Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 29. Oktober 2003
Aktenzeichen: VII-Verg 30/03

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 29.10.2003, Az.: VII-Verg 30/03)

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird - unter Zu-rückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - der Kosten-festsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 24. Februar 2003 (VK 2 - 82/02) teilweise abgeändert und insge-samt wie folgt neu gefasst:

Die Antragstellerin hat der Beigeladenen außergerichtliche Kos-ten in Höhe von 14.352,51 EUR zu erstatten.

Das weitergehende Kostenfestsetzungsgesuch der Beigelade-nen wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beigeladene zu 10 % und die Antragstellerin zu 90 %.

III. Der Beschwerdewert wird auf 5.023 EUR festgesetzt.

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

Die nach § 116 Abs. 1 GWB statthafte Beschwerde hat zum überwiegenden Teil Erfolg.

I.

Die Antragstellerin hat der Beigeladenen außergerichtliche Kosten von insgesamt 14. 352,51 EUR zu erstatten. Eine Verzinsung dieses Erstattungsbetrages ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Kostenfestsetzungsgesuchs der Beigeladenen findet nicht statt.

A. Die Vergabekammer hat der Berechnung der Anwaltsgebühren einen Gegenstandswert von 1.809.030,57 EUR zugrunde gelegt. Sie hat den Wert des bei ihr geführten Vergabenachprüfungsverfahrens in analoger Anwendung des § 12 a Abs. 2 GKG auf 5 % der streitbefangenen Auftragssumme der Antragstellerin veranschlagt und dabei maßgeblich auf den Nettobetrag abgestellt.

Dagegen wendet sich die Beigeladene ohne Erfolg. Es entspricht der gefestigten Senatsrechtsprechung, dass im Rahmen des § 12 a Abs. 2 GKG auf die Nettosumme des im Streit stehenden Angebots abzustellen ist (Beschl. v. 22.10.2003 - VII-Verg 55/03; Beschl. v. 2.7.2003 - Verg 14/03; Beschl. v. 30.12.2002 - Verg 42/01; Beschl. v. 29.4.2002 - Verg 36/01). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Gesetzgeber das mit einem Nachprüfungsbegehren verfolgte wirtschaftliche Interesse der antragstellenden Partei an der Wahrung ihrer Zuschlagschancen einheitlich und generalisierend mit 5 % der streitbefangenen Auftragssumme bewertet hat, und dass die Umsatzsteuer als ein bloß durchlaufender Posten für die Erwerbsaussichten des Bieters ohne jeden Belang ist. Bei einer an Sinn und Zweck des § 12 a Abs. 2 GKG orientierten Auslegung ist deshalb mit dem Begriff der "Auftragssumme" die Nettoangebotssumme gemeint. An dieser Auffassung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest.

B. Für die Vertretung der Beigeladenen im Vergabenachprüfungsverfahren ist sowohl eine volle Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO wie auch eine volle Verhandlungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO anzusetzen. Mit Recht beanstandet die Beigeladene, dass die Vergabekammer die entsprechenden Ansätze in ihrem Kostenfestsetzungsgesuch gekürzt und jeweils nur eine 7,5/10-Gebühr in Ansatz gebracht hat.

1. Sieht das Gebührenrecht - so wie in § 118 Abs. 1 BRAGO - für die anwaltliche Vergütung nur eine Rahmengebühr vor, bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers. Ist - wie vorliegend - die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 12 Abs. 1 BRAGO). Angesichts dieser Gesetzeslage ist der von den Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen gewählte volle Gebührensatz nur auf seine Unbilligkeit hin zu überprüfen.

2. Am Prüfungsmaßstab der Unbilligkeit gemessen ist der Ansatz einer vollen (Geschäfts- und Verhandlungs-)Gebühr nicht zu beanstanden.

Die Vergabekammer hat die von ihr vorgenommene Kürzung des Anwaltshonorars auf eine 7,5/10-Gebühr mit dem pauschalen Hinweis auf das nur durchschnittliche Gewicht der Angelegenheit sowie den bloß durchschnittlichen Umfang und die lediglich durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit begründet. Dem vermag der Senat nicht beizutreten.

