Kammergericht:
Urteil vom 15. Dezember 2003
Aktenzeichen: 23 U 98/03

(KG: Urteil v. 15.12.2003, Az.: 23 U 98/03)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. März 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 26 des Landgerichts Berlin geändert:

Der Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von 10.000,00 EUR untersagt,

von Wohnungssuchenden für die Bekanntgabe von Wohnungsanschriften und Kontaktpersonen eine im Voraus zu zahlende, vom Abschluss eines Mietvertrags unabhängige Geldleistung, insbesondere auch für ein Abonnement zum Bezug spezifischer "Mietangebote inserierender Wohnungseigentümer oder sonstiger Berechtigter", zu verlangen.

Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Gründe

I.

Der Verfügungskläger hat mit Antrag vom 26.02.2003 beantragt, der Beklagten durch einstweilige Verfügung zu untersagen, den Nachweis von zur Vermietung angebotenen Wohnungen von einer im Voraus zu entrichtenden und von einem etwaigen Mietvertragsabschluss unabhängigen Geldleistung abhängig zu machen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Antrag mit Urteil vom 12. März 2003 zurückgewiesen. Gegen das ihm am 8. April 2003 zugestellte Urteil hat der Verfügungskläger am 7. Mai 2003 Berufung eingelegt und diese am 30. Mai 2003 begründet.

Der Verfügungskläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die mit dem Antrag vom 26.02.2003 verfolgte einstweilige Verfügung zu erlassen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte hat die Zahl ihrer Anzeigen in Berliner Zeitungen seit März 2003 deutlich erhöht. Sie ist am 4. Juni 2003 im Hauptsacheverfahren (26 O 175/03) vom Landgericht Berlin verurteilt worden, ihre vom Kläger beanstandete Geschäftspraxis zu unterlassen. Über die Berufung der Beklagten (23 U 201/03) ist noch nicht entschieden.

II.

Die statthafte Berufung des Klägers wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher zulässig.

Die Berufung führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsgericht hält im Streitfall den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes für geboten. Im Einzelnen ist zur Begründung in der gebotenen Kürze (§ 540 I 1 ZPO) Folgendes zu bemerken:

1. Gemäß § 2 I UKlaG (früher § 22 AGBG) kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze).

Das Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung bezweckt, allgemein die Wohnungssuchenden vor ungerechtfertigten wirtschaftlichen Belastungen zu schützen, die sich häufig aus missbräuchlichen Vertragsgestaltungen oder unlauteren Geschäftsmethoden für sie ergeben. § 2 Abs. 2 WoVermittG soll verhindern, dass Wohnungsvermittler Entgelte fordern, obwohl eine echte Vermittlungstätigkeit nicht vorliegt (BGH, NJW 2003, 1393). Im Anschluss an diese auf die Gesetzesbegründung gestützten Ausführungen des Bundesgerichtshofs ist das WoVermG als Verbraucherschutzgesetz zu qualifizieren.

2. Der Kläger ist eine zur Klage berechtigte Einrichtung iSv. § 3 Nr. 1 UKlaG. Er ist unstreitig in die durch § 4 UKlaG vorgesehene Liste des Bundesverwaltungsamts eingetragen. Damit ist er klageberechtigt. Ob er (gemessen an seinen satzungsmäßigen Zwecken) zu Recht in die Liste der klagebefugten qualifizierten Einrichtungen eingetragen ist, ist hier nicht zu prüfen (vgl. Palandt/Bassenge: BGB, 61. Aufl., UKlaG § 3 Rz. 5). Im Übrigen wäre auch nicht einzusehen, warum ein Verein, der satzungsgemäß Mieterinteressen vertritt, nicht auch die Interessen von Wohnungssuchenden vertreten soll, die in aller Regel Mieter sind und jedenfalls solche werden wollen.

