Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 3. September 1999
Aktenzeichen: 4 K 2849/97

(VG Köln: Urteil v. 03.09.1999, Az.: 4 K 2849/97)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2000.- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

In seiner Sitzung am 19. April 1996 beschloß der Rat der Beklagten die Aufstellung eines Bebauungsplanes, in dessen Plangebiet im Ortsteil Wachtberg- Berkum ein Einkaufszentrum errichtet werden soll. Der Beschluß wurde am 18. Mai 1996 im Amtsblatt der Gemeinde Wachtberg veröffentlicht. Am 12. Juli 1996 beantragte die "Aktionsgemeinschaft für Läden in den Orten" ein Bürgerbegehren zu der Frage:

"Die Gemeinde Wachtberg erstellt ein Konzept zur ausschließlichen Förderung des heimischen Einzelhandels innerhalb der Ortschaften. Die Gemeinde fördert in diesem Konzept nur Maßnahmen, die den heimischen innerörtlichen Einzelhandel unterstützen und zu einer Verbesserung der derzeitigen Einkaufs- und Dienstleistungsstandorte führen. Befürworten sie diesen Beschlu߀ (Ja/Nein)"

In der Begründung des Antrags heißt es, als Flächengemeinde seien die Bürgerinnen und Bürger im Interesse ihrer Nahversorgung auf den Einzelhandel innerhalb der einzelnen Ortschaften Wachtbergs dringend angewiesen. Deshalb müsse die Gemeinde ein Konzept aufstellen, in dem ausschließlich die Förderung und Unterstützung der heimischen Einkaufsstätten und Dienstleistungsunternehmen in den Orten selbst verfolgt werde. Die Gemeinde wirke dabei ausdrücklich allen Bestrebungen entgegen, die diesem Konzept widersprächen.

Zur Finanzierung heißt es in dem Antrag, die meisten Aktivitäten hieraus seien ideeller Natur und hätten keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Haushalt der Gemeinde. Die Gemeinde erhalte durch die verstärkte innerörtliche Ansiedlung Einkünfte aus anfallenden Steuern. Darüber hinaus stelle die Gemeinde bei allen künftig zu erlassenden Haushaltssatzungen einen ausreichenden Betrag ein; die Deckung erfolge im Rahmen des jeweiligen Gesamthaushalts. Als Vertreter des Bürgerbegehrens wird der Kläger bezeichnet. Dem Antrag waren 1789 Unterstützungsunterschriften für das Bürgerbegehren beigefügt, von denen die Verwaltung "mehr als 1450" Unterschriften als rechtswirksam anerkannte.

Mit Beschluß vom 9. September 1996 erklärte der Rat der Beklagten das Bürgerbegehren für unzulässig, weil es

"a. gegen die Aufstellung eines Bebauungsplanes gerichtet ist und eine Angelegenheit verbindlich fordert, die ihre Verbindlichkeit nur durch Bauleitplanung erhält, was gemäß § 26 Abs. 5 Ziffer 5 wiederum vom Bürgerbegehren ausgenommen ist und

b. die entstehenden Kosten und deren Deckung nicht hinreichend benennt, was gemäß § 26 Abs. 2 GO verbindlich erforderlich ist."

Dieses Ergebnis teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17. September 1996 mit. Den hiergegen fristgemäß erhobenen Widerspruch wies der Rat der Beklagten in seiner Sitzung am 18. März 1997 als unbegründet zurück; der entsprechende Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 19. März 1997 wurde dem Kläger am 21. März 1997 zugestellt. Die Klage ist am 8. April 1997 beim Verwaltungsgericht Köln eingegangen. Ein Eilantrag des Klägers, mit dem dieser im wesentlichen eine vorläufige Zulassung des Bürgerbegehrens begehrt hatte, blieb erfolglos, da die erkennende Kammer im Beschluß vom 28. Januar 1997 das Vorliegen jedenfalls eines Anordnungsgrundes verneinte (4 L 2818/96).

