Landgericht Mannheim:
Urteil vom 7. April 2006
Aktenzeichen: 7 O 47/06

(LG Mannheim: Urteil v. 07.04.2006, Az.: 7 O 47/06)

Zur Abgrenzung von Verwarnung und Berechtigungsanfrage

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin vertreibt seit 1999 Wasserinjektionsanlagen, wobei hinsichtlich der konkret vertriebenen Produkte auf die Anlage ASt 1 Bezug genommen wird. Hierbei handelt es sich um Anlagen zur Herstellung von Hohlkörpern aus Kunststoff, welche auf dem Prinzip der Wasserinjektion beruhen. Dabei wird Kunststoff als Schmelze in eine Form eingebracht. Um den Formkörper innen hohl zu gestalten, wird die Schmelze danach durch das Einleiten von Wasser verdrängt. Die weitere Ausgestaltung des Verfahrens ist zwischen den Parteien streitig.

Der Verfügungsbeklagte zu 2 ist Inhaber des deutschen Patentes & betreffend ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung eines Kunststoffbauteiles, welches einen Innenhohlraum hat. Der Hauptanspruch des Patents lautet:

Verfahren zur Herstellung eines Kunststoff-Bauteiles, welches einen Innenhohlraum hat, wobei in eine Spritzgießform zunächst Kunststoff eingespritzt, anschließend in die flüssige Kunststoffschmelze zur Verdrängung der Schmelze aus dem zu bildenden Innenhohlraum unter Druck Gas eingeleitet und danach zur Kühlung des Kunststoffs eine Flüssigkeit in den Innenhohlraum eingeleitet wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Gas mit Hilfe der Kühlflüssigkeit in die Kunststoffschmelze eingetragen wird.

Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin legte unter dem 05.04.2005 Einspruch gegen vorgenanntes Patent ein (Anlage ASt 4). Der Verfügungsbeklagte zu 2 trat diesem Einspruch entgegen (Anlage ASt 4). Zwischen der Verfügungsklägerin und dem Verfügungsbeklagten zu 2 gab es Gespräche über eine mögliche Anstellung des Verfügungsbeklagten zu 2 bei der Verfügungsklägerin, wobei zwischen den Parteien streitig ist, von wem die Initiative für eine mögliche Beschäftigung ausging und wie die Gespräche zwischen den Parteien verliefen.

Zu den Kunden der Verfügungsklägerin gehören u.a. die Firma X. in & in der Schweiz sowie die Firma Y. in &. Die Verfügungsbeklagte zu 1 richtete unter dem 09.12.2005 ein Schreiben an die Firma X. mit folgendem Inhalt:

Sehr geehrte Damen und Herren,zunächst machen wir, &, darauf aufmerksam, dass wir von dem Patentinhaber, Herrn &, die volle Verfügungsberechtigung an seinem im Betreff genannten Patent haben.Wir haben festgestellt, dass Sie das in diesem Patent geschützte Verfahren benutzen, um entsprechende Formteile, die Sie nach Deutschland eingeführt und Firma Z. geliefert haben, Herr & hat dies auch persönlich Herrn & mitgeteilt.Nach der deutschen Gesetzgebung ist es so, dass in dem Falle, dass ein Patent ein Verfahren schützt, dadurch auch das unmittelbar durch dieses Verfahren hergestellte Erzeugnis auchgegen Einfuhr (nach Deutschland) geschützt ist.Selbst wenn das in Deutschland für Herrn & patentierte Verfahren in der Schweiz nicht geschützt ist, wird also das deutsche Patent durch ihre Lieferung nach Deutschland verletzt.Zwar wurde gegen das Patent des Herrn & Einspruch eingelegt, der jedoch nach Auskunft unserer Patentanwälte keine Aussicht auf Erfolg haben kann.Mit gleicher Post werden wir selbstverständlich auch Firma Z. auf diese Situation und dieses Schreiben an Sie hinweisen.Zunächst möchten wir Sie hiermit um Auskunft und Stellungnahme bitten, weshalb Sie sich für berechtigt halten, das DE-Patent & dadurch zu missachten, dass Sie unmittelbar nach dem durch dieses Patent geschützte Verfahren hergestellte Erzeugnisse in die Bundesrepublik Deutschland einführen und einer deutschen Firma liefern.Falls Sie dies nicht mit älteren Rechten oder Vorveröffentlichungen begründen, also keine zufrieden stellende Erläuterung für die erwähnte Benutzung geben können, und falls Sie auch keinen zufrieden stellenden Vorschlag für eine Einigungmit dem Patentinhaber machen können, müssten wir zur Verfolgung unserer Rechte bzw. der Rechte des Patentinhabers unsere Patentanwälte einschalten.Wir schlagen vor, dass Sie uns Ihre Stellungnahme bis zum 15.1.06zusenden. Falls wir bis zu diesem Datum keine Antwort erhalten haben, müssten wir unsere Anwälte einschalten und diese nicht nur beauftragen, die Patentverletzung zu verfolgen, sondern auch Schadensersatz einschl. Erstattung der Gebühren unserer Anwälte zu fordern.In der Hoffnung, dass dieser Schritt vermieden werden kann und Sie uns eine zufrieden stellende Erläuterung oder einen akzeptablen Einigungsvorschlag übermitteln, verbleiben wirmit freundlichen Grüßen&

