Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Januar 2011
Aktenzeichen: 8 W (pat) 332/05

(BPatG: Beschluss v. 20.01.2011, Az.: 8 W (pat) 332/05)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Das Patent DE 195 45 024 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung von Behältern" ist am 2. Dezember 1995 angemeldet und die Erteilung am 17. Februar 2005 veröffentlicht worden.

Jeweils am 17. Mai 2005 haben die Firmen S... in L... (Frankreich), Einsprechende I, A...-Werke A1... GmbH & Co. KG in H... (Österreich) Einsprechende II, K... AG in N... Einsprechende III Einspruch erhoben.

Die Einsprechenden stützen sich dabei unter anderem auf folgende Druckschriften:

D1: EP0434277A1 D2: WO 95/08 430 A1.

Die Einsprechenden I bis III führen übereinstimmend aus, dass der Gegenstand des Patents gegenüber u. a. diesem Stand der Technik wegen fehlender Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit (§§ 3 bzw. 4 PatG) nicht patentfähig sei.

Die Patentinhaberin widerspricht diesem Vorbringen und führt an, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl neu sei als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie legt zuletzt in der mündlichen Verhandlung einen neuen Hilfsantrag 1 vor, mit dem sie das Patent hilfsweise verteidigt.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur Herstellung von Behältern, bei dem ein erwärmter Vorformling aus einem thermoplastischen Material gereckt und mit Hilfe eines unter Druck stehenden Gases aufgeblasen wird und bei dem der Aufblasvorgang in eine Vorblasphase mit einem Gas eines niedrigeren Druckniveaus und in eine sich anschließende Hauptblasphase mit einem Gas eines höheren Druckniveaus unterteilt wird und das weiterhin die Merkmale aufweist, dass das Verhältnis des Behälterdurchmessers (23) zum Innendurchmesser (20) des Vorformlings (1) größer als 4,0 gewählt wird, dass der Vorformling (1) eine mittlere Wanddicke (18) von größer als 3 Millimeter aufweist, dass zumindest zu Beginn der Vorblasphase eine Materialtemperatur im zu orientierenden Bereich von größer 70 Grad Celsius vorgesehen ist, dass der Vorformling zumindest zu Beginn der Vorblasphase im zu orientierenden Bereich eine mittlere Temperatur aufweist, die höchstens gleich einer mittleren Temperatur der inneren Oberfläche (9) des Vorformlings (1) im zu orientierenden Bereich ist, dass die zeitliche Dauer der Vorblasphase geringer als 1,0 Sekunden gewählt wird und dass während der Vorblasphase der Vorformling (1) auf mindestens 50 Prozent des für den fertig geblasenen Behälter (13) vorgesehenen Volumens expandiert wird."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:

"Verfahren zur Herstellung von Flaschen mit reduzierter Gaspermeabilität, bei dem ein erwärmter spritzgegossener Vorformling aus einem thermoplastischen Material von einer Reckstange durch Einfahren der Reckstange in einen Innenraum der Vorformlinge hinein und anschließende Anlage der Reckstange am Boden des Vorformlings gereckt und mit Hilfe eines unter Druck stehenden Gases aufgeblasen wird und bei dem der Aufblasvorgang in eine Vorblasphase mit einem Gas eines niedrigeren Druckniveaus und in eine sich anschließende Hauptblasphase mit einem Gas eines höheren Druckniveaus unterteilt wird und das weiterhin die Merkmale aufweist, dass das Verhältnis des Behälterdurchmessers (23) zum Innendurchmesser (20) des Vorformlings (1) größer als 4,0 gewählt wird, dass der Vorformling (1) eine mittlere Wanddicke (18) von größer als 3 Millimeter aufweist, dass zumindest zu Beginn der Vorblasphase eine Materialtemperatur im zu orientierenden Bereich von größer 80 Grad Celsius vorgesehen ist, dass der Vorformling zumindest zu Beginn der Vorblasphase im zu orientierenden Bereich eine mittlere Temperatur aufweist, die höchstens gleich einer mittleren Temperatur der inneren Oberfläche (9) des Vorformlings (1) im zu orientierenden Bereich ist, dass die zeitliche Dauer der Vorblasphase geringer als 0,5 Sekunden gewählt wird und dass während der Vorblasphase der Vorformling (1) auf mindestens 50 Prozent des für den fertig geblasenen Behälter (13) vorgesehenen Volumens expandiert wird, sowie dass die Reckgeschwindigkeit größer als 0,8 Meter pro Sekunde gewählt wird, dass zur Vermeidung von Konturabweichungen des Behälters (13) im Bereich einer zur Behälterformung vorgesehenen Blasstation (33) eine der Kraftentfaltung der Druckgase entgegenwirkende Formzuhaltung vorgesehen wird und dass der Quotient aus Querreckung und Längsreckung einen Wert größer als 1,5 aufweist."