Der Kläger trägt zur Klagebegründung im wesentlichen vor: Die Entscheidung, das Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären, sei rechtswidrig. Es gehe nicht um eine Angelegenheit, über die im Rahmen der Aufstellung von Bauleitplänen zu entscheiden sei. Gefordert werde mit dem Bürgerbegehren vielmehr die Aufstellung eines innergemeindlichen Konzepts zur Förderung von innerörtlichem Einzelhandel. Es werde nicht gefordert, einen konkreten Bebauungsplan aufzustellen oder abzuändern, sondern es gehe um ein Gesamtkonzept. Weder für die in der Begründung des Bürgerbegehrens angesprochene Bereitstellung gemeindeeigenen Baulands noch für die sonstige Förderung des Gewerbes sei ein Bauleitplanverfahren erforderlich. Auch aus dem inzwischen von der Aktionsgemeinschaft erarbeiteten beispielhaften Konzept ergebe sich, daß eine Förderung der ortsnahen Versorgung in der Gemeinde Wachtberg weitgehend nicht der Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen bedürfe. Das Bürgerbegehren wolle die Erarbeitung eines planerischen Gesamtkonzepts und gehe damit viel weiter als das konkrete Bauleitplanverfahren. Es handele sich um eine Entscheidung im Rahmen der Gewerbepolitik der Gemeinde, nicht um eine flächenbezogene Einzelplanung. Es könne nicht angehen, daß deswegen, weil zur Realisierung einer solchen Entscheidung möglicherweise auch eine Flächenplanung in Form eines Bauleitplanverfahrens durchgeführt werden müsse oder ein bereits betriebenes Bauleitverfahren nicht so durchgeführt werden könne wie der Rat dies nach dem Stand des Verfahrens bei Aufstellungsbeschluß gerne hätte, schon das Bürgerbegehren unzulässig sei. Folge man der Auslegung der Beklagtenseite, könnten Bürgerbegehren in einem weiten Feld gemeindlicher Politik überhaupt nicht mehr stattfinden, weil in vielfältiger Weise Bebauungspläne betroffen sein könnten. In diesem Sinne könne das Gesetz daher nicht ausgelegt werden.

Schon aus dem Wortlaut des Bürgerbegehrens ergebe sich auch, daß ein Verstoß gegen § 26 Abs. 3 GO nicht vorliege, da sich das Bürgerbegehren keinesfalls nur auf einen konkreten Bebauungsplan beziehe.

Das Bürgerbegehren enthalte auch einen ausreichenden Kostendeckungsvorschlag i. S. d. § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NW. Werde das Konzept - wie vom Bürgerbegehren vorausgesetzt - von der Gemeindeverwaltung selbst aufgestellt, entstünden keine weiteren Kosten. Insoweit sei ein Kostendeckungsvorschlag daher entbehrlich. Erst bei Aufstellung des Konzepts könne überlegt werden, ob im Rahmen des Konzepts überhaupt kostenträchtige Maßnahmen erforderlich seien.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Beschlüsse des Rates der Beklagten vom 9. September 1996 und 18. März 1997 in der Fassung des Bescheides vom 17. September 1996 und des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1997 zu verpflichten, das Bürgerbegehren betreffend die Erstellung eines Konzepts zur ausschließlichen Förderung des heimischen Einzelhandels innerhalb der Ortschaften für zulässig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Bürgerbegehren verstoße gegen § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO NW. Wie im Widerspruchsbescheid vom 19. März 1997 zutreffend dargelegt worden sei, könne das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans für ein Einkaufszentrum, das mit Beschluß vom 19. April 1996 eingeleitet worden sei, nicht weitergeführt werden, wenn ein dem Bürgerbegehren entsprechender Bürgerentscheid ergehe. Der Kläger habe im Verfahren 4 L 2818/96 selbst zum Ausdruck gebracht, daß es ein wesentliches Ziel des Bürgerbegehrens sei, die Aufstellung dieses Bebauungsplans zu unterbinden. Selbstverständlich sei die Aufstellung eines Einzelhandelskonzepts nicht generell durch § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO NW als Gegenstand eines Bürgerbegehrens ausgeschlossen. Gegenstand des streitgegenständlichen Bürgerbegehrens sei jedoch nicht die Aufstellung eines allgemeinen Einzelhandelskonzepts für die Beklagte, das - ohne Verbindlichkeit für Verfahren der Bauleitplanung - verschiedene Möglichkeiten zur Entwicklung des Einzelhandels darstelle und unter städtebaulich relevanten Gesichtspunkten gegeneinander abwäge. Gegenstand des Bürgerbegehrens sei vielmehr ein Konzept, mit dem städtebauliche Entwicklungen, die nicht der Förderung des heimischen Einzelhandels innerhalb der Ortschaften dienten, ausgeschlossen werden sollten. Der Umstand, daß das begehrte Konzept Wirkungen auch außerhalb des Verfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplanes für das Einkaufszentrum entfalten könne, sei unter diesen Umständen ohne rechtliche Bedeutung.

