Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 9. Februar 2010
Aktenzeichen: 5 U 89/09

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 09.02.2010, Az.: 5 U 89/09)

Tenor

Die Berufung des Klägers zu 6) gegen das am 21.4.2009 verkündeteUrteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurtam Main wird zurückgewiesen.

Die zweitinstanzlich erhobene weitergehende Klage des Klägers zu6) wird nicht zugelassen.

Von den zweitinstanzlichen Gerichtskosten und denzweitinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Beklagten habender Kläger zu 3) 30 %, der Kläger zu 6) 70 % zu tragen. Im Übrigentragen der Kläger zu 3) und der Kläger zu 6) wie auch dieStreithelfer der Kläger ihre zweitinstanzlichen außergerichtlichenKosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger zu 6) kann die Zwangsvollstreckung der Beklagtenwegen der Kosten jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nichtdie Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % desjeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Stadt1, deren Grundkapital in Höhe von 40.222.755,-- Euro in eine gleiche Anzahl nennwertloser, auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt ist.

Am 20.12.2007 beschloss die außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten auf Antrag der A GmbH (nachfolgend: Hauptaktionärin) den Ausschluss der Minderheitsaktionäre.

Frühere Hauptaktionärin war die B AG. Dem Ausschlussverlangen waren etappenweise Erwerbsvorgänge von Anteilen an der Beklagten unmittelbar oder mittelbar durch die Hauptaktionärin vorausgegangen.

Auf der Hauptversammlung vom 20.12.2007 wurde über die mit der Einladung bekannt gemachten Tagesordnungspunkte, über verschiedene Anträge von Aktionären auf Durchführung von Sonderprüfungen sowie auf Abwahl des Versammlungsleiters abgestimmt. Ausweislich des notariellen Protokolls der Hauptversammlung stellte der Leiter der Hauptversammlung das Zustandekommen des Ausschließungsbeschlusses zu TOP 2 fest. Wegen der Einzelheiten der festgestellten Beschlussfassung und des Ablaufs der Hauptversammlung im Übrigen wird auf das Protokoll (Anlage K 24 - Anlagenband) Bezug genommen.

Gegen diesen Hauptversammlungsbeschluss haben die Kläger - die Klägerin zu 4) auch gegen einen weiteren Beschluss betreffend die Ablehnung eines Antrags auf Sonderprüfung - Anfechtungs-/Nichtigkeitsklagen beim Landgericht Frankfurt am Main erhoben, die zum Aktenzeichen 3/05 O 10/08 verbunden wurden.

Die Kläger und ihre Streithelfer haben - nebst einer Vielzahl weiterer Einwände - u. a. geltend gemacht, dass der Beschluss zu TOP 2, anders als im Hauptversammlungsprotokoll niedergelegt, in der Weise unrichtig festgestellt worden sei, als der Versammlungsleiter lediglich festgestellt habe, €€dass die Hauptversammlung die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschlossen hat.€ Des Weiteren seien Informationsrechte der Aktionäre aus § 131 AktG in Bezug auf den streitgegenständlichen Beschluss verletzt worden.

Der Kläger zu 6) hat außerdem geltend gemacht, die Beschlussfassung sei deswegen nichtig, weil in der Einberufung nicht konkret bezeichnet worden sei, in welcher anderen Weise als durch Nachweis des depotführenden Instituts der Nachweis der Teilnahmeberechtigung erbracht werden könne.

Alle Kläger und die Streithelfer der Kläger haben beantragt,

festzustellen,dass der auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 20.12.2007 gefasste Beschluss zu TOP 2 mit folgendem Inhalt:€Die Akten der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) werden gemäß den §§ 327 a ff AktG auf den Hauptaktionär, die A GmbH, €straße, Stadt2 übertragen. Die Übertragung erfolgt gegen Gewährung einer Barabfindung durch die A GmbH. Die Barabfindung beträgt Euro 6,25 je Aktie der C-AG€nichtig ist,hilfsweise für nichtig erklärt wird,höchsthilfsweise festgestellt wird, dass der Beschluss unwirksam ist.

Darüber hinaus hat die Klägerin zu 4) beantragt,

den am 20.12.2007 von der Hauptversammlung der Beklagten unter dem Tagesordnungspunkt gefassten Beschluss, mit dem der in der Hauptversammlung namens der D AG gestellte Antrag auf Sonderprüfung abgelehnt wurde, für nichtig zu erklären,hilfsweise festzustellen, dass dieser Beschluss unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, dass hinsichtlich der Beschlussfassungen in der streitgegenständlichen Hauptversammlung weder Nichtigkeits- noch Anfechtungsgründe vorlägen. Sie hat im Übrigen bestritten, dass die Kläger und Streithelfer zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Tagesordnung Aktionäre der Beklagten gewesen seien.

