Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Januar 2009
Aktenzeichen: 35 W (pat) 13/08

(BPatG: Beschluss v. 27.01.2009, Az.: 35 W (pat) 13/08)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin war Inhaberin des Gebrauchsmusters 203 20 264 mit der Bezeichnung "Werbedruck", das am 15. Januar 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) eingereicht und am 18. März 2004 eingetragen worden war. Das Gebrauchsmuster ging auf eine Ausscheidung aus einer am 6. November 2003 beim DPMA eingereichten früheren Gebrauchmusteranmeldung zurück, in dem die Priorität einer europäischen Patentanmeldung vom 6. November 2002 beansprucht worden war. Nachdem die 3-jährige Schutzdauer des Gebrauchsmusters am 6. November 2006 abgelaufen war und die Antragstellerin die Aufrechterhaltungsgebühr nicht bis zum Ablauf der zuschlagsfreien Zahlungsfrist bezahlt hatte, wurde ihren früheren Inlandsvertretern vom DPMA mit Bescheid vom 19. April 2007 mitgeteilt, dass eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters von der Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr in Höhe von 210,00 € zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 50,00 € bis zum 31. Mai 2007 abhänge. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Zahlungsfrist ist das hier in Rede stehende Gebrauchsmuster 203 20 264 schließlich gelöscht worden.

Mit Schriftsatz vom 6. August 2007, der am gleichen Tag beim DPMA eingegangen ist, haben die neuen Inlandsvertreter der Antragstellerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und die entsprechende Aufrechterhaltungsgebühr nebst Zuschlag nachentrichtet. Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin habe bereits drei Tage vor der Bekanntmachung ihres Gebrauchsmusters über ihre dänischen Vertreter, der Anwaltssozietät B, H... A/S in DK-... (im Folgenden: "Z..."), die "Gebühreneinzahlungsfirma" C... in H..., J..., (im folgenden: "C...") mit der Zahlung der fällig werdenden Aufrechterhaltungsgebühren betraut, wobei der 30. November 2006 ordnungsgemäß als Datum für die Zahlung der ersten Aufrechterhaltungsgebühr übermittelt worden war. Der innerhalb der Organisation der C... für die Bearbeitung der Zahlungsvorgänge zuständige, langjährige, gut ausgebildete, äußerst zuverlässige und erfahrene sowie sorgfältig überwachte Mitarbeiter L... habe jedoch aus unerfindlichen Gründen die fällige Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr als anderweitig beauftragt und damit erledigt angesehen. Der Fehler habe sich ereignet, obwohl bei der C... klare Direktiven vorhanden seien, unter welchen Bedingungen ein "Start Pay Date" geändert werden dürfte. Die unterlassene Zahlung sei schließlich im Rahmen einer Routinekontrolle am 6. Juni 2007 erkannt worden. Daraufhin habe die C... den deutschen Inlandsvertreter der Antragstellerin beauftragt, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Zur Glaubhaftmachung des geschilderten Sachverhalts hat die Antragstellerin eine "Statutory Declaration" vom 21. September 2007 des Herrn S..., dem Vorgesetzten des zwischenzeitlich aus der C... ausgeschiedenen und nicht mehr zu einer Stellungnahme verfügbaren Sachbearbeiters L..., vorgelegt.