3. Die Verfügungsbeklagte ist Wohnungsvermittlerin iSv. § 1 I WoVermG. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen. Ergänzend wird auf die Rechtsprechung des 25. Zivilsenats des Kammergerichts (WuM 1994, 621) Bezug genommen, der sich der Senat anschließt:

Es entspricht aber nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Zweck des Gesetzes, die von dem Antragsgegner angebotene Leistung nach § 2 Abs. 4 WoVermG als unzulässig anzusehen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes bezwecken vor allem den Schutz des Wohnungssuchenden vor ungerechtfertigten wirtschaftlichen Belastungen (Begr. des RegE BT-Drucks VI/1549; OLG Hamm NJW-RR 1986, 640/641; Palandt-Thomas, BGB, 49. Aufl., § 652 Anm. 7 c; Meier ZMR 1985, 258). Solche Missstände werden aber gerade darin gesehen, dass auf dem Gebiet der Wohnungsvermittlung Tätige Vorschüsse verlangen und diese nicht zurückzahlen, obwohl ihre Tätigkeit erfolglos verlief. Unter dem Gesichtspunkt der Bindung von Entgeltanspruch und Erfolg ist auch die Bestimmung des § 3 Abs. 2 WoVermG zu sehen, wonach außer dem Erfolgshonorar keine weitere Vergütung, wie z.B. Schreibgebühren oder Auslagenerstattung, verlangt werden darf (Meier a.a.O.). Wohnungssuchende sollen also für Dienste im Zusammenhang mit der Wohnungsvermittlung erst zahlen müssen, wenn diese auch erfolgreich war. Selbst einem Makler, der auch, ohne dass es zum Abschluss eines Mietvertrages kommt, erhebliche Leistungen erbracht haben kann, ist es wegen § 2 Abs. 1 Wohnungsvermittlungsgesetz verwehrt, ein Entgelt zu vereinbaren, wenn sein Bemühen erfolglos geblieben ist. Das muss erst recht für jemand gelten, der von vornherein nicht einmal Wohnraum nachweisen kann, sondern lediglich auf der Vorstufe tätig wird, nämlich sich auf das bloße Aufzeigen von Möglichkeiten beschränkt, die die Wohnungsbeschaffung erleichtern könnten. Für eine solche Tätigkeit ist durch das Wohnungsvermittlungsgesetz ein Entgelt ausgeschlossen (vgl. OLG Frankfurt MDR 1975, 315). Würde vom Wohnungsvermittlungsgesetz nicht jede Tätigkeit erfasst, die letztlich auf den Abschluss von Mietverträgen abzielte, dann könnten sich geschäftstüchtige Gewerbetreibende dadurch, dass sie noch weniger tun als ein erfolgloser Makler, Einnahmequellen auf Kosten von Personen verschaffen, die geschützt werden sollen.

4. Die Geschäftspraxis der Verfügungsbeklagten verstößt gegen § 2 I, IV, V WoVermG, weil sie sich im Zusammenhang mit der von ihr annoncierten und von den Wohnungssuchenden nachgefragten Wohnungsvermittlung für den Nachweis von Wohnungen und Kontaktpersonen ein im Voraus zu zahlendes, erfolgsunabhängiges, nicht an der Miethöhe orientiertes Entgelt versprechen lässt.

Die Beklagte verstößt ferner, indem sie den Wohnungssuchenden auch Wohnungen nachweist, deren potentielle Vermietbarkeit ihr lediglich durch Dritte (z.B. Vormieter) bekannt geworden ist, auch gegen § 6 I WoVermG (Ordnungswidrigkeit). § 6 I WoVermG normiert ein einseitig an den Wohnungsvermittler gerichtetes Verbot, Wohnungen ohne Auftrag des Vermieters oder eines sonst Berechtigten anzubieten. Die Bestimmung soll unterbinden, dass Wohnungsvermittler Wohnräume anbieten, von denen sie zufällig durch Dritte erfahren oder die sie aus Anzeigen in Zeitungen entnommen haben, ohne dass sie von den Berechtigten einen entsprechenden Auftrag haben. Dadurch sollen den Wohnungssuchenden Zeit und Unkosten für vergebliche Besichtigung von Wohnräumen erspart werden (vgl. BGHZ 152, 10 = NJW 2003, 3015).

