Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 26. März 2008
Aktenzeichen: 18 U 7/07

(OLG Köln: Beschluss v. 26.03.2008, Az.: 18 U 7/07)

Eine im Widerspruch zur Vinkulierung stehende Treuhandabrede führt dazu, dass in der Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung weder Treugeber noch Treuhänder stimmberechtigt sind.

Tenor

A.

Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.04.2008 wird aufgehoben, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

B.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

Gründe

I.

Die Klägerin wurde am 04.09.1997 gegründet. Ihre Gesellschafter sind der Geschäftsführer und seine Brüder T, L und A B, die jeweils 12 % der Geschäftsanteile halten, und der Beklagte zu 1), der die restlichen 52 % der Geschäftsanteile hält und zwar ausweislich einer notariellen Urkunden vom 02.05.2006 als Treuhänder des Beklagten zu 2), der früher bei der Klägerin beschäftigt war und der Onkel der übrigen Gesellschafter ist. Der Gesellschaftsvertrag enthält die Regelung, wonach die Veräußerung von Geschäftsanteilen der Zustimmung der übrigen Gesellschafter bedarf. An der fehlenden Zustimmung der Gesellschafter B ist bislang die vom Beklagten zu 1) seit einiger Zeit angestrebte Übertragung seiner Anteile auf den Beklagten zu 2) gescheitert.

Am 02.06.2006 fand eine Gesellschafterversammlung der Klägerin statt, an der U B, Rechtsanwalt S als Vertreter des Gesellschafters T B, Rechtsanwalt P als Vertreter des Gesellschafters L B und Rechtsanwalt N als Vertreter des Beklagten zu 1) teilnahmen. Rechtsanwalt N war von Rechtsanwalt Dr. M bevollmächtigt worden, an seiner Stelle in dieser Gesellschafterversammlung die Gesellschafterrechte des Beklagten zu 1) wahrzunehmen. Die Vollmachtserteilung an Rechtsanwalt N erfolgte unter Berufung auf die Rechtsanwalt Dr. M von dem Beklagten zu 1) am 14.01.2006 erteilten Generalvollmacht.

In der Gesellschafterversammlung wurde über den Antrag abgestimmt, die Beklagten zu 2) und 3) zu weiteren Geschäftsführern der Gesellschaft zu bestellen. Die für die Gesellschafterversammlung von Rechtsanwalt N und Rechtsanwalt van P jeweils gefertigten Protokolle unterscheiden sich bezüglich des Ergebnisses der Abstimmung: Nach dem Protokoll von Rechtsanwalt N wurde der Antrag mit seinen Stimmen gegen die Stimmen der übrigen Gesellschafter angenommen. Nach dem Protokoll von Rechtsanwalt van P wurden die von Rechtsanwalt N abgegebenen Stimmen nicht gewertet, weil der Beklagte zu 1) entsprechend dem zuvor von den übrigen Gesellschaftern gefassten Beschluss von der Stimmabgabe ausgeschlossen worden war. Danach wurde der Antrag abgelehnt.

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagten zu 2) und 3) damit wirksam zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt worden sind. Diese haben in der Folgezeit versucht, unter Vorlage eines von Rechtsanwalt N erstellten Protokolls der Gesellschafterversammlung ihre Eintragung als Geschäftsführer der Klägerin in das Handelsregister zu erreichen, jedoch ohne Erfolg.

Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung der Auffassung der Klägerin gefolgt, dass eine wirksame Bestellung nicht erfolgt ist, weil Rechtsanwalt N nicht wirksam zur Vertretung des Beklagten zu 1) bevollmächtigt worden sei. Die Erteilung einer Generalvollmacht an Rechtsanwalt Dr. M am 14.01.2006 sei wegen Verstoßes gegen die Vinkulierung der Geschäftsanteile gemäß § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages unwirksam.

Hiergegen wandten sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie halten die Feststellungsklage bereits für unzulässig. Im übrigen meinen sie, dem Beklagten zu 1), der seit längerer Zeit in Griechenland lebe, müsse es möglich sein, seine Rechte als Gesellschafter auch durch Bevollmächtigte wahrzunehmen. Hierdurch ändere sich nichts an seiner Gesellschafterstellung, so dass die Vinkulierung der Geschäftsanteile nicht berührt werde. Widerklagend begehrten sie in der Berufungsinstanz die Feststellung, dass die Rechtsanwalt Dr. M erteilte Generalvollmacht nicht gegen § 15 Abs. 5 GmbHG und § 4 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin vom 04.09.1997 verstößt.

Nach der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2008 haben die Beklagten strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben, worin sie sich verpflichten, von dem von Rechtsanwalt N gefertigten Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 02.06.2006 keinen Gebrauch zu machen; wegen der Einzelheiten der Erklärung wird auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 08.01.2008 (Bl. 302 d. A.) Bezug genommen. Daraufhin haben die Parteien unter Aufrechterhaltung ihrer divergierenden Rechtsauffassungen den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

Im Hinblick darauf, dass die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Senat gemäß § 91a ZPO nur noch nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Diese waren den Beklagten aufzuerlegen, weil sie in diesem Rechtsstreit ohne die Abgabe der zur Erledigung der Hauptsache führenden Unterlassungserklärung voraussichtlich auch in der Berufungsinstanz in vollem Umfang unterlegen wären.