Der Beschluss zu TOP 2 sei ordnungsgemäß gefasst worden. Der Versammlungsleiter habe insofern festgestellt, €dass der Vorschlag der Verwaltung zu Tagesordnungspunkt 2 - Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung (Ausschluss von Minderheitsaktionären) - mit 40.049.453 Ja-Stimmen bei 69.501 Nein-Stimmen mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden ist€. Alle auf der Hauptversammlung gestellten Fragen seien in ausreichendem Umfang beantwortet worden.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die in erster Instanz gewechselten Schriftsätze der Parteien und ihrer Streithelfer Bezug genommen.

Das Landgericht hat - zur Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter - gemäß Beweisbeschluss vom 29.05.2008 (Bl. 866 - 869) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.09.2008 (Bl. 990 - 996) und auf die schriftliche Aussage des Zeugen Prof. Dr. Z1 vom 17.09.2008 (Bl. 1004 - 1007) verwiesen. Mit Antragsschrift vom 26.09.2008 hat die Beklagte das Freigabeverfahren gemäß den §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG eingeleitet (Az.: 3-05 O 250/08 LG Frankfurt am Main). Mit Beschluss vom 11.11.2008 - auf den verwiesen wird - hat das Landgericht festgestellt, dass die Erhebung der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen die Wirksamkeit des auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 20.12.2007 zu Tagesordnungspunkt 2 gefassten Beschlusses der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister nicht entgegenstehen.

Durch Beschluss vom 16.02.2009 (Az.: 5 W 38/08) - auf den Bezug genommen wird - hat der Senat die hiergegen eingelegten Beschwerden zurückgewiesen.

Die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses in das Handelsregister erfolgte am 26.03.2009.

Mit der am 21.04.2009 verkündeten Entscheidung - auf die ebenso Bezug genommen wird - hat das Landgericht die Klagen abgewiesen.

Das Landgericht hat u.a. bezüglich der Klage des Klägers zu 6) ausgeführt, es komme zunächst nicht darauf an, ob u.a. dieser letztlich seine Aktionärsstellung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Tagessordnung ordnungsgemäß nachgewiesen habe, da eine fehlende Anfechtungsbefugnis auch nur zur materiell-rechtlichen Unbegründetheit der Klage führe, die Klagen gegen die Beschlussfassung zu TOP 2 jedoch schon aus anderen materiell-rechtlichen Gründen ohne Erfolg seien.

Eine Nichtigkeit der Beschlussfassung sei nicht wegen mangelhafter Einberufung gegeben; die Formulierung in der Einladung reflektiere sowohl die entsprechende Passage in der Satzung der Beklagten in § 14 Nr. 2 als auch den Wortlaut des § 123 Abs. 3 S. 2 AktG. Eine Auflistung der sonstigen Möglichkeiten des Nachweises der Teilnahmeberechtigung sei nicht notwendig gewesen. Auch habe hierzu keine rechtliche Veranlassung bestanden.

Gegen diese Entscheidung haben der Kläger zu 3) und der Kläger zu 6) Berufung

eingelegt. Mit dem am 4.2.2010 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage hat der Kläger zu 3) seine - mit Schriftsatz vom 22.7.2009 (Bl.1169 - 1175) begründete - Berufung zurückgenommen (Bl. 1231). Ebenso hat der Streithelfer der Kläger zu 15) mit Schriftsatz vom 8.2.2010 seine Nebenintervention zurückgenommen. Die Zurücknahme der Nebenintervention hat zuletzt mit einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 8.2.2010 auch der Streithelfer der Kläger zu 16) erklärt.

Der Kläger zu 6) macht nach wie vor geltend, dass ein Einberufungsmangel betreffend die Einberufung der Hauptversammlung vom 20.12.2007 gegeben sei. Der Vorstand der Beklagten habe bei den Angaben zur Teilnahmeberechtigung und Stimmrechtsausübung der Aktionäre die in der Satzung enthaltene ausschließliche Bestimmung, dass das Teilnahme- und Stimmrechtnur denjenigen Aktionärenzustehe, die den in der Satzung genannten Nachweis erbringen,weggelassen. Der Vorstand habe damit für das Teilnahme- und Stimmrecht der Aktionäre den Nachweis der Berechtigung auf andere Weise als durch den Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut entgegen der klaren Bestimmung in der Satzung nicht ausgeschlossen (Bl. 1184).

