Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Februar 2001
Aktenzeichen: 9 W (pat) 52/00

(BPatG: Beschluss v. 12.02.2001, Az.: 9 W (pat) 52/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 8, Beschreibung Spalten 1 und 2, Zeichnung Figuren 1 bis 6, jeweils gemäß Patentschrift, Beschreibung Spalten 3 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit Beschluß vom 13. September 1999 hat die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts nach Prüfung des Einspruchs das am 28. Februar 1997 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Haarschneidemaschine mit Schnittlängen-Verstelleinrichtung"

in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluß der Patentabteilung hat die Einsprechende Beschwerde erhoben.

Die Patentinhaberin führt aus, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Gegenstand nach der EP 0 856 386 A1 neu sei. Der weiterhin genannte Stand der Technik könne diesen Gegenstand auch nicht nahelegen. Was die erteilten Patentansprüche 9 bis 12 betreffe, sollten diese im Rahmen einer beschränkten Aufrechterhaltung des Patents nicht bestehen bleiben.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den in der Beschlußformel angegebenen Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Sie trägt vor, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Gegenstand nach der EP 0 856 386 A1 nicht mehr neu, bzw durch die Gegenstände nach der DE 43 17 530 A1 und der EP 0 856 386 A1 nahegelegt sei.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Haarschneidemaschine mit einer auf einen Schneidsatz einwirkenden Schnittlängen-Verstelleinrichtung, a) der Schneidsatz bestehend zumindest aus einem feststehenden Scherkamm und einem im wesentlichen parallel zur Vorderkante des Scherkammes in Querrichtung oszillierend antreibbaren Schermesser, b) die Schnittlängen-Verstelleinrichtung bestehend zumindest aus einem Betätigungselement und einem Schlitten, wobei der Schlitten - gegenüber dem Scherkamm in Längsrichtung verschiebbar gelagert,

- mit dem Schermesser verbunden und - von dem Betätigungselement im Bereich zwischen einer vorderen und einer hinteren Endstellung positionierbar ist, unddas Betätigungselement - über Koppelelemente mit dem Schlitten verbunden ist und - dessen Verschiebung senkrecht zur Vorderkante des Schermessers in Längsrichtung ermöglicht, dadurch gekennzeichnet, daß

- die Schnittlängenverstelleinrichtung vollständig in den Schneidsatz integriert ist, und - zwei am Schlitten angebrachte Lagerböcke vorgesehen sind, in die wenigstens ein Federelement eingesetzt ist, wobei das wenigstens eine Federelement mit dem Schermesser derart verbunden ist, daß dieses unter Vorspannung gegen den Scherkamm gedrückt gehalten und gleichzeitig nach Art einer Parallelogrammführung gelagert ist.

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 8 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Wegen weiterer Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die statthafte Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und auch im übrigen zulässig. Sie hat insofern Erfolg, als sie zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents führt.

1. Im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ist der Stand der Technik nach DE-PS 814 117 berücksichtigt. In der Beschreibungseinleitung der Patentschrift (Streit-PS) ist ausgeführt, daß es bei dieser Haarschneidemaschine nachteilig sei, daß der Schneidsatz und die Schnittlängen-Verstelleinrichtung einen vergleichsweise hohen Montageaufwand erforderten, um sämtliche Bauteile mit dem Gehäuse zu verbinden. Dies betreffe besonders die Lagerung des Einstellhebels am Gehäuse.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, eine Haarschneidemaschine der genannten Art derart zu verbessern, daß sie die geschilderten Nachteile - des Stands der Technik - nicht mehr aufweist. Insbesondere soll die Schnittlängen-Verstelleinrichtung verbessert werden, um den konstruktiven Aufbau und damit den fertigungsbedingten Aufwand zu vereinfachen.

Dieses Problem wird - in Verbindung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1- durch die in dessen kennzeichnendem Teil angegebenen Merkmale gelöst.

2. Die beanspruchte Haarschneidemaschine ist unstreitig neu.

Sie unterscheidet sich von der gattungsbildenden Haarschneidemaschine nach der DE-PS 814 117 unbestritten durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1.

Die EP 0 856 386 A1 zählt gemäß § 3 Abs 2 PatG zum Stand der Technik, da sie das Prioritätsdatum vom 31.1.1997 der deutschen Patentanmeldung 197 03 589.2 beansprucht und Deutschland als Benennungsland angegeben ist. Der in den Prioritätsunterlagen beschriebenen Haarschneidemaschine ist weder das Merkmal zu entnehmen, daß ein Schlitten gegenüber dem Scherkamm in Längsrichtung verschiebbar gelagert ist, noch das Merkmal, daß in zwei am Schlitten angebrachten Lagerböcken wenigstens ein Federelement eingesetzt ist, wobei das wenigstens eine Federelement mit dem Schermesser derart verbunden ist, daß dieses unter Vorspannung gegen den Scherkamm gedrückt gehalten und gleichzeitig nach Art einer Parallelogrammführung gelagert ist.

Bei den Schnittlängen-Verstelleinrichtungen nach der DE-PS 813 003 und nach der US 1 774 046 wird jeweils der Scherkamm gegenüber dem Schneidmesser verschoben und nicht umgekehrt, wie beim Gegenstand des Anspruchs 1.