1. Die Klage war zulässig und begründet.

a) Die Auffassung der Beklagten, dass die Feststellungsklage der Klägerin bereits unzulässig war, weil die anderen Gesellschafter Anfechtungsklage analog § 241 AktG hätten erheben müssen, trifft nicht zu. Die Klägerin vertritt unter Berufung auf das Protokoll des Rechtsanwalts van P die Auffassung, dass ein Beschluss mit dem Inhalt "Bestellung der Herren W und C zu Geschäftsführern der GmbH" gar nicht gefasst wurde. Auch aus dem Protokoll des Rechtsanwalts N ergibt sich nicht, dass der Versammlungsleiter festgestellt hätte, dass ein solcher Beschluss gefasst wurde. Ein nicht gefasster Beschluss kann aber auch nicht Gegenstand einer Anfechtungsklage sein. Wenn die Anfechtungsklage demnach unzulässig war, bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Klägerin sich mit der Feststellungsklage gegen von den Klägern behauptete Beschlussfassungen gewehrt hat. Der Feststellungsantrag ist schon als Zwischenfeststellungsantrag zu den weiteren Anträgen zulässig, es zu unterlassen, als Geschäftsführer aufzutreten oder das Protokoll von Rechtsanwalt N zu nutzen.

b) Das Landgericht hat der Feststellungsklage im Ergebnis auch zu Recht stattgegeben. Der in dem Protokoll des Rechtsanwalts N dokumentierte Beschluss über die Wahl der Beklagten zu 2) und 3) zu Geschäftsführern der Klägerin ist nicht wirksam zustande gekommen. Dies beruht allerdings nicht - wie das Landgericht meinte - darauf, dass die Generalvollmacht für Rechtsanwalt Dr. M und damit auch die Unterbevollmächtigung von Rechtsanwalt N unwirksam war, sondern darauf, dass der Beklagte zu 1), der die Generalvollmacht erteilt hatte, in diesem Fall von der Stimmabgabe ausgeschlossen war.

Der Senat teilt die im Schrifttum verbreitete Auffassung, dass eine im Widerspruch zu einer Vinkulierung stehende Treuhandabrede dazu führt, dass weder der Treugeber noch der Treuhänder abstimmen dürfen (vgl. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., 1988, § 68 Rdnr. 50; Bayer, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl., 2008, § 68 Rdnr. 121; Liebscher, ZIP 2003, 825, 826; Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 115). Der Ausschluss des Beklagten zu 1) (Treuhänder) von der Beschlussfassung ergibt sich aus seiner weiterhin bestehenden Treuepflicht gegenüber der Klägerin. Diese Treuepflicht wird verletzt, wenn er sich bei seinem Stimmverhalten vom Beklagten zu 2) (Treugeber) beeinflussen lässt, so dass dieser mittelbar Einfluss auf die Entscheidungen in der Gesellschaft erhält, was durch die Vinkulierung gerade vermieden werden soll. Dies ist zwar nicht zwingend mit einem Treuhandverhältnis verbunden, sondern hängt wesentlich von dem Innenverhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber ab (ebenso Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 115f.), das nicht bekannt ist. Vorliegend sprechen allerdings so gewichtige Indizien für eine Bindung des Beklagten zu 1) gegenüber dem Beklagten zu 2), dass der Senat hiervon ausgehen muss:

Der Beklagte zu 1) hält seinen Gesellschaftsanteil seit 1997, also seit Beginn der Gesellschaft, treuhänderisch für den Beklagten zu 2).

Er hat die Gesellschaftsanteile vorbehaltlich der Zustimmung der Mitgesellschafter unentgeltlich an diesen abgetreten.

Der Beklagte zu 1) gibt an, dass das Unternehmen vom Beklagten zu 2) "in lebenslanger Tätigkeit aufgebaut" wurde.

Er selbst befindet sich seit geraumer Zeit in Griechenland und ist zeitlich nicht in der Lage, sich vor Ort um die Belange der Klägerin zu kümmern.

Er hat den Beklagten zu 2) am 02.05.2006 bevollmächtigt, ihn in allen Angelegenheiten, die die Klägerin betreffen, zu vertreten.

Schließlich hat er Herrn Rechtsanwalt Dr. M, der in der Vergangenheit auch als Rechtsanwalt für den Beklagten zu 2) gegenüber der Klägerin tätig war, die Generalvollmacht erteilt.

