Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 15. Februar 2001
Aktenzeichen: 2 BvR 1319/96

(BVerfG: Beschluss v. 15.02.2001, Az.: 2 BvR 1319/96)

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen gerichtliche Entscheidungen, durch die unter anderem festgestellt wird, dass die von der Beschwerdeführerin auf einer CD veröffentlichten Titel der britischen Popgruppe "Beatles" nicht gemeinfrei im Sinne des Urheberrechts seien und ihre Verwertung deshalb nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgen könne. Zur Begründung verweisen die angegriffenen Entscheidungen im Wesentlichen auf Art. 6 Abs. 1 EGV, der eine Ausdehnung des in § 125 Abs. 1 UrhG für Deutsche vorgesehenen Schutzes auf EU-Ausländer fordere; diese Anwendung des Art. 6 Abs. 1 EGV im Bereich des Urheberrechts beruhe auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, verbundene Rechtssache C - 92/92 und C - 326/92 - Phil Collins u.a. - Slg. 1993, I-5171) und des Bundesgerichtshofs (BGHZ 125, 382). Mit Gesetz vom 23. Juni 1995 (BGBl 1995 I S. 842) wurde die urheberrechtliche Gleichstellung von Deutschen und EU-Ausländern in § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG gesetzlich festgeschrieben.

Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Sie ist der Ansicht, dass der Europäische Gerichtshof bei der Ausdehnung des Art. 6 Abs. 1 EGV auf das Urheberrecht die verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten habe und dass in der Gleichstellung der EG- und EWR-Ausländer mit deutschen Künstlern in § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG, die über § 125 Abs. 1 Satz 2 UrhG auch für Leistungsschutzrechte gelte, eine verfassungswidrige Rückwirkung liege. Der Schutz des Eigentums an literarischen und künstlerischen Werken falle - auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft. Im EG-Vertrag fänden sich keine Vorschriften, die sich mit Urheberrechten oder verwandten Leistungsschutzrechten beschäftigten.

II.

Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen auf, denn die hier einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe sind bereits geklärt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Grundrechts der Beschwerdeführerin angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Soweit mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Grundrechten durch die angegriffenen Entscheidungen gerügt wird, sind diese in den für die Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Teilen durch eine - nicht im Ausgangsverfahren ergangene - Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vorgeprägt; es ist nicht erkennbar, dass durch diese Vorabentscheidung der vom Grundgesetz als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell in Frage gestellt würde (vgl. BVerfGE 89, 155 <174 f.>; 102, 147 <161 ff.>).

2. Selbst wenn man mit der Beschwerdeführerin die Frage nach einem "ausbrechenden Rechtsakt" stellte, ergäbe sich nichts anderes. Die Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs hält sich im Rahmen des durch das Zustimmungsgesetz zum EG-Vertrag abgesteckten Integrationsprogramms; ebenso wenig überschreitet das Zustimmungsgesetz zum EG-Vertrag, das dieses Ergebnis wie die Methode der Rechtsfindung des Gerichtshofs deckt, die rechtsstaatlichen Grenzen, die einer Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23, 24 GG von Verfassungs wegen gesetzt sind (vgl. BVerfGE 75, 223 <240>). In Ausübung seiner Kompetenzen hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass auch die durch das Eigentum an literarischen und künstlerischen Werken verliehenen ausschließlichen Rechte den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie die Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft berührten und deshalb, obwohl diese Rechte in den nationalen Rechtsvorschriften geregelt seien, in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags fielen. Der Europäische Gerichtshof geht erkennbar davon aus, dass der Anwendungsbereich des Vertrages im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EGV bereits dann berührt ist, wenn der betreffende Sachverhalt von Bestimmungen des Vertrages erfasst wird und in diesem Sinne eine gemeinschaftsrechtlich geregelte Situation vorliegt (zu dieser Auslegung des Art. 6 EGV vgl. auch von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 6 EGV, Rn. 36 ff.). Es ist nicht ersichtlich, dass der Europäische Gerichtshof mit dieser Auslegung des EG-Vertrages seine rechtswahrende Aufgabe überschritten hätte (dazu auch BGHZ 125, 382 <390 ff.>).

3. Dementsprechend kann der Neufassung des § 120 Abs. 2 UrhG schon deshalb keine verfassungswidrige Rückwirkung zukommen, weil sie nur die europarechtlich vorgegebene, bereits bestehende Rechtslage auch im deutschen Gesetzesrecht zum Ausdruck bringt.

4. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.






BVerfG:
Beschluss v. 15.02.2001
Az: 2 BvR 1319/96


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