Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Juni 2002
Aktenzeichen: 26 W (pat) 124/00

(BPatG: Beschluss v. 05.06.2002, Az.: 26 W (pat) 124/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I Gegen die Eintragung der Marke 396 51 965 siehe Abb. 1 am Endefür die Waren

"Rum und Rumgetränke"

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Ware

"Kubanischer Rum, der in Havanna hergestellt wurde"

eingetragenen älteren Marke 892 051 HAVANA CLUB.

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sowohl die Marken insgesamt als auch die Gesamtheit ihrer Wortbestandteile unterschieden sich wegen der Wörter "Spirit of" bzw. "CLUB" ausreichend voneinander. Der Gesamteindruck der Marken werde auch nicht durch das in ihnen übereinstimmend enthaltene Wort "HAVANA" geprägt, weil zum einen die Wortfolgen "Spirit of HAVANA" und "HAVANA CLUB" jeweils einen unschwer erkennbaren unterschiedlichen gesamtbegrifflichen Charakter besäßen, der bei einer Verkürzung auf das Wort "HAVANA" verloren ginge, und weil zum anderen "HAVANA" der bekannte Name der kubanischen Hauptstadt sei und als solcher nur eine verminderte Kennzeichnungskraft aufweise, weil er als Angabe über die geografische Herkunft von Rum und Rumgetränken ernsthaft in Betracht komme und vom Verkehr auch als bloße Herkunftsangabe verstanden werde. Von einer Überwindung dieser ursprünglichen Kennzeichnungsschwäche des Wortes "HAVANA" durch eine intensive Benutzung der Widerspruchsmarke könne nicht ausgegangen werden, weil der für das Jahr 1996 glaubhaft gemachte Umsatz von 500.000 Flaschen Rum hierfür nicht ausreichend sei und sich die Benutzung nur im Hinblick auf die Kennzeichnungskraft der benutzten Gesamtbezeichnung "HAVANA CLUB" auswirken könne.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, zwischen den beiderseitigen Marken bestehe Verwechslungsgefahr, weil das in der Widerspruchsmarke enthaltene Wort "HAVANA" entgegen der im angegriffenen Beschluss vertretenen Ansicht unterscheidungskräftig sei und deshalb geeignet sei, die Widerspruchsmarke zu prägen. Die Bezeichnung "HAVANA" sei durch das deutschkubanische Herkunftsabkommen geschützt und dürfe nur von autorisierten Unternehmen verwendet werden. Unter der Widerspruchsmarke würde auf der Grundlage eines "Joint Ventures" zwischen der Firma Pernod Ricard und der Republik Kuba seit vielen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland spanischer Rum vertrieben. Zwar habe das deutschkubanische Herkunftsabkommen keine unmittelbare Auswirkung auf das vorliegende Widerspruchsverfahren. Es dokumentiere jedoch, dass der Begriff "HAVANA" sehr wohl Unterscheidungskraft für die Waren derjenigen Unternehmen besitze, die zur Benutzung dieser Bezeichnung für Waren aus Havanna berechtigt seien. In beiden Marken dominiere das Wort "HAVANA", weil die weiteren Wortbestandteile "CLUB" bzw. "S.S. Spirit of" nur untergeordneter Natur seien. Auch sei die Wortfolge "S.S. Spirit of" frei zu übersetzen mit "S.S. der Geist von..." und damit eine bloße Anspielung auf die Marke "HAVANA CLUB", sodass jedenfalls die Gefahr einer gedanklichen Verbindung bestehe.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16.02.2000 aufzuheben und die Löschung der Marke 396 51 965 wegen des Widerspruchs aus der Marke 892 051 anzuordnen.

Die in den USA ansässige Markeninhaberin hat keinen Antrag gestellt. Ihre Vertreter haben mit Schriftsatz vom 9.11.2000 die Vertretung niedergelegt. Mit Schreiben vom 26. April 2001, zugestellt durch Aufgabe zur Post am 27.04.2001, erging an die Markeninhaberin unter Hinweis auf § 96 MarkenG die Aufforderung zur Bestellung eines neuen Inlandsvertreters, der sie nicht nachgekommen ist.

II Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Es stellt keinen Löschungsgrund in Bezug auf die angegriffene Marke dar, dass deren Inhaberin nach der Mandatsniederlegung durch ihre bisherigen Vertreter nicht erneut einen Inlandsvertreter gem. § 96 Abs. 1 MarkenG bestellt hat (BGH BlPMZ 2000, 327 - Ewing). Im Rechtsmittelverfahren ist über die Beschwerde der Widersprechenden auch in einem solchen Fall, allerdings ohne Teilnahme der Markeninhaberin am Verfahren, in der Sache zu entscheiden (BGH aaO - Ewing; BPatG 27 W (pat) 11/98, Beschluss vom 15.12.1998 - BALSAN/BALZE; 28 W (pat) 66/96, Beschluss vom 28.05.1997 - EDEN/EDEN).