5. Die Verfassungsmäßigkeit des WoVermG ist in der Rechtsprechung bisher nie in Frage gestellt oder überhaupt erörtert worden. Das BVerfG hat sich in den Entscheidungen BVerfGE 76, 126 = NJW 1987, 2733 und BVerfGE 78, 128 = NJW 1988, 2663 mit der Auslegung von § 2 II Nr. 2 WoVermG auseinandergesetzt und dabei keinen Anlass gesehen, die Verfassungsmäßigkeit des WoVermG in Zweifel zu ziehen. Der Senat sieht hierzu ebenfalls keinen Anlass.

6. Gemäß §§ 5 UKlaG, 25 UWG können zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs aus § 2 UKlaG einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen nicht zutreffen.

In UWG-Sachen hat sich die Rechtsprechung entwickelt, dass die nach § 25 UWG zunächst bestehende Vermutung der Dringlichkeit widerlegt ist, wenn der Verfügungskläger sich die beanstandete Wettbewerbswidrigkeit zu lange gefallen läßt, ohne hiergegen gerichtlich vorzugehen. Ob und ggf. mit welchen Einschränkungen dieser Gesichtspunkt auch auf Verbraucherschutzklagen anwendbar ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum nicht abschließend geklärt. Das Kammergericht hat bereits in einer vom Verfügungskläger zitierten Entscheidung (WRP 1995, 445, 446) Zweifel angemeldet, ob der für die Verneinung der Dringlichkeit ausschlaggebende Gesichtspunkt, dass es dem längere Zeit untätig gebliebenen Antragsteller mit der Beseitigung ihm drohender Nachteile offenbar nicht "eilt", auf Verbraucherschutzklagen übertragbar ist. Der Senat teilt diese Zweifel und vertritt im Ergebnis die Ansicht, dass es bei Klagen von Verbraucherschutzverbänden, denen die Klagebefugnis nicht im eigenen oder im Mitgliederinteresse, sondern im öffentlichen Interesse verliehen ist (§ 2 I UKlaG), nicht entscheidend darauf ankommen kann, ob der Verein durch schnelle Antragstellung ein dringendes Bedürfnis für die Beseitigung ihm drohender Nachteile dokumentiert. Da es nicht um die Abwendung eigener Nachteile, sondern um die Beseitigung rechtswidriger Zustände im öffentlichen Interesse geht, richtet sich die Entscheidung, ob ein Verfügungsgrund anzunehmen ist, richtigerweise in erster Linie danach, ob öffentliche Interessen zum Zeitpunkt der Entscheidung noch in ernstzunehmender Weise und in erheblichem Maße beeinträchtigt werden (vgl. OLG Hamburg, WRP 1987, 682). Nur völlig grundloses Zögern kann im Einzelfall die Annahme rechtfertigen, dass für eine eilige, vorläufige Regelung kein dringendes Bedürfnis besteht (vgl. KG, WRP 1979, 305).

Im vorliegenden Fall hat der Verfügungskläger nachvollziehbare Gründe dafür angeführt, dass er nicht sogleich einen Verfügungsantrag gestellt, sondern zunächst auf andere Weise versucht hat, die Verfügungsbeklagte von ihrem gesetzwidrigen Verhalten abzubringen. Da die Verfügungsbeklagte ihre rechtswidrige Geschäftspraxis nach Beginn dieses Verfahrens und nach der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren noch intensiviert hat, besteht gegenwärtig ein dringendes Bedürfnis für ein gerichtliches Verbot.

7. Der Umstand, dass der Verfügungskläger inzwischen im Hauptsacheverfahren einen gegen Sicherheitsleistung vollstreckbaren Unterlassungstitel erwirkt hat, steht dem Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht entgegen. Es besteht jedenfalls dann noch ein anzuerkennendes Bedürfnis für einen vorläufigen Titel, wenn der Gläubiger die zur Vollstreckung aus dem Haupttitel erforderliche Sicherheitsleistung nicht aufbringen kann (vgl. KG, NJWE-WettbR 1999, 293; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1996, 960; OLG Hamm, OLGR 1992, 133). Hiervon ist nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Verfügungsklägers im vorliegenden Fall auszugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.






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Urteil v. 15.12.2003
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