Bei den Haarschneidemaschinen nach der DE 43 17 530 A1 und der DE 33 10 706 A1 ist zumindest jeweils die Schnittlängen-Verstelleinrichtung nicht vollständig in den Schneidsatz integriert, sondern auch Teil des Gehäuses.

Die Haarschneidemaschine nach der JP 54-54 757 A zeigt einen Schneidsatz, bei dem keine Schnittlängen-Verstelleinrichtung vorgesehen ist.

Somit zeigt keine der genannten Druckschriften alle Merkmale des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

3. Die beanspruchte Haarschneidemaschine ist ohne Zweifel gewerblich anwendbar. Sie beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Haarschneidemaschine nach der DE-PS 814 117 weist unstreitig die Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf. Der Schneidsatz besteht aus einem feststehenden Scherkamm 1, 2 und einem in Querrichtung oszillierend antreibbaren Schermesser 3. Die Schnittlängenverstellung erfolgt in einem ersten Ausführungsbeispiel mit einem Betätigungselement 12, das einen mit dem Schermesser verbundenen Schlitten 4 in einer Nut 5 des Scherkamms mit Hilfe eines Koppelelements 17, 18 vor- und rückwärts bewegt. Die Teile Scherkamm, Schlitten und Betätigungshebel werden mit einer Spannschraube 14 am Oberteil 15 des Handgriffs 10 fixiert. Der Schlitten weist an seiner Vorderseite zwei schmale Zungen 7 auf, die in eine Quernut 8 des Schermessers eingreifen, so daß dieses hierdurch bei seiner Querbewegung geführt wird. Senkrecht zur Querbewegung wird das Schermesser in seiner Bewegung durch einen Antriebsnocken 9 und das Oberteil begrenzt. Das Betätigungselement wird nach Einstellung der Schnittlänge an einem mit dem Oberteil verbundenen Rastplättchen 20 fixiert. Im zweiten Ausführungsbeispiel ist das Koppelelement konstruktiv noch aufwendiger gestaltet, als im ersten Beispiel. Diese Schnittlängenverstelleinrichtungen bedingen also wegen der aufwendigen Konstruktion einen hohen Fertigungsaufwand.

Wenn der Fachmann diesen Fertigungssaufwand reduzieren will, gibt ihm die Haarschneidemaschine nach der DE 43 17 530 A1 dazu keine Anregung. Dort ist die Schnittlängen-Verstelleinrichtung nicht vollständig in den Schneidsatz integriert, da wesentliche Teile, wie ein Schieber 80 und ein damit zusammenwirkender Justiergriff 16 zur Änderung der Schnittlängenverstellung, im Gehäuse der Maschine angeordnet sind. Zudem bildet die Schnittlängen-Verstelleinrichtung, die neben dem Justiergriff und dem Schieber ein drehbares Federglied 50, ein Federelement und ein mit dem Schermesser verbundenes Antriebsteil 26 aufweist, eine konstruktiv sehr aufwendige kinematische Kette. Diese Haarschneidemaschine führt den Fachmann daher eher vom Beanspruchten weg.

Der Schneidsatz für eine Haarschneidemaschine nach der JP 54-54 757 A weist keine Schnittlängen-Verstelleinrichtung auf. Allerdings sind Scherkamm und Schermesser über ein Federelement, das auf Lagerböcken am Scherkamm eingesetzt ist, miteinander verbunden, so daß das Federelement das Schermesser gegen den Scherkamm drückt und dieses nach Art einer Parallelogrammführung lagert. Eine solche Gestaltung des Schneidsatzes wird der Fachmann nicht auf den Schneidsatz nach der DE-PS 814 117 übertragen, da eine zusätzliche Niederhaltefunktion durch das Federelement für das Schermesser durch die Funktion der Spannschraube dort nicht benötigt wird. Die Spannschraube beibehalten werden soll. Die Spannschraube als Fixierelement für den Schneidsatz und das Gehäuse verhindert auch eine einfache Umkonstruktion des Schneidsatzes dahingehend, daß die Schnittlängen-Verstelleinrichtung vollständig in ihn integriert wird. Der Fachmann müsste vielmehr ausgehend vom Schneidsatz der JP 54-54 757 A den Schneidsatz der DE-PS 814 117 vollständig mit weiterreichenden, zusätzlichen Überlegungen umkonstruieren, um zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents zu gelangen. Dazu besteht aber kein Anlaß.

Der Schneidsatz der DE 43 17 530 A1 weist dasselbe Federelement auf, wie der nach der JP 54-54 757 A. Deshalb ergibt sich bei einer Kombination der Gegenstände dieser beiden Druckschriften kein weiterer Hinweis auf das Beanspruchte.

Die EP 0 856 386 A1 darf gemäß § 4 Satz 2 PatG bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden, da sie eine Unterlage im Sinne des § 3 Abs 2 darstellt. (Siehe hierzu auch Ausführungen unter Punkt 3.)

Der von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht mehr aufgegriffene übrige Stand der Technik liegt dem Beanspruchten noch ferner, und ist daher weder für sich, noch in einer Zusammenschau geeignet, die Merkmale des Patentanspruchs 1 nahezulegen.

Patentanspruch 1 ist daher beständig. Die Patentansprüche 2 bis 8 betreffen zweckmäßige weitere Ausbildungen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1, die nicht selbstverständlich sind, und haben daher ebenfalls Bestand.

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BPatG:
Beschluss v. 12.02.2001
Az: 9 W (pat) 52/00


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