Im übrigen sei auch die Annahme des Klägers, die Aufstellung des Konzepts verursache keine Kosten, weil sie von der Verwaltung geleistet werden könne, unrichtig. Zum einen arbeite die Verwaltung nicht kostenfrei, zum anderen fehle ihren Mitarbeitern die fachliche Kompetenz, ein Konzept zu erarbeiten, wie es durch das Bürgerbegehren gefördert werde. Außerdem sei das Bürgerbegehren nicht nur auf die Erarbeitung eines Papiers, sondern darüber hinaus auch auf die Förderung der dort genannten Maßnahmen zu Gunsten des heimischen Einzelhandels gerichtet und müsse der Finanzierungsvorschlag deshalb auch diejenigen Kosten einbeziehen, die durch die Umsetzung des Konzepts voraussichtlich entstehen würden.

Im übrigen sei das Bürgerbegehren auch deshalb unzulässig, weil durch einen entsprechenden Bürgerentscheid nicht eine Entscheidung des Rates getroffen, sondern nur die noch zu treffende Entscheidung des Rates vorgeprägt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage des Klägers zu 2) (Bürgerbegehren "Aktionsgemeinschaft für Läden in den Orten") ist bereits deshalb unzulässig, weil das Bürgerbegehren als solches nicht klagebefugt ist. Dies ergibt sich aus § 26 Abs. 6 Satz 2 GO NW, wonach nur die Vertreter des Bürgerbegehrens gegen die Entscheidung des Rates, ein Bürgerbegehren nicht zuzulassen, Widerspruch einlegen können. Diese Beschränkung gilt entsprechend auch für das weitere Rechtsmittelverfahren.

Vl. Rehn/Cronauge, Anm. VII Nr. 1 zu § 26 GO.

Die Klage ist auch insoweit aus formalen Gründen unzulässig, als sie gegen den Beklagten zu 2) (Rat der Gemeinde Wachtberg) gerichtet ist. In Klagen der hier vorliegenden Art, in denen es ausschließlich um die vom Rat verneinte Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens geht, handelt es sich nicht um einen innerorganschaftlichen oder organinternen Streit innerhalb der Gemeinde, da jedenfalls in diesem Stadium weder das Bürgerbegehren, noch seine Unterzeichner oder die Stellvertreter als Organ der Gemeinde oder Teil eines Gemeindeorgans angesehen werden können. Vielmehr sind insoweit die Außenrechtsbeziehungen der Gemeinde betroffen, so daß die Klage ungeachtet der gemeindeinternen materiellen Entscheidungszuständigkeit des Rates gegen die Gemeinde zu richten ist. Da es sich ferner nicht um eine Entscheidung des Gemeindedirektors als Behörde handelt, sondern der Gemeindedirektor lediglich eine vom Rat getroffene Entscheidung nach außen hin umsetzt, ist richtiger Beklagter die Gemeinde Wachtberg, vertreten durch den Gemeindedirektor.

Die Klage des Klägers zu 1) gegen die Beklagte ist zulässig, aber unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.