Mit Beschluss vom 15. Januar 2008 hat die Gebrauchsmusterstelle des DPMA den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Rückzahlung der in Höhe von 260,00 € gezahlten Gebühren angeordnet. Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin habe es einerseits versäumt, sämtliche für die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung bedeutsamen Tatsachen glaubhaft zu machen. Andererseits sei aus ihrem Vortrag nicht ersichtlich geworden, dass sie ohne eigenes Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist zur Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr einzuhalten. Im Einzelnen seien nicht korrekt vorgetragen worden der Zeitpunkt und die Umstände, unter denen das Unterbleiben der fälligen Zahlung seinerzeit bemerkt worden sei und durch die die Wiedereinsetzungsfrist nach § 123 Abs. 2 Satz 2 PatG (i. V. m. § 21 Abs. 1 GebrMG) in Gang gesetzt worden sei. Ferner hätte die Antragstellerin, nachdem ihre früheren Inlandsvertreter vom DPMA bereits mit Bescheid der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 19. April 2007 über die unterbliebene Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr in Kenntnis gesetzt gewesen seien, nicht mehr auf die ordnungsgemäße Entrichtung der Gebühr durch die C... vertrauen dürfen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 22. Februar 2008. Die Antragstellerin trägt ergänzend vor, es treffe nicht zu, dass sie oder ihre Vertreter, nachdem der Bescheid des DPMA vom 19. April 2007 ergangen gewesen sei, einfach weiter auf die ordnungsgemäße Durchführung der Gebührenzahlung vertraut hätten. Richtig sei vielmehr, dass die früheren Inlandsvertreter der Antragstellerin den vom DPMA erhaltenen Bescheid vom 19. April 2007 mit Schreiben vom 4. Mai 2007 an die Z.... weitergeleitet hätten, von denen der Bescheid wiederum mit Schreiben vom 11. Mai 2007 unverzüglich an die C... übermittelt worden sei. Das entsprechende Antwortschreiben der C... vom 16. Mai 2007, mit dem die Nichtzahlung der Aufrechterhaltungsgebühr bestätigt und um Weisungen gebeten worden sei, sei der Z.... bedauerlicherweise erst am 1. Juni 2007 -somit einen Tag nach Ablauf der Zahlungsfrist -zugegangen. Positive Kenntnis von der Nichtzahlung der Aufrechterhaltungsgebühr hätten die Vertreter der Z.... sogar erst am 6. Juni 2007 erhalten. Grund für die zeitlich verzögerte Übermittlung sei gewesen, dass die C... das Antwortscheiben an die Z.... nicht per Fax oder E-Mail übermittelt, sondern einfach ins nächste, an die Z.... gerichtete, allwöchentliche Korrespondenzpaket gelegt habe. Anhand dieses Sachverhalts werde ersichtlich, dass jedes Mitverschulden der Antragstellerin an der versäumten Zahlung ausgeschlossen werden könne.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 15. Januar 2008 aufzuheben und ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der ersten Aufrechterhaltungsgebühr nebst den Zuschlags zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Die Antragstellerin hat keine Tatsachen vorgetragen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen können. Der angefochtene Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 15. Januar 2008 erweist sich daher im Ergebnis als richtig.

Nach § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 123 Abs. 1 und 2 PatG kann jeder Gebrauchsmusterinhaber, der ohne Verschulden gehindert war, eine gegenüber dem DPMA einzuhaltende Frist zu wahren, deren Versäumung einen unmittelbaren Rechtsnachteil zur Folge hat, innerhalb von zwei Monaten nach "Wegfall des Hindernisses" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Innerhalb dieser Frist müssen die versäumte Handlung nachgeholt und auch jene Tatsachen vorgetragen werden, die die Wiedereinsetzung begründen (§ 123 Abs. 2 Satz 2 PatG), also insbesondere jene Umstände genannt werden, aus denen sich eine unverschuldetes Versäumen der Frist ergibt.

Im vorliegenden Fall geht der Senat zu Gunsten der Antragstellerin davon aus, dass sie die in § 123 Abs. 2 Sätze 1 und 2 PatG geregelte, 2-monatige Frist, innerhalb der ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die versäumte Handlung nachgeholt werden muss, durch die Einreichung ihres Wiedereinsetzungsantrags beim DPMA am 6. August 2007 und die zeitgleiche Nachzahlung der ersten Aufrechterhaltungsgebühr nebst dem Zuschlag eingehalten hat. Dies ergibt sich aus den in der Beschwerde vorgetragenen Tatsachen, die sich im Rahmen der beim DPMA früher gemachten, ergänzungsbedürftigen Angaben halten, diese Angaben lediglich erläutern und deshalb noch als zulässig angesehen werden können (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rdn. 41).