Die Verfügungsklägerin trägt vor,

dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin dem Verfügungsbeklagten zu 2 anlässlich der Gespräche über eine mögliche Beschäftigung des Verfügungsbeklagten zu 2 die Wasserinjektionstechnik im Einzelnen erklärt habe. Von der Patentanmeldung des Verfügungsbeklagten zu 2 sei der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin deshalb völlig überrascht gewesen. Der von ihm eingelegte Einspruch sei im Hinblick auf die Vorbenutzung durch die Verfügungsklägerin und andere Unternehmen wie die Firmen & und & begründet. Vor diesem Hintergrund stellten sich die Äußerungen der Verfügungsbeklagten gegenüber der FA. X. als unberechtigte Abnehmerverwarnung dar. Das Schreiben sei als Abmahnung zu verstehen. Die Firma X. habe sich angesprochen gefühlt und die hierin behauptete Patentverletzung auf die Produkte der Verfügungsklägerin bezogen. Das Schreiben unter Hinweis auf eine Patentverletzung, die Verwirklichung einer Patentverletzung durch Lieferung nach Deutschland, die Information des Abnehmers (Firma Z.) der Firma X. sowie die Drohung mit der Einschaltung von Anwälten überschreite den Bereich einer bloßen Berechtigungsanfrage, so dass eine Abnehmerverwarnung vorliege. Die Verfügungsbeklagten hätten sich in gleicher Weise wie gegenüber der Fa. X., auch gegenüber der Firma Y. geäußert.

Die Verfügungsklägerin b e a n t r a g t :

1. Die Verfügungsbeklagten unterlassen Dritten gegenüber die Behauptung, dass die Verwendung der Wasserinjektionstechnik der Verfügungsbeklagten gegen das Patent mit der amtlichen Registriernummer DE-Patent & verstößt.

2. Die Verfügungsbeklagten unterlassen Dritten gegenüber die Behauptung, das Unternehmen, die dieses Verfahren der Verfügungsklägerin zur Herstellung von Formteilen verwenden, bei Einfuhr dieser Produkte in dem Bereich der Bundesrepublik Deutschland gegen das Patent mit der amtlichen Registriernummer DE-Patent & verstoßen.

3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen vorstehende Unterlassungsverpflichtungen wird den Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Verfügungsbeklagten b e a n t r a g e n,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagten tragen vor,

dass es sich bei dem Schreiben an die Firma X. nicht um eine Abmahnung, sondern lediglich um eine Berechtigungsanfrage handle. Gegenstand dieser Berechtigungsanfrage sei allein gewesen, dass nach Informationen der Verfügungsbeklagten von der Firma X. bei der Herstellung von Formteilen ein Verfahren verwendet würde, welches das Patent des Verfügungsbeklagten zu 2 verletze. Die FA. X. sei dabei als potentielle, originäre Patentverletzerin betrachtet worden. Die Verfügungsklägerin sei in dem Schreiben mit keinem Wort erwähnt worden, da Gegenstand der Berechtigungsanfrage nicht das Verfahren zur Formteilenherstellung mittels der sogenannten Wasserinjektionstechnik, sondern allein das von der Firma X. eingesetzte Herstellungsverfahren gewesen sei. Die Verfügungsbeklagten hätten gute Gründe für die Annahme gehabt, dass bei der Firma X. das sogenannte Gasinjektionsverfahren Anwendung gefunden habe, welches Gegenstand des Patents des Verfügungsbeklagten zu 2 sei. Äußerungen, wie sie die Verfügungsklägerin konkret angreife, hätten die Verfügungsbeklagten nicht getätigt. Der Einspruch sei im übrigen unbegründet, da die Verfügungsklägerin die Benutzung des Wasserinjektionsverfahrens für sie in Anspruch nehme, das Patent des Verfügungsbeklagten zu 2 indessen das Gasinjektionsverfahren betreffe. Würde man deshalb von einer Abnehmerverwarnung ausgehen, so sei diese als berechtigte Abmahnung zu begreifen. Dass sich die Verfügungsbeklagten zwischenzeitlich in gleicher Weise an die Firma Ä. gewandt hätten wie an die Fa. X, sei falsch. Die Verfügungsbeklagten hätten die Fa. Ä. zu keiner Zeit darauf hingewiesen, dass die Firma Y. unter Verwendung der Wasserinjektionstechnologie der Verfügungsklägerin fertige.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie alle sonstigen Aktenteile.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet. Der Verfügungsklägerin steht kein Verfügungsanspruch zu.