Die Beklagte ist zu Recht von der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ausgegangen. Dies folgt bereits daraus, daß mit dem Bürgerbegehren gar keine Frage aufgeworfen wird, die einer Entscheidung durch Bürgerentscheid zugänglich wäre. Nach § 26 Abs. 1 GO NW ist ein Bürgerbegehren der Antrag auf einen Bürgerentscheid, nicht auf eine Entscheidung des Rates. Die Bürger können nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift nur beantragen, „daß sie an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden". Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr soll der Gemeinde durch den Bürgerentscheid lediglich die Erstellung eines Konzepts aufgegeben werden, über das der Rat abschließend beraten und entscheiden müßte. Mit dem angestrebten Bürgerentscheid soll mithin keine Entscheidung des Rates ersetzt, sondern lediglich eine solche Entscheidung herbeigeführt werden. Dies ist indes nicht der Sinn eines Bürgerentscheids.

Vgl. insoweit zu der vergleichbaren Rechtslage nach der hessischen Gemeindeordnung Hess. VGH, B. v. 3.1.1994, 6 TG 3023/93.

Daß dem Rat nach der Formulierung des Bürgerbegehrens durch einen positiven Bürgerentscheid bestimmte Bindungen für die von ihm zu treffende Entscheidung auferlegt würden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Mit einem Bürgerentscheid wird nicht bezweckt, daß die Bürger „dem Rat Vorgaben für eine von ihm noch zu treffende Entscheidung machen, sondern allein, daß die Bürger die eigentlich vom Rat zu treffende, abschließende Entscheidung an dessen Stelle selbst treffen",

so OVG NW, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 15 A 974/97 - NVWBl. 1998, 273 (275).

Folgt man dieser Auffassung der Kammer und des OVG NW nicht und geht davon aus, daß nicht nur die abschließende Entscheidung des Rates - hier die Verabschiedung des angestrebten Konzepts selbst -, sondern auch wesentliche Teilentscheidungen im Vorfeld dieser Entscheidung einem Bürgerentscheid zugänglich sind und unterstellt man ferner, daß das Bürgerbegehren auf derartige abschließende (Teil)Entscheidungen gerichtet ist, so verstößt es jedenfalls gegen § 26 Abs. 5 Ziff.6 GONW. Nach § 26 Abs. 5 Ziffer 6 GO NW ist ein Bürgerbegehren unzulässig über "die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen". Hiergegen verstößt das Bürgerbegehren, obwohl es weder den Aufstellungsbeschluß des Rates vom 19. April 1996 noch das im „Bebauungsplanentwurf Nr. 02 -10 „Einkaufszentrum", Berkum" vorgesehene Einkaufszentrum in Wachtberg-Berkum erwähnt. Die Kammer hat jedoch keinen Zweifel daran, daß es sich - wie die Beklagte zu Recht angenommen hat - dennoch primär gegen diesen Aufstellungsbeschluß und das in ihm zum Ausdruck kommende Konzept einer zentralisierten Versorgung des Gemeindegebiets durch das geplante Einzelhandelszentrum wendet, indem es diesem Konzept das vollkommen entgegengesetzte Konzept einer dezentralisierten Versorgung durch "heimische" Einzelhandelsbetriebe entgegensetzt. So heißt es etwa in dem vorgeschlagenen Beschluß, es solle ein Konzept zur "ausschließlichen Förderung des heimischen Einzelhandels innerhalb der Ortschaften" erstellt werden, in dem die Gemeinde "nur Maßnahmen, die den heimischen, innerörtlichen Einzelhandel unterstützen und zu einer Verbesserung der derzeitigen dezentralen Einkaufs- und Dienstleistungsstandorte führen", fördert. Noch deutlicher wird das Ziel der Verhinderung des Einkaufszentrums in dem Satz der Begründung: "Die Gemeinde wirkt dabei ausdrücklich allen Bestrebungen entgegen, die diesem Konzept widersprechen". Zu diesen, dem angestrebten Konzept eindeutig widersprechenden Bestrebungen zählt aber auch - und im hier gegebenen, auch zeitlichen Kontext vorrangig - die von der Ratsmehrheit beschlossene Ausweisung eines speziellen Sondergebietes für das Einkaufszentrum.