Des Weiteren wendet sich der Kläger zu 6) gegen eine Beschlussfassung in der Hauptversammlung der Beklagten vom 28.08.2006 zu Punkt 5 b der Tagesordnung €Änderung von Abschnitt V (Hauptversammlung) §§ 13 und 14 der Satzung (Einberufung und Ort bzw. Teilnahmeberechtigung und Hinterlegung der Aktien)€: Hierzu macht der Kläger geltend, dass die erfolgte Beschlussfassung nichtig sei, weil die Beklagte in der Einberufung zu dieser Hauptversammlung im Hinblick auf das Inkrafttreten des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) am 01.11.2005 auf nebeneinander bestehende Möglichkeiten der Teilnahmeberechtigung durch Hinterlegung und durch Nachweis des Anteilsbesitzes hingewiesen habe. Für diese Angaben der Teilnahmeberechtigung durch (zusätzlichen) Nachweis des Anteilsbesitzes fehle es aber an einer satzungsmäßigen Grundlage. Es könne keine Rede davon sein, dass aufgrund des § 123 Abs.3 AktG n.F.ohne eine entsprechende Satzungsbestimmungeine neue Rechtslage bestehe, wonach ab 01.11.2005 zwingend der Nachweis des depotführenden Instituts nach dem Record-date-Modell eröffnet worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Klägers zu 6) wird auf dessen Berufungsbegründung vom 30.07.2009 (Bl. 1182-1187) verwiesen.

Der Kläger zu 6) beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und festzustellen, dass der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 20.12.2007 unter Punkt 2 der Tagesordnung gefasste Beschluss nichtig ist:

€Die Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) werden gemäß §§ 327 a ff. AktG auf den Hauptaktionär, die A GmbH, €str., Stadt2, übertragen. Die Übertragung erfolgt gegen Gewährung einer Barabfindung durch die A GmbH.Die Barabfindung beträgt EUR 6,25 je Aktie der C-AG.€

Des Weiteren beantragt der Kläger zu 6) festzustellen,

dass folgender in der Hauptversammlung der Beklagten vom 28.08.2006 unter Punkt 5 b der Tagesordnung gefasste Beschluss nichtig ist:

ۤ 14 Anmeldung zur Hauptversammlung, Nachweis

(1) zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind nur diejenigen Aktionäre berechtigt, die sich bis zum Ablauf des 7. Tages vor der Hauptversammlung bei der Gesellschaft oder einer in der Einberufung bezeichneten Stelle anmelden und ihren Aktienbesitz nachweisen.(2) Zum Nachweis ist eine in Textform in deutscher oder englischer Sprache erstellte Bescheinigung des depotführenden Instituts über den Aktienbesitz ausreichend. Der Nachweis des Aktienbesitzes muss sich auf den Beginn des einundzwanzigsten Tages vor der Hauptversammlung beziehen€.

Der Kläger zu 6) beantragt hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die erweiterte Klage abzuweisen.

Sie hat einer Zulassung der Revision widersprochen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Da der Kläger 6) nicht mehr Aktionär der Beklagten sei, fehle ihm die Klagebefugnis. Ebenso liege der vom Kläger zu 6) geltend gemachte Einberufungsmangel zur streitgegenständlichen Hauptversammlung vom 20.12.2007 nicht vor. Aus der Einberufung ergebe sich unzweifelhaft, dass nur diejenigen Aktionäre teilnahme- und stimmberechtigt seien, die ihre Teilnahmeberechtigung nachweisen. Zusätzlich sei darüber informiert worden, dass für den Nachweis des Anteilsbesitzes eine Bescheinigung durch das depotführende Institut ausreichend sei. Weder durch § 14 Nr. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten noch durch § 123 Abs. 3 AktG werde ein Nachweis auf anderem Weg ausgeschlossen.

Die Klageerweiterung des Klägers zu 6) sei bereits unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 533 ZPO nicht erfüllt seien. Der Klageänderung werde widersprochen. Der Kläger zu 6) führe mit seinem erweiterten Klageantrag einen völlig neuen Streitgegenstand in das Verfahren ein. Im Übrigen sei die neue Klage auch unbegründet, weil die Altsatzung, zu der der Kläger nichts vorgetragen habe, und die Nachweismöglichkeit gemäß § 123 Abs. 3 S. 2 AktG n.F. nach zutreffender Auffassung nebeneinander stünden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungserwiderung vom 23. September 2009 (Bl. 1205 - 1211) Bezug genommen.