Das Nachprüfungsverfahren hatte für die Beigeladene überdurchschnittliche Bedeutung. Denn es betraf die Vergabe eines Bauauftrags mit einer erheblichen Auftragssumme. Gegenstand der Ausschreibung waren Bauleistungen, welche die Beigeladene zu einem Nettopreis von rund 36 Mio. EUR angeboten hatte. Auch der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit für die Beigeladene in jenem Nachprüfungsverfahren waren beachtlich. Die Vergabekammer hat sich in ihrem Beschluss vom 11. November 2002, mit dem sie den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen hat, mit mehreren - zum Teil nicht einfach gelagerten - Rechtsfragen befasst. In Bezug auf das Hauptangebot hat sie die fachliche Eignung der Antragstellerin erörtert. Sie ist dabei im einzelnen der Frage nachgegangen, ob die Vergabestelle berechtigt war, von den Bietern den Nachweis eines "ansatzweise erprobten" Verfahrens zur Tonverlegung unter Wasser zu fordern, und ob die Antragstellerin diesen Nachweis erbracht hat. Die Vergabekammer hat sich überdies mit dem Nebenangebot 4 der Antragstellerin befasst und dargelegt, dass jenes Nebenangebot von der Wertung ausgeschlossen werden müsse. Zur Rechtfertigung hat die Vergabekammer zum einen darauf verwiesen, dass sich dem Nebenangebot nicht - wie von den Ausschreibungsbedingungen gefordert - exakt entnehmen lasse, in welchen Punkten die mit dem Nebenangebot unterbreitete Leistung von der ausgeschriebenen Bauausführung abweiche. Zum anderen hat die Vergabekammer angenommen, dass das Nebenangebot 4 von der Vergabestelle als nicht gleichwertig habe beurteilt und auch aus diesem Grund von der Wertung habe ausgeschlossen werden dürfen. Die Vergabekammer hat sich schließlich mit der Problematik befasst, ob das Vergabeverfahren deshalb aufgehoben werden muss, weil der Zusammenschluss der Beigeladenen zu einer Bietergemeinschaft in Bezug auf die Unternehmen "H... H... W... u... T... G..." und "J... M... B...-G...t mbH und Co." gegen das Kartellverbot des § 1 GWB verstößt.

Bereits mit Blick auf die dargestellten Rechtsprobleme ist der Ansatz einer vollen Gebühr nicht als "unbillig" zu beanstanden. Es kommt hinzu, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin weitere Einwendungen entgegengehalten haben. Sie haben die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin bezweifelt und geltend gemacht, diese verletzte mit dem von ihr vorgesehenen Verfahren zur Tondichtung ein näher bezeichnetes Patent der "J... M... B...-G...t mbH und Co.". Darüber hinaus haben sie sich mit der Eignung des technischen Geräts, welches die Antragstellerin zur Tonverlegung und zur Verlegung der Geotextilfiltermatten verwenden wolle, auseinandergesetzt und deren Tauglichkeit und Einsatzfähigkeit in Abrede gestellt. Schließlich haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen eine nähere bezeichnete Unvollständigkeit des von der Antragstellerin unterbreiteten Nebenangebots reklamiert und dazu im einzelnen ausgeführt. Berücksichtigt man - wie es rechtlich geboten ist - auch diese Gesichtspunkte, begegnet die Annahme eines überdurchschnittlichen Umfangs und einer über dem Durchschnitt liegenden Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit erst recht keinen Bedenken.

Im Ergebnis beziffert sich die zugunsten der Beigeladenen als erstattungsfähig festzusetzende Anwaltsvergütung wie folgt:

10/10 Geschäftsgebühr (§§ 11, 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) 7.046,00 EUR

10/10 Verhandlungsgebühr (§§ 11, 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) 7.046,00 EUR

Reisekosten (§ 28 BRAGO) 184,51 EUR

Tagegeld (§ 28 Abs. 3 BRAGO) 56,00 EUR

Telekommunikationspauschale (§ 26 BRAGO) 20,00 EUR

14.352,51 EUR

C. Dieser Erstattungsbetrag ist nicht ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Kostenfestssetzungsantrags der Beigeladenen zu verzinsen. Mit Recht hat die Vergabekammer von einer analogen Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, der eine derartige Verzinsungspflicht vorsieht, abgesehen. Für die Kostenfestsetzung durch die Vergabekammer gilt § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Für die Kostenfestsetzung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist anerkannt, dass die Anordnung einer Verzinsung des Erstattungsbetrages analog § 104 ZPO nicht in Betracht kommt (vgl. nur Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., § 80 Rn. 57 m.w.N.). Dasselbe hat auch für die Kostenfestsetzung durch die Vergabekammer zu gelten (ebenso: BayObLG, Beschl. v. 29.3.2001 - Verg 2/01, BayObLGZ 2001, 77, 80).

II.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 GWB.

III.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 12 a Abs. 2 GKG. Der Beschwerdewert entspricht dem streitbefangenen Kostenbetrag.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 29.10.2003
Az: VII-Verg 30/03


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