Daß das Bürgerbegehren nicht isoliert ("abstrakt"), sondern nur vor dem Hintergrund der konkreten politischen Situation in Wachtberg und hier insbesondere der Auseinandersetzung um das vorgesehene Einkaufszentrum in Wachtberg- Berkum gesehen werden kann, machen neben dem zeitlichen Zusammenhang nicht nur die Äußerungen des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers im Eilverfahren 4 L 2818/96, sondern auch die Ausführungen im "Entwurf eines Einzelhandelskonzepts für die Gemeinde Wachtberg" - "Konzept" -, den der Kläger im Eilverfahren vorgelegt hat, deutlich. So heißt es in der Antragsschrift im Verfahren 4 L 2818/96 wörtlich:

"Ist dieses Einkaufszentrum erst einmal errichtet, ist das Ziel des Bürgerbegehrens, nämlich die Einzelhandelsbetriebe in den einzelnen Ortschaften zu erhalten, praktisch nicht mehr realisierbar, weil die entsprechende Kaufkraft durch das Einkaufszentrum abgesogen wird. Durch konkret drohende Realisierungsmaßnahmen seitens des Antragsgegners ist daher das Ziel des Bürgerbegehrens ernsthaft gefährdet.

Würde man die üblichen Zeiten des Widerspruchverfahrens und des anschließenden Klageverfahrens berücksichtigen, spricht viel dafür, daß zum fraglichen Zeitpunkt nicht nur gültiges Baurecht geschaffen, sondern auch das Einkaufszentrum auch schon realisiert sein wird. Im übrigen wäre auch gültiges Baurecht ohne erhebliche Kostenfolgen durch den Antragsgegner nicht mehr zu beseitigen.

Es ist daher notwendig, im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens dafür zu sorgen, daß der Antragsgegner nicht allein den Zeitablauf nach seiner rechtswidrigen Unzulässigkeitserklärung des Bürgerbegehrens dazu nutzt, das Ziel des Bürgerbegehrens zu verhindern, und auf diesem Wege einen an sich durchzuführenden Bürgerentscheid obsolet macht. ..."

Dies kann nicht anders verstanden werden, als daß zumindest ein wesentliches Ziel des Bürgerbegehrens die Verhinderung des Einkaufszentrums ist, dessen Errichtung wiederum den Regelungsgegenstand des Bebauungsplanes darstellt, dessen Aufstellung der Rat am 19. April 1996 - also weniger als drei Monate zuvor - beschlossen hatte. Auch der vorgelegte Entwurf eines "Konzepts" läßt diese Zielrichtung erkennen, etwa wenn es dort (S. 2) heißt, die Errichtung des Einkaufszentrums mache "eine gleichzeitige Entwicklung innerhalb der Ortschaften unmöglich" und führe "mittelfristig zu einer völligen Vernichtung der gesamten Einzelhandels- und Dienstleistungseinrichtungen in den einzelnen Orten der Gemeinde Wachtberg", weshalb "der Förderung der ortsnahen Versorgung der Vorrang vor der Zentralisierung aller Versorgungseinrichtungen und aller Dienstleistungen an einem Ort" zu geben sei. Das Ziel der Verhinderung des Einkaufszentrums kommt auch in dem im Amtsblatt der Gemeinde Wachtberg vom 27. Juli 1996 auf den S. 10 und 11 abgedruckten Schreiben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Gemeinde Wachtberg zum Ausdruck, in dem es u. a. heißt, es sei das Ziel der Aktionsgemeinschaft "ein Einkaufszentrum überflüssig zu machen". Auch die weiteren Ausführungen in diesem Schreiben der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, deren Ortsverein neben der Bürgerinitiative "Einkaufszentrum: Nein !" dem "Förderverein Frieden und Umweltschutz, Wachtberg e.V.", der SPD-Wachtberg und der UWG-Wachtberg zu den Initiatoren des Bürgerbegehrens gehören, lassen keinen Zweifel daran, daß das Bürgerbegehren vorliegend als ein Instrument verstanden wird, um "Großprojekte der Ratsmehrheit" wie das Einkaufszentrum zu Fall zu bringen.