Die informatorisch beigezogene Akte 5 W 38/08 OLG Frankfurt am Main ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Nachdem der Kläger zu 3) sein Rechtsmittel zurückgenommen hat, war lediglich noch über die Berufung des Klägers zu 6) zu entscheiden.

Dessen Berufung ist auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Das Rechtsmittel führt jedoch in der Sache nicht zum Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546) wie auch nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen keine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zwar ist die seitherige Klage weiterhin zulässig.

Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2007, 300 = NZG 2007, 26 f; BGH Z 169, 122) ist ein Aktionär analog § 265 Abs. 2 ZPO zur Fortführung seiner Anfechtungs-/Nichtigkeitsklage befugt, sofern er daran noch ein rechtliches Interesse hat. Ein solches Fortführungsinteresse besteht nach Erlöschen der Mitgliedschaft durch den Squeeze-Out insbesondere dann, wenn der Ausgang des Anfechtungsverfahrens noch rechtlich erhebliche Auswirkungen auf die als Vermögensausgleich für den Verlust der Mitgliedsrechte zu gewährende angemessene Barabfindung haben kann (BGH, a.a.O., Juris Rdnr. 19).

Auch ist im vorliegenden Falle in erster Instanz zur Höhe der zu gewährenden angemessenen Barabfindung bereits ein Spruchverfahren anhängig (Az.: 3/05 O 72/09 LG Frankfurt am Main - Bl. 1206), in dem doch eben die Angemessenheit der Abfindung für den Verlust der Mitgliedsrechte geprüft [und damit dem rechtlichen Interesse des Klägers zu 6) genügt] wird.

Anders als in dem vom BGH beschiedenen Fall (a.a.O.) ging allerdings hier der Eintragung des streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlusses ein

- rechtskräftig beschiedenes - Freigabeverfahren (§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 1 und 7 AktG) voraus, mit dem doch festgestellt wurde, dass die erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen bezüglich TOP 2 der außerordentlichen Hauptversammlung vom 20.12.2007 einer Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister nicht entgegenstehen. Hierbei sieht § 319 Abs. 6 Satz 8 AktG ohne ersichtliche Einschränkung vor, dass dann, wenn sich die Klage(n) als begründet erweisen, die Gesellschaft, die den Beschluss erwirkt hat, verpflichtet ist, dem Antragsgegner (hier: Kläger zu 3.) den Schaden zu ersetzen hat, der ihm aus einer auf dem Beschluss beruhenden Eintragung [in das Handelsregister] entstanden ist. Nach Auffassung des Senats wird daher schon durch den Wortlaut dieser Regelung das Fortbestehen der Klagebefugnis hinsichtlich der - zum Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister bereits rechtshängigen - Klagen impliziert, wobei dahinstehen kann, ob allein schon eine in 2. Instanz (mit) erstrebte günstigere Kostenentscheidung ein Teil des Schadensausgleichs wäre (vgl. zum Ganzen Schmidt/Lutter, AktG (2008), § 319 Rdn. 42, 44).

Die seitherige Klage des Klägers zu 6) ist jedoch nicht begründet.

Zunächst kommt es nicht darauf an, ob der Kläger zu 6) seine Aktionärstellung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Tagesordnung ordnungsgemäß nachgewiesen hat (LGU S. 18), denn die Klage ist auch sonst unbegründet.

Der gemäß § 241 Nr. 1 AktG hinsichtlich der Beschlussfassung zu TOP 2 geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor.

Wie das Landgericht (LGU Seite 18) und ebenso der Senat im bezeichneten Beschluss vom 16.2.2009 (BA S. 15) ausgeführt haben, liegt ein Einberufungsmangel nicht vor. Die Hauptversammlung wurde nicht unter Verstoß gegen § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG einberufen, denn die Formulierung in der Einladung zur Hauptversammlung reflektiert sowohl die entsprechende Passage der Satzung der Beklagten in § 14 Nr. 2 als auch den Wortlaut des § 123 Abs. 3 Satz 2 AktG. Ebenso war eine Auflistung der sonstigen Möglichkeiten des Nachweises der Teilnahmeberechtigung nicht notwendig, wie auch hierzu keine rechtliche Verpflichtung bestand.