1. Der Verfügungsklägerin steht kein Anspruch auf Unterlassung der von ihr angegriffenen Ausführungsform der Verfügungsbeklagten gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin zu.

a) Werden Abnehmer eines Lieferanten von einem Dritten einem Unterlassungsbegehren hinsichtlich eines Verfahrens oder eines Erzeugnisses des Lieferanten ausgesetzt und stellt sich dieses Unterlassungsbegehren als unberechtigt dar, so liegt seitens des Dritten ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Lieferanten vor (BGH, GRUR 1963, 255 - Kindernähmaschinen; BGH, GRUR 1979, 332 - Brombeerleuchte; BGH, GRUR 1999, 424 - Arbeitnehmerverwarnung). Verwarnungen gegenüber Dritten können demnach gleichermaßen wie Verwarnungen gegenüber dem Lieferanten selbst einen rechtswidrigen Eingriff in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen. Voraussetzung für eine Schutzrechtsverwarnung ist, dass ein ernsthafte und endgültiges Unterlassungsbegehren ausgesprochen wird (BGH, GRUR 1997, 896 - Mecki-Igel III; OLG Karlsruhe, GRUR 1994, 143 - Berechtigungs-anfrage). Keine Schutzrechtsverwarnung stellt dagegen die Aufforderung zu einem bloß vorbereitenden Meinungsaustausch über die Schutzrechtslage dar (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es einem Schutzrechtsinhaber, der sein Recht als verletzt erachtet, grundsätzlich nicht verwehrt ist, einen Abnehmer des von ihm als Verletzer betrachteten Herstellers über die laufende oder bevorstehende Auseinandersetzung hinsichtlich der Schutzrechtslage zu informieren (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Daher müssen Mitteilungen des Schutzrechtsinhabers an den Kunden des Herstellers für zulässig erachtet werden, die sich weder der Form noch dem sachlichen Inhalt nach als unberechtigte Abnehmerverwarnungen darstellen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen ist stets danach zu beurteilen, ob der Empfänger unter den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls die Mitteilung des Schutzrechtsinhabers als unmissverständliche Warnung vor dem Bezug versteht, ob sie also den Entschließungsspielraum des Empfängers entscheidend einengt oder nicht (OLG Karlsruhe, a.a.O.).

b) Dahingestellt bleiben kann, ob die von der Verfügungsklägerin in ihrer Antragsfassung angegriffenen Äußerungen von den Verfügungsbeklagten so überhaupt getätigt worden sind. Die Verfügungsklägerin begehrt die Unterlassung der Behauptung, dass die Verwendung der Wasserinjektionstechnik der Verfügungsklägerin patentverletzend sei und Unternehmen patentverletzend handelten, die das Verfahren der Wasserinjektionstechnik der Verfügungsklägerin zur Herstellung von Formteilen verwenden. Erhebliche Zweifel bestehen, ob diese Aussagen von den Verfügungsbeklagten so in ihrem Schreiben vom 09.12.2005 getroffen wurden. Selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei dem Adressaten des Schreibens um einen Abnehmer der Verfügungsklägerin handelt, ist beim maßgeblichen Wortlaut des Schreibens zu berücksichtigen, dass von einem konkreten Gerät der Verfügungsklägerin oder sogar dem dem Gerät zugrunde liegenden Injektionsverfahren überhaupt nicht die Rede ist. Dies bedarf letztlich indessen keiner Entscheidung, da ein Verfügungsanspruch selbst dann nicht besteht, wenn man die von der Verfügungsklägerin in ihren Anträgen zu 1 und 2 angegriffenen Äußerungen zugrundelegt.