2. Die Beschwerde der Widersprechenden kann keinen Erfolg haben, weil zwischen den beiderseitigen Marken nicht die Gefahr von Verwechslungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr i.S. der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 - Canon). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH aaO - Canon).

Hiervon ausgehend bedarf es angesichts der bis hin zur Warenidentität reichenden großen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren zwar eines deutlichen Abstandes der Marken. Dieser wird von der angegriffenen Marke jedoch in jeder Richtung eingehalten, selbst wenn zu Gunsten der Widersprechenden auf Grund der von ihr für das Jahr 1996 glaubhaft gemachten Umsätze von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen wird.

Insgesamt unterscheidet sich die angegriffene Marke auf Grund ihrer Bestandteile "S.S. Spirit of" sowie der Darstellung eines in einen Hafen einlaufenden Seglers von der Widerspruchsmarke, die den in der angegriffenen Marke nicht enthaltenen Wortbestandteil "CLUB" enthält, sowohl bildlich als auch klanglich deutlich.

Eine Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck beider Marken würde deshalb nur dann angenommen werden können, wenn dem in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Wort "HAVANA" ausnahmsweise eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zugemessen werden könnte. Dies würde voraussetzen, dass diesem Bestandteil in beiden Marken eine selbständig kennzeichnende Stellung zukäme und er deshalb geeignet wäre, die Erinnerung an die Gesamtbezeichnungen wachzurufen, während die weiteren Elemente der Marken nur eine eher untergeordnete Bedeutung haben dürften (BGH MarkenR 2000, 20, 21 f - RAUSCH / ELFI RAUCH). Eine solche Prägung durch das Wort "HAVANA" ist jedoch nicht gegeben. Dies gilt auch dann, wenn zu Gunsten der Widersprechenden angenommen wird, dass das Wort "HAVANA" trotz seiner Eignung als geografische Herkunftsangabe für Rum und Rumgetränke eine normale Kennzeichnungskraft aufweist.

Gegen eine Prägung der beiderseitigen Marken durch die geografische Angabe "HAVANA" spricht nämlich entscheidend der Umstand, dass sich dieses Wort sowohl in der Widerspruchsmarke als auch in der angegriffenen Marke mit den weiteren Wortelementen jeweils zu einer gesamtbegrifflichen Einheit verbindet. Während die Widerspruchsmarke einen in der kubanischen Hauptstadt belegenen Club bzw. einen Club mit dem Namen "HAVANA" bezeichnet, handelt es sich bei den Wortbestandteilen der angegriffenen Marke um den Namen "Spirit of Havana" eines Segelschiffs, wobei das Verständnis der Wortbestandteile als einheitlicher Name eines Schiffs durch den Bildbestandteil der angegriffenen Marke zusätzlich erheblich gefördert wird. Ein völliges Zurücktreten bzw. eine Vernachlässigung der weiteren, voneinander abweichenden Wortbestandteile der Marken durch den Verkehr kann deshalb nicht angenommen werden, so dass die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen zu verneinen ist. Die Frage, welche rechtliche Bedeutung dem deutschkubanischen Herkunftsabkommen innerhalb des anhängigen markenrechtlichen Widerspruchsverfahrens zukommen kann, konnte angesichts der Tatsache, dass die Wortbestandteile beider Marken Gesamtbegriffe darstellen und die Bezeichnung "HAVANA" schon deshalb keine der beiden Marken prägt, dahingestellt bleiben.

Für die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG) fehlt es an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für den mit den Marken konfrontierten Verkehr. Die Annahme der Widersprechenden, die angegriffene Marke werde in ihrer möglichen Bedeutung "der Geist von Havana" als Anspielung auf die Widerspruchsmarke verstanden werden, setzt Überlegungen des Verkehrs voraus, die dieser erfahrungsgemäß bei der Konfrontation mit Marken regelmäßig nicht oder allenfalls dann anstellt, wenn er hierfür auf Grund besonderer Umstände konkreten Anlass hat. Solche besonderen Umstände hat die Widersprechende jedoch nicht vorgetragen. Insbesondere ist nicht bekannt, ob die Widersprechende weitere Marken mit dem Wort "Havana" für alkoholische Getränke benutzt, die den Verkehr an eine Serie der Widersprechenden denken lassen könnten. Der Umstand, dass auf Grund des deutschkubanischen Herkunftsabkommens allein die Widersprechende in Deutschland zur Benutzung der Angabe "Havana" berechtigt ist, ist den Käufern der einschlägigen Waren regelmäßig nicht bekannt und kann deshalb auch nicht zur Begründung einer gedanklichen Verbindung der Marken herangezogen werden.

Da die Beschwerde schon wegen fehlender Verwechslungsgefahr der Marken keinen Erfolg haben kann, bedarf die Frage, ob die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt worden ist, keiner Entscheidung.

Gründe: dafür, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG), liegen nicht vor.

Kraft Richterin Eder ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert.

Kraft Reker Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D97965.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 05.06.2002
Az: 26 W (pat) 124/00


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