Der Kläger zu 6) unterscheidet nicht hinreichend zwischen der Frage derTeilnahmeberechtigungund dem insoweit erforderlichenNachweis.

In der Einberufung heißt es (u. a. Anlage B 46 - Bl. 860):

€Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung sind gemäß § 14.1 der Satzung diejenigen Aktionäre berechtigt, die sich spätestens bis zum Ablauf des 13. Dezember 2007 angemeldet haben.

Ferner haben Aktionäre, die an der Hauptversammlung teilnehmen und Stimmrechte ausüben wollen, nach § 14.2 der Satzung ihre Teilnahmeberechtigung nachzuweisen. Hierzu reicht der Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut aus, der der Textform bedarf. Der Nachweis hat sich auf den Beginn des einundzwanzigsten Tages vor der Hauptversammlung, also auf Donnerstag, den 29. November 2007, 0:00 Uhr zu beziehen€

Dieser Text ist richtig und entspricht in der Sache auch vollumfänglich § 14 der Satzung der Beklagten, die insoweit nichts weggelassen hat. Vielmehr folgt aus der Einberufung ohne Weiteres, dass eben nur diejenigen Aktionäre teilnahme- und stimmberechtigt sind, die ihre Teilnahmeberechtigung nachweisen. Zusätzlich wird darüber informiert, dass für den Nachweis des Anteilsbesitzes eine Bescheinigung durch das depotführende Institut ausreichend ist. Weder § 14 der Satzung der Beklagten, wo es heißt:

1. Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind nur diejenigen Aktionäre berechtigt, die sich bis zum Ablauf des 7. Tages vor der Hauptversammlung bei der Gesellschaft oder einer in der Einberufung bezeichneten Stelle anmelden und ihren Aktienbesitz nachweisen.

2. Zum Nachweis ist eine in Textform in deutscher oder englischer Sprache erstellte Bescheinigung des depotführenden Instituts über den Aktienbesitz ausreichend. Der Nachweis des Aktienbesitzes muss sich auf den Beginn des einundzwanzigsten Tages vor der Hauptversammlung beziehen. Anlage B 45, Bl. 858, 859), noch § 123 Abs. 3 AktG schließen einen Nachweis auf anderem Wege aus.

Nachdem der Kläger zu 6) weitere spezifizierte Angriffe gegen die angefochtene Entscheidung nicht erhoben und der Kläger zu 3) sein Rechtsmittel zurückgenommen hat, hat es bei den - zutreffenden - Gründen der angefochtenen Entscheidung, die der Senat in jeder Hinsicht billigt, im Übrigen zu verbleiben. Ergänzend nimmt der Senat auf die Beschlussgründe vom 16.2.2009 (Az. 5 W 38/08) Bezug.

Darüber hinaus ist die in der Berufungsbegründung des Klägers zu 6) erfolgte Klageerweiterung nicht zuzulassen.

Mit diesem - am 02.06.2009 eingegangenen - Antrag begehrt der Kläger zu 6) - ebenso wegen eines vermeintlichen Einberufungsmangels - erstmalig die Feststellung der Nichtigkeit (§§ 241 Nr. 1, 123 Abs. 3 Satz 2 AktG) einer Beschlussfassung der Hauptversammlung der Beklagten vom28.08.2006zu 5b der damaligen Tagesordnung [Änderung von Abschnitt V (Hauptversammlung) §§ 13 und 14 der Satzung (Einberufung und Ort bzw. Teilnahmeberechtigung und Hinterlegung der Aktien)] - Bl. 1185 -, mit der die - derzeit gültige - Neufassung zu § 14 der Satzung beschlossen wurde.

Die Voraussetzungen des § 533 ZPO für eine Zulassung der Klageänderung in der Berufungsinstanz - wie hier: einer nachträglichen Klagehäufung (Zöller-Greger, ZPO, 27. Aufl., § 263 Rn 2 m. N.; BGH NJW 1985, 1841(1842]) - liegen indes nicht vor.