Ist ein wesentliches Ziel des Bürgerbegehrens danach aber die Verhinderung des Einkaufszentrums, dessen Errichtung der Aufstellungsbeschluß des Rates vom 19. April 1996 gerade ermöglichen soll, so ist es nach § 26 Abs. 5 Ziffer 6 GO NW unzulässig. Hierfür ist ebensowenig wie für die Anwendung des § 26 Abs. 3 GO NW

vgl. hierzu Urteil der Kammer vom 31. Mai 1999 - 4 K 7677/96 - und VGH Mannheim, Urteil vom 18. Juni 1990 - 1 S 657/90 - VBlBW 1990, 460; Ritgen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, 1997, 158 ff.

erforderlich, daß das Bürgerbegehren unmittelbar oder ausschließlich auf die Änderung des einschlägigen Ratsbeschlusses, hier also auf die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung des in Rede stehenden Bebauungsplans gerichtet ist. Vielmehr reicht es auch hier aus, daß es sich inhaltlich auf einen bestimmten Ratsbeschluß bzw. Bauleitplan bezieht und dessen Korrektur bzw. eine wesentlich andere Lösung eines Problems als vom Rat vorgezeichnet anstrebt, wobei auch hier nicht erforderlich ist, daß der Text des Bürgerbegehrens den in Frage stehenden Ratsbeschluß (Bauleitplan) erwähnt oder gar genau bezeichnet.

Vgl. auch insoweit Urteil der Kammer vom 31. Mai 1999 a.a.O. m.w.N..

Nur durch eine solche Beschränkung der Zulässigkeit von Bürgerbegehren kann gewährleistet werden, daß die Festlegung insbesondere der bauplanerischen Vorstellungen der Gemeinde entsprechend dem in § 26 Abs.5 Ziffer 6 GO NW zum Ausdruck gekommenen Willen des Landesgesetzgebers ausschließlich in dem im Baugesetzbuch vorgesehenen Verfahren erfolgt und divergierende Entscheidungen - hier des Rates, dort eines Bürgerentscheids - vermieden werden. Dies macht auch der vorliegende Fall deutlich. Würde nämlich der Bebauungsplan in der Fassung des Aufstellungsbeschlusses beschlossen und hätte andererseits auch das Bürgerbegehren Erfolg, so müßte die gleiche Gemeinde, die die Zulässigkeit des Einkaufszentrums in rechtlichverbindlicher Weise festgelegt hat, aufgrund eines erfolgreichen Bürgerbescheides allen Bestrebungen entgegenwirken, die der Realisierung dieses Einkaufszentrums dienen, da diese Realisierung den Vorgaben des Bürgerentscheids zuwiderläuft. Ist der Bebauungsplan hingegen noch nicht beschlossen, führt ein Bürgerentscheid entsprechend dem vorgelegten Bürgerbegehren zu einem offenen Widerspruch zwischen dem im Aufstellungsbeschluß zum Ausdruck gekommenen Willen der Ratsmehrheit, das Einkaufszentrum zu verwirklichen und den bindenden Vorgaben für das angestrebte Konzept, mit denen die gegenteilige Zielrichtung verfolgt wird.

Ob das Bürgerbegehren darüber hinaus auch deshalb unzulässig ist, weil es sich nach dem vorstehend Ausgeführten gegen den Aufstellungsbeschluß des Rates vom 19.04.1996 richtet und nicht innerhalb von 6 Wochen nach der Bekanntmachung dieses Beschlusses am 18. Mai 1996 eingereicht worden ist (§ 26 Abs. 3 Satz 1 GO NW) und weil es - jedenfalls in Teilen - zu unbestimmt ist und - wie der Beklagte meint - keinen ausreichenden Kostendeckungsvorschlag enthält (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NW), kann danach offen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 709 ZPO.






VG Köln:
Urteil v. 03.09.1999
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