bis Sp 7, Abs 2 zu den Fig 1 und 2). Dieser bekannte Verbundwerkstoff kann zudem - insoweit entsprechend den Merkmalen nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents - wahlweise mit einer passiven Matrix versehen sein (beispielsweise aus einem Duroplast auf Basis von Epoxid; vgl Sp 2, Abs 2 bis Sp 3, Abs 2 iVm Sp 8, Abs 2 zu den Fig 1 und 2), wobei die nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie des Verbundwerkstoffs dann definitionsgemäß - insoweit entsprechend dem ersten Merkmal nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents - ausschließlich durch den Füllstoff bestimmt wird. Soweit die Strom-Spannungs-Kennlinie dabei im Anschluß an den Bereich, in dem die Spannung begrenzt wird, zum Schutz des Verbundwerkstoffs gegen Überhitzung ab einem kritischen Strom IC (vgl Sp 7, Abs 1 zur Fig 1) eine weitere Nichtlinearität aufweist - die den elektrischen Widerstand mit der Spannung ansteigen läßt -, wird diese im übrigen durch eine Strukturänderung des Füllstoffs (vgl Sp 8, Z 27 bis 50 zur Fig 1), d.h. ebenfalls ausschließlich durch den Füllstoff bewirkt. Andererseits fehlt in der Druckschrift E6 jedoch jeglicher Hinweis in Richtung einer passiven Matrix aus Polybutylenterephthalat. Dies gilt insbesondere auch für die von der Einsprechenden in diesem Zusammenhang herangezogene Spalte 7, Absatz 1 dieser Druckschrift, wonach bei einer aktiven Matrix (aus Polyäthylen) durch Aktivierung der Matrix oberhalb der kritischen Stromstärke IC erreicht wird, daß eine unzulässige Erwärmung des Varistors vermieden wird. Denn die Aktivierung - d.h. Ausdehnung - der Matrix ist dabei ausdrücklich erwünscht. Folglich ist der betreffenden Textstelle - entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Einsprechenden (vgl den Einspruchsschriftsatz vom 9. Juli 2003, S 3, letzter Abs) - auch keinerlei Kriterium für eine erfolgreiche Spannungsbegrenzung dahingehend entnehmbar, daß die aus dem thermoplastischen Material Polyäthylen gebildete Matrix nicht zu stark erwärmt werden darf (da sie sich sonst durch Dehnen verformen würde und so der während einer Spannungsbegrenzung in perkolierenden, von Varistorpartikeln gebildeten Pfaden geführte Strom gesperrt wäre). Insbesondere gibt die betreffende Textstelle dem zuständigen Durchschnittsfachmann keinerlei Hinweis, daß es für eine erfolgreiche Spannungsbegrenzung vorteilhaft sein könnte, ein thermoplastisches Material mit einer höheren Wärmefestigkeit als Polyäthylen zu verwenden. Vielmehr wird all dies von der Einsprechenden in unzulässiger rückschauender Betrachtungsweise aus der Kenntnis der Erfindung heraus nachträglich in die betreffende Textstelle hineininterpretiert, zumal in dieser Druckschrift für die passive Matrix explizit ein Duroplast auf Basis von Epoxid vorschlagen ist (vgl Sp 8, Z 21 bis 27), was den Fachmann von dem Matrixmaterial Polybutylenterephthalat des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents gerade wegführt.

Eine Anregung zu einem Verbundwerkstoff mit einer passiven Matrix aus Polybutylenterephthalat im Sinne des Patentanspruchs 1 des Streitpatents erhält der Fachmann aber auch nicht bei Einbeziehung der Druckschriften E1 bis E5 und E7 bis E19.

Denn unter diesen sehen zwar - lediglich - die Druckschriften E2, E3 und E9 bis E13 das Material Polybutylenterephthalat vor, jedoch findet sich in keiner dieser Druckschriften ein Hinweis auf eine Eignung dieses Materials für eine passive Matrix bei einem Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen.