Die Einhaltung der 2-monatige Antragsund Nachholungsfrist ist zwar unter Berücksichtigung der ergänzend vorgetragenen Tatsachen nicht unproblematisch, da den dänischen Vertreter der Antragstellerin, nämlich denen der Z...., das Antwortschreiben der C... vom 16. Mai 2007, mit dem die Nichtzahlung der Aufrechterhaltungsgebühr bestätigt und um Weisungen gebeten wurde, bereits am 1. Juni 2007 zugegangen war. Ein "Wegfall des Hindernisses" im Sinne der vorstehend genannten Vorschrift tritt aber nicht nur bei positiver Kenntnis von der Versäumung einer Frist ein; er liegt auch dann vor, wenn die Säumnis bei Beachtung der zu erwartenden Sorgfalt hätte erkannt werden können (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rdn. 27 -m. w. N.). Hierbei muss sich ein Antragsteller das Verschulden seines Vertreters gemäß § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Ob aber im vorliegenden Fall den Vertretern der Z.... der Inhalt des Antwortschreibens der C... vom 16. Mai 2007 bei Beachtung der zu erwartenden Sorgfalt noch vor dem 6. Juni 2007 zur Kenntnis gelangt wäre, kann von Seiten des Senats nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Zum einen spricht zu Gunsten der Antragstellerin, dass es sich beim 1. Juni 2007, dem Tag des Eingangs des Korrespondenzpakets, das das Antwortschreiben der C... enthielt, bei der Z...., um einen Freitag gehandelt hatte und somit ein arbeitsfreies Wochenende folgte; zum anderen kommt der Antragstellerin zu Gute, dass der Charakter der regelmäßig an die Z.... gerichteten Paketen der C... nicht genau geklärt werden konnte und die Vertreter der Z.... möglicherweise darauf vertrauen durften, dass in dem am 1. Juni 2007 zugegangenen Paket keine eilbedürftige Sendung enthalten sein würde.

In der Sache selbst kann der Antragstellerin nicht zur Last gelegt werden, dass ihre früheren Inlandsvertreter den vom DPMA erhaltenen Gebührenbescheid vom 19. April 2007 nicht zum Anlass genommen hatten, unmittelbar die Aufrechterhaltungsgebühr nebst Zuschlag zu entrichten, sondern den Gebührenbescheid lediglich mit Schreiben vom 4. Mai 2007 an die dänischen Vertreter der Z.... weitergeleitet hatten. Ein Vertreter, der nicht mit der Einzahlung von Jahresoder Aufrechterhaltungsgebühren beauftragt ist, ist weder zur Entrichtung von Gebühren noch zur Überwachung der Zahlungen des Schutzrechtsinhabers verpflichtet (vgl. BPatGE 13, 87, 93; ferner die Entscheidung des BPatG 10 W (pat) 47/05 vom 22. Februar 2007, vollständig veröffentlicht in JURIS). Der Antragstellerin muss auch insoweit zugestimmt werden, als sie sich den Fehler des innerhalb der Organisation der C... für die Bearbeitung der Zahlungsvorgänge zuständigen Mitarbeiters L... nicht zurechnen lassen muss. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass es sich bei der C... -wie durch Vorlage der internen Richtlinie "Start Pay Date" der C... und der "Statutory Declaration" des C...-Angestellten R... glaubhaft gemacht wurde -um eine sorgfältig arbeitende und insgesamt zuverlässige Organisation handelt. Es bestehen deshalb keine Zweifel daran, dass die C..., die als reine "Gebühreneinzahlungsfirma" selbst nicht als Vertreterin der Antragstellerin im Sinne von § 85 Abs. 2 ZPO anzusehen ist (vgl. BPatGE 18, 196, 200), von der Antragstellerin und ihren dänischen Vertretern der Z.... mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählt und überwacht worden war.

Nicht der gebotenen Sorgfalt entsprach dagegen das Verhalten der dänischen Vertreter der Z...., mit dem diese auf den von den früheren Inlandsvertretern der Antragstellerin mit Schreiben vom 4. Mai 2007 gegebenen Hinweis auf den zum 31. Mai 2007 unmittelbar bevorstehenden Verlust des Gebrauchsmusters 203 20 264 reagiert hatten. Unter den gegebenen Umständen durften es die Vertreter der Z.... nicht damit bewenden lassen, der C... mit Schreiben vom 11. Mai 2007 Mitteilung über eine möglicherweise nicht durchgeführte Zahlung zu machen und im Weiteren auf eine unverzügliche Antwort der C... zu hoffen. Angesichts des mitgeteilten, mit großer Wahrscheinlichkeit zeitnah drohenden Rechtsverlusts hätten die Vertreter der Z.... z. B. unverzüglich telefonischen Kontakt mit den zuständigen Mitarbeitern der C... aufnehmen und diese persönlich um eine sofortige Klärung des Sachverhalts bitten müssen. Demnach hat zur Versäumung der hier in Rede stehenden Zahlungsfrist geführt, dass es die Vertreter der Z.... schuldhaft unterlassen haben, in angemessener Weise auf die ihnen bekannt gewordenen Umstände zu reagieren. Deren schuldhaftes Verhalten muss sich die Antragstellerin aber gemäß § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.

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Az: 35 W (pat) 13/08


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