c) Bei dem Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 09.12.2005 handelt es sich um eine bloße Berechtigungsanfrage und dahingehend um keine Abmahnung. Wie dargelegt, erfordert eine Abmahnung stets ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren. Ein derartiges ernsthaftes und unberechtigtes Unterlassungsbegehren ist auch unter Würdigung aller Umstände dem Schreiben der Verfügungsbeklagten nicht zu entnehmen. Bei der maßgeblichen Würdigung aller Umstände ist zunächst der Wortlaut der Erklärung von entscheidender Bedeutung. Hierbei ist festzustellen, dass die Verfügungsbeklagten zwar auf die von ihnen für gegeben erachtete Patentverletzung hinweisen. Auf Seite 2 des Schreibens vom 09.05.2005 wird jedoch danach um Auskunft und Stellungnahme gebeten, weshalb der Adressat sich für berechtigt hält, das Patent des Verfügungsbeklagten zu 2 zu missachten. Für den Fall, dass die Patentbenutzung nicht mit älteren Rechten oder Vorveröffentlichungen begründet werden kann und kein zufriedenstellender Vorschlag für eine Einigung unterbreitet wird, wird sodann die Einschaltung von Patentanwälten angedroht. Aus dieser Abfassung des Schreibens ergibt sich, dass hier noch nicht das Stadium eines ernsthaften und endgültigen Unterlassungsbegehrens erreicht ist. Inhaltlich bewegt sich das Schreiben noch in einem Vorstadium. Denn es fordert den Adressaten zunächst zur Auskunft und zur Stellungnahme über die eigene Berechtigung auf. Die Einschaltung anwaltlicher Schritte wird erst dann in Aussicht gestellt, wenn eine unzureichende Berechtigung dargelegt wird oder keine zufrieden stellenden Einigungsvorschläge unterbreitet werden. Vor diesem Hintergrund kann von einem endgültigen Unterlassungsbegehren nach dem Wortlaut nicht ausgegangen werden.

Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass nicht jede Einschaltung rechtlicher Schritte ein endgültiges Unterlassungsbegehren bedeutet. In der von der Verfügungsklägerin herangezogenen Entscheidung Brombeerleuchte kündigte der Verfasser des Schreibens folgende Rechtsverfolgung an: Zur Klärung der Rechtslage haben wir unsere Anwälte beauftragt, gegen jeden Verletzer unserer Rechte Klage einzureichen. Wir halten uns verpflichtet, Ihnen diesen Sachverhalt mitzuteilen, damit Sie Ihrerseits die Möglichkeit haben, sich vor Schaden zu bewahren. Mit einer derartigen Aussage werden unabhängig von dem Verhalten oder der Gesprächsbereitschaft des Adressaten rechtliche Schritte gegen diese unternommen. Dies liegt beim Schreiben der Verfügungsbeklagten nicht vor, wo die Einschaltung von Patentanwälten erst nach einer unterbliebenen oder als unbefriedigt empfundenen Reaktion auf das Schreiben in Aussicht gestellt wird. Im Hinblick auf die Androhung rechtlicher Schritte schränkt diese Formulierung den Entschließungsspielraum des Empfängers nicht derart ein, als dass ein endgültiges Unterlassungsbegehren anzunehmen wäre.

Auch die Adressierung des Schreibens an einen Abnehmer der Verfügungsklägerin macht das Schreiben der Verfügungsbeklagten nicht zu einer Verwarnung. Zwar ist zu berücksichtigen, dass ein Abnehmer zu einem vorbereiteten Meinungsaustausch über die Patentrechtslage oft nur in eingeschränktem Maße bereit ist und die Arbeitnehmerverwarnung in die Beziehungen des Herstellers zum verwarnten Kunden in schwerwiegender Weise eingreifen kann. Hieraus folgt aber nicht der Schluss, dass es einem Schutzrechtsnehmer stets verwehrt ist, einen Abnehmer des als Verletzer betrachteten Lieferanten hinsichtlich der Schutzrechtslage zu informieren (OLG Karlsruhe, GRUR 1984, 943 - Berechtigungsanfrage).