Die Druckschrift E2 betrifft einen Verbundwerkstoff zur Abschirmung elektromagnetischer Wellen mit in einer Matrix aus thermoplastischem Harz (thermoplastic resin) eingebettetem Füllstoff aus elektrisch leitenden Glasfasern, Ruß und Graphit (vgl den Anspruch 1). Bei diesem Verbundwerkstoff kommt es nicht auf eine nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie, sondern auf eine generell hohe elektrische Leitfähigkeit an (siehe den hohen Anteil leitender Füllstoffe im Anspruch 1). Soweit dort für die Matrix u.a. Polybutylenterephthalat-Harze (polybutylen terephthalate (PBT) resins) vorgesehen sind (vgl Anspruch 1 iVm Sp 10, Beispiele 14 bis 16), sind diese daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Passivität gegenüber einer nichtlinearen Strom-Spannungs-Kennlinie ausgewählt, zumal bei den dort verwendeten Füllstoffen keine nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie vorliegt und die vorgesehenen Polybutylenterephthalat-Harze auch nicht ausschließlich aus Polybutylenterephthalat bestehen, sondern zusätzlich bis zu 40 Mol % andersartiger Comonomere enthalten (vgl Sp 3, Abs 1). Folglich hat der Fachmann aufgrund des Offenbarungsgehalts der Druckschrift E2 keinerlei Veranlassung, bei dem aus der Druckschrift E6 bekannten Verbundwerkstoff für den Überspannungsschutz für eine passive Matrix Polybutylenterephthalat vorzusehen, wie dies der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents entspricht.

Die - noch weiter weg liegende - Druckschrift E3 betrifft elektrisch isolierte Drähte und daraus hergestellte Kabel mit einer inneren, einer mittleren und einer äußeren Isolierschicht, wobei letztere zumindest ein wärmebeständiges halogenfreies Harz, wie z.B. Polybutylentherephthalat, mit einem Biegemodul (bending modulus) von über 10000 kg/cm2 enthält (vgl Anspruch 1 iVm Sp 4, Z 35 bis 40 und Tabelle 1). Dementsprechend kann der Fachmann auch durch diese Druckschrift nicht dazu angeregt werden, bei dem aus der Druckschrift E6 bekannten Verbundwerkstoff für den Überspannungsschutz für die passive Matrix Polybutylenterephthalat vorzusehen.

Die Druckschrift E9 offenbart eine Überstromschutzvorrichtung mit einem Stromleiter (R), einer im Leitungszug des Stromleiters (R) angeordneten Schaltstelle (CB), einer auf die Schaltstelle (CB) wirkenden Auslösespule (TC) und einem Stromwandler (CT), der den im Stromleiter (R) fließenden Strom in einen die Auslösespule (TC) enthaltenden Sekundärstromkreis abbildet, der oberhalb eines vorgegebenen Strom-Schwellwerts eine Aktivierung der Auslösespule (TC) und damit eine Betätigung der Schaltstelle (CB) - d.h. eine Stromunterbrechung in dem Stromleiter (R) - bewirkt (vgl den Anspruch 1 iVm der Fig 1 nebst der dazugehörigen Beschreibung). Im Sekundärkreis ist parallel zur Auslösespule (TC) mindestens ein PTC-Element (PTC) - d.h. ein ohmscher Widerstand mit positivem Temperaturkoeffizienten des Widerstands - aus einem Verbundwerkstoff mit einer Polymer-Matrix und einem darin eingebetteten pulverförmigen Füllstoff aus elektrisch leitfähigem Material geschaltet, welches gegenüber Ruß oder Silber härter und oxidationsbeständiger ist (vgl Anspruch 2). Das Matrix-Polymer kann dabei ein Duromer, etwa ein Epoxid, oder ein Thermoplast, insbesondere ein solches mit einem hohen kristallinen Anteil und einer dementsprechend hohen Schmelztemperatur, wie insbesondere Polyäthylen (PE), Polypropylen (PP), Polyurethan (TPU), Polybutylenterephthalat (PBT), Polyäthylenterephthalat (PET), Polyäthylennaphthalat (PEN), Polyphenylsulfid (PPS), syndiotaktisches Polystyrol (s-PS), Polyätherätherketon (PEEK), Polyarylätherketon (PAEK), Polybenzamidazol (PBI), Fluorkunststoff, thermoplastisches Polyimid (TPI) oder ein Copolymer oder eine Mischung davon sein (vgl Sp 2, Abs 3), während der Füllstoff aus Metallboriden, wie TiB2 oder ZrB2, Metallcarbiden, wie TiC oder VC, Metallnitriden, wie TiN, Metalloxiden, wie RuO2, und/oder Metallsiliziden, wie MoSi2 oder WSi2 und /oder einem Metall, wie insbesondere Mo, Ni und/oder W bestehen kann oder eine Kern-Schale-Struktur mit den vorgenannten Füllstoffen als Schale und einem Kern aus einem unlegierten Metall, wie Ni, W, Ti, Zr, Mo, Co oder Al, einer Legierung, wie Messing, oder einem Oxid auf Basis von Ti oder V, wie insbesondere TiO, V2O3 oder VO aufweisen kann, wobei das u.a. aus Polybutylenterephthalat bestehende Matrix-Material dort gerade für eine aktive Matrix verwendet wird (vgl Anspruch 8 iVm Sp 2, Abs 2). Folglich kann für den Fachmann auch von diesem Stand der Technik keine Anregung dazu ausgehen, bei einem Verbundwerkstoff zum Ableiten von ESD-Überspannungsimpulsen für eine passive Matrix Polybutylenterephthalat vorzusehen, wie dies der geltende Patentanspruch 1 des Streitpatents lehrt.

