Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Juli 2001
Aktenzeichen: 23 W (pat) 3/00

(BPatG: Beschluss v. 31.07.2001, Az.: 23 W (pat) 3/00)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle 11.52 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. November 1999 aufgehoben. Das Verfahren wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Dem Anmelder wird die Beschwerdegebühr zurückgezahlt.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist zunächst mit einer in englischer Sprache beschrifteten Zeichnung und der Bezeichnung "Thermonuclear battery cell" am 18. Februar 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden. Der Anmelder hat sodann am 20. Februar 1998 einen Patenterteilungsantrag unter der Bezeichnung "Thermonukleare Batterie-Zelle" und eine Zeichnung mit einer Beschriftung in deutscher Sprache nachgereicht. Mit Beschluss vom 7. April 1999 hat die Prüfungsstelle 11.33 den Anmeldetag auf den 20. Februar 1998 festgesetzt.

Mit Bescheid der Prüfungsstelle 11.52 vom 11. Juni 1999 wurde der Anmelder auf Mängel seiner Anmeldung hingewiesen. Die Prüfungsstelle hat dazu ausgeführt, dass außer der Beschreibung des Anmeldungsgegenstandes und den Zeichnungen auch Patentansprüche einzureichen seien, in denen anzugeben sei, welche konkreten technischen Merkmale des Anmeldungsgegenstandes als neu und patentfähig unter Schutz gestellt werden sollen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 11. Juni 1999 (Bl 12/13 der Anmeldeakten) verwiesen. Am 25. August 1999 hat der Anmelder eine weitere Zeichnung mit geänderter Beschriftung eingereicht, worauf die Prüfungsstelle mit Bescheid vom 14. September 1999 dem Anmelder zur Erledigung des Bescheides vom 11. Juni 1999 eine Frist von einem Monat gesetzt hat. Innerhalb dieser Frist hat der Anmelder einen Schriftsatz vom 17. Oktober 1999, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 19. Oktober 1999, mit dem Betreff "Beschreibung zur Skizze vom 20. Februar 1998 thermonukleare Batterie-Zelle" eingereicht. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz (Bl 20/21 dA) verwiesen.

Mit Beschluss vom 2. November 1999 hat die Prüfungsstelle 11.52 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Patentanmeldung gemäß § 42 Abs 3 PatG mit der Begründung zurückgewiesen, dass die im Bescheid vom 11. Juni 1999 angegebenen Mängel trotz Aufforderung vom 14. September 1999 nicht beseitigt worden seien.

Gegen die Zurückweisung der Patentanmeldung richtet sich die am 25. November 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde des Anmelders. Der Anmelder rügt unter anderem, dass in dem Zurückweisungsbeschluss vom 2. November 1999 seine Erläuterungen zur Patentanmeldung gemäß Schreiben vom 17. Oktober 1999 mit keinem Wort erwähnt worden seien.

Erst daraufhin hat die Patentabteilung 11 mit Schreiben vom 10. Dezember 1999 den Anmelder ergänzend darauf hingewiesen, dass auch seine im Oktober 1999 eingereichten Unterlagen nicht den Anforderungen des Patentgesetzes entsprochen hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Prüfungsstelle 11.52 sowie auf die Schriftsätze des Anmelders Bezug genommen.

II.

Auf die zulässige Beschwerde des Anmelders hin ist der angegriffene Beschluss gemäß § 79 Abs 3 Nr 2 PatG ohne Sachprüfung aufzuheben und die Sache ist an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen, da das Verfahren vor dem Patentamt an wesentlichen Mängeln leidet.

Zunächst wurde die Entscheidung nach § 42 Abs 3 PatG von einem funktionell nicht zuständigen Beamten des gehobenen Dienstes getroffen. Gemäß §§ 26, 27 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Abs 2 PatG hätte ein technisches Mitglied der Patentabteilung (Prüfer) in der Sache entscheiden müssen. Zwar können nach § 1 Abs 1 Nr 7b der Wahrnehmungsverordnung vom 14. Dezember 1994 (siehe BlPMZ 1995, 51 ff) auch Beamte des gehobenen Dienstes Entscheidungen nach § 42 Abs 3 PatG treffen. Dies gilt aber nur für Zurückweisungen, die nach Beanstandungen zu formellen Mängeln iSd § 42 Abs 1 Satz 1 PatG der Patentanmeldung ergehen, denen der Anmelder nicht widersprochen hat. In dem vom Anmelder eingereichten Schriftsatz vom 17. Oktober 1999 muß aber ein solcher Widerspruch gegen den Beanstandungsbescheid vom 11. Juni 1999 gesehen werden, auch wenn darin den Beanstandungen möglicherweise nicht oder nicht in vollem Umfang Rechnung getragen worden ist. Demzufolge bleibt es auch im Rahmen der Entscheidung nach § 42 Abs 1 iVm Abs 3 PatG bei der regulären funktionellen Zuständigkeit eines technischen Mitglieds der Patentabteilung (vgl zur Frage des Verfahrensmangels bei Entscheidung durch einen Unzuständigen auch BPatG GRUR 1991, 216).