Bei der Frage, wie der Empfänger unter den konkreten Umständen des Einzelfalls die Mitteilung des Schutzrechtsinhabers versteht - d.h. ob sie als unmissverständliche Warnung vor dem Bezug wirkt und den Entschließungsspielraum des Empfängers einengt - ist auch zu berücksichtigen, ob es sich bei dem betreffenden Abnehmer um ein großes, zur eigenen Überprüfung von Schutzrechtsfragen befähigtes Unternehmen und in seiner Entscheidungsfreiheit nicht leicht zu beeinflussendes Unternehmen handelt oder einen kleinen Betrieb, der diese Voraussetzungen nicht aufweist und gegebenenfalls leichter einzuschüchtern ist (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass sich die Firma X. ausweislich ihres Antwortschreibens vom 04.01.2006 (Anlage ASt 7) zu einer eigenen Prüfung der Schutzrechtslage imstande sah und deshalb der von den Verfügungsbeklagten behaupteten Schutzrechtsverletzung entgegengetreten ist. Bei der Adressatin hat es sich mithin um ein Unternehmen gehandelt, das aufgrund seiner Größe zu einer eigenständigen Beurteilung der Schutzrechtslage imstande war und sich offensichtlich in ihrer wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit nicht beeinflusst gesehen hat. Überdies ist zu berücksichtigen, dass das auf den 09.12.2005 datierte Schreiben der Verfügungsbeklagten eine Frist zur Stellungnahme bis zum 15.01.2006 vorgesehen hat, so dass dem Empfänger über einen Monat Zeit eingeräumt wurde, sich zu dem Schreiben zu äußern. Dahingehend bestand für den Adressaten genügend Zeit, bei der Verfügungsklägerin anzufragen. Dahingehend war es der Verfügungsklägerin möglich, ihrem Abnehmer den eigenen Standpunkt in der Patentrechtsfrage darzulegen.

Dass die Verfügungsbeklagten in ihrem Schreiben vom 09.12.2005 ankündigen, auch die Firma Z. auf die Situation dieses Schreibens hinzuweisen, führt ebenfalls nicht zu einer entscheidenden Einengung des Entschließungsspielraums der Adressatin. Denn bei der Firma Z. handelt es sich um einen Großkonzern mit entsprechend im Unternehmen vorhandenem patentrechtlichem Sachverstand, der das Schreiben der Verfügungsbeklagten unschwer als bloße Berechtigungsanfrage zu verstehen vermag. Dass im Hinblick auf das Schreiben der Verfügungsbeklagten die Firma Z. ihre Geschäftsbeziehungen zur Firma X. beeinträchtigt gesehen hätte oder auf die Firma X. Druck im Sinne der Verfügungsbeklagten ausgeübt hätte, ist nicht anzunehmen. Tatsächliche Anhaltspunkte hierfür finden sich auch im Sachvortrag der Verfügungsklägerin nicht.

Eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ergibt sich auch nicht aus den Äußerungen der Verfügungsbeklagten gegenüber der Firma Ä.. Diesbezüglich hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei den Äußerungen gegenüber der Firma Ä. um eine Abmahnung handelt. In der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin findet sich lediglich, dass die Firma Ä. darauf hingewiesen worden sei, dass die Produktion der Formteile der Firma Y. patentverletzend sei. Schon nach dem eigenen Sachvortrag der Verfügungsklägerin handelt es sich somit lediglich um einen bloßen Hinweis. Dass ein Unterlassungsbegehren ausgesprochen wurde, das darüber hinaus ernsthaft und endgültig aufzufassen ist, ist der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung nicht zu entnehmen.

2. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht gemäß §§ 8 Abs. 1, 4 Nr. 10, 3 UWG aus dem Gesichtspunkt der Verbreitung unzutreffender Informationen. Unabhängig von der Frage, ob eine Schutzrechtsverwarnung vorliegt oder diese sachlich berechtigt ist, können Informationen über den Verletzungsstreit zwischen dem Schutzrechtsinhaber und dem angegriffenen Lieferanten dann als wettbewerbswidrig beanstandet werden, wenn diese unzutreffend sind (BGH, GRUR 1995, 424 - Abnehmerverwarnung; OLG Karlsruhe, GRUR 1980, 314 - Kunststoffschubkästen). Derartige Fehlinformationen über den Verfahrensstand sind indessen im Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 09.12.2005 nicht ersichtlich. Denn das Schreiben führt zutreffend aus, dass gegen das Patent des Verfügungsbeklagten zu 2 Einspruch eingelegt wurde. Der danach folgende Zusatz, dass nach Ansicht der Patentanwälte der Verfügungsbeklagten dieser Einspruch keine Aussicht auf Erfolg hat, ist eine zulässige rechtliche Beurteilung, die im Schreiben auch ausdrücklich als solche der Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten kenntlich gemacht ist. Wettbewerbsrechtlich ist dies daher nicht zu beanstanden. Sonstige unzutreffende Aussagen über den Verfahrensstand oder die Verfügungsbeklagten sind dem Schreiben nicht zu entnehmen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6, 711 ZPO.






LG Mannheim:
Urteil v. 07.04.2006
Az: 7 O 47/06


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