Der Verbundwerkstoff nach der Druckschrift E10 ist - wie vorstehend im Zusammenhang mit der Neuheit ausgeführt - insgesamt elektrisch nichtleitend, so daß sich sein elektrischer Widerstand in Abhängigkeit von einer anliegenden Spannung nicht in nichtlinearer Weise ändert. Für die Matrix ist dort zwar u.a. Polybutylenterephthalat vorgesehen (vgl S 13, Z 3), jedoch kann dieses Matrixmaterial dabei insofern kein passives Verhalten gegenüber einer nichtlinearen Strom-Spannungs-Kennlinie zeigen, als der Verbundwerkstoff - wie dargelegt - nichtleitend ist. Infolgedessen hat der Fachmann aufgrund der Druckschrift E10 ebenfalls keinerlei Veranlassung, bei dem aus der Druckschrift E6 bekannten Überspannungsschutz-Verbundwerkstoff mit passiver Matrix Polybutylenterephthalat für die Matrix vorzusehen, wie dies der Lehre des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents entspricht.

Entsprechendes gilt auch für den Verbundwerkstoff nach der Druckschrift E11, der zwar - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zur Neuheit ergibt - ebenfalls eine Matrix aus Polybutylenterephthalat aufweist, jedoch gleichfalls keine nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie hat.

Gemäß der ein Verfahren zum Herstellen von Verbundwerkstoffen betreffenden Druckschrift E12 können anorganische Partikel vielerlei Art - darunter ZnO-Partikel - mit einer unüberschaubaren Vielzahl organischer Materialien - darunter auch Polybutylenterephthalat - zu einem optischen Verbundwerkstoff gemischt werden (vgl Sp 2, Abs 4, Sp 12, Abs 2 bis 5 und Sp 13, Abs 4 bis Sp 14, Abs 1, insbes Sp 13, Z 52). Daher hat der Fachmann auch aufgrund dieser Druckschrift keinerlei Veranlassung, bei dem dem Überspannungsschutz dienenden Verbundwerkstoff mit passiver Matrix nach der Druckschrift E6 für die Matrix Polybutylenterephthalat einzusetzen, wie dies der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents entspricht.