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Anmelder in seiner Eingabe vom 17. Oktober 1999 Patentansprüche nicht ausdrücklich als solche ausformuliert und somit möglicherweise bei formaler Betrachtungsweise dem Beanstandungsbescheid nicht nachgekommen ist, hätte die Prüfungsstelle ohne weiteren Hinweis an den Anmelder und ohne weitere Aufklärung nicht sofort entscheiden dürfen. Ein weiterer wesentlicher Verfahrensmangel liegt darin begründet, dass die Prüfungsstelle den Anspruch des Anmelders auf rechtliches Gehör verletzt hat. Dieser Verstoß ergibt sich daraus, dass die Prüfungsstelle bei ihrer Entscheidung vom 2. November 1999 den Schriftsatz des Anmelders vom 17. Oktober 1999 offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen hat (vgl zu einer entsprechenden Fallgestaltung BGH GRUR 1997, 223 - Ceco). Da sich die Entscheidung zudem mit dem Vorbringen in diesem Anmelderschriftsatz nicht auseinandersetzt, liegt auch ein Begründungsmangel vor, was ebenfalls einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt. Der nach erlassener Zurückweisungsentscheidung im Schreiben der Patentabteilung 11 vom 10. Dezember 1999 erfolgte Hinweis, dass die im Schreiben vom 17. Oktober 1999 eingereichten Unterlagen nicht den Anforderungen des Patentgesetzes genügten, kann diesen Mangel fehlender Begründung nicht heilen, zumal auch dieses Schreiben der Patentabteilung sich mit der Eingabe des Anmelders vom 17. Oktober 1999 sachlich nicht auseinandersetzt.

Beim gegenwärtigen Verfahrensstand erscheint eine Sachentscheidung durch den Senat nicht angemessen und nicht sachgerecht. Sie wäre derzeit wohl ohnehin noch nicht möglich, da dem Anmelder zunächst erneut Gelegenheit zu geben ist, seine Unterlagen zu vervollständigen. Es ist nicht Sinn und Zweck des Beschwerdeverfahrens, erst dort auf die Vorlage der für eine Patentanmeldung erforderlichen Unterlagen hinzuwirken, um dann erstmals im Beschwerdeverfahren eine Sachentscheidung zu treffen. Bei einer solchen Verfahrensweise ginge dem Anmelder eine Instanz verloren.

Die Offensichtlichkeitsprüfung nach § 42 Abs 1 und Abs 3 PatG, nämlich ob die eingereichten Unterlagen den Anforderungen der §§ 34, 36, 37 und 38 PatG genügen und ob eine patentfähige Erfindung offensichtlich nicht vorliegt, wird die Prüfungsstelle im fortzusetzenden Verfahren vorzunehmen haben. Dabei wird zu prüfen sein, ob im Vorbringen gemäß Schriftsatz vom 17. Oktober 1999 die Formulierung von Patentansprüchen im Sinne des § 34 Abs 3 Nr 3 PatG gesehen werden kann. Sofern dies nicht der Fall ist, wird die Prüfungsstelle dem Anmelder erneut unter Fristsetzung Gelegenheit geben müssen, ausformulierte Patentansprüche einzureichen, in denen angegeben ist, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll.

In diesem Zusammenhang wird auch erneut zu prüfen sein, ob die bis zum 20. Februar 1998 eingereichten Anmeldeunterlagen - dh die beschriftete Zeichnung - schon als wirksame Patentanmeldung angesehen werden können (vgl dazu BPatG GRUR 1984, 804, wobei sich diese Entscheidung allerdings - im Unterschied zum vorliegenden Fall - auf eine unbeschriftete Zeichnung bezieht). Sollte sich erweisen, dass sich eine technische Lehre für den Fachmann nicht aus der beschrifteten Zeichnung allein schon herauslesen lässt, sondern sich erstmals im Zusammenhang mit dem Vorbringen im Schriftsatz vom 17. Oktober 1999 ergibt, wäre es im weiteren Prüfungsverfahren als fehlerhaft anzusehen, dieses Vorbringen im Schriftsatz vom 17. Oktober 1999 unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Erweiterung bzw fehlender ursprünglicher Offenbarung zurückzuweisen. In einem solchen Fall wären die Voraussetzungen für die Vergabe eines Anmeldetages erst mit dem Eingang des Schreibens vom 17. Oktober 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt am 19. Oktober 1999 erfüllt und es wäre eine entsprechende Festlegung des Anmeldetages auf diesen späteren Zeitpunkt erforderlich. Denn eine vorschnelle Vergabe des Anmeldetages darf nicht dazu führen, dass spätere Eingaben, aus denen sich erstmals eine technische Lehre ergibt, unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung bzw der fehlenden Offenbarung zurückgewiesen werden.

Es entspricht vorliegend der Billigkeit, die Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs 3 PatG zurückzuzahlen. Als Gründe für eine Rückzahlung kommen insbesondere Verfahrensfehler seitens des Deutschen Patent- und Markenamts in Betracht (vgl hierzu Schulte PatG, 6. Aufl, § 80 Rdn 66 ff). Wie oben näher ausgeführt, lagen solche relevanten Fehler vor, die auch für die konkrete Beschwerdeeinlegung ursächlich waren.

Dr. Beyer Dr. Meinel Lokys Knollbr/Kr/Fa






BPatG:
Beschluss v. 31.07.2001
Az: 23 W (pat) 3/00


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