Die Beklagte hat nämlich dieser Klageänderung widersprochen (Bl. 1210) wie im Übrigen die Klageänderung schon deswegen nicht sachdienlich i.S. von § 533 Nr. 1 ZPO ist, weil der neue Klageantrag unzulässig wäre, denn der Kläger vermag hinsichtlich seines neuerlichen Klagebegehrens kein rechtliches Interesse darzutun:

Nachdem der Kläger zu 6) jedenfalls mit der Eintragung des hier streitgegenständlichen Übertragungsbeschlusses seine Aktionärsstellung bei der Beklagten verloren hat und ihm nach Ausscheiden aus der Gesellschaft ein rechtliches Interesse zur Vernichtung einer beschlossenen Satzungsänderung nicht mehr zur Seite stünde (BGH NJW 2007, 300 - Juris Rn 27; Senat Urt. v. 17.11.2009 - 5 U 116/08 - dort: S. 8), weil die Unwirksamkeit einer Satzungsänderung keine Auswirkung auf die dem Kläger zu 6) zustehende Barabfindung oder sonstige Vermögensinteressen des Klägers hätte, ist erst recht ein solches rechtliches Interesse (nach Ausscheiden des Klägers zu 6)) im Rahmen einer - wie hier - allenfalls in Betracht kommenden allgemeinen Feststellungsklage im Sinne von § 256 ZPO (vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 249 Rdnr. 6 m. N.) zu verneinen, jedenfalls nicht hinreichend dargetan. Auch teilt der Senat nicht die - in mündlicher Verhandlung vom Kläger zu 6) geäußerte - Auffassung, dass für den Fall der Nichtigkeit des Squeeze-Out-Beschlusses seitens der Beklagten Schadenersatz in Form der Rückgabe von Aktien geschuldet sei und deshalb auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit des Satzungsänderungsbeschlusses aus dem Jahre 2006 bestehe; denn nach Auffassung des Senats kann im Rahmen des Schadenersatzes grundsätzlich nicht die Rückgängigmachung der inzwischen stattgefundenen Ausgliederung (verlorenen Aktionärsstellung) verlangt werden, denn Schuldnerin des Schadenersatzanspruchs ist die Gesellschaft, nicht die Hauptaktionärin, der die Aktien doch übertragen wurden.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, könnte der klageerweiternde Antrag keinen Erfolg haben. Soweit nämlich der Kläger zu 6) geltend machen will, die Einberufung habe gegen die seinerzeit geltende Satzung der Beklagten verstoßen, weil die Einladung/Einberufung zur Hauptversammlung vom 28.06.2006 (Seite 5 der Berufungsbegründung) im Hinblick auf das Inkrafttreten des UMAG am 01.11.2005 - vermeintlich satzungswidrig - nebeneinander zwei Möglichkeiten für die Teilnahmeberechtigung an der Hauptversammlung bezeichnete, nämlich die Teilnahmeberechtigung durch Hinterlegung und die Teilnahmeberechtigung durch Nachweis des Anteilsbesitzes (Depotbanknachweis), greift dies nicht durch; denn nach verbreiteter Rechtsansicht und der Rechtsprechung des Senats stehen seit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung zur Teilnahmeberechtigung an der Hauptversammlung die Altsatzung mit einem etwaigen statuarischen Hinterlegungserfordernis und die Nachweismöglichkeit gemäß § 123 Abs. 3 Satz 2 AktG n.F. nebeneinander (z. B. Senat, Urt. v. 10.6.2008, 5 U 134/07, Juris Orientierungssatz und Rn 26; Urt. v. 13.1.2009, 5 U 13/08 - Juris Orientierungssatz und Rn 17 f; OLG Stuttgart, Urt. v. 15.10.2008, 20 U 19/07 - Juris Rn 76; OLG München, AG 2008, 508 - Juris Rn 8; Kiefner/Zetsche, ZIP 2006, 551 - Bl. 1213).

Der klageerweiternde Antrag wäre selbst als Zwischenfeststellungsklage zur seitherigen Klage (§ 256 Abs. 2 ZPO) unzulässig, weil die Entscheidung über die seitherige Klage zu TOP 2 nicht von der (Un-)Wirksamkeit der Satzungsänderung aus dem Jahr 2006 abhängt, denn nach der Senatsrechtsprechung wäre auch eine vermeintlich nichtige Satzungsänderungsregelung aus dem Jahr 2006 ausreichende Grundlage für die Einberufung der Hauptversammlung zum 20.12.2007 gewesen.

Die - einheitlich zu treffende - Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 91, 516 Abs. 3 ZPO. Etwaige außergerichtliche zweitinstanzliche Kosten der Streithelfer der Kläger, die sich in der zweiten Instanz nicht mehr beteiligt haben, tragen diese selbst (§§ 101 Abs. 2, 100 Abs. 2 ZPO).

Die weiteren Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 09.02.2010
Az: 5 U 89/09


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