Die Druckschrift E13 offenbart eine magnetische Spulenanordnung (magnetic coil assembly) mit einem Überspannungsableiter (surge absorber 18, Fig 1), für dessen Körper (surge absorber body 118h) zwar Polybutylenterephthalat - wegen dessen hoher mechanischer Festigkeit und exzellenter Wärmebeständigkeit - verwendet wird (vgl Sp 17, Abs 2 zur Fig 17). Jedoch bildet der Körper (118h) des Überspannungsableiters dabei das Gehäuse, in dem der eigentliche Überspannungsableiter (surge absorbing device 18a) eingegossen ist (siehe molding in Sp 17, Z 10 bis 12 iVm den Fig 6(c), 10(b), 11(b), 12(b) und 18(c) mit zugehöriger Beschreibung). Dementsprechend kann der Fachmann auch durch diese Druckschrift keine Anregung dazu erhalten, bei einem Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen mit in einer Matrix eingebettetem keramischen Füllstoff eine passive Matrix aus Polybutylenterephthalat vorzusehen, wie dies der geltende Patentanspruch 1 des Streitpatents lehrt.

Daß dies dem Fachmann durch die eingangs noch genannten Druckschriften E1, E4, E5, E7, E8 und E14 bis E19 nahegelegt sein könnte - die keine Matrix aus Polybutylenterephthalat vorsehen -, ist auch von der Einsprechenden nicht geltend gemacht worden.

Soweit die Einsprechende geltend macht (vgl den Schriftsatz vom 3. März 2005, Abschnitt 1.3. auf S 3, unten bis S 4, vorletzter Abs), daß jeder Verbundwerkstoff irgendeinen Strom-Spannungs-Kennlinienbereich aufweise, in dem die nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie ausschließlich durch den Füllstoff bestimmt werde, geht dies insofern an der Sache vorbei, als es bei einem Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen - wie vorstehend im Zusammenhang mit der Ausführbarkeit der Lehre dargelegt - entscheidend darauf ankommt, daß das Matrixmaterial bei allen vorkommenden ESD-Überspannungsimpulsen nicht in den Bereich der Schmelztemperatur gelangt und somit passiv bleibt, was ersichtlich nicht von jedem Verbundwerkstoff erfüllt wird.

Der Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen nach dem verteidigten Patentanspruch 1 des Streitpatents ist demnach patentfähig.

B) Patentanspruch 5 Die Patentfähigkeit des Verfahrens zum Herstellen eines Verbundwerkstoffs nach einem der Ansprüche 1 bis 4 gemäß dem nebengeordneten Patentanspruch 5 des Streitpatents ergibt sich schon aus der Patentfähigkeit des Verbundwerkstoffs nach dem geltenden Patentanspruch 1. Zudem erscheint durch den nachgewiesenen Stand der Technik auch nicht das Merkmal des Patentanspruchs 5 nahegelegt, wonach die Füllstoffeinmischung in die Matrix auf kontinuierlich arbeitenden Compoundern, insbesondere Doppelschneckencompoundern erfolgt. Gemäß der von der Einsprechenden hierzu allein genannten Druckschrift E1 ist zu diesem Zweck nämlich ein nicht näher spezifizierter Brabender Plasticorder vorgesehen (vgl S 3, Abs 1, vorletzter Satz).

C) Unteransprüche An die Patentansprüche 1 bzw. 5 können sich die darauf direkt oder indirekt zurückbezogenen erteilten Unteransprüche 2 bis 4 bzw. 6 bis 8 anschließen, die vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des Verbundwerkstoffs zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen nach dem Patentanspruch 1 (Unteransprüche 2 bis 4) bzw. des Verfahrens zum Herstellen des Verbundwerkstoffs nach dem Patentanspruch 5 (Unteransprüche 6 bis 8) betreffen.

6. Beschreibung In der Streitpatentschrift ist der maßgebliche Stand der Technik angegeben, von dem die Erfindung ausgeht, und der beanspruchte Verbundwerkstoff zur Ableitung von ESD-Überspannungsimpulsen nebst dem dazugehörigen Herstellungsverfahren anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.

Dr. Meinel Dr. Gottschalk Knoll Lokys Be






BPatG:
Beschluss v. 28.04.2005
Az: 23 W (pat) 326/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ba6401ebddb9/BPatG_Beschluss_vom_28-April-2005_Az_23-W-pat-326-03




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