Die Patentinhaberin führt in der mündlichen Verhandlung weiter aus, dass sie den Hilfsantrag 1 gegebenenfalls mit einem Merkmal weiter beschränken wolle, wonach die Formzuhaltung in der Blasstation mittels einer pneumatischen Vorspannung erzeugt wird, sofern der Senat einen entsprechend beschränkten Patentanspruch als patentfähig ansehen sollte.

Die Einsprechenden I bis III stellen jeweils den Antrag, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt zuletzt, das Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent mit dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, im Übrigen mit noch anzupassenden Unterlagen aufrechtzuerhalten.

Hinsichtlich der jeweiligen Unteransprüche gemäß des Hauptund Hilfsantrags sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

II.

1.

Über die Einsprüche, die nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden sind, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 PatG a. F. zu entscheiden, da die mit der Einlegung der Einsprüche begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschriftnicht entfallen ist (vgl. auch BGH -Informationsübermittlungsverfahren I und II -GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff.; bestätigt durch BGH -Ventilsteuerung -GRUR 2009, 184 -185).

2.

Die drei fristund formgerecht eingegangenen Einsprüche sind jeweils substantiiert auf einen der Einspruchsgründe gemäß § 21 PatG gerichtet und daher zulässig. Sie sind auch sachlich gerechtfertigt, denn sie führen zum Widerruf des Patents.

3.

Der Patentgegenstand betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Behältern, bei dem ein erwärmter Vorformling aus einem thermoplastischen Material gereckt und mit Hilfe eines unter Druck stehenden Gases aufgeblasen wird, wobei der Aufblasvorgang in zwei unterschiedliche Druckniveaus unterteilt wird.

Nach dem bekannten Stand der Technik zur Herstellung von blasgeformten Behältern ist es einerseits möglich, einen einheitlichen Blasdruck zu verwenden, der in den aufzublasenden Vorformling eingeleitet und nach einer ausreichenden Ausformung wieder abgelassen wird, wie auch in Absatz [0008] der Beschreibung der Streitpatentschrift DE 195 45 024 B4 ausgeführt wird. Zudem ist ebenfalls bekannt, zunächst eine Voraufweitung des Vorformlings mit einem geringeren Druck vorzunehmen, um den Vorformling bereits relativ weit an die Form des endgültigen Behälters anzunähern, während die Ausprägungen der feineren Kontur des Behälters erst mit einem höheren Druck realisiert werden.

Gemäß der Beschreibung [0009] würden jedoch die bisher bekannten Gestaltungen von Vorformlingen nicht alle Anforderungen erfüllen, die an eine Materialverteilung im fertigen Behälter gestellt würden. Angestrebt würden aus Kostengründen möglichst geringe Wanddicken, die aufgrund einer sehr hohen bidirektionalen Orientierung aber trotzdem eine hohe Festigkeit aufwiesen. Darüber hinaus seien weitere Ziele, eine gleichmäßige Wandstärke zu erzielen und im Bereich des Bodens des Behälters möglichst wenig nichtorientiertes Material zu belassen.

Bekannt sei ebenfalls, Verfahren zur Verbesserung der Barriereeigenschaften (Verringerung der Gaspermeabilität) einzusetzen, die mehrschichtige Vorformlinge verwenden ([0012]). Diese Verfahren seien jedoch zum einen teuer, zum anderen seien die Möglichkeiten für ein Recycling durch die Materialkombinationen stark vermindert. Ebenfalls sei bekannt, Copolymere (Blends) einzusetzen.

Vor diesem Hintergrund sei es Aufgabe der Erfindung (Streitpatentschrift [0015]), ein Verfahren der einleitend genannten Art derart zu verbessern, dass ohne wesentliche Kostensteigerung die Eigenschaften der hergestellten Behälter in Bezug auf die Lagerfähigkeit von abgefüllten Produkten verbessert werden.

3.1 Zum Hauptantrag Das Verfahren nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lässt sich in folgende Merkmale gliedern:

1. Verfahren zur Herstellung von Behältern.

1.1 Ein erwärmter Vorformling aus einem thermoplastischen Material wird gereckt und mit Hilfe eines unter Druck stehenden Gases aufgeblasen.

1.1.2 Der Aufblasvorgang wird in eine Vorblasphase mit einem Gas eines niedrigeren Druckniveaus und in eine sich anschließende Hauptblasphase mit einem Gas eines höheren Druckniveaus unterteilt.

1.2 Das Verhältnis des Behälterdurchmessers zum Innendurchmesser des Vorformlings wird größer als 4,0 gewählt.






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Beschluss v. 20.01.2011
Az: 8 W (pat) 332/05


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