Die Summe dieser Indizien legt den Schluss nahe, dass der Beklagte zu 1) kein eigenes Interesse mehr an der Klägerin hat und sich deshalb aufgrund des mit dem Beklagten zu 2) bestehenden Treuhandverhältnisses nach dessen Vorgaben richten wird, bzw. diesem durch die Erteilung von Vollmachten erlaubt, seine Interessen in der Gesellschaft durchzusetzen. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Beklagte zu 2) am 02.06.2006 zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt werden sollte. Ziel der Abstimmung war es augenscheinlich, dessen Einfluss auf die Gesellschaft auch auf diesem Weg zu verstärken. Angesichts dieser deutlichen Umstände, hätte es näherer Darlegungen bedurft, die nicht erfolgt sind, um davon ausgehen zu können, dass der Beklagte zu 1) sein Stimmrecht unabhängig von dem bestehenden Treuhandvertrag ausübt und deshalb nicht von der Beschlussfassung ausgeschlossen ist.

Würde man bei dieser Sachlage nicht von einem Stimmrechtsausschluss ausgehen, wäre eine Umgehung der Vinkulierung ohne weiteres möglich. Der Beklagte zu 2) könnte durch den Beklagten zu 1) die Gesellschaft unter seine Kontrolle bringen.

Die Entscheidung, dass dem Beklagten zu 1) kein Stimmrecht zustand, steht auch nicht im Widerspruch zu früheren Entscheidungen des Senats. In der Sache 18 U 151/04 ist der Senat zwar davon ausgegangen, dass dem Beklagten zu 1) die Rechte eines Gesellschafters uneingeschränkt zustehen. Diese Entscheidung betraf aber die Frage, ob der Beklagte zu 1) berechtigt ist, Gesellschafterversammlungen einzuberufen und Anträge zu stellen. Hiergegen bestehen aber auch unter Berücksichtigung des Stimmrechtsausschlusses keine Bedenken, denn ein Stimmrechtsausschluss schließt eine Antragstellung nicht aus, weil dadurch noch kein bestimmender Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft genommen wird (Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., 2006, § 47 Rdnr. 13).

Die Frage des Stimmrechtsausschlusses könnte allerdings anders zu beurteilen sein, wenn davon auszugehen wäre, dass das Treuhandverhältnis zwischen den Beklagten zu 1) und 2) den anderen Gesellschaftern von Anfang an bekannt gewesen ist, diese sogar selbst nur Treuhänder für den Beklagten zu 2) sind. Diese zwischen den Parteien bereits in erster Instanz streitige Frage, wäre in der Berufungsinstanz auch ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung nicht aufzuklären gewesen. Der erstmals in dem Schriftsatz vom 08.01.2008 erfolgte Beweisantritt - zuvor war im Schriftsatz vom 08.11.2007 lediglich auf Schriftsätze in einem anderen Verfahren Bezug genommen worden - stellt ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel i. S. des § 531 Abs. 2 ZPO dar. Die Voraussetzungen, unter denen diese in der Berufungsinstanz noch zuzulassen sind, liegen nicht vor. Ersichtlich ist die Frage, ob auch die übrigen Gesellschafter ihre Beteiligung an der Klägerin nur treuhänderisch für den Beklagten zu 2) halten, diese jedenfalls von Anfang an Kenntnis von dem Treuhandverhältnis zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) hatten, für die Entscheidung des Rechtsstreits von erheblicher Bedeutung. Dies gilt auch dann, wenn man nicht auf einen Stimmrechtsausschluss des Beklagten zu 1), sondern - wie das Landgericht - auf eine Unwirksamkeit der Generalvollmacht abstellt, weil es in beiden Fällen darauf ankommt, ob eine Umgehung der Vinkulierung vorliegt. Die Beklagten waren auch nicht gehindert, ihre Beweisangebote bereits in erster Instanz vorzutragen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils in dieser Sache Kenntnis von den nunmehr benannten Zeugen erlangt haben.

c) Im Hinblick darauf, dass die Beklagten zu 2) und 3) aus den vorstehend dargestellten Gründen nicht wirksam zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt wurden, waren sie auch nicht berechtigt, das Protokoll des Rechtsanwalts N über die Gesellschafterversammlung vom 02.06.2006, wonach sie zu Geschäftsführern bestellt worden sind, im Geschäftsverkehr zu nutzen, insbesondere darauf gestützt, ihre Eintragung in das Handelsregister zu betreiben.

Auch der Beklagte zu 1) war hierzu nicht berechtigt. Soweit er sich jetzt darauf berufen hat, er habe in der Vergangenheit auch noch nie in irgendeiner Weise von dem Protokoll Gebrach gemacht, so dass es an einem Erstverstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung fehle, trifft das nicht zu: Die Beklagten zu 2) und 3) haben unter Bezugnahme auf das Protokoll von Rechtsanwalt N ihre Eintragung in das Handelsregister beantragt. Also muss der Beklagte zu 1) persönlich oder einer seiner Vertreter ihnen das Protokoll überlassen haben und zwar gerade zu diesem Zweck.

2. Die in der Berufungsinstanz erst erhobene Widerklage war unzulässig, weil ein Feststellungsinteresse nicht erkennbar ist. Die Zulässigkeit folgt auch nicht aus § 256 Abs. 2 ZPO, denn auf Grund des vom Senat angenommenen Stimmrechtsausschlusses kommt es auf die Frage der Wirksamkeit der Bevollmächtigung nicht an.






OLG Köln:
Beschluss v. 26.03.2008
Az: